Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

Gern. Er ist ja schon ganz aufgeregt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Hat er eine neue Brille?)

- Die hat er schon ein paar Tage länger.

Frau Klahn, ich möchte Sie fragen, wie Sie die Stellungnahme des Landeselternbeirats der Gymnasien beurteilen, die da lautet:

„Der Landeselternbeirat der Gymnasien bedankt sich für die Möglichkeit zur Anhörung und nimmt Stellung zu … § 44 Schulgesetz … wie folgt: Der Landeselternbeirat als institutionelle Vertretung der gymnasialen Elternschaft begrüßt diese Änderung ausdrücklich. Sie trägt dazu bei, dass Ruhe in die Gymnasien beziehungsweise Strukturdebatte einkehrt und die Diskussion sich nun endlich auf inhaltliche Fragestellungen der Ausgestaltung von Gymnasien konzentrieren kann.“

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

- Lieber Herr Habersaat, Sie haben eine selektive Wahrnehmung. Es gibt eine zweite Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf.

(Zuruf SPD: Von Ihnen!)

- Wir haben nacheinander zwei Stellungnahmen eingeholt. Sie sollten die richtige lesen. Ich würde jetzt gern fortfahren, Herr Dr. Stegner.

(Zurufe Wolfgang Kubicki [FDP] und Martin Habersaat [SPD])

Jetzt hat die Frau Abgeordnete Klahn das Wort.

Ich habe das unter dem Tisch stehen. Wir können das gleich klären. Ich habe die Unterlagen von der Anhörung mitgebracht, weil ich genau mit solchen Attacken gerechnet habe. Wir werden das gleich herausholen.

(Unruhe - Zuruf Lars Harms [SSW])

- Muss ich den Zuruf von Herrn Harms jetzt persönlich nehmen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht können wir jetzt so fortfahren wie bisher. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Klahn.

Ich möchte noch einmal herauszustellen: Kinder in G 8 leiden unter einem erheblichen Druck. Aus lerntheoretischer und entwicklungspsychologischer Perspektive wird G 9 für sinnvoll gehalten.

Wir sind der Ansicht, dass abschlussbezogene Klassen die Bildungsqualität fördern und deswegen erhalten bleiben sollten.

Frau Abgeordnete Klahn, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Habersaat?

Frau Klahn, als Sie die zweite Stellungnahme des Landeselternbeirats der Gymnasien erwähnten, meinten Sie da die Stellungnahme, in der es heißt:

„Grundsätzlich begrüßt der Landeselternbeirat der Gymnasien die Möglichkeit der Einrichtung neuer Oberstufen an Gemeinschaftsschulen, allerdings nicht auf Basis der vorgeschlagenen Änderungen.“?

- Genau auf die beziehe ich mich. Ich finde es schön, dass Sie mich jetzt mit den Auszügen konfrontieren, weil ich hier -

(Martin Habersaat [SPD]: „Heftige Kritik an der Koalition“!)

(Anita Klahn)

- Wieso „heftige Kritik“? Lieber Herr Habersaat, man kann sich immer das heraussuchen, was es passend macht.

(Heiterkeit und Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelter Beifall PIRATEN)

Jetzt wollen Sie mir absprechen, dass ich die Stellungnahmen lese und sie so verwende, wie ich sie verstehe? Ich finde, Sie haben an der Stelle ein sehr merkwürdiges Demokratieverständnis.

(Zuruf)

Aber ich weiß ja, dass Herr Habersaat vor nichts Angst hat. Ich freue mich auf die weitere Diskussion.

Ich würde gerne darauf zurückkommen, dass abschlussbezogene Klassen die Bildungsqualität fördern. Dazu gibt es eine Studie des Max-Planck-Instituts. Da wurde für NRW als Ergebnis festgehalten, dass Gesamtschüler in Mathematik im Vergleich zu Realschülern um zwei Jahre, im Vergleich zu Gymnasiasten um mehr als zwei Jahre zurückliegen, und das trotz der besseren Personalund Sachausstattung in dieser Schulform. Oder um es mit den Worten des Bildungsforschers Jürgen Baumert zu sagen -:

„Es gibt keine belastbare Studie, die bestätigen könnte, dass ein längeres gemeinsames Lernen sinnvoll sei.“

Es ist für mich also unverständlich, dass Gemeinschaftsschulen die Möglichkeit genommen werden soll, abschlussbezogene Klassen einzurichten.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

- Nein, danke, Frau Midyatli.

Einschränkung der Wahlfreiheit ist Punkt 4. Die Unterrichtsorganisation und Lerngruppenbildung ist eine originäre Aufgabe der Schulen und erfolgt nach pädagogischen Erfordernissen und Möglichkeiten vor Ort zum Wohle der Schülerinnen und Schüler. Mit diesem Gesetz greifen Sie politisch in die Selbstorganisation von Schulen ein. Das ist ein erheblicher Rückschritt gegenüber der jetzigen Regelung. Frau Ministerin Wende, Sie sprechen sich in allen möglichen Interviews dafür aus, den Menschen die Wahlmöglichkeit zu geben. Mit diesem Gesetz konterkarieren Sie sich selbst.

Meine Damen und Herren, warum haben Sie kein Vertrauen in die Entscheidungsprozesse vor Ort? Herr Dr. Stegner hat vorhin diese Frage aufgeworfen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ja, Schulträger ha- ben es so beantragt!)

Sie entfachen die Strukturdebatte neu, anstatt sich mit uns und anderen Beteiligten darüber zu unterhalten, mit welchen Maßnahmen die Schüler tatsächlich besser gefördert werden können. Ich ergänze dazu gerne noch, dass in der Zeit von 2007 bis 2009 die Eltern und die Lehrer an den Schulen überaus verunsichert waren, wie das umgesetzt werden soll, was Sie seinerzeit angerichtet haben. Das war auch der Grund, dass Sie 2009 nicht mehr das Bildungsministerium besetzen durften.

Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz verschärfen Sie unnötig die Konkurrenz zwischen den Schulen. Ein erweitertes Angebot - die demografische Entwicklung ist bekannt - heißt auch, bei Rückgang der Nachfrage wird sich die Konkurrenzsituation in den Schulen um Schüler und Lehrer verschärfen. Sie scheinen das völlig zu ignorieren.

Das Gesetz wird dazu führen, dass gewachsene Strukturen zerstört werden. Ich habe ihre Potenzialanalyse für die Standorte gelesen. Sie rechnen sich das sehr schön. Die Schüler, mit denen sie planen, gibt es nicht. Ihre ganze Grundannahme geht fehl. Mehr Oberstufen führen nicht automatisch zu mehr Abiturienten. Denn allein durch die Schaffung weiterer Kapazitäten werden Schüler nicht schlauer. Quantität kann Qualität nicht ersetzen. Aus meiner Sicht sollte das Abitur immer noch ein Qualitätsmerkmal sein.

(Peter Eichstädt [SPD]: Eine Eliteoberstufe! - Zuruf SPD: Am besten für alle! - Zuruf SPD: Schön selektieren! Alles schön raussortie- ren!)

- Herr Dr. Stegner, dass Sie der Meinung sind, dass Sie uns nicht brauchen, um Ihre Entscheidung durchzubekommen, ist mir persönlich hinlänglich bekannt. Ich finde es trotzdem sehr fragwürdig.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Das ist Demokra- tie!)

Die Kommunen haben im Vertrauen auf ein geltendes Schulgesetz erhebliche Investitionen getätigt. Das ist uns auch in den Anhörungen deutlich gesagt worden. Diese werden mit diesem Schulgesetz infrage gestellt. Ich nenne als Beispiel die Stadt Neumünster, die auf die Alexander-von-HumboldtSchule verweist, welche eine Auswärtigenquote von 71 % aufweist und jetzt als Konkurrenz zwei neue Oberstufen in unmittelbarer Nähe bekommt: Bordesholm ist sieben Kilometer weg und Nortorf circa zehn Kilometer. Das ist eine Entfernung, die

(Anita Klahn)

man Oberstufenschülern ohne Probleme zumuten kann; denn wir reden hier nicht von Grundschülern. Zu Recht überlegt die Stadt Neumünster, aber auch die Stadt Flensburg - im Übrigen mit einem SSWOberbürgermeister - gegen die Bescheide des Bildungsministeriums zu klagen. Sie lassen auch bei der Entscheidung über den Standort Kellinghusen außer Acht, was dort in Zukunft passieren wird. Die Schließung von Prinovis wird ihre Auswirkungen haben.

Auch Ihre Aussage hinsichtlich der zusätzlichen Planstellen für die Oberstufen sehen wir kritisch. Denn wir sehen und empfinden es so, dass es keine zusätzlichen Lehrerstellen gibt.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Ende. - Die Stellen werden aus dem Kontingent der anderen Schulen geschnitten werden. Die Unterrichtsversorgung wird dadurch erheblich verschlechtert.

Sie schränken damit eine Profilvielfalt ein, und Sie nutzen die Wege der Kooperation nicht. Das ist mehr als bedauerlich.

Wir sehen dieses Vorschaltgesetz als überhastet und falsch an. Es dient auf gar keinen Fall dazu, einen Schulfrieden in Schleswig-Holstein herbeizuführen. - Vielen Dank.