Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

Integrationspolitik ist ein Schwerpunkt in der Arbeit der Landesregierung. Wir haben den festen Willen, die Integration der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu fördern. Das aktive und passive Wahlrecht auf kommunaler Ebene wäre dazu ein wichtiger Baustein. Entsprechend haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass sich die Landesregierung im Bundesrat für einen rechtssicheren Weg einsetzen wird, der das Wahlrecht für Nicht-Deutsche möglich macht.

Die Wahl ist der für die Willensbildung in einem demokratischen Staat entscheidende Vorgang und stellt die wichtigste Form der aktiven Teilnahme des Volkes am politischen Leben dar. Einschränkungen des Allgemeinheitsgrundsatzes der Wahl sind nur dann zulässig, wenn ein zwingender Grund vorhanden ist. Ich kann keinen Grund erkennen, die vielen, seit Jahren bei uns lebenden Angehörigen aus Drittstaaten von der demokratischen Teilhabe auszuschließen, keinen einzigen!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, Dr. Ekkehard Klug [FDP] und Torge Schmidt [PIRATEN])

Sie werden zudem schlechter behandelt als Mitbürgerinnen und Mitbürger aus EU-Mitgliedstaaten, die am 26. Mai 2013 bereits zum vierten Mal in Schleswig-Holstein an der Kommunalwahl teilnehmen und damit über die Belange ihrer Gemeinde und ihres Kreises mitbestimmen dürfen. Dies stellt eine sachlich nicht gerechtfertigte und daher nicht zu akzeptierende Ungleichbehandlung dar.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und SSW)

Wir wollen daher den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl auch in diesem Punkt durchsetzen. Allerdings - das ist in der Debatte deutlich geworden - wird der Weg dahin nicht einfach, und in der Diskussion auf Bundesebene wurde insbesondere die Frage unterschiedlich beurteilt, ob eine über das Unionsbürgerwahlrecht hinausgehende Ausweitung des Volksbegriffes verfassungsrechtlich zulässig ist. Wie so oft gibt es also bei einer gesellschaftlich sinnvollen Fortentwicklung rechtliche Hürden.

Das Demokratieprinzip, das durch Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes mit dem Prinzip der Volkssouveränität verknüpft ist, aufgrund der ebenfalls im Grundgesetz festgeschriebenen Ewigkeitsgarantie, könnte - könnte! - in unzulässiger Weise berührt sein. Es lohnt sich aber im Interesse der Gleichbehandlung aller ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, verfassungsrechtliche Bedenken zu diskutierten und auszuräumen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Dabei wäre auch sorgfältig zu prüfen, ob ein umfassendes Ausländerwahlrecht mit dem Homogenitätsprinzip aus Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes vereinbar wäre oder ob der Begriff des Staatsvolkes bei der Kommunalwahl nicht anders formuliert werden darf als bei einer Landtags- oder einer Bundestagswahl.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Bisher nicht diskutiert worden ist die nun angestrebte Ausweitung des für Europa- und Kommunalwahlen bestehenden Unionsbürgerwahlrechts auf Landtagswahlen. Auch hier stellt sich wie immer die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit.

Wir bauen keine Hürden, sondern wir suchen Lösungen. Das Recht ist von Menschenhand gemacht und kann geändert werden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und SSW)

Die Landesregierung wird sich im Bundesrat dafür einsetzen, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, um auch Bürgerinnen und Bürgern, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit oder die eines der anderen EU-Staaten haben, eine Wahlteilnahme zu ermöglichen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN, SSW und Volker Dorn- quast [CDU])

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist jeweils Überweisung in verschiedenen Konstellationen beantragt worden. Der Form halber werde ich über diese Überweisungsanträge abstimmen lassen, und dann sehen wir, was wir in der Sache abstimmen.

Zunächst einmal ist vorgeschlagen worden, eine Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss federführend und mitberatend an den Europaausschuss vorzunehmen. Das müssen wir der Reihe nach machen, weil es unterschiedliche Gemengelagen und zurückgezogene Anträge gibt.

Um der Klarheit willen: Zur Drucksache 18/729 (neu) ist zunächst der Antrag auf Überweisung gestellt worden. Wer einer Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der CDU - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag gegen die Stimmen der CDU mit den Stimmen von SPD, PIRATEN, der Abgeordneten des SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der FDP abgelehnt.

Wir kommen jetzt zum Antrag in der Drucksache 18/737 (neu). Wir verfahren ebenso. Es gibt einen Überweisungsantrag. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der PIRATEN.

(Zurufe)

Es geht um das Wahlrecht zur Landtagswahl. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Dafür sind die Abgeordneten der Piratenfraktion und die Abgeordneten der CDU-Fraktion. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der Fraktionen der PIRATEN und der CDU bei Enthaltung der Fraktion der FDP abgelehnt.

Wir kommen jetzt also zur Abstimmung in der Sache. Es ist zunächst über die Drucksache 18/729 (neu) abzustimmen - Kommunales Wahlrecht für alle Nicht-Deutschen einführen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der CDU mit den Stimmen aller anderen Fraktionen angenommen worden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und SSW)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung zu b), Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/737 (neu). Wer dieser Vorlage seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Abgeordneten des SSW, der Abgeordneten der FDP sowie der Abgeordneten der PIRATEN - fünf Abgeordnete bis auf Herrn Dr. Breyer - gegen die Stimmen der CDU-Fraktion bei Enthaltung der Abgeordneten Hamerich und Dr. Breyer angenommen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und SSW)

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 9:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Streikrechts für bestimmte Beamtinnen und Beamte

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/731

Bevor wir in die Debatte einsteigen, möchte ich Sie bitten, mit mir gemeinsam auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Ohrstedt zu begrüßen. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Wir kommen jetzt zur Beratung. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das sehe ich nicht. Dann hat jetzt für die Fraktion der PIRATEN Herr Abgeordneter Dudda das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag tun wir das, was das Grundgesetz in Artikel 33 Abs. 5 als Auftrag schon seit Langem klar formuliert:

(Minister Andreas Breitner)

„Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.“

(Beifall PIRATEN)

Mit unserem Antrag möchten wir auch eine Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umsetzen, der sich bereits vor vier Jahren dafür aussprach, dass Beamten grundsätzlich das Streikrecht zugebilligt werden sollte.

(Beifall PIRATEN)

Unser Antrag folgt auch dem Gedanken, der sich in der hessischen Verfassung in Artikel 29 Abs. 1 befindet. Dort heißt es schlicht:

„Für alle Angestellten, Arbeiter und Beamten ist ein einheitliches Arbeitsrecht zu schaffen.“

Auch das Bundesverfassungsgericht möchte, dass dem bereits genannten Urteil des Europäischen Menschengerichtshofs in geeigneter Weise bei uns Rechnung getragen wird. Deshalb hat es die Revision in dem Verfahren des Oberverwaltungsgerichts Münster ausdrücklich zugelassen und gerügt, dass seitenlanges Zitieren von Literatur und Rechtsprechung die neuen Entwicklungen nicht einfach ausblenden können. Eine Lehrerin, die gestreikt hatte, klagte gegen eine Disziplinarmaßnahme vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf, das ihr unter Hinweis auf das genannte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte recht gab. Das Oberverwaltungsgericht Münster kassierte dann dieses Düsseldorfer Urteil.

Nicht zuletzt der Bundesvorsitzende von ver.di, Frank Bsirske, spricht sich seit vielen Jahren für das Streikrecht von Beamten außerhalb des Kernbereichs ausdrücklich aus.

(Beifall PIRATEN)

Von den Gegnern des Streikrechts für Beamte werden immer wieder nahezu gebetsmühlenartig die hergebrachten Grundsätze des Beamtentums bemüht. Ergänzt werden diese Grundsätze um die Begrifflichkeit des besonderen Dienst- und Treueverhältnisses.

Das besondere Dienst- und Treueverhältnis ist jedoch de facto nicht mehr existent. Das gilt nicht nur für Schleswig-Holstein. Viele Bundesländer koppeln die Gehaltsentwicklung für Beamte von der allgemeinen bestreikbaren Tarifentwicklung ab. Damit hat man sich arbeitgeberseitig bereits eindeutig von den Grundsätzen verabschiedet und

eben auch von dem Vertrauen, das die Grundlage für das besondere Dienst- und Treueverhältnis ist.

(Beifall PIRATEN)

Die davon betroffenen Beamten nehmen also wahr, dass ihre Dienstherren die Grundsätze der amtsangemessenen Alimentierung den Zwängen der jeweiligen Kassenlage unterordnen. Mit anderen Worten: Wenn man klamm ist, dann entwickelt man den Artikel 33 Abs. 5 GG stillschweigend zum Nachteil der Beamten fort. Abgesehen davon, dass diese Vorgehensweise moralisch verwerflich ist, löst sie bei den Betroffenen, die wir gerade vor zwei Tagen hier erleben durften, erhebliche Frustration und Demotivation und letztlich sogar die innere Kündigung aus. Wer als Arbeitgeber so vorgeht und gleichzeitig den Untergang des Abendlandes prophezeit, wenn Beamte oder nur Teile von Beamten streiken dürfen, der wendet die hergebrachten Grundsätze des Beamtentums wie ein Rosinenpicker an.

(Beifall PIRATEN)

Genau das ist in den letzten Jahren eben zu häufig geschehen. Die Beamten haben eine andere, längere Wochenarbeitszeit als ihre nach Tarif bezahlten Kollegen, die ihnen oft genug gegenübersitzen. Über die Gehaltsentwicklung sprach ich bereits. Genauso wehrlos waren die Beamten vor einigen Jahren, als über Nacht ihre Pension quasi um 3,75 % gekürzt wurde.

Die von der Finanzministerin Heinold im März benutzte Formulierung: „Wir müssten nicht verhandeln, wir können auch so 2013 beschließen“, bringt die Situation auf den Punkt. Wer so spricht, der begreift die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums als Generalvollmacht für tarifpolitische Willkür.

Sparzwänge sind der eine Punkt, in dem der Artikel 33 des Grundgesetzes bereits einseitig modernisiert wurde. Es gibt einen weiteren Punkt, der dringend nach einer zeitgemäßen Aktualisierung des Artikels verlangt. Das ist die staatliche Garantie der Daseinsfürsorge für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Wie viel das Recht der Unkündbarkeit für Beamte noch wert ist, wenn die öffentlichen Arbeitgeber im Wettbewerb mit den privaten Arbeitgebern um die wenigen jungen Menschen stehen, wird sich zeigen, wenn bereits in drei, vier Jahren der demografische Wandel mit aller Härte zuschlägt.