Protokoll der Sitzung vom 29.05.2013

Lieber Herr FDP-Fraktionsvorsitzender Kubicki, Sie mögen das bezweifeln. Darauf kommt es aber auch nicht an. Die Wählerinnen und Wähler bezweifeln das nicht, und deshalb haben sie uns gewählt, lieber Herr Kubicki.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben den festen Glauben, dieses Land nach vorne bringen zu können, eben nicht nur zu resignieren, nur weil zu wenig Geld da ist. Wir sind gewählt worden, um zu gestalten und eben nicht nur um zu verwalten.

Wer Wachstum das Feld bereiten will, der muss zuerst eine Lichtung aus Vertrauen und Verlässlichkeit schaffen. Dazu braucht es eine planbare und nachvollziehbare Finanz- und Wirtschaftspolitik, ergänzt um kraftvolle Visionen und kraftvolle Ideen, die die Wirtschaft in diesem Land in den letzten Jahren so schmerzhaft vermisst hat.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn ein Unternehmen wie Amazon Interesse zeigt, bei Neumünster ein großes Versandzentrum zu bauen, dann sage ich Ja. Wir haben in Schleswig-Holstein die Fläche, wir haben die Arbeitskräfte, wir haben die Autobahnanbindung. Doch ich sage auch: Wir können noch viel mehr, als nur ein Standort für ein Versandzentrum zu sein. Unternehmen wie Amazon, wie Yahoo oder Google können auch ihre nächsten Rechenzentren bei uns bauen. Gekoppelt mit einem eigenen Windpark an der Westküste bekämen sie den Strom zur Kühlung ihrer Server umweltfreundlich, quasi zum Nulltarif. Was wäre das für ein ökologischer Imagegewinn für diese Konzerne, die das durchaus nach so mancher Debatte gebrauchen können.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir müssen die Stärken unseres Landes in Zukunft viel kreativer und phantasievoller zur Schau stellen, und wir müssen Wachstumspotenziale in ihrer ge

(Präsident Klaus Schlie)

samten Bandbreite erkennen und auf dieser ganzen Bandbreite anregen.

Dazu gehören für mich aufeinander abgestimmte langfristige Überlegungen und kurzfristiges Handeln. Kurzfristig werden wir in der Wirtschaftsförderung nachjustieren, um die notwendigen Anreize zu setzen. Wir sind uns einig, dass wir als Land unsere Akquisitionsbemühungen endlich intensivieren müssen. Wir werden diesen Standort auch zum Beispiel dadurch stärken, dass wir noch in diesem Jahr eine fundierte Standort- und Imagekampagne auf den Weg bringen.

Wir werden unsere knappen finanziellen Mittel auf die Wirtschaftsbereiche mit den höchsten Wachstumspotenzialen konzentrieren. Da reden wir über Energieerzeugung, über Gesundheitswirtschaft, Ernährungswirtschaft, maritime Wirtschaft, Tourismus sowie Nano- und Mikrotechnologie.

Wir wissen, dass wir in der nächsten EU-Förderperiode weniger Mittel nach Schleswig-Holstein bekommen werden. Darum werden wir die bestehenden Cluster und ihre Wachstumspotenziale analysieren und gegebenenfalls neu ausrichten. Daneben müssen wir in mindestens fünf großen Feldern arbeiten, um zusätzliche Wachstumsanreize in unserem Land zu schaffen. Diese fünf Felder heißen: Bildung, Arbeit, Infrastruktur, Wirtschaft und Erschließung von Zukunftsmärkten, meine Damen und Herren.

Eine nachhaltige Wachstums- und Konsolidierungsstrategie bearbeitet all diese Felder gleichmäßig und mit langem Atem. Denn wir müssen, wenn wir die ehrgeizigen Ziele, die wir uns setzen, erreichen wollen, einen langen Atem für eine lang angesetzte Strategie haben. Es ist ein langer Prozess, und alle Ressorts werden an diesem Prozess mitarbeiten.

Lassen Sie mich zu jedem der Felder einige Ziele bereits heute formulieren und beschreiben. Bildung: Schleswig-Holstein muss zu einem der führenden Bildungsländer Deutschlands werden. Wenn unser Land wirtschaftlich nicht zurückfallen soll, dann darf es trotz des insgesamt richtigen Sparkurses eben keine Einschnitte in die Bildungsund Forschungsinfrastruktur in Schleswig-Holstein geben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Im Gegenteil, wir müssen die Akzente zugunsten des Bildungs- und Forschungsbereichs verschieben, meine Damen und Herren.

Die Grundlage für den beruflichen Erfolg wird in der Schule, vielleicht sogar noch davor, in der Krippe, gelegt. Beruflicher Erfolg und Bildungsstand stehen im direkten Zusammenhang, und zwar messbar. Ökonomen sagen, wer vier Jahre erfolgreich studiert, verdient 40 % mehr. Die Arbeitslosenquote bei Akademikern liegt bei 2,5 %. Ökonomen sagen, wenn wir erfolgreich in die 20 % der Schülerinnen und Schüler investieren würden, die bei PISA nicht erfolgreich abschneiden, dann würde das das Wachstumspotenzial um 4 % erhöhen. So jüngst das ifo-Institut zu dieser Herausforderung einer Gesellschaft.

Darum ist es unser Ziel, allen Kindern den bestmöglichen Bildungsweg in unserem Land zu ebnen. Wir brauchen ein Schulsystem, das nach oben hin durchlässig ist und jeder Schülerin und jedem Schüler alle Möglichkeiten offenhält.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Darum, meine Damen und Herren, ist es mir auch so wichtig, dass alle Wege zum Abitur gleich gut und gleichwertig sind.

Nicht nur in der Schulbildung, sondern auch in der Hochschulbildung und in der Forschung wollen wir in die Spitze aufrücken. Wir wollen uns als innovatives Wissenschaftsland wieder einen Namen machen. Dafür müssen sich unsere Hochschulen mit ihren Stärken noch intensiver profilieren. Sie müssen sich mit diesen Stärken noch stärker als ein Wissenschaftsland verstehen. Denn gemeinsam können wir in diesem Land mehr erreichen. Bestes Beispiel sind die Exzellenzcluster in den Meereswissenschaften und in der Entzündungsforschung. Wir werden die Forschungsschwerpunkte über die Laufzeit der Initiative bewahren und weiterentwickeln. Wir wissen, unsere Universitäten brauchen eine moderne und eine zukunftweisende Infrastruktur. Deshalb haben wir trotz Konsolidierungspfad neben den normalen Hochschulbaumitteln ein Sondervermögen „Hochschulsanierung“ mit 40 Millionen € aufgelegt. Hilfe bekommen wir vom Bund, das ist auch gut so. Für Studium und Lehre sind für die nächsten Jahre 25 Millionen € bereitgestellt.

Unsere Hochschullandschaft ist der Zukunftsgarant für unser Land. Deshalb setzen wir auf eine langfristige Förderung unserer Institutionen. Wir werden im Rahmen des Hochschulpaktes bis einschließlich 2018 voraussichtlich rund 158 Millionen € Landesmittel in zusätzliche Studienanfängerplätze investieren. Wir werden einschließlich bis zum Jahr 2017 weitere rund 19,5 Millionen € als KoFinanzie

(Ministerpräsident Torsten Albig)

rung in die Exzellenzinitiative stecken. Wir fördern die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Bis 2015 wird allein der Landesanteil ihrer Förderung jährlich um 5 % gesteigert. Das entspricht rund 5,7 Millionen € bei einem derzeitigen Landesanteil von 115 Millionen €. 28 Millionen € in diesem Jahr sind für Projekte der Fraunhofer-Gesellschaft vorgesehen.

Natürlich weiß ich, dass diese Mittel allein nicht alle Probleme lösen werden - natürlich nicht –, aber sie werden für spürbare Verbesserungen sorgen. Dahinter steht die klare Grundsatzentscheidung: Nichts ist teurer, als bei Bildung zu kürzen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der zweite zentrale Bereich ist Arbeit. Das Zukunftsprogramm „Arbeit“ läuft Ende 2013 aus. Deshalb arbeiten wir mit Nachdruck an unserem Landesprogramm „Neue Arbeit“. Es wird die nächste ESF-Förderperiode 2014 bis 2020 abdecken und sich auf die größten Herausforderungen konzentrieren, nämlich wie wir Fachkräfte sichern und gewinnen, wie wir in das Potenzial junger Menschen investieren und wie wir Menschen in den ersten Arbeitsmarkt integrieren, für die es besonders schwer ist, Frauen und Ältere, Menschen mit Behinderungen, Migrantinnen und Migranten. Das neue Programm wird frühzeitig in 2014 starten, damit keine Förderlücken entstehen. Allerdings müssen Bund und EU erst noch ihre Rahmenbedingungen formulieren, damit wir unser Programm zur Genehmigung einreichen können.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das wird hoffentlich im Herbst dieses Jahres geschehen. Unabhängig davon stellen wir in Schleswig-Holstein in diesem Jahr bereits 33 Millionen € für die Arbeitsmarktförderung bereit.

Vor knapp einem Jahr haben wir die Fachkräfteinitiative „Zukunft im Norden“ ins Leben gerufen. Wir sind im Endspurt mit unserem Aktionsplan; im Sommer wird er vorliegen. Unter der Mitarbeit von 47 Institutionen wird er konkrete Projekte und Strategien enthalten, mit denen wir den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnen. Zum Beispiel werden wir ein landesweites Beratungsnetzwerk zur Fachkräftesicherung aufbauen. Die Berater dieses Netzwerks werden gezielt unsere kleinen und mittleren Unternehmen für das wichtige Thema sensibilisieren.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir unternehmen große Anstrengungen, noch mehr junge Leute in den Beruf zu bekommen. Jugendberufsagenturen nach dem Modell „Hamburg“ können da helfen. Diese Ideen aus den Koalitionsfraktionen greifen wir gern auf.

Meine Damen und Herren, Reserven gibt es auch bei den älteren Beschäftigten. Wir brauchen mehr altersgerechte Arbeitsplätze und Arbeitszeitmodelle, Weiterbildungsmaßnahmen und Gesundheitsvorsorge. BMW hat es schon vor einigen Jahren mit seinem Demografieprogramm „Heute für Morgen“ vorgemacht und damit altersgerechte Arbeitsplätze im Konzern geschaffen. Warum nicht solche Förderungen auch bei uns in Schleswig-Holstein und unsere Förderrichtlinien nach solchen Kriterien ausrichten?

Allerdings - das wissen wir, und das hat auch gestern der Integrationsgipfel bei der Bundeskanzlerin gezeigt -: Wir können uns noch so anstrengen; allein mit Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern, die schon im Land sind, werden wir die Kluft zwischen ausscheidenden und nachwachsenden Personen nicht schließen. Das heißt, wir werden uns noch erfolgreicher als Einwanderungsland um qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland bemühen müssen. Wir müssen auch dort miteinander für Attraktivität sorgen.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Drittens. Ein Blick auf die Infrastruktur ist schon angesprochen worden. Ja, wer Straßen kaputtspart, riskiert nicht nur, dass Amazon seine Pakete nicht mehr ausliefern kann. Damit würgen wir unsere gesamte Wirtschaft ab, wenn wir wie bisher unsere bestehende Infrastruktur verkommen lassen.

(Beifall CDU und FDP)

- Es ist schön, dass alle diejenigen klatschen, die in den letzten Jahrzehnten Verantwortung für diese Infrastruktur getragen haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP] - Lachen CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ich freue mich über die Aufregung. Dahinter steckt der Wille, dass wir das jetzt besser machen.

(Christopher Vogt [FDP]: Genau!)

Ich glaube, es ist wichtig, dass man erkennt, dass Politik aus ihren Fehlern lernt, Herr Kubicki.

(Ministerpräsident Torsten Albig)

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie machen doch gerade neue!)

Meine Damen und Herren, der Substanzverlust ist Fakt. Wir nehmen uns deshalb vor, den Straßenbestand des Landes so schnell wie möglich weitgehend zu sanieren. Wir wissen, dass das eine Aufgabe ist, die sich nicht in Jahren bemisst, eher in Jahrzehnten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: In Jahrtausen- den!)

Dafür sind wir in den letzten Jahrzehnten zu sehr in die falsche Richtung gegangen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ein Prioritätskriterium wird sein, die umfassende Sanierung längerer Strecken vor kleinteiligen Ausbesserungen vorzusehen. Wir nehmen in diesem Jahr für Bauleistungen auf Landesstraßen insgesamt 24 Millionen € in die Hand. Das sind 5 Millionen € mehr als ursprünglich geplant.

Aber wir wissen, das allein reicht nicht. Um den Sanierungsstau abzuarbeiten, braucht das Land Geld. Wir werden also prüfen: Können wir von dem, was in Skandinavien gelernt wurde, auch aus anderen Finanzierungsformen lernen? Sind private Finanzierungsmodelle, die weiter gedacht sind als das schlechte ÖPP-Modell, für uns attraktiv? Können wir es so machen wie bei der FehmarnbeltQuerung?