Protokoll der Sitzung vom 13.06.2012

Allerdings machen empathische Gesten und große Worte allein noch keinen Regierungschef aus. Wir, die CDU-Landtagsfraktion, werden Sie an Ihren eigenen Ansprüchen und daran messen, was gut für die Zukunft Schleswig-Holsteins ist. Ihre heutige

(Ministerpräsident Torsten Albig)

Regierungserklärung mit vielen netten Worten ist ebenfalls noch kein Beweis für gutes Regieren. Sie ist noch kein Konzept für ein starkes SchleswigHolstein. Sie haben noch keine konkreten Lösungen aufgezeigt. Genau darum wird es gehen.

Lassen Sie mich einen Blick zurück werfen. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus einer Landtagsrede aus dem Jahr 2009. Dort hieß es:

„In unserer Regierungszeit hat trotz aller guten Absichten die Armut eben doch zugenommen, sind bei aller grundsätzlichen Richtigkeit der Weichenstellungen rot-grüner Sozialreformen wie der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe prekäre Beschäftigungsverhältnisse über die Maßen gewachsen, ist die soziale Spaltung vertieft worden und haben die Abstiegsängste vieler Menschen vor Arbeitsplatzverlust und Lebensstandardeinbußen im Alter zugenommen und ist die finanzielle Notlage von Bund, Ländern und Kommunen offenkundig.“

Das waren Worte von Dr. Ralf Stegner, das war die rot-grüne Regierungsbilanz, die er selbst gezogen hat.

Mit Ihrer Politik, Herr Albig, werden wir - das ist unsere Sorge - genau in diese von Herrn Dr. Stegner geschilderte Situation zurückfallen.

(Beifall CDU und FDP)

Die CDU hatte und hat eine Idee für dieses Land. Die Umsetzung dieser Idee mit der CDU-geführten Landesregierung hat Schleswig-Holstein nachweislich gutgetan - durch mehr Wirtschaftswachstum und weniger Arbeitslose, durch eine konsequente Förderung des Mittelstandes, durch engagierten Ausbau der Infrastruktur, durch eine kluge Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer regionalen Landwirtschaft, durch bessere Bildungsabschlüsse und durch ein Raus aus immer neuen Schulden.

So nämlich haben wir den kommenden Generationen Handlungsfähigkeit für ihre eigene Zukunft geschaffen. Deshalb werden wir als CDU auch eine verantwortungsbewusste Oppositionsarbeit leisten. Das ist für uns selbstverständlich, nicht nur im Sinne unserer verfassungsmäßigen Rolle.

Wir haben deshalb auch mit Interesse gehört, dass Sie auf alle Fraktionen im Landtag zugehen wollen. Diese Absicht ist gut, sie muss allerdings auch ernst gemeint sein. Einen Dialog zu führen, dessen Ergebnis schon vorgegeben wird, wird unsere Sache nicht sein.

(Beifall CDU)

Leider lässt der Koalitionsvertrag aber genau dieses befürchten. Unser Ziel ist und bleibt: eine gute Entwicklung für unser Land Schleswig-Holstein. Genau daran werden wir Sie messen.

Dem Koalitionsvertrag der Dänenampel entnehmen wir aber leider, dass Sie eben auf genau die gleichen Rezepte setzen, die zur katastrophalen rot-grünen Regierungsbilanz geführt haben: eine Vielzahl, mit immer neuen Schulden bezahlter teurer Einzelmaßnahmen ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Zukunft des Landes. Ihre einzig erkennbare Idee, Herr Albig, ist der Weg zurück in diese Sackgasse, in der Schleswig-Holstein schon einmal gesteckt hat.

Die „FAZ“ hat es in der letzten Woche auf den Punkt gebracht: Nirgendwo zeigt der Koalitionsvertrag für das Lieblingsland einen zukunftweisenden Gedanken. Im Gegenteil.

Sie und diese Koalition haben keine Idee, wie Sie Schleswig-Holstein so gestalten, dass möglichst viele Menschen selbst für ihren Unterhalt aufkommen können und mit ihren Steuergeldern für diejenigen sorgen, die dazu nicht in der Lage sind und der Hilfe bedürfen.

Es gibt heute in Schleswig-Holstein 90.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mehr als unter Rot-Grün. Die Summe der im Land gezahlten Löhne und Gehälter ist seit 2005 um mehr als 3 Milliarden € gestiegen, was sich natürlich auch auf Steuereinnahmen auswirkt. Die CDU hat mit klaren Konzepten für eine gute und vor allem mittelstandsfreundliche Politik dafür gesorgt, dass Unternehmen Arbeitsplätze schaffen können und es auch tun. Dazu gehörten schmerzhafte, aber sorgsam abgewogene Ausgabekürzungen, um dieses Land aus der Schuldenfalle zu führen. Ja, es hat Einzelne getroffen. Diese Politik hat aber vor allem dazu geführt, dass wir heute 33.000 Hartz-IV-Empfänger weniger in diesem Land haben als 2005.

Für Sie bedeutet Sozialstaat, dass viele Menschen staatliche Leistungen erhalten. Um es noch einmal mit der „FAZ“ zu sagen: Im Wahlkampf verteilte die SPD eine Tonne Schokoherzen. Nichts anderes ist im Grunde genommen der 63 Seiten starke Koalitionsvertrag.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Genau!)

Für die CDU bedeutet der Sozialstaat, dass möglichst viele Menschen selbstständig leben und eben nicht auf die Verteilung von Schokoherzen angewiesen sind.

(Johannes Callsen)

(Beifall CDU und FDP)

Herr Albig, der zentrale Fehler des von Ihnen ausgehandelten Koalitionsvertrages ist, dass er zur Gängelung des Einzelnen zurückführt, die dieses Land vor 2005 in eine schwierige Lage gebracht hat, wie Herr Stegner damals beklagt hat. Der Koalitionsvertrag macht im Kern eines zentral deutlich: Sie haben in dieser Koalition ein völlig anderes Menschen- und Gesellschaftsbild vor Augen. Sie haben kein Vertrauen in die Menschen. Das wird am deutlichsten in der Umwelt- und Landwirtschaftspolitik sowie im Innen- und Rechtsbereich.

(Beifall CDU und Abgeordneter Oliver Kumbartzky [FDP])

Während Sie beim Strafvollzug gegenüber Drogenkonsumenten, gewalttätigen Demonstranten ebenso wie beim Asylrecht zuallererst das Gute im Menschen sehen, geht aus Ihren Vereinbarungen ein tiefes Misstrauen gegenüber Grundeigentümern, insbesondere Landwirten und Unternehmern, ebenso wie Polizeibeamten hervor. Das verleitet Sie auch, zu den gescheiterten Rezepten von gestern und vorgestern zu greifen, wobei dies nachweislich völlig unnötig ist. Sie wollen wieder - wie schon 2003 den Vorrang des Naturschutzes auf mindestens 15 % der Landesfläche festschreiben - und zwar über die Köpfe der Menschen hinweg per Verordnung. Wenn Sie sich vorher informiert hätten, wüssten Sie: Wir haben heute in Schleswig-Holstein bereits mehr als 16 % Landschaftsschutzgebiete, 9,3 % Natura-2000-Gebiete, 12,7 % Naturparke und vieles mehr. Selbst wenn es hier Überschneidungen gibt, in der Summe liegen diese Werte deutlich über Ihrer Zielvorgabe von vorgestern. Warum also diese Festlegung?

Die Entwicklung ist weitergegangen, und auch in der CDU-Regierung sind weitere Flächen gemeinsam mit den Betroffenen ausgewiesen worden. Sie sollten jetzt wenigstens, wenn Sie diese neue Zahl hineinschreiben, den Mut haben und der Bevölkerung klipp und klar sagen, was Sie dort zusätzlich vorhaben. Sie setzen nicht auf die Mitverantwortung der Menschen, sondern auf staatliche Gängelung.

(Beifall CDU)

Anders lassen sich die Wiedereinführung der Knickverordnung oder gesetzliche Regelungen zum Maisanbau - statt freiwilliger Vereinbarungen - für uns nicht erklären. Mit dieser Politik, mit immer neuen Auflagen von oben werden Sie die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft kaputt machen - und das an einem Standort, der für eine lei

stungsfähige Landwirtschaft geradezu prädestiniert ist.

Der Ökolandbau ist übrigens ein Paradebeispiel dafür, wie man völlig unnötig Teile eines Berufszweiges wieder an den staatlichen Fördertropf legen will. Jeder weiß: Ökolandbaubetriebe erhalten im Vergleich zu konventionellen Betrieben im Durchschnitt sechsmal so hohe Zahlungen aus Agrar- und Umweltmaßnahmen. Den Ökobetrieben geht es das zeigen alle Bilanzen - nachweislich nicht schlechter als konventionellen Betrieben. Die neue Landesregierung weiß das genau. Sie legt der Ökoklientel der Grünen trotzdem noch einmal 800.000 € - natürlich schuldenfinanziert - obendrauf.

(Beifall CDU - Hans-Jörn Arp [CDU]: Rei- ner Lobbyismus!)

Wenn die Grünen ihre Klientel bedienen, darf natürlich auch die SPD nicht zurückstehen. Deswegen wird Schleswig-Holsteins Verwaltung noch einmal mehr Personal für die Mitbestimmung freistellen, als es im Durchschnitt der anderen Bundesländer der Fall ist.

Überhaupt darf sich die kommunale Familie auf einiges gefasst machen. Es ist nicht nur so, dass aus der groß angekündigten Rücknahme des Eingriffs in den Kommunalen Finanzausgleich ohne Relativierung - wie Sie, Herr Albig, einmal gesagt haben - mittlerweile ein zweckgebundenes Kopplungsgeschäft geworden ist: Sie wollen unsere einzigartige schleswig-holsteinische Kommunaldemokratie mit ihren mehr als 1.100 Kommunen und Zehntausenden ehrenamtlich tätigen Menschen offenbar auseinandernehmen. Daraus sollen Großgemeinden mit mindestens 8.000 Einwohnern werden. Glückwunsch an den SSW, der sich hier mit seiner Vorstellung von Großgemeinden nach dänischem Muster offenbar durchgesetzt hat.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Unerhört!)

Sie sprechen zwar noch von freiwilligen Zusammenschlüssen, reden aber im nächsten Absatz von Anreizen durch eine Änderung im Finanzausgleich. Das bedeutet - das ist unsere Befürchtung - finanziellen Zwang durch die Hintertür. Am Ende werden Sie damit gemeindliche Strukturen zwangsweise verändern. Was die Verwaltungskosten anbelangt, ist das Ganze unterm Strich ein Nullsummenspiel, denn die meisten unserer kleinen Gemeinden teilen sich schon heute eine Verwaltung. Sie haben eine gemeinsame Amtsverwaltung für eine Mindestgröße von 8.000 Einwohnern. Das Einzige, was Sie erreichen werden, ist, dass dadurch die ehrenamtliche

(Johannes Callsen)

Arbeit Zehntausender Menschen, die sich heute in den kleinen Gemeindevertretungen aktiv einbringen und regelmäßig Verantwortung für die Belange vor Ort übernehmen, erheblich vermindert wird.

(Beifall CDU)

Denn dadurch geht die Nähe zur Sache - sowohl räumlich als auch emotional - verloren. Sie verändern damit das Gesicht Schleswig-Holsteins und nehmen den Menschen Ihre gemeindliche Identität.

Ihre Regierung wird auch die Einstellung der Gesellschaft zu sich selbst verändern. Respekt und Wertschätzung für die Bereitschaft, sich über viele Jahre neben Familie und Beruf ehrenamtlich auf ein kommunaldemokratisches Amt in der Freizeit festzulegen, gehen dadurch verloren. Sie vernichten flächendeckend eine der anspruchsvollsten Formen der Bürgerbeteiligung in unserer einzigartigen Kommunaldemokratie. Weil Sie, Herr Albig, es eben bei Ihrer Aufzählung nicht getan haben, will ich mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei allen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern herzlich für ihre ehrenamtliche Arbeit in Schleswig-Holstein bedanken.

(Beifall CDU, FDP, Abgeordnete Dr. Gitta Trauernicht [SPD] und Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie liefern auch zu vielen weiteren großen Fragen der Verwaltung keine Antworten. Sie sprechen auch heute wieder - blumig davon, Doppelstrukturen abzubauen. Bis heute weiß niemand genau, welche Doppelstrukturen Sie eigentlich meinen. Bei Ihrem Lieblingsbeispiel, dem Denkmalschutz, geht es landesweit um 16 Stellen in Schleswig-Holstein. Stattdessen kündigen Sie an, mit einer neuen Landesnetzagentur in diesem Land eine neue Behördenstruktur aufbauen zu wollen. Ich frage mich, was das unterm Strich bringen soll.

In der Integrationspolitik soll künftig jeder hier herkommen und bleiben können, wie Sie sagen, und ein Zuhause finden. Wer einfach nur dauerhaft in Deutschland lebt, soll das Recht erhalten, auch für immer hierbleiben zu dürfen. So ist offenbar Ihre Vorstellung. Keiner soll gehen müssen und schon gar nicht abgeschoben werden. Deswegen wird die Abschiebehafteinrichtung Rendsburg konsequenterweise geschlossen. Immerhin erkennen Sie aber – was für eine weise Entscheidung – im Koalitionsvertrag an, dass Sie dann eine andere Einrichtung brauchen. Was für eine weise Entscheidung!

Meine Damen und Herren, ich bin sicher: Die meisten Menschen in Schleswig-Holstein sind offener

für Integration und Neues, als Sie es erwarten. Die Menschen wissen jedoch, dass Integration nur gelingt, wenn beide Seiten aktiv daran mitwirken.

So, wie der Koalitionsvertrag in diesem Punkt ein schiefes Bild zeichnet, verwechselt er im Polizeibereich Täter und Opfer. Sie offenbaren ein generelles Misstrauen gegenüber unseren Polizeibeamten, ob es um die Kennzeichnungspflicht, die neuen, angeblich unabhängigen Demonstrationsbeobachtungen oder die neue Polizeibeauftragtenstelle geht. Bei jedem dieser Beispiele gehen Sie von möglichen Verfehlungen der Polizeibeamten aus. Was ist eigentlich mit den Verfehlungen anderer?

Ein Beispiel: Vor nicht einmal zwei Wochen sind in Hamburg in großer Zahl Polizeibeamte verletzt worden. Es wurden Steine, Flaschen und Stahlkugeln geworfen. Das ist mittlerweile eine erschreckende Praxis bei vielen Demonstrationen. Einige der verletzten Beamten stammen aus Schleswig-Holstein. Wie können Sie da ernsthaft vertreten, dass die technische Überwachung und die Aufzeichnung von Straftaten bei Demonstrationen unter noch höhere Anforderungen gestellt werden sollen? Jeder Privatmann darf heutzutage filmen, wie unsere Polizeibeamten bei Demonstrationen mit Steinen und Pyrotechnik beworfen werden, und diese Filme ins Internet stellen. Der Polizei aber soll offenbar die Dokumentation von Straftaten bei Demonstrationen erschwert werden. Dafür habe ich kein Verständnis.

(Beifall CDU)

Ich frage den Innenminister, der früher einmal Polizeibeamter war, ob das sein ganz persönlicher Maßstab im Hinblick auf die Fürsorge des Dienstherrn gegenüber unseren Polizeibeamten ist. Sie müssen diese Frage hier nicht beantworten; aber Sie müssen den Beschluss der Koalition gegenüber Ihren früheren Kollegen schon verantworten. Die CDU - das sage ich uneingeschränkt - steht ohne Wenn und Aber an der Seite der Polizei in Schleswig-Holstein.

Hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung - wir haben es gehört - nimmt die Dänen-Ampel bewusst einen Verstoß gegen EU-Rechte in Kauf. Sie nehmen dabei zugleich bewusst in Kauf, dass bestimmte Straftaten - insbesondere im Internet - nachträglich nicht mehr aufzuklären sind.

Viel zusätzliches Geld scheint es im Innen- und Justizbereich zu geben. Es gibt Geld für die Justizvollzugsanstalt Flensburg und mehr Geld für die Migrationssozialberatung, und die Mittel für die Fachberatungsstellen „Menschenhandel“ werden