Protokoll der Sitzung vom 13.06.2012

(Ministerpräsident Torsten Albig)

wie der Justiz ausdrücklich danken. Sie alle sorgen für ein sicheres Schleswig-Holstein. Ihre Schlagkraft haben sie gerade mit Razzien gegen Rockerkriminalität eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die Landesregierung unterstützt das ausdrücklich. Wir sind für null Toleranz im Kampf gegen Kriminalität. Wir werden jede Form von Kriminalität bekämpfen. Dafür brauchen wir eine gut ausgestattete, effizient organisierte und motivierte Polizei. Wir werden die Kräfte der Polizei bündeln, um die operative Arbeit, also den Streifen- und Ermittlungsdienst sowie die Prävention, weiter zu stärken.

Unsere Polizei in Schleswig-Holstein arbeitet rechtsstaatlich und hochprofessionell. Die Menschen in unserem Land haben allen Grund, ihrer Polizei zu vertrauen und stolz auf sie zu sein. Meine Landesregierung wird diese feste Verbindung weiter ausbauen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich habe beschrieben, wie das Politikverständnis meiner Regierung ist. Es ist ein modernes, konstruktives und partnerschaftliches Verständnis. Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen. Wir wissen, dass man Schleswig-Holstein nicht wie ein Abbruchunternehmen führen kann. Zur Haushaltskonsolidierung gibt es keine Alternative. Wir dürfen gern aus den Debatten herauskommen, die vermitteln, dass die einen auf einer anderen Weisheitsstufe sind als die anderen. Die Schuldenbremse wird eingehalten. Das gebietet nicht nur die Verfassung, das gebieten die Vernunft und die Generationengerechtigkeit.

Aber wir verfolgen einen anderen Weg als die bisherige Regierung. Es ist ein Weg, für den wir gewählt worden sind. Es ist ein Weg, für den wir am 6. Mai die parlamentarische Mehrheit erhalten haben. Dieser parlamentarischen Mehrheit fühlen wir uns verpflichtet.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sparen ist für uns kein Selbstzweck. Für uns ist die Haushaltskonsolidierung Mittel zum Zweck. Wir wollen ein starkes Land, und dieses starke Land muss ein sparsames Land sein. Es reicht aber nicht aus, ein konsolidiertes Land zu sein und sich erst am Ende eine solchen Pfades Gedanken darüber zu machen, wie das Land auch noch stark werden kann. Nur beide Leitplanken ergeben eine sinnvolle Politik. Beide Leitplanken werden wir aufstellen.

Ziel muss sein, auch in den Jahren bis 2020 in diesem Land Politik zu gestalten und die Probleme, die unser Land hat, nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern sie jetzt anzugehen und sie jetzt zu lösen.

Wir bekennen uns ohne Wenn und Aber zur Konsolidierung. Wir bekennen uns ohne Wenn und Aber zur Schuldenbremse, aber wir werden sie intelligenter erreichen als die, die es vor uns getan haben.

Wir sehen es als Daueraufgabe an, die Verwaltung des Landes preiswerter und effizienter zu machen. Staatliche Aufgaben, die heute zum Teil von Landesbehörden, meist aber von den Kommunen ausgeführt werden, werden wir uns viel intensiver als in der Vergangenheit anschauen. Wo immer es fachlich möglich und geboten ist, werden wir Doppelstrukturen und Doppelzuständigkeiten sowohl innerhalb der Landesverwaltung als auch zwischen Landes- und Kommunalverwaltungen abbauen.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Unser Ziel ist es, dass jede Aufgabe möglichst nur auf einer Ebene abschließend erledigt wird. Es einmal machen, es einfach machen und es gut machen, das wird die Marschroute von Verwaltung in Schleswig-Holstein sein. Nur damit schaffen wir auch die Voraussetzungen, ausgehend vom Wert im Jahre 2010, bis 2020 10 % der Stellen der Landesverwaltung abzubauen beziehungsweise das Personalbudget entsprechend zu reduzieren. Die demografiebedingten zahlreichen Altersabgänge in den kommenden Jahren werden das auch ermöglichen. Ein zentrales Personalmanagement, federführend geleitet durch meine Staatskanzlei, wird dieses Projekt als eines unserer zentralen Reformthemen vorantreiben.

Solche Projekte - das weiß jeder, der einmal Personalverantwortung in der öffentlichen Verwaltung hatte - brauchen als Partner starke Personalräte. Deswegen werden wir das Personalvertretungsrecht wieder so ausgestalten, dass den Dienststellen Verhandlungs- und Gesprächspartner auf Augenhöhe gegenüberstehen. Wer glaubt, er spart damit, dass er Personalräte klein macht, auch der irrt. Ich kann Ihnen berichten, was es heißt, mit einem sehr kleinen Gesamtpersonalrat zu verhandeln. Der ist nicht mehr so beratungsstark, wie er war. Wenn Sie über 4.500 Menschen entscheiden müssen, brauchen Sie jemanden, der mit Ihnen auf Augenhöhe diskutiert. Wir sichern zu, dass dies noch in diesem Jahr wieder auf den Weg gebracht wird.

(Ministerpräsident Torsten Albig)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Unser Land gibt für IT 130 Millionen € im Jahr aus. Experten schätzen, dass in einigen Bereichen bis zu 30 % davon eingespart werden können, wenn wir das Ding klüger machen. Für mich ist das nur ein Beispiel, was es heißt, Verwaltung preiswerter, effizienter, besser und nicht einfach nur billiger zu machen. Das werden wir uns in allen Bereichen der Verwaltung ansehen. Wir werden in allen Bereichen der Verwaltung jeden Stein umdrehen, um genau diese Reservoirs zu schützen.

Wir werden EU-Mittel nur dann ausschöpfen, wenn sie nachweisbar den angestrebten Zielen dienen. Die Kofinanzierung europäischer Programme wird so weit und möglich auf Darlehen und private Kofinanzierung umgestellt.

Sobald es möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, werden wir die Beteiligungen des Landes an der HSH Nordbank werthaltig verkaufen, und wir werden die Kooperation mit Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen wieder beleben. Hamburg wird dabei natürlich unser Premiumpartner sein. Die Metropolregion ist von zentraler Bedeutung für die Prosperität Schleswig-Holsteins.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Mit Olaf Scholz haben wir einen Pragmatiker an unserer und an meiner Seite. Wir werden norddeutsche Kooperation auf den Weg bringen, mit der wir auch Geld sparen, Planungen vereinfachen und unser politisches Gewicht im Bund vergrößern. Die Enquetekommission Norddeutsche Kooperation hat bereits viele Vorschläge gemacht, die nicht einfach nur im Aktenschrank verstauben sollten.

Ich habe Ihnen einige Punkte genannt, wie wir mit den Mitteln des Landes die Konsolidierung in Angriff nehmen wollen. Zur Wahrheit gehört aber auch - und wir müssen das hier sagen -, dass all das nicht reichen wird, um das strukturelle Defizit unseres Landes zu beseitigen. Niemand in diesem Land hat genügend Phantasie, wie das, ohne das Land in Schutt und Asche zu legen, allein durch Landesanstrengungen gehen soll.

Ein wichtiger Teil unserer finanzpolitischen Misere kann nur durch bundespolitische Entscheidungen verbessert werden. Deswegen werden wir dezidiert in Berlin präsent sein, und deswegen werden wir zügig Bundesratsinitiativen starten, um die Erhöhung der Einnahmebasis für Land und Kommunen

zu erreichen. Hierzu gehören unter anderem eine solidarische Erhöhung der Besteuerung bei Vererbung oder Schenkung großer Vermögen, eine Erhöhung des Steuersatzes für Spitzenverdiener und die Einführung einer Vermögensteuer beziehungsweise einer Vermögensabgabe zur Finanzierung von Bildungsinfrastruktur.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir werden uns dafür einsetzen, die aus dem Auslaufen des Solidarpakts II frei werdenden Mittel in einen Bildungssoli und einen Altschuldentilgungsfonds für Länder und Kommunen einzubringen. Wir brauchen eine weitere Föderalismusreform, Neukonzeptionen des Länderfinanzausgleichs, Solidarpakt II, Mittel für Bildung und einen Altschuldentilgungsfonds genauso wie Hochschullastenausgleich und die Aufhebung des unsinnigen Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich. Das sind nur einige Stichworte.

Wir werden im Herbst durch die Finanzministerin einen Entwurf für das Haushaltsjahr 2013 vorlegen. Dieser wird Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung an den öffentlichen Schulen enthalten - ich habe darüber berichtet. Wir werden mit dem Haushalt die Gleichstellung der Schulen der dänischen Minderheit erreichen, eine verbesserte Förderung der Schulen in freier Trägerschaft, eine verbesserte Unterstützung der Kommunen bei der Finanzierung der Krippenversorgung, mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Klimaschutz, die Wiederaufstockung der Mittel für Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen, die Mitfinanzierung der stufenweisen Erhöhung von Ausbildungsplätzen in der Altenpflege und die Wiederaufstockung der Mittel für den ökologischen Landbau.

Zur Finanzierung werden wir die zur Aufstockung für Landesstraßenbau vorgesehenen Mittel zurücknehmen, die für das Kommunalhaushaltskonsolidierungsgesetz und die Kommunalisierung der Regionalplanung vorgesehenen Mittel in den Landeshaushalt zurückführen, den Erdölförderzins erhöhen, die einzelbetriebliche Investitionsförderung sowie die Zuweisung an Wasser- und Bodenverbände zur Erhebung einer Küstenschutzabgabe streichen. Andere Maßnahmen werden wir erarbeiten. Sie werden sehen, wir werden dieses haushälterisch sauber hinbekommen. Sie können Haushalte konsolidieren, ohne Menschen ins Gesicht zu schlagen. Wir werden Haushalte konsolidieren, indem wir den Menschen die Hand reichen, um für das Land zu arbeiten.

(Ministerpräsident Torsten Albig)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Schleswig-Holstein ist ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen, mit einer einmaligen Natur und einer großartigen Lebensqualität. Wir werden es anständig regieren, und wir werden es gut regieren. Wir werden in Deutschland und Europa gute Nachbarn sein. Wir werden weltoffen und tolerant sein. Wir werden den Schulfrieden wieder herstellen und die Energiewende schaffen. Wir werden für gute Arbeitsplätze sowie Wachstum und Wohlstand streiten. Bei uns wird es sozial gerecht zugehen, und wir werden die Finanzen von Land und Kommunen wieder ins Lot bringen, weil wir gelernt haben, dass nur eine Seite dazu führt, dass unser Land Schlagseite bekommt.

Jede gute Idee wird für diesen Weg gebraucht, und in guter demokratischer Tradition werden wir keine Idee nur deshalb ablehnen, weil sie von der Opposition kommt.

(Zurufe CDU und FDP: Oh!)

Wir fordern CDU, FDP und Piraten auf, mit uns gemeinsam an einer guten Zukunft für SchleswigHolstein zu arbeiten. Das, was Sie vielleicht aus eigenem Kennen erlebt haben, wie Sie mit Opposition umgehen, muss ja nicht automatisch das sein, was Sie jetzt erleben werden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Ich habe mit Freude gehört,

(Zuruf Abgeordneter Hans-Jörn Arp [CDU])

wie normale menschliche Gesten auch auf Sie wirken. Nehmen Sie dies nicht als Stilisierung von Politik, sondern nehmen Sie dies als ernst gemeintes Angebot, miteinander Politik zu machen, miteinander zu streiten und miteinander zu debattieren, aber das in einer Art und Weise, dass das, was gestern geschah, für die Menschen in diesem Land nicht als so außergewöhnlich gilt, dass man damit ganze Schlagzeilen und Titel füllen kann, wenn der eine den anderen verabschiedet.

(Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP])

- Nein, das war der Stil eines ganzen Hauses, wenn ich es richtig gelesen habe, Herr Kollege. Genau das ist das Problem. Es ist nicht eine Person, sondern es ist eine Qualität von politischer Kultur. Wer glaubt, sie auf einen Menschen zu verdichten, der hat nicht verstanden, was unser Problem in Schleswig-Holstein ist und wie die Menschen uns sehen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Ich weiß sehr wohl, dass natürlich nicht alle Antworten, die meine Regierung auf die Herausforderungen der Zeit geben wird, von allen hier im Haus geteilt werden. Ich biete Ihnen allen aber Zusammenarbeit an, den konstruktiven Dialog und einen politischen Stil, der der Vision meiner Regierung gerecht wird, neue Horizonte für unser Land zu schaffen. Wir haben es gemeinsam in der Hand, das zum Gelingen zu bringen.

(Anhaltender lebhafter Beifall SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in die Aussprache einsteigen, lassen Sie uns gemeinsam auf der Besuchertribüne Frau Claudine Nierth, Vorstandssprecherin von Mehr Demokratie e.V., und unsere ehemaligen Kolleginnen Jutta Schümann und Caroline Schwarz begrüßen.

(Beifall)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Abgeordneter Callsen.

(Beifall CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Albig, ich gratuliere Ihnen zum Amt des Ministerpräsidenten. Sie haben am gestrigen Tag gezeigt, dass Sie das Fingerspitzengefühl für angemessene Gesten haben und den richtigen Ton treffen können. Für Ihre Geste gegenüber Ihrem Vorgänger Peter Harry Carstensen hier in diesem Hause danke ich Ihnen auch im Namen meiner Fraktion.

(Beifall)

Das war wohltuend und angemessen, weil Peter Harry Carstensen in der Tat als Ministerpräsident einer CDU-geführten Landesregierung Herausragendes für Schleswig-Holstein und für die Zukunft unseres Heimatlandes geleistet hat.

Allerdings machen empathische Gesten und große Worte allein noch keinen Regierungschef aus. Wir, die CDU-Landtagsfraktion, werden Sie an Ihren eigenen Ansprüchen und daran messen, was gut für die Zukunft Schleswig-Holsteins ist. Ihre heutige