Protokoll der Sitzung vom 13.06.2012

In Schleswig-Holstein sagt man „Anholen deit kriegen“ oder „Anhalten tut kriegen“. Das Problem ist nur: Sie wollen die A 20 gar nicht kriegen.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Die A 20 mit ihrer Sackgasse an der A 7 darf aber nicht zum Symbol des Scheiterns schleswig-holsteinischer Verkehrsgeschichte werden. Sie ist nicht nur von Bedeutung für Schleswig-Holstein, sondern ganz besonders für die Westküste und den Landesteil Schleswig.

Wenn Sie, Herr Albig, die A 20 und Ihren Westküstenplan - von dem wir heute erstmals gehört haben - in Verbindung bringen mit dem „Programm Nord“, übrigens einem Wiederaufbauprogramm nach dem Krieg für Landwirtschaft und Wirtschaftswege, dann finde ich das - vorsichtig gesagt - ausgesprochen bemerkenswert.

Bei der A 20 allerdings kann ich auch dem SSW wenige Worte nicht ersparen. Ich will für die CDULandtagsfraktion vorausschicken, dass wir den Sonderstatus und die Vollgültigkeit der Mandate des SSW in keinster Weise anzweifeln.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Serpil Midyatli [SPD]: Das ist neu!)

- Nein, das haben wir immer schon gesagt.

Wer allerdings landespolitisch Regierungsverantwortung übernimmt, der muss sich wie jede andere Partei an seinen Aussagen politisch auch messen lassen.

(Beifall CDU, demonstrativ vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sie, meine Kolleginnen und Kollegen vom SSW, haben mit der einstimmigen Zustimmung zum Koalitionsvertrag der Stadt-Regional-Bahn Kiel landespolitische Bedeutung zugebilligt. Damit haben Sie dieses Wolkenkuckucksheim-Projekt in der Prioritätenliste der Landesregierung weit vor den A-20-Ausbau, weit vor den durchgehenden Ausbau der B 5 und den dreispurigen Ausbau der A 7 gesetzt - alles Forderungen aus Ihrem Wahlprogramm. Ich finde es erschreckend, dass der SSW eine für die Entwicklungsperspektiven des Landesteils Schleswig, der Westküste - seines Tätigkeitsgebiets - so nachteilige Politik befürworten kann.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Wer das Wahlprogramm des SSW liest, wird auch dort eine Vielzahl konkreter Forderungen sehen, von denen bis auf den Erhalt der Flensburger JVA und wolkiger Worte zu einer Europa-Universität in Flensburg nichts geblieben ist. Dafür haben Sie entscheidende Verkehrsprojekte geopfert. Kein Wunder, dass selbst die Transportwirtschaft in Dänemark entsetzt ist über diesen Koalitionsvertrag.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Sie haben auch der Abschaffung der einzelbetrieblichen Förderung zugestimmt - ich weiß, das ist ein Leib- und Magenthema der Sozialdemokraten -, obwohl gerade hierdurch Anreize für Unternehmensansiedlungen und Betriebserweiterungen und damit für neue Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen gegeben werden. Selbst die herausragende Bedeutung der Windmesse in Husum wird im Koalitionsvertrag nicht erwähnt. Von daher kann ich nicht verstehen, wie der SSW eine solche Regelung zulassen kann,

(Beifall CDU und FDP)

mit der er den Anschein erweckt, dass er Husum schon im Wettbewerb gegen Hamburg aufgegeben hat.

Die CDU wird umso engagierter die Interessen der Menschen im Norden vertreten. Denn diese Politik, die Sie betreiben, zerstört nicht nur dort, sondern im gesamten Land die wirtschaftliche Basis und damit die Zukunft der Menschen. Und wenn es um das ganze Land geht, dann geht es auch um die Kooperation mit Hamburg. Was haben wir von den Sozialdemokraten vor der Wahl nicht alles an Schaufensteranträgen zur Zusammenarbeit mit Hamburg in diesem Parlament erlebt - jede Sitzung neu, am besten sollte es gleich ein gemeinsamer Ausschuss mit Entscheidungskompetenz sein.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Serpil Midyatli [SPD]: Kommt alles wieder, lieber Kollege! Warten Sie es ab!)

Was ist denn daraus geworden? Außer netten Worten und Prüfaufträgen ist nichts davon im Koalitionsvertrag übrig geblieben. Herr Scholz in Hamburg ist begeistert über diesen Bekennermut ohne konkrete Taten. Dabei ist doch klar, dass eine vertiefte Kooperation mit Hamburg auf Augenhöhe zum Wohle beider Bundesländer nötig und wichtig und deshalb umzusetzen ist. Die Dänen-Ampel zeigt aber keine Idee auf, mit der sie alternativ für Wachstum und Beschäftigung in Schleswig-Holstein sorgen will.

(Johannes Callsen)

(Beifall Abgeordneter Christopher Vogt [FDP])

Wo ist Ihr Konzept für unsere Wissenschaft jenseits der Zusage, alle Hochschulstandorte zu erhalten?

(Serpil Midyatli [SPD]: Sie wollten Unis schließen! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wer wollte Unis schließen? - Weitere Zurufe SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

- Das ist doch ein Märchen. Das sind doch Märchen, die Sie hier verbreiten.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Wie soll es mit dem Technologiestandort weitergehen? Wo ist eine neue Strategie für den Energiestandort Schleswig-Holstein? Gerade an dieser Stelle geht es auch um Arbeitsplätze. Ich will auch mit Blick auf die Westküste sagen: Den Energiestandort Brunsbüttel machen Sie mit Ihrer Energiepolitik platt, ohne sich über die dortigen Arbeitsplätze Gedanken zu machen.

(Beifall CDU)

Ich erkenne keine Perspektiv, wie Lösungen für die Zukunft entwickelt werden sollen.

Wo ist eine neue Strategie für die Energiewende jenseits dessen, was die CDU-geführte Landesregierung bereits geplant hat? Sie melden in allen Punkten Fehlanzeige. Deshalb nehmen Sie ganz bewusst in Kauf, dass unsere Wirtschaft nicht weiter wachsen wird. Das wissen Sie. Darum wissen Sie auch, dass Sie all Ihre Wahlversprechen nur mit zusätzlichen Schulden werden bezahlen können. Mehr als 50 große und kleine haushaltswirksame Einzelmaßnahmen listet Ihr Koalitionsvertrag auf, ohne dass Sie die Kosten, geschweige denn die Gegenfinanzierung dazu nennen. Mit so vielen Unbekannten, die Sie in Ihrer Rechnung haben, könnte selbst Adam Riese nicht rechnen.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Haben Sie schon einmal in Ihren alten Koalitionsvertrag hin- eingesehen?)

Frau Heinold kann es offenbar besser als er. Mir ist aber völlig unerklärlich, wie gerade die Grünen diese völlig unsoliden Buchungen mit ihrem bisherigen Anspruch auf eine nachhaltige Finanzpolitik vereinbaren können. Diese Frage stelle ich mir wirklich.

(Beifall CDU)

Sie beteuern, dass Sie die Schuldenbremse einhalten werden - logischerweise -, doch wollen Sie es

noch nicht einmal bei den in der vergangenen Legislaturperiode gemeinsam beantragten zusätzlichen Schulden innerhalb der geltenden Verträge belassen. Dem haben offenbar auch die Grünen schon zugestimmt, wenn es im Koalitionsvertrag heißt:

„Die Landesregierung wird das bestehende Verfahren zur Abgrenzung von strukturellen und konjunkturellen Einnahmen weiterentwickeln.“

Das heißt doch nichts anderes, als dass Sie früher oder später, wenn Sie an Ihre Versprechen erinnert werden, mit Buchungstricks zusätzliche Schulden machen wollen. Diese Finanzpolitik ist unseriös. Sie verfrühstückt Konsolidierungserfolge, und sie vernichtet Handlungsspielräume für die Zukunft.

(Beifall CDU und FDP)

Ihre größte Sorge ist offenbar nicht, dass Sie zu wenig neue Schulden machen dürfen. Das wirkliche Problem unseres Landes ist aber der schon heute viel zu hohe Schuldenberg. Sie meinen, Schulden machten reich, und nennen das auch noch vorsorgende Finanzpolitik.

(Christopher Vogt [FDP]: Stark machende!)

Ihr bestes Argument dafür sind 700 Lehrerstellen, die Sie an unseren 852 allgemeinbildenden Schulen erhalten wollen. Die Stunden daraus sollen für mehr gemeinsames Lernen, weniger Unterrichtsausfall, Entlastung im G-8-Bereich, ein flächendeckendes G-9-Angebot an Gemeinschaftsschulen, den Mehrbedarf an bisherigen Regionalschulen durch deren Umwandlung zu Gemeinschaftsschulen, mehr Inklusion und den Ausbau der Ganztagsschule eingesetzt werden.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Noch einmal: All das, dieser ganze Katalog, mit weniger als einer Stelle pro Schule! Glauben Sie wirklich, dass die Menschen das und damit Sie noch ernst nehmen? Warum erkennen Sie nicht an, dass wir heute, nach den Jahren der CDU-geführten Landesregierung, das beste Lehrer-Schüler-Verhältnis haben und sich die Qualität der Schulabschlüsse deutlich für die Menschen verbessert hat?

(Beifall CDU und FDP)

Warum kümmern wir uns nicht gemeinsam endlich darum, die Qualität des Unterrichts an den Schulen zu verbessern? Warum tun Sie nicht schnell etwas gegen das drängendste Problem an unseren Schulen, nämlich den Unterrichtsausfall? Wir haben dafür die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen geschaffen. Sie drehen das wieder zu

(Johannes Callsen)

rück. Genauso, wie Sie übrigens auch die Zuständigkeit für Kindertagesstätten und damit die frühkindliche Bildung wieder in das Sozialministerium übertragen. Das war bekanntlich bei Rot-Grün bis 2005 schon so, weil vor allem die SPD den Kitas lediglich einen Betreuungsauftrag zugebilligt hat. Die CDU hat 2005 nach langen Verhandlungen mit der SPD in der Großen Koalition dafür gesorgt, dass der Bildungsauftrag der Kitas endlich gesetzlich verankert wurde

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Das steht seit 1991 im Gesetz! - Weitere Zurufe SPD)

und die Zuständigkeit für die frühkindlichen Bildungseinrichtungen deshalb - wie es logischerweise sein muss - ins Bildungsministerium verlagert wurde. Das alles machen Sie jetzt wieder rückgängig.

Ich empfehle jedem Schleswig-Holsteiner die Lektüre Ihres Kita-Kapitels im Koalitionsvertrag, weil an keiner Stelle Ihre Schaumschlägerei, Ihre leeren Versprechungen und Ihre völlig konzeptionslose Arbeitsweise so deutlich wird wie mit der Rückübertragung des Kita-Bereichs in den Sozialbereich.

(Beifall CDU)

Deshalb beginnen Sie von vorn mit leidigen Schulstrukturreformen. Schulfrieden, Herr Albig, sieht anders aus. Fahren Sie einmal nach Satrup in das dortige Y-Gymnasium. Dort gibt es mittlerweile helle Aufregung bei Schülern, Lehrern, Eltern und Schulträgern.