Protokoll der Sitzung vom 13.06.2012

Deshalb beginnen Sie von vorn mit leidigen Schulstrukturreformen. Schulfrieden, Herr Albig, sieht anders aus. Fahren Sie einmal nach Satrup in das dortige Y-Gymnasium. Dort gibt es mittlerweile helle Aufregung bei Schülern, Lehrern, Eltern und Schulträgern.

(Lachen und Zurufe SPD)

Die Regionalschulen im Land wissen nicht, wie es weitergeht. Auch dort ist Ihnen der Wille der Betroffenen vor Ort egal. Regionalschulen sind für Sie immer noch Restschulen und werden „weiterentwickelt“, was zu Deutsch heißt abgewickelt - natürlich im Dialog mit den Menschen.

Unter anderem deshalb soll es einen Bildungskongress geben, auf dem gemeinsam mit den Menschen entwickelt werden soll, was Sie längst beschlossen und mittlerweile auch verkündet haben. Für wie dumm hält die Dänen-Ampel eigentlich die Menschen in Schleswig-Holstein?

(Beifall CDU)

Glauben Sie wirklich, Frau Wende, dass die von Ihnen als Restlehrer und Restschüler bezeichneten Menschen mit Ihnen gemeinsam die Schulen abwickeln wollen,

(Olaf Schulze [SPD]: Sie sind es doch, die abwickeln wollen!)

oder die Gymnasiallehrer, deren Ausbildung Sie jetzt zerreißen wollen?

Dieser Kongress ist so, wie wir ihn jetzt bewerten, eine reine Farce. Er zeigt exemplarisch, dass der neue Politikstil, der Dialog mit den Menschen Gefahr läuft, eine reine Worthülse zu werden. Ihre Eckpunkte zur Bildungspolitik haben das heute noch einmal sehr deutlich gemacht. Sie sind für Beteiligung, aber bei Ihnen steht die Entscheidung bereits vor der Beteiligung fest.

(Beifall CDU und FDP)

Das ist nicht unsere Vorstellung von Dialog.

Herr Albig, die Menschen haben Ihnen im Wahlkampf geglaubt und Ihnen ganz persönlich und Ihrer Dänen-Ampel eine knappe Mehrheit verschafft. Nun werden Sie und Ihr Regierungsprogramm an Ihren Versprechen gemessen wie - ich zitiere von Ihrer Homepage -: konsequent nur zu versprechen, was Sie auch halten können; für Planungssicherheit, Verlässlichkeit und Kontinuität zu sorgen, die Bürgerinnen und Bürger in die Prozesse einzubinden und im Dialog mit den Menschen zu stehen.

Unsere Sorge ist, dass angesichts des Koalitionsvertrags diese Versprechungen leere Worte bleiben werden. Deswegen ist die Enttäuschung vieler Menschen in Schleswig-Holstein und darüber hinaus groß, wie wir das den Zeitungen entnehmen konnten.

Den deutlichen Worten aus dem CDU-geführten Niedersachsen und dem Bund sowie Dänemark folgt mittlerweile eine nur wenig undeutlichere Kritik aus dem SPD-geführten Hamburg, und ein Großteil der Gewerkschaften im Land sind entsetzt, auch wenn zwei Ihrer Herren Staatssekretäre das anders sehen möchten. Ein so verheerendes Pressebild hatte die Koalition aus CDU und FDP nicht einmal, als wir unsere notwendigen, für die Zukunft des Landes notwendigen Kürzungen im Doppelhaushalt beschließen mussten.

(Lachen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der Grund dafür ist, dass wir bei aller Härte der Maßnahmen und der Beschlüsse eine Idee und einen Plan hatten, wie wir für dieses Land eine Zukunft gestalten. Den haben Sie nicht. Sie reißen ein Haus ein, ohne zu wissen, was Sie stattdessen aufbauen wollen. Ihre Idee für die Zukunft SchleswigHolsteins erschöpft sich in der Addition der Rück

(Johannes Callsen)

nahme von CDU/FDP-Entscheidungen mit rot-grünen Spielwiesen der Vergangenheit, die SchleswigHolstein bereits einmal in die Sackgasse geführt haben.

Diese Koalition ist inhaltsleer, rückwärtsgewandt und ohne Perspektive für unser Land.

(Anhaltender lebhafter Beifall CDU und leb- hafter Beifall FDP)

Für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Dr. Stegner, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das neue Bündnis aus Sozialdemokraten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem SSW bedeutet einen Neuanfang für Schleswig-Holstein. Wir haben nicht nur die Mehrheit der Mandate in diesem Hause, sondern wir haben eine gemeinsame Idee für die Zukunft unseres Landes. Diese gemeinsame Idee ist eine von gerechter Bildung, von guter Arbeit, von konsequenter Energiewende und von soliden öffentlichen Finanzen.

(Christopher Vogt [FDP]: Von starken Men- schen!)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich möchte mich bei Ihnen für die Regierungserklärung bedanken, auch für den Stil des Regierungswechsels. Manches, was Sie hier heute gesagt haben, und auch die Antwort von eben zeigt: Wir brauchen einen anderen Stil, eine andere Politik. Wir werden auch ein anderes Parlament haben. Ihre Regierungserklärung macht Mut, dass das genau so sein wird.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor einigen Tagen hat das Landesverfassungsgericht Land und Kommunen aufgefordert, doch wieder miteinander zu reden und zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Deutlicher kann man den Politikstil dieser Koalition kaum beschreiben. Denn das ist genau das, was Sie angekündigt haben: miteinander statt gegeneinander, fair statt andere zu gängeln, nachbarschaftlich statt durch Alleingänge zu brüskieren, im Dialog statt in Haushaltsstrukturkommissionen in Hinterzimmern. Das bedeutet vor allem, mit den Akteuren zu reden, mit denen, die von unser aller Entscheidungen betroffen sind.

Dieser Dialog ist nicht ziellos, aber wichtig ist die Einigung über den besten Weg. Zuhören, einbeziehen, entscheiden, an Vereinbarungen halten - das sind die Wegmarkierungen. Deswegen machen wir zum Beispiel eine Bildungskonferenz Schule, weil uns an realem Schulfrieden gelegen ist und nicht an etwas, was so heißt, es in Wirklichkeit aber gar nicht ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deswegen ist uns am Dialog mit den Kulturschaffenden gelegen. Deswegen ist uns daran gelegen, mit den Kommunen gemeinsam zu einer vernünftigen Lösung zu kommen im Kita- und Krippenbereich, bei den notwendigen Verwaltungsreformen, bei der Frage der Theaterfinanzierung, beim Umgang mit den kommunalen Defiziten und nicht wie Sie es getan haben - mit dem sogenannten Kommunalhaushaltskonsolidierungsgesetz mit einem goldenen Zügel, der die Kommunalparlamente ihrer Selbstständigkeit beraubt. Das ist falsch, deswegen werden wir das ändern.

(Beifall SPD)

Verehrter Herr Oppositionsführer, geradezu komisch mutet es an, wenn ausgerechnet Sie sich hier als Fürsprecher Lübecks darstellen. Ihre Koalition war es doch, die dort die Hochschule schließen und kaputtmachen wollte! Da sollten Sie hier nicht solche Reden an unsere Adresse halten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist der neue Stil! Unglaublich! - Weitere Zurufe CDU und FDP)

Auch bei der Hochschulkonferenz muss es darum gehen, mit den Hochschulen dieses Landes zu reden, was die Zukunft sein kann, auch mit den Vereinen und Verbänden darüber zu reden, wie und wo vernünftig gespart werden kann, wo nicht, und wo wir gemeinsame Lösungen suchen und Synergien nutzen können.

Ja, wir müssen auch gemeinsame Lösungen mit Hamburg finden - im Verkehrsbereich und damit wir so etwas wie „Gastschulabkommen“ in Zukunft nicht mehr brauchen. Das ist ein Wort des letzten Jahrhunderts. Wir wollen irgendwann freie Schulwahl haben und Mobilität in allen Bereichen unseres Landes.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Johannes Callsen)

Wir wollen im Bund gemeinsam mit den anderen Ländern stark agieren. Die norddeutsche Zusammenarbeit ist zentral. Sie ist Schlüssel für ganz vieles. Eine gemeinsame Finanzierung von Bildungspolitik muss wieder möglich sein zwischen Bund, Ländern und Kommunen, sonst werden wir den Kraftakt nicht schaffen. Das kann man nur, wenn man über die Grenzen des eigenen Landes hinausschaut.

Wir wollen offen sein. Wir haben vor der Wahl gesagt, was wir tun wollen, und wir werden nach der Wahl tun, was wir gesagt haben. So wird es sein.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Schauen wir mal!)

Verlässlichkeit ist wichtig, kein Hü und Hott, keine überraschenden Veränderungen und Wendungen. Was wir außerhalb des Parlaments tun, gilt natürlich auch für dieses Parlament selbst. Wir reichen den anderen Fraktionen im Landtag die Hand, auf dass wir gemeinsam die neue Regierung gern kritisch begleiten, aber vor allem konstruktiv.

Wir wollen eine andere Politik. Herr Oppositionsführer, wer Ihnen eben zugehört hat, der versteht gar nicht, warum Sie zusammen 28 Mandate haben und nicht 38 oder 48, wenn Ihre Politik so prima war. Die Bürgerinnen und Bürger haben das ganz offenkundig anders gesehen. Sie wollten einen Regierungs- und einen Politikwechsel. Das ist das Ergebnis der Landtagswahl vom 6. Mai dieses Jahres.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie ha- ben auch nur 22, Herr Stegner!)

Es gibt einen Grund für diesen Politikwechsel. Der Ministerpräsident hat manche dieser Gründe aufgezeigt und Antworten gegeben, wie das umgesetzt werden soll, was die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten.

(Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP])

Verehrter Herr Oppositionsführer, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie nicht permanent mit dem Wort „Dänen-Ampel“ als Kampfbegriff herumliefen. Das ist Ihrer nicht würdig, was Sie gerade gesagt haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Lachen FDP)

Das ist kein guter Begriff, und Sie sollten ihn nicht verwenden. Sie haben ihn in Ihrer Rede mehrmals verwandt. Ich finde das nicht in Ordnung.

(Johannes Callsen [CDU]: Der ist seit 2005 in der Presse und stammt nicht von mir!)

- Sie schreiben ja nicht immer alles ab, was in der Presse steht. Man kann ja auch einmal eigene Begriffe verwenden, Herr Oppositionsführer. Ich möchte Ihnen empfehlen, das zu tun.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben im Koalitionsvertrag hinbekommen, dass wir uns trotz durchaus vorhandener Unterschiede zwischen den drei Parteien, die die Koalition bilden, nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt haben, sondern auf gemeinsame, entscheidende Projekte, die unser Land voranbringen, auf eine gemeinsame Idee, was wir unter wirklich gerechter Bildung verstehen, die kein Kind und keinen Jugendlichen in diesem Land zurücklässt, auf eine gemeinsame Definition, was wirklich gute Arbeit ist, von der die Menschen leben können, auf ein Verständnis, wo die Herausforderungen bei der konsequenten Energiewende liegen, die wir zu bewältigen haben, oder auch was solide öffentliche Finanzen auf allen Ebenen bedeuten.