Protokoll der Sitzung vom 13.06.2012

(Dr. Ralf Stegner)

(Zuruf Abgeordneter Rainer Wiegard [CDU])

Dazu braucht man aber starken Einfluss in Berlin. Ich füge an dieser Stelle hinzu: Monika Heinold wird eine gute und kompetente Finanzministerin sein, mit der wir im neuen Amt genauso gut zusammenarbeiten, wie das seit vielen Jahren hier im Parlament gilt. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihr.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir werden übrigens zeigen, dass sich diese Koalition nicht auseinanderdividieren lässt. Es wird kein Rollenspiel nach dem Motto „good cop, bad cop“ geben, sondern wir werden das Gute und das Schwierige gemeinsam zu tragen haben. Das wollen wir auch als eine Koalition, die so viel mehr Gemeinsamkeiten hat als die, die wir gerade abgelöst haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe auch von einem anderen Parlament gesprochen. Ich glaube, auch das ist ein Punkt, über den man hier ein paar Sätze verlieren sollte. Selbstbewusst ja, ich glaube, ein selbstbewusstes Parlament ist auch eines, das produktiv miteinander umgeht. Wir werden deutlich weniger Begrüßungsanträge schreiben, als wir das in der letzten Legislaturperiode von den Regierungsfraktionen gesehen haben.

(Christopher Vogt [FDP]: Wenn es nichts zu begrüßen gibt!)

Wir sind keine abnickende Fraktion, sondern eine selbstbewusste, aber, Herr Ministerpräsident, die SPD-Landtagsfraktion wird im Politikwechsel Sie und Ihre Regierung unterstützen. Wir waren nur sehr kurz in der Opposition

(Christopher Vogt [FDP]: Zu kurz!)

und haben viel Regierungserfahrung, die wir einbringen werden, lieber Herr Ministerpräsident. Wir haben als Landtag ein gutes Beispiel geliefert, wir haben diesen Landtag nämlich verkleinert. Wir haben in der letzten Legislaturperiode schon gespart. Ich finde, etwas Lob für das Wahlgesetz hätten wir durchaus verdient. Ich habe Horrorszenarien gelesen, aber der Landtag ist kleiner geworden. Ich finde es sehr erfreulich, Herr Ministerpräsident, dass Ihre Regierung und dass Sie selbst diesem guten Beispiel folgen und bei sich selbst kürzen. Das ist ein neues, positives Signal dieser Landesregierung gegenüber Ihrer Vorgängerregierung. Das will ich ausdrücklich anerkennen, dass Sie nicht mit dem Finger auf andere zeigen

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

- das war der Stil der Vergangenheit -, sondern dass Sie sagen: Auch wir machen das.

Ich füge aber hinzu - das sage ich in allem Ernst auch in Richtung der Kolleginnen und Kollegen von der Opposition -: Wenn wir über Parlament reden, ist auch ein Mindestmaß an Ausstattung notwendig für das Ansehen dieses Parlaments. Das Ansehen von Politikerinnen und Politikern ist unser gemeinsames Anliegen. Die Wahlbeteiligung ist schon niedrig genug. Hinterm Horizont geht es weiter. Landtagsreisen sind keine Geldverschwendung. Wir müssen auch etwas dazu beitragen, und nicht noch selber dazu Beiträge leisten, Parlamentarismus verächtlich zu machen.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Repräsentative Demokratie ist wichtig. Ich komme noch zu der Ergänzung, was die Bürgerbeteiligung angeht. Aber repräsentative Demokratie ist gut und wichtig. Wie wir damit umgehen, sollten wir nicht nur denjenigen überlassen, die über uns schreiben und berichten, sondern auch in der Frage, wie wir selbst - selbstbewusst und im guten Stil - mit diesem Parlament umgehen, das ein gutes Parlament ist. Übrigens ist jeder, der hier sitzt, gewählt worden, um das Wohl des Landes Schleswig-Holstein voranzubringen. Das sollten wir uns immer bewusst machen.

Es gehört auch dazu, dass wir uns unserer Vergangenheit bewusst sind, dass wir eine lebendige und starke Erinnerungskultur in diesem Land pflegen. Deswegen begrüßen wir ausdrücklich, dass diese Koalitionsvereinbarung vorsieht, die Gedenkstätten für die Opfer und Verfolgten des Naziregimes zu stärken und ausbauen und den Kampf gegen den Rechtsextremismus mit aller Entschlossenheit zu führen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW vereinzelt CDU und FDP)

Wir müssen die Balance zwischen direkter und parlamentarischer Demokratie wahren. Wir werden die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger stärken und das Initiieren von Bürgerbegehren erleichtern. Es bedarf hier einer unentgeltlichen Beratung durch die Kommunalaufsicht sowie verschiedenster anderer Maßnahmen. Dazu gehört auch die Absenkung von Quoren. Wir werden die gesetzlichen Hürden für Volksinitiativen senken, Eintragsfristen verlängern und vieles andere mehr.

(Dr. Ralf Stegner)

Ich sage aber auch: Wir wollen mehr Bürgerbeteiligung und mehr direkte Demokratie, es muss aber auch Quoren geben. Wir wollen weder eine finanzielle noch eine intellektuelle Elitendemokratie, meine sehr verehrten Damen und Herren. Beteiligung muss schon für alle möglich sein, und es muss demokratisch bleiben. Das wollen wir. Deswegen ist das ein wichtiger Dialog. Zu dem Dialog gehört übrigens auch, dass wir wieder Vorbildland sein wollen, was die Mitbestimmung in diesem Land angeht. Wir waren einmal stolz darauf, das fortschrittlichste Mitbestimmungsgesetz in Deutschland zu haben. Björn Engholm hat es geschaffen. Wir werden dazu zurückkehren, damit es wieder so sein wird. Denn wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen, wenn wir anderen etwas von guter Arbeit erzählen. Das gilt auch im öffentlichen Dienst des Landes.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich habe mich als Anhänger parlamentarischer Demokratie geoutet. Dazu gehört aushandeln, abwägen, Interessen offenlegen und auch, vertrauliche Gespräche zu führen. Ich hoffe, dass auch Sie von der PIRATEN-Fraktion dies schätzen lernen werden und dass Sie manches, was Sie an Veränderungen wollen, auch an dem messen, was Sie hier an Erfahrungen machen werden. Ich wünsche mir, dass Sie sich den einen oder anderen Monat Zeit geben, um diese Erfahrungen zu machen. Aber auch wir wollen Ihre Beiträge schätzen. Wir wissen, dass es Veränderungen gibt und dass mehr Transparenz nötig und möglich ist. Dem wollen wir uns auch stellen. Auch das gehört, finde ich, dazu.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und PIRATEN)

Wir wollen das Wahlalter auf 16 Jahre senken - übrigens nicht, weil wir glauben, dass uns das wahltaktisch etwas nützt. Das glauben wir nicht. Wir müssen dazu kommen, dass es Jugendliche wichtig finden, sich zu beteiligen, und dass wir sie ernst nehmen.

Ich finde, es ist auch eine Schande, dass es Menschen gibt, die jahrelang in diesem Land leben, arbeiten, Steuern bezahlen, aber nicht wählen dürfen. Das kann ich überhaupt nicht begreifen, warum wir dieses Bürgerrecht nicht ausdehnen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und PIRATEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPDLandtagsfraktion freut sich über einen guten Koali

tionsvertrag und über ein gutes Regierungsteam von Frauen und Männern, Ministerinnen und Ministern, Staatssekretärinnen und Staatssekretären. Das ist gut für das Land und die Kommunen. Vor allen Dingen ist es gut für die Menschen in unserem Land.

Ich möchte all denjenigen danken, die dabei mitgeholfen haben. Zunächst wende ich mich an die Koalitionspartner, die fair und konstruktiv mitgewirkt haben. Auch der SSW ist ein Gewinn für diese Regierung. Übrigens ist ein Tisch mit drei Beinen deutlich stabiler als einer mit zweien. Insofern ist auch das etwas Gutes. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, Eka von Kalben und Lars Harms, in der neuen Regierungskoalition und auch im Parlament.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich wende mich an die Opposition und sage: Nicht alles, was Sie in Ihrer Regierungspolitik gemacht haben, war falsch. Zum guten Stil gehört auch, Ihren Einsatz für das Land - wie gestern beim scheidenden Ministerpräsidenten geschehen - zu würdigen. Auch ich mache das an dieser Stelle ausdrücklich. Unsere Auffassungen über Inhalt und Stil der Landespolitik waren immer verschieden. Aber auch die Vorgängerregierung wollte nach bestem Wissen und Gewissen diesem Land dienen. Deshalb meinen Respekt!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Opposition von gestern ist die Regierung von morgen - und umgekehrt -, auch wenn wir Letzteres für dieses Jahrzehnt nun wirklich nicht mehr einplanen. Ihre Rede, Herr Kollege Callsen, hat mir gute Hoffnungen gemacht, dass das auch nicht so sein wird.

Es soll einen fairen Umgang und die ausgestreckte Hand geben, aber auch eine leidenschaftliche Debatte um den richtigen Weg. Die Bürger haben bei dieser Landtagswahl glasklar auch eine andere Politik gewählt.

(Lachen CDU und FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Bei d’Hondt hätten Sie keine Mehr- heit!)

- Dass Sie an diesem alten Stimmauszählungsverfahren festhalten, Herr Kollege, sagt eher, wo Sie hingucken, nämlich eher zurück als nach vorn.

Nicht zuletzt möchte ich mich aber auch bei den Wählerinnen und Wählern für das Vertrauen und

(Dr. Ralf Stegner)

für das Votum bedanken, eine andere Politik machen beziehungsweise einen anderen Politikstil pflegen zu können. Ich bedanke mich bei ihnen, dass sie uns diese Chance gegeben haben.

(Christopher Vogt [FDP]: Den wenigen!)

Ich selbst habe in der Regierung von Björn Engholm als Mitarbeiter gearbeitet. Zwölf Jahre war ich in Regierungsfunktionen und kenne die Koalitionen mit den Grünen und mit der Union. Ich kenne die Verantwortung als Oppositionsführer, und ich weiß: Wer Verantwortung hat, macht auch Fehler. Das ist in der Opposition leichter, weil das bei ihr niemand auf die Goldwaage legt. In der Regierung ist das schwierig. Es ist da mit einer großen Verantwortung verbunden. Viele Menschen haben hohe Erwartungen, und in der Zukunft gibt es nicht nur in Europa viele Unwägbarkeiten.

Der Koalitionsvertrag nimmt weder der Regierung noch dem Parlament die Arbeit ab. Wir haben uns aber fest vorgenommen, nur zu versprechen, was wir auch halten können. Ich bin zuversichtlich, dass wir diesem Votum gerecht werden können.

Herr Ministerpräsident, wir freuen uns darauf, dass Schleswig-Holstein wieder seriös und gut regiert wird. Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit den Grünen und dem SSW in einem offenen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern und in einem fairen Ringen mit der Opposition den besten Weg für unser Land zu finden, sodass es uns gelingt, neue Horizonte für Schleswig-Holstein zu erschließen. Auf diesem Weg können Sie sich auf Ihre SPD-Fraktion verlassen. Darauf können sich unsere Koalitionspartner verlassen. Darauf müssen sich die Oppositionsparteien einstellen. Vor allen Dingen können sich darauf aber die Menschen in Schleswig-Holstein verlassen. Wir freuen uns darauf, und wir sind dazu bereit.

Vielen herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr. Ich bitte Sie, um 14 Uhr ins Parlament zurückzukommen. Bis dahin machen wir die Mittagspause.

(Unterbrechung: 13:07 bis 14:07 Uhr)

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Aussprache zur Regierungserklärung fort. Zu ihrer Jungfernrede darf ich der Frau Abgeordneten von Kalben von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitten, nach vorn zu kommen.

(Beifall)

- Entschuldigen Sie, bevor Sie anfangen, möchte ich gern mit Ihnen gemeinsam unsere Besucher auf der Tribüne begrüßen. Das Regionale Bildungszentrum aus Kiel ist hier. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)