Erstens wird die Uhr angehalten, und zweitens haben Sie als Landesregierung das Privileg, so lange reden zu können, wie Sie wollen.
Frau Ministerin, vielen Dank für die Gelegenheit, Ihnen die Frage zu stellen. Fragen Sie auch Verfassungsjuristen, ob eine „Verkammerung“ von Beschäftigten, die nicht selbstständig beschäftigt sind, die also in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen, zumindest verfassungsrechtlich problematisch sein könnte?
- Ja, aber nicht im Rahmen der Befragung, die ich eben vorgestellt habe. Die Befragung, von der ich eben gesprochen habe, betrifft diejenigen, die später „verkammert“ werden sollen. Nach der Problematik wird auch gefragt, und dazu werde ich nachher noch mehr sagen. Die Frage der Zulässigkeit ist umstritten, aber die Landesregierung hält dies für zulässig. Ich schlage vor, Sie hören sich zunächst das an, was ich dazu zu sagen habe. Und danach stehen Sie vielleicht noch einmal auf und haken nach.
Im Berichtsersuchen wurde gefragt, welche Kosten bisher angefallen und welche Personalressourcen aufgewandt worden seien. Grundsätzlich ist es so, dass wir die Kosten innerhalb der Landesverwaltung aufgrund von Initiativen aus diesem Hause nicht spezifisch erfassen. Das gilt für Gesetzentwürfe genauso wie für Anfragen. Aber für die Meinungsumfrage, die ich eben angesprochen habe, sowie für die Informationsmaterialien veranschlagen wir knapp 70.000 €.
Wenn der Landtag dann auch das Errichtungsgesetz beschließt, wird das Sozialministerium einen Errichtungsausschuss bestellen und dessen Arbeit unterstützend begleiten. Später würde diese dann gegründete Kammer unter die Rechtsaufsicht des Ministeriums fallen. Dabei können wir auf die Erfahrungen mit anderen Kammern, insbesondere bei der Errichtung der Psychotherapeuten-Kammer, zurückgreifen. Nach den dabei gewonnenen Erfahrungen ist davon auszugehen, dass es insbesondere im Zusammenhang mit der Begleitung des Errichtungsausschusses zu einem erhöhten Personalaufwand in meinem Haus kommen wird. Wahrscheinlich wird dieser Aufwand schwerpunktmäßig im Jahr 2015 erfolgen müssen. Eine Darstellung des bis dahin konkretisiert ermittelten Bedarfs wird rechtzeitig für die entsprechende Haushaltsberatung vorliegen.
Meine Damen und Herren, die erfragte konkrete Ausgestaltung der Pflegekammer wird natürlich deswegen führen wir die Befragung ja auch durch von den Ergebnissen der Befragung abhängen, und diese werden dann auch berücksichtigt. Sicher ist aber schon, dass es bei dem angesprochenen Aufgabenrahmen unter anderem darum gehen wird, dass die Kammermitglieder selbst die fachlichen Standards und Qualitätskriterien der Pflege definieren; denn die Mitglieder repräsentieren das Wissen und das Können, das man dazu braucht.
Sie sollen zugleich dafür sorgen, dass die selbst gesetzten Anforderungen von allen Berufsangehörigen in diesem Bereich eingehalten werden. Das ist auch der elementare Unterschied zu den Berufsverbänden, die nur verbindliche Vorgaben für ihre Mitglieder machen können und nicht für alle Berufsangehörigen in diesem Bereich.
Gefragt wurde auch nach dem Thema „Versorgungswerk“. Im Unterschied zu anderen verkammerten Berufen, zum Beispiel den Ärzten und den Rechtsanwälten als Freiberuflern, ist der ganz überwiegende Teil der in dieser Pflegekammer zusammengeführten Berufe einer, der bereits über die Angestelltentätigkeit abgesichert ist. Wir sehen deshalb keine Rechtfertigung dafür, ein gesondertes Versorgungswerk mit der Pflegekammer zu schaffen.
Schließlich wurde auch nachgefragt, ob aus Sicht der Landesregierung eine „Zwangsmitgliedschaft“ in der Kammer rechtlich möglich ist. Gemeint ist wohl die pflichtige Mitgliedschaft. Dazu muss ich sagen: ja. Die Landesregierung geht davon aus, dass die Errichtung einer Pflegekammer nicht auf verfassungsrechtliche Hindernisse stößt.
Wie Sie wissen, ist die pflichtige Mitgliedschaft zum Beispiel in anderen Heilberufen, aber auch bei den Industrie- und Handelskammern seit vielen Jahren geübte Praxis. Diese Praxis ist nicht unumstritten. Aber sie ist verfassungsrechtlich überprüft. Karlsruhe hat schlüssige Kriterien entwickelt, nach denen eine pflichtige Kammermitgliedschaft zulässig ist. Die Landesregierung orientiert sich jedenfalls strikt an den vom Bundesverfassungsgericht festgelegten und definierten Voraussetzungen einer pflichtmitgliedschaftlichen Körperschaft.
Zutreffend - das möchte ich hier auch einräumen ist festgestellt worden, dass eine Pflegekammer nicht das Allheilmittel für alle in der Pflege zurzeit anhängigen Fragen ist und schon gar nicht für alle Probleme, die wir jetzt haben und in Zukunft haben werden. Trotzdem gibt es gute Gründe, dass etwa in Rheinland-Pfalz die Forderung nach einer Pflegekammer von der CDU mitgetragen wird.
Mein Appell ist daher: Lassen Sie uns das nicht parteipolitisch betrachten, sondern lassen Sie uns in der Sache darüber diskutieren. Denn richtig ist auch: Die Aufgabe einer Pflegekammer in den genannten Bereichen, Weiterentwicklung von fachlichen Standards, der Weiterbildung oder der Überwachung von Berufspflichten, gehört, jedenfalls nach meiner Überzeugung und nach Überzeugung der Landesregierung, in die verantwortlichen Hände der Berufsangehörigen.
Diese gemeinsame Aufgabenerfüllung wird - davon bin ich fest überzeugt - die berufliche Identifikation und das Berufsansehen in der Pflege insgesamt stärken. Und das ist angesichts des demografischen Wandels und der Entwicklung dort dringend notwendiger denn je. - Danke schön.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Sie haben den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen durch die Länge Ihrer Redezeit die Möglichkeit eröffnet, 1 Minute und 20 Sekunden länger zu sprechen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, wir danken Ihnen für Ihren Bericht. Ich hatte mehr den Eindruck, dass Sie aus meiner Kleinen Anfrage zitiert haben. Deshalb kön
Nach wie vor sehen wir die Einrichtung einer Pflegekammer in Schleswig-Holstein kritisch. Auch Ihr Bericht heute trägt nicht dazu bei, die elementarsten Kritikpunkte auszuräumen oder zu entkräften.
Wir als Union halten an der von uns schon mehrfach geäußerten Kritik an der „Verkammerung” der Pflegeberufe fest. Sie planen: Alle Pflegekräfte, die die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpfleger oder Kinderkrankenpfleger oder -pflegerin oder Altenpflegerin oder Altenpfleger besitzen und in Schleswig-Holstein pflegerisch tätig sind oder hier ihren Hauptwohnsitz haben, sollen oder - exakter gesagt - müssen Zwangsmitglieder der neuen Pflegekammer werden. Laut der aktuellen statistischen Erhebung der Pflegestatistik für Hamburg und Schleswig-Holstein des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein trifft das auf mindestens 25.000 künftige Zwangsmitglieder zu.
Hier haben wir es auch schon mit der ersten Problemstellung zu tun. Die Pflegefachkraft mit Wohnort in Schleswig-Holstein, die in Hamburg, Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern arbeitet, ist verpflichtet - so das Ergebnis meiner Kleinen Anfrage vom 6. Juni 2013 -, trotzdem Kammerbeiträge in Schleswig-Holstein zu leisten. Dabei ist es egal, ob sie ihre Tätigkeit ausübt oder ruhen lässt. Falls eine Pflegefachkraft, aus welchen Gründen auch immer, aus dem Beruf ausscheidet, etwa aus Unzufriedenheit oder aus physischen, psychischen oder familiären Gründen, muss diese Pflegefachkraft ohne Rücksicht auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit weiterhin Mitglied in der neuen Pflegekammer bleiben. Das, meine Damen und Herren, schießt erheblich über das Ziel hinaus, es ist unverhältnismäßig und unangemessen.
Fakt ist, dass durch die Einrichtung einer Pflegekammer ein erheblicher und zusätzlicher bürokratischer Aufwand auf das Land und auf die Beschäftigten in der Pflege zukommen wird. Wir haben es ja eben gehört.
Eine Pflegekammer wird die Hoffnung und die Wünsche, die die betroffenen Pflegenden in sie setzen, zu einem großen Teil nur sehr unzureichend erfüllen können. Die mit einer Pflegekammer ver
bundenen Erwartungen, wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Aufwertung des gesamten Berufsstandes, können kaum erfüllt werden. Die Hoffnung auf eine ideelle Aufwertung, vor allem die so erhoffte Augenhöhe mit Ärzten, wird sich als simple Fata Morgana entpuppen. Das Ansehen von Ärzten und anderen bereits verkammerten Berufsgruppen speist sich nicht vordringlich aus der Verkammerung, sondern aus anderen Gründen. Die Pflegeberufe werden nicht deswegen aufgewertet, weil es künftig in Schleswig-Holstein eine Pflegekammer geben soll.
Meine Damen und Herren, was wird die Pflegekammer kosten? Was müssen die Zwangsmitglieder künftig zahlen? Das sind spannende Fragen. Dies weiß zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand. Keiner weiß, wie viel diese zusätzliche Bürokratie verschlingen wird. Auf die Frage, welche Vorstellungen die Landesregierung zur Finanzierung der Pflegekammer hat und mit welchem monatlichen Zwangsbeitrag die 25.000 Betroffenen zu rechnen haben, werden keine verwertbaren Angaben gemacht. Hierzu heißt es als Antwort nur lapidar und ich zitiere jetzt auch aus meiner Kleinen Anfrage -:
“Die Pflegekammer finanziert sich selbst. Dazu erhebt sie von ihren Pflichtmitgliedern Beiträge, die sich an ihrem Aufwand und ihren Leistungen orientieren. Der Beitrag der einzelnen Kammermitglieder orientiert sich an deren Einkommensverhältnissen und wird von den Mitgliedern in den Gremien der Pflegekammer festgelegt.”
„Eine Beitragskalkulation ist derzeit nicht möglich, da sowohl die Anzahl der Kammermitglieder als auch die in der Kammer anfallenden Kosten nur geschätzt werden können.”
Das, meine Damen und Herren, ist unseriös. Die für die Kammer infrage kommenden Mitglieder werden bei einer für sie so wichtigen Frage vorher im Unklaren gelassen.
So auch die Vertreter der Gewerkschaften, die Kritik erheben und befürchten müssen, noch mehr Mitglieder zu verlieren, denn das zurzeit nicht sehr üppige Gehalt in der Pflegebranche wird nun durch einen noch zu erwartenden ähnlich hohen zusätzlichen Zwangsbeitrag für die Pflegekammer belastet.
Liebe Kollegin Rathje-Hoffmann, vielen Dank für die Gelegenheit, eine Frage zu stellen. Wie hoch ist denn der Organisationsgrad in der Pflege gewerkschaftlich? Wo kommt denn diese Befürchtung her?
Ich habe mit der Gewerkschaft gesprochen. Er ist sowieso nicht sehr hoch. Er liegt im knappen zweistelligen Bereich.
- Das würde die Rolle der Gewerkschaften noch mehr schwächen. Das halte ich nicht für gut - obwohl ich eine Christdemokratin bin.
Dann nutze ich die Gelegenheit zu einer Zwischenbemerkung und stelle fest, dass die überwiegende Mehrheit derzeit nicht gewerkschaftlich organisiert ist. Das können wir in den weiteren Gesprächsbeiträgen vertiefen.