Zweitens setzt es auch eine sehr frühe Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger voraus, wobei natürlich auch das Internet zum Einsatz kommen muss, etwa um bestimmte Planungen zu visualisieren: Wie sieht das überhaupt aus? Wer ist davon betroffen? Moderne Technik hilft, Betroffenheit deutlich zu machen und einen Eindruck von bestimmten Planungsvorhaben zu vermitteln.
Leider wird der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neufassung des Landesplanungsgesetzes diesen Anforderungen nicht gerecht. Er schreibt vielmehr das Planungsrecht des letzten Jahrhunderts fort und sieht weniger statt mehr Bürgerbeteiligung vor. Auch die Möglichkeiten, die das Internet bietet, werden nicht annähernd ausgeschöpft.
Ich nenne ein paar Beispiele. Der Gesetzentwurf verkürzt zum Beispiel die Anhörungsfrist, innerhalb derer Stellung zu Plänen genommen werden kann. Das sehr problematische Zielabweichungsverfahren, wo von Landesplanungen einfach der Ministerpräsident im Einvernehmen mit Ministern abweichen kann, wird nicht etwa erschwert, so wie es unser Gesetzentwurf vorsieht, und auf Ausnahmefälle beschränkt, sondern sogar noch ausgeweitet und erleichtert. Das ist ein sehr intransparentes Verfahren, bei dem die Bürger keine förmliche Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wo auch der Landesplanungsrat, in dem die gesellschaftlichen Gruppierungen vertreten sind, nicht mitsprechen darf. Deswegen fordern wir ganz klar: Zielabweichungsverfahren müssen die absolute Ausnahme für unvorhergesehene Fälle bleiben. Ansonsten muss es dabei bleiben, dass ein Plan im normalen Verfahren unter Einbeziehung der Bürger geändert
Drittens. Nach Ihrem Gesetzentwurf ist ein vereinfachtes Planänderungsverfahren vorgesehen, bei dem aber die Öffentlichkeitsbeteiligung völlig entfallen soll. Welche Zeitersparnis soll das haben, wenn Sie sowieso die Fristen laufen haben, um andere Beteiligte mit einzubeziehen? Welche Zeitersparnis soll es bringen, der Öffentlichkeit zu verbieten, sich hier auch einzubringen? Das erschließt sich mir überhaupt nicht.
Viertens. Sie schwächen den Landesplanungsrat mit diesem Gesetzentwurf in verschiedener Hinsicht. Zunächst einmal blähen Sie ihn auf, indem er statt 35 nun 45 Mitglieder groß sein soll. Ein solch großes Gremium erschwert die Beratungen enorm. Zum anderen soll er auch nicht mehr halbjährlich, sondern nur noch nach Bedarf tagen. Planänderungen und Abweichungen sollen im großen Umfang ohne Beteiligung des Landesplanungsrats möglich sein. Auch das bedeutet weniger Bürgerbeteiligung.
Fünftens. Die Möglichkeiten des Internets werden nicht annähernd ausgeschöpft. Selbst im formellen Verfahren, in dem es also nicht um das frühe Planungsstadium geht, wo wir schon eine Einbeziehung der Bürger fordern, selbst wenn schon ein Plan aufgestellt werden soll und die Planaufstellungsabsicht bekannt gemacht wird, muss das nicht im Internet erfolgen, sondern einfach nur im Amtsblatt verkündet werden. Der Planentwurf selbst soll zwar ins Netz gestellt werden; ohne Aufbereitung wird er aber nicht verständlich sein. Das Internet bietet so tolle Möglichkeiten, um eine Planung verständlich darzustellen und geografisch zu verankern. Es bietet die Möglichkeit, mit Open Data eine Weiternutzung und Aufbereitung der Daten durch die Öffentlichkeit anzubieten. Es wäre möglich, Bürger zum Beispiel automatisch zu benachrichtigen, wenn im Umkreis ihres Wohnorts etwas geplant ist. All diese Möglichkeiten schöpft der Gesetzentwurf nicht annähernd aus.
Letztes Beispiel: Sie wollen ein Raumordnungssystem aufbauen, in dem geografische Planungsdaten gesammelt werden sollen. Das ist sehr gut. Das soll aber komplett nicht öffentlich sein, allein für die beteiligten Ministerien - keine Öffentlichkeit, kein Open Data.
Ich glaube, dass das ein Planungsrecht ist, das wirklich noch im letzten Jahrhundert verhaftet ist, bei
dem wir massiv nachbessern müssen. Dabei zähle ich auf Ihre Unterstützung. Ich habe auch beim Ministerpräsidenten gehört, dass Bereitschaft besteht. Ich biete von unserer Seite gerne an, in all diesen Fragen von Transparenz, Internet und frühzeitiger Bürgerbeteiligung konstruktiv mitzuwirken, um ein wirklich modernes und vorbildliches Planungsrecht aufzustellen. Denn wir kommen in der heutigen Zeit nicht mit dem Planungsrecht des letzten Jahrhunderts weiter. Das ruft Widerspruch hervor und schwächt die Akzeptanz von solchen Projekten. Es führt auch zu Bauruinen, wie wir in Berlin gesehen haben oder auch in Hamburg bei der Elbphilharmonie. Es führt zu Kostenexplosionen, es führt zu wütenden Demonstrationen, wenn wir so weitermachen wie bisher. Auf dieser Linie erfolgt der Gesetzentwurf. Deswegen muss massiv nachgesteuert werden.
Um nur noch einen Punkt anzusprechen: Wir müssen auch darüber nachdenken, ob wir nicht auch ein Planungsrecht im Untergrund brauchen. Bisher ist es so, dass Rohstoffe völlig frei ausgebeutet werden dürfen, dass ein Anspruch darauf besteht, Erdgas, Erdöl und sonstige Rohstoffe zu fördern. Wenn wir für den Untergrund ein Planungsrecht hätten, wäre das ein Instrument, um Interessenskonflikte auszubalancieren und viel differenzierter als bisher zu entscheiden: Wollen wir Rohstoffe überhaupt ausbeuten? Erfolgt das im Einklang mit dem betroffenen Gebiet? Insbesondere beim Thema Fracking würde das ein sehr flexibles Instrumentarium bieten. Wir sollten im Hinterkopf behalten, eine Untergrundplanung in das Planungsrecht einzubeziehen. - Danke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke erst einmal der Landesregierung, dass sie unserem Antrag, die Leitlinien und Zielvorstellungen einer geplanten Reform der Landesplanung einschließlich des geplanten Neuzuschnitts der Planungsräume noch vor der Sommerpause vorzulegen, nachgekommen ist. Aber ich habe folgende Anmerkungen dazu zu machen.
Erstens. Im Jahre 2009 hat der Bund das Raumordnungsgesetz reformiert. Ziel des Gesetzes war es, weiterhin eine möglichst große bundesweite Rechtseinheit im Raumordnungsrecht zu erhalten. Neue Erfahrungen wurden eingearbeitet und die bewährten, von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Regelungen weitgehend ins Gesetz überführt. Die Länder sollten möglichst wenig Anlass zur Abweichgesetzgebung haben.
Aus meiner Sicht ist daher sehr genau zu prüfen, ob das Land von seiner abweichenden Gesetzgebungskompetenz im Rahmen des Landesplanungsgesetzes Gebrauch machen sollte. Denn Abweichungen vom Bundesrecht bedeuten immer einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Abweichende Regelungen sind nur sinnvoll, wenn sie konkrete Handlungsvorteile bringen. Wir müssen daher sehr genau hinschauen, was beschlossen wird. Jedenfalls darf dies nicht dazu führen, dass Entwicklungen in unserem Land durch gesetzliche Regelungen behindert werden.
Zweitens. Die Übernahme des Landesentwicklungsgrundsätzegesetzes in das Landesplanungsgesetz ist lediglich eine gesetzessystematische Entscheidung und aus meiner Sicht vertretbar. Ein entscheidendes Problem scheint mir jedoch die Reduzierung der Planungsräume von fünf auf drei zu sein. Den bundesweiten Trend, Planungsräume erheblich zu vergrößern, halte ich angesichts der Landesstruktur in Schleswig-Holstein für nicht umsetzbar. Wenn es zu einer Neuverteilung kommen muss, sollte das Ziel doch wenigstens eine gleichmäßige Verteilung innerhalb der Planungsräume sein. Der Entwurf weist jedoch Unterschiede von rund 1,2 Millionen Einwohnern auf, nämlich von 460.000 Einwohnern bis zu 1,6 Millionen. Die Interessen eines Dithmarscher Dorfes, der Stadt Norderstedt und der Insel Fehmarn unter einen Hut zu bekommen, scheint mir schier unlösbar.
Eine Gesamtentwicklung wird so nicht gefördert. Wir meinen: Natürlich gewachsene Verbindungen beteiligter Gebietskörperschaften müssen stärker beachtet werden. Rein geografisch ist die Beibehaltung der Stadt Neumünster im Planungsraum II nachvollziehbar. Schaut man jedoch auf die Stellungnahmen, dann ignoriert die Landesregierung die Interessen der Betroffenen, was aber nach dem bisherigen Handeln dieser Regierung im Ergebnis nicht verwundert.
Drittens. Die Regionalpläne sind zeitnah dem Landesentwicklungsplan anzupassen. Das ist zwar zu begrüßen, scheint mir vom Zeitablauf jedoch nicht nachvollziehbar. Mit der Überarbeitung des Landesentwicklungsplans gibt man sich bis 2016 Zeit. Heißt das, dass der jetzige Landesentwicklungsplan dann die Grundlage wäre? - Das verstehe ich nicht.
Viertens. Der Planungszeitraum ist für den Landesentwicklungsplan und die Regionalpläne auf 15 Jahre bestimmt. Das ist durchaus immer Konsens gewesen. Ich frage die Landesregierung allerdings, warum sie sich erst nach einer erneuten Änderung des Landesentwicklungsplans daran hält. Die letzte Änderung wurde im Jahr 2010 vollzogen. Lassen Sie ihn doch erst einmal wirken, anstatt mit Ihrer Alles-was-andere-gemacht-haben-ist-sowiesofalsch-Mentalität hier aus ideologischen Gründen herumzuwerkeln!
Fünftens. Die Aufblähung des Landesplanungsrats - wie eben von Herrn Kollegen Breyer angesprochen - scheint mir ebenfalls nicht gerechtfertigt. Ein Mehr an Personen bringt nicht zwangsläufig ein Mehr an Informationen. Maximal 50 Personen - Frauen und Männer zu gleichen Teilen - zu berücksichtigen, macht dieses Gremium nicht gerade handlungsfähiger. Der Herr Ministerpräsident ist gerade nicht anwesend. Aber warum entscheidet er denn nicht gleich innerhalb Ihrer so geliebten und kostenintensiven Bürgerkongresse?
Das sind nur einige wesentliche Änderungen, auf die ich kurz aufmerksam machen wollte. Die politische Debatte darüber müssen wir dann im entsprechenden Innen- und Rechtsausschuss führen und mit den Anzuhörenden.
Ich komme jetzt auf den FDP-Antrag „Chancen erkennen - Potenziale nutzen“ zu sprechen. Wenn Sie einem geboten werden, ist das sicher sinnvoll. Die Fähigkeiten zur Entwicklung von nicht ausgeschöpften Möglichkeiten sollte man niemals aus dem Auge verlieren. Eine Chance unterstellt jedoch auch, dass sie von nicht weiter zu hinterfragenden Bedingungen abhängt.
Die Vorbereitung für eine gemeinsame Landesplanung mit Hamburg anzuschieben, scheint mir grundsätzlich sinnvoll. Dieses empfehlen ebenfalls die Fraktionen von CDU und FDP im Abschlussbericht der Enquetekommission aus der letzten Legislaturperiode: Strukturen für eine koordinierte Landesplanung mit Hamburg zu entwickeln, in der grundlegende länderübergreifende Leitlinien festgelegt werden. Eine koordinierte Landesplanung soll
Verfahren entbürokratisieren und die Beratung und Betreuung durch die Behörden bürgerfreundlicher gestalten. Wirtschaftliche Potenziale müssen genutzt werden. Vorrangiges Ziel ist die Schaffung neuer und zukunftssicherer Arbeitsplätze.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wirtschaftlich müssen wir kooperieren. Zu einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe gehört aber, dass die Länder nicht allein auf eigene wirtschaftliche Vorteile bedacht sind und das eigene Handeln nicht zum wirtschaftlichen Schaden des anderen führt. Damit bin ich bei meinem Eingangsstatement: den Bedingungen, an die eine Chance immer geknüpft ist. Hier erinnere ich an die Windmesse Husum. Seit langer Zeit war das Verhältnis zu Hamburg nicht so angespannt wie zurzeit.
Das arme Schleswig-Holstein ist nicht immer nur für die Flächenausgleichssituation Hamburgs zuständig. Nur gemeinsam sind wir stark. Mit Arroganz kommt man hier einfach nicht weiter.
Das Thema Einrichtung einer gemeinsamen Landesplanung - oder zweier, wie wir eben vom Ministerpräsident gehört haben - stieß im Hamburger Landesparlament bisher nur auf dürftiges Interesse. Mit unserem Änderungsantrag zu den Zielvorstellungen der Landesregierung im Bereich der Landesplanung wollten wir erreichen, dass die Landesplanung spätestens zur Sommerpause - wenn schon nicht zur Kommunalwahl, was eigentlich nur fair gewesen wäre - ihre eigenen Strukturen im Bereich der Landesentwicklungsplanung veröffentlicht. Das ist geschehen. Der Ministerpräsident hat eben auch Kooperationsmodelle, die bisher schon bestehen, aufgezeigt.
Es gibt jedoch noch weitere offene Fragen. Wenn diese Fragen abgearbeitet sind, macht es aus unserer Sicht Sinn, dass die Landesregierung dann über gemeinsame Ziele einer oder zweier starker Landesplanungen verhandelt. Dabei wird sich dann entscheiden, ob es eine inhaltliche Basis für eine Übereinstimmung gibt. Im Landesplanungsgesetz sprechen Sie jedenfalls davon, dass den Nachbarländern und -Staaten nach den Grundsätzen von Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird.
Erlauben Sie mir abschließend einen Rückblick auf die letzte Legislaturperiode. Das in der vergangenen Legislaturperiode eingebrachte Gesetz zur Kommunalisierung der Regionalplanung wurde nach Regierungsübernahme ohne einen einzigen sachlichen Verbesserungsvorschlag aufgegeben. Es gab keine konstruktive Auseinandersetzung mit dem bestehenden Gesetz.
Der neue Landesentwicklungsplan soll nun eine Strategie aufweisen, die bis ins Jahr 2030 reicht. Die Leitidee steht dabei ganz oben, so wurde uns mitgeteilt. Das Denken und Handeln findet jedoch weiterhin in den Handlungsräumen statt. Das ist auch okay so. Sprich: Man macht sich das Knowhow der Kreise und Fachbehörden zu eigen. Aber das war doch genau unser Ansatz, den wir in der letzten Legislaturperiode verfolgt haben, die Kommunalisierung der Regionalplanung umzusetzen. Ich zitiere hier Herrn Erps, der neulich zu mir sagte: Man hat uns die Kommunalisierung genommen, die Arbeit lässt man uns jedoch.