Protokoll der Sitzung vom 18.06.2013

Das sind einige der zentralen Fragen für SchleswigHolstein. Sie können nur sinnvoll beantwortet werden, wenn wir die Landesplanung strategischer aufstellen. Hierzu ist die Küstenkoalition angetreten, und der vorliegende Gesetzentwurf ist nach der Reform im letzten Jahr der zweite Umsetzungsschritt.

Im ersten Schritt haben wir die Kommunalisierung der Regionalplanung zurückgenommen. Kommunalisierung, das klingt erst einmal positiv, nach mehr dezentraler Graswurzel-Politik.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So ist es!)

Doch der Schein trügt in diesem Fall. Die Kommunalisierung hätte die Aufteilung des Landes in weitgehend voneinander unabhängige Planungsräume zur Folge gehabt. Das hätte der Zersiedelung und auch der Kannibalisierung im wirtschaftlichen Bereich Vorschub geleistet.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Jetzt schießen Sie wirklich über das Ziel hinaus, Frau Kolle- gin!)

Es wäre ein Schritt in die völlig falsche Richtung gewesen.

Eine nachhaltige Raumplanung braucht die übergeordnete Koordination verschiedener Nutzungsinteressen und Ansiedlungspläne. Es war deshalb richtig, diese Kompetenz wieder bei der Landesregierung anzusiedeln. Jetzt gehen wir mit dem Neuzuschnitt der Planungsräume den nächsten Schritt in Richtung strategischer Landesplanung.

(Kirsten Eickhoff-Weber)

Die jetzigen Planungsräume sind teilweise deutlich zu klein. Mit nunmehr drei Räumen folgen wir dem bundesweiten Trend hin zu größeren Räumen. Zugegebenermaßen, der Neuzuschnitt erklärt sich bei einem Blick auf die Landkarte nicht von selbst.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Viele fragen sich: Was hat das ländliche Dithmarschen, was hat die Insel Fehmarn denn mit dem Hamburger „Muskelring“ gemeinsam? Würde Dithmarschen nicht viel besser zu Nordfriesland passen? Und wird ein großer Planungsraum im Süden die anderen Regionen abhängen? Diese Fragen sind verständlich, und Politik muss Antworten darauf geben. Dazu müssen wir Aufklärungsarbeit leisten. Wir müssen klarstellen, wofür ein Planungsraum eigentlich relevant ist und wofür nicht.

Erstens ist ein Planungsraum für die Aufstellung eines Regionalplans relevant. Er ist nicht relevant für Fördergelder, die in diese Räume fließen. Es geht auch nicht um Einfluss, den die Kreise eines größeren Planungsraums auf die Landespolitik vermeintlich haben.

Zweitens. Nicht die Strukturähnlichkeit der Kreise ist ausschlaggebend für die Zusammenfassung in einen Planungsraum. Nach dieser Logik könnten ländliche Kreise und Städte grundsätzlich nicht in einem gemeinsamen Planungsraum sein, weil sie so verschieden sind. Relevant sind vielmehr die vielfältigen Verflechtungen zwischen den Kreisen und Städten. Und da sehen wir, dass Dithmarschen und Ostholstein bereits Teil der Metropolregion sind und sich in ihrem Selbstverständnis auch dort verorten. Dabei ist die Unterschiedlichkeit der Kreise und Kommunen eine Herausforderung. Aber gerade wegen der Unterschiedlichkeit müssen sie in einem Planungsraum sein.

Nehmen wir das Beispiel demografischer Wandel. In Dithmarschen nimmt die Bevölkerung zum Teil enorm ab, sodass Schulen geschlossen werden müssen und die Infrastruktur ausdünnt. In den Kreisen und Orten rund um Hamburg nimmt sie zu, sodass die Schulen zum Teil überfüllt sind und der Wohnraum knapp und teuer wird. Da liegt es doch auf der Hand, dass beide Entwicklungen gemeinsam gedacht und gemeinsam Lösungen gefunden werden müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Metropolregion stellt sich dieser Aufgabe. Im Jahre 2000 gab es bereits ein Leitprojekt „Demografie und Daseinsvorsorge“, in dem insbesondere

der Kreis Dithmarschen aktiv mitgewirkt hat. Ganz aktuell hat der Lenkungsausschuss der Metropolregion ein neues Leitprojekt „Demografie und Daseinsvorsorge“ auf den Weg gebracht, das über die Metropolregion verteilt insgesamt zwölf regionale Projekte umfasst. Diese übergreifende Zusammenarbeit in der Region - so denke ich - war auch ein Argument in der damaligen Erweiterungsdiskussion der Metropolregion.

Kaum ein Jahr nach der Erweiterung können wir doch nicht ernsthaft darüber diskutieren, ob die im Jahre 2012 geltenden Gründe für eine Vergrößerung der Metropolregion heute gegen einen gemeinsamen Planungsraum genau dieser Region sprechen. Und da in der Metropolregion alle Beschlüsse einstimmig getroffen werden müssen, können die direkten Hamburg-Rand-Kreise die übrigen Kreise nicht überstimmen, sondern es muss gemeinsam um Lösungen gerungen werden. Nur wenn wir Land und Stadt zusammen denken, finden wir Antworten auf die veränderten Herausforderungen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Außerdem laufen die relevanten Verkehrsachsen durch den gemeinsamen Planungsraum III. Die Zuordnung ist von den Kreisen so gewollt, und wir erachten sie als sinnvoll.

Bei Neumünster müssen wir in den parlamentarischen Beratungen noch abwägen, ob es im Interesse der Landesplanung, der Stadt Neumünster und der umliegenden Kreise bei der vorgeschlagenen Zuordnung im Planungsraum II bleiben kann oder es dem Planungsraum III zugeschlagen wird.

Insgesamt verbindet der Neuzuschnitt der regionalen Planungsräume Kreise und Städte, die miteinander verflochten sind. Den Norden eint die gemeinsame Orientierung nach Dänemark. Die Kiel Region vereint sich im Planungsraum II um die Landeshauptstadt Kiel und ist Bindeglied zwischen Nord und Süd. Und mit dem Planungsraum III wird die bestehende intensive Kooperation der Metropolkreise rund um Hamburg aufgegriffen.

Der wichtigste Schritt bei der Neuausrichtung der Landesplanung steht noch aus, nämlich die Aufstellung des Landesentwicklungsplans. Dieser soll 2016 fertig sein. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Landesregierung die Bürgerinnen und Bürger intensiv an der Entwicklung des Landesentwicklungsplans beteiligt und dass der Landtag erstmals direkt über den Landesentwicklungsplan abstimmen wird; denn hier fällen wir gemeinsam die

(Ines Strehlau)

wirklich wichtigen politischen Entscheidungen für die Zukunft unseres Landes.

Eine länderübergreifende Zusammenarbeit mit Hamburg im Bereich der Landesplanung begrüßen wir Grüne ausdrücklich. Frau Nicolaisen, ich glaube, wir müssen insgesamt davon wegkommen, dass wir als Opposition immer Anträge zur Kooperation stellen, aber sobald Regierungshandeln angesagt ist, wird es nicht gemacht. Die alte Landesregierung hätte ja die Möglichkeit gehabt, die Landesplanung mit Hamburg voranzutreiben oder eine gemeinsame Landesplanung auf den Weg zu bringen. Das haben Sie nicht getan, und jetzt stellen Sie den Antrag. In Hamburg ist es so, dass die CDU dort jetzt ein gemeinsames Landesplanungsamt haben wollte. Als Sie aber selbst an der Regierung waren, haben Sie dieses nicht eingerichtet. Davon müssen wir weg. Wir müssen hin zu einer strategischen Neuausrichtung und zu einer viel intensiveren institutionellen Kooperation.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schleswig-Holstein und Hamburg sind auf vielen Gebieten eng vernetzt. Kooperationen laufen auf vielen Ebenen. Es gibt gemeinsame staatliche Einrichtungen, Kooperationen und Staatsverträge. Die Landesregierungen treffen sich regelmäßig, und auch auf parlamentarischer Ebene nimmt die Kooperation jetzt Fahrt auf.

Um strukturiert zu kooperieren, halten wir Grüne auch eine Abstimmung bei den Zielen der Landesplanung für sinnvoll. Themenfelder gibt es genug: Der Energiebereich drängt sich geradezu auf. Wir erreichen in Schleswig-Holstein mit erneuerbaren Energien schon jetzt einen Anteil von 60 % und werden ihn kontinuierlich weiter steigern. Eine enge Abstimmung mit Hamburg wäre sinnvoll, um die Haushalte und die Industrie auch dort mit erneuerbarer Energie zu versorgen und im Bereich Leitungsausbau und Speicherung ein gemeinsames Konzept zu erarbeiten.

Ein weiteres Stichwort ist die Hafenkooperation, wo durch ein abgestimmtes Konzept zwischen den deutschen Nordsee-Anrainern Investitionen, Infrastruktur und Verteilung der Ladungsströme die Gewinne für alle Beteiligten optimiert werden könnten.

Auch anderen Herausforderungen können wir besser gemeinsam begegnen. Hier ist der demografische Wandel wieder ein wichtiges Thema. Hamburg und das Hamburger Umland haben steigende Einwohnerinnen- und Einwohnerzahlen zu vermelden. Wohnraum ist knapp. Wie gewährleisten wir

ausreichend Wohnungen bei gleichzeitigem Erhalt von Natur- und Freizeitflächen?

In der Wirtschaft wäre eine gemeinsame Landesplanung wichtig, um zum Beispiel länderübergreifende Gewerbegebiete zu vereinfachen. Gemeinsame Förderinstrumente machen Ansiedlungen einfacher, stärken den gesamten Raum und reduzieren den Flächenverbrauch. Auch bei Natur- und Freizeitflächen ist eine bessere Abstimmung notwendig.

In Schenefeld zum Beispiel wollte die Stadt einen Teil des Landschaftsschutzgebietes bebauen, der im Landschaftsplan gemeinsam mit Hamburg als Grüngürtel ausgewiesen ist. Hamburg hätte der Bebauung zugucken müssen, obwohl es ein länderübergreifendes Landschaftsschutzgebiet ist. Glücklicherweise hat die Stadt nach heftigen Bürgerprotesten von einer Bebauung Abstand genommen.

Beim Thema Verkehr ist eine Koordinierung gerade in den kommenden Jahren während der Bauarbeiten auf der A 7 und der A 23 wichtig. Es wird einen erhöhten Andrang auf Busse und vor allem Bahnen geben. Wir brauchen kurzfristig mehr Kapazitäten auf Park-and-Ride-Plätzen und auch E-Bike-Abstellmöglichkeiten und eine Verstärkung des ÖPNV-Angebots. Ziel im Verkehrsbereich sollten eine gemeinsame Verkehrsplanung und auch ein gemeinsamer Verkehrsverbund für den ÖPNV sein.

Es spricht also vieles dafür, die Landesplanung gemeinsam zu entwickeln. Wichtig ist dabei, dass Schleswig-Holstein seine Zielvorstellungen auf Augenhöhe mit Hamburg einbringen kann.

Lassen Sie uns darüber im Ausschuss beraten unter Einbeziehung Hamburgs. Wenn wir gemeinsame Leitlinien in der Landesplanung wollen, dann finden wir auch Wege, dies umzusetzen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Häufig wird über zu viel Planung geklagt, und das zuweilen auch zu Recht. Bedenkt man aber die vielen unterschiedlichen Nutzungsansprüche und Interessen, die an den Raum gestellt werden,

(Ines Strehlau)

wird schnell deutlich, dass wir eine übergeordnete Planung brauchen.

Mit dem vorliegenden Entwurf für ein Landesplanungsgesetz bekommt das Land ein rechtliches Instrument, um unser Land für die Zukunft zu gestalten. Wir brauchen dieses übergeordnete Planungsinstrument, um eine zukunftsorientierte Planung zu ermöglichen, die alle Anforderungen, die an unser Land und seine Regionen gerichtet sind, aufgreift und gegeneinander abwägt. Wer dies so will, der muss aber auch bereit sein und den Mut aufbringen, grundlegende Planungsvoraussetzungen neu zu betrachten und gegebenenfalls alte Zöpfe abzuschneiden.

Die Neugestaltung der regionalen Planungsräume ist die planungsrechtlich wichtigste Änderung, die mit dem Entwurf verfolgt wird. Die bisherigen fünf Planungsräume sind eine Einteilung aus den 70erJahren. Mit der vorgeschlagenen Neuordnung von bisher fünf auf künftig drei Planungsräume bildet sich nun auch in der Raumordnung ab, was in der Praxis - ob in Kultur, Wirtschaft, Verkehr oder auch Umweltschutz - längst Realität ist. Es ist also an der Zeit, die Planungsräume anzupassen.

Die Verringerung der Planungsräume hat auch den Effekt, dass sich die Zahl der Verfahren entsprechend verringert. Dies spart nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Diese Maßnahme ist somit auch ein direkter Beitrag zur Entbürokratisierung und Aufgabenüberprüfung.

Die stärkere Orientierung an raumordnerischen Kriterien und die Orientierung an bestehenden Regionen wird durch den neuen Zuschnitt unterstützt. Dadurch stärken wir den Landesteil Schleswig, die Kiel Region sowie die Metropolregion. Zudem berücksichtigt das sogenannte Dreier-Modell in dem Neuzuschnitt stärker den Verlauf der Landesentwicklungsachsen des LEP.

Aber auch Aspekte wie Stadt-Umland- und Pendlerverflechtungen oder regionale Kooperationen werden durch den Neuzuschnitt gestärkt.

Für den nördlichen Landesteil Schleswig bleibt alles beim Alten. Daher wird es auch weiterhin darum gehen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Dänemark in nahezu allen Bereichen zu intensivieren. Hier schlummern gewiss noch ungeahnte Möglichkeiten. Diese Potenziale müssen gehoben werden.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Stadt Neumünster bleibt aufgrund der bestehenden Verflechtungen mit den Kreisen Plön und Rendsburg-Eckernförde Teil der Region Kiel. Aufgrund ihrer ebenfalls intensiven Zusammenarbeit mit Hamburg wird Neumünster als Oberzentrum künftig eine Brückenfunktion zwischen dem nördlichen und dem südlichen Planungsraum wahrnehmen.

Durch die Zusammenlegung der drei bisherigen südlichen Planungsräume zu einem gemeinsamen Planungsraum kann die Metropolregion Hamburg ihre Aktivitäten in und Kooperationen mit der Hansestadt Hamburg künftig noch besser verzahnen.