Protokoll der Sitzung vom 20.11.2013

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Einige wenige Punkte möchte ich gern herausgreifen. Der Ausbau der Breitbandinfrastruktur ist ein herausragendes Thema auch für die Freien Berufe. Breitband ist - das hat die Landesregierung mehrfach deutlich gemacht, gerade eben auch noch einmal - eine Basisinfrastruktur unseres Jahrhunderts. Breitband ist die Basis für Bildung, Ausbildung und Berufsausübung, gerade im ländlichen Raum. Auch ist Breitband ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Mobilität von morgen: Wo heute noch die Menschen reisen, werden morgen auch die Daten unterwegs sein.

Wenn wir über die Demografie nachdenken, über die Entwicklung unseres Landes, über die Chancen in den Ballungsgebieten und im ländlichen Raum, kommt es darauf an, weitere Schwerpunkte zu identifizieren und die Entwicklung Schleswig-Holsteins insgesamt zu stützen.

(Anhaltende Unruhe)

(Hartmut Hamerich)

Entschuldigen Sie, Frau Kollegin. - Meine Damen und Herren, die zaghafte Glocke vorhin sollte Sie daran erinnern, dass hier vorn eine Kollegin steht, die eine Rede hält und eine Ansprache an Sie richtet. Ich möchte Sie bitten, dieser Kollegin zuzuhören und nicht Ihrem Nachbarn und anderen Gesprächspartnern. Es ist sehr unruhig hier.

(Beifall SPD)

Ihr wisst auch nicht, was noch alles kommt. Ich würde einmal genau zuhören.

Im ländlichen Raum kann es künftig eng werden für Einrichtungen der Daseinsvorsorge, wenn wir nicht gegensteuern. Attraktive Arbeitsumgebungen für Ärztinnen und Ärzte, Standortbedingungen für Apotheken, finanzielle Absicherung von Hebammenleistungen sind bedeutende Faktoren, wenn es darum geht, den ländlichen Raum als Lebensraum attraktiv zu halten. Daran müssen und werden wir weiterhin arbeiten.

Was für die einen eine Einrichtung der Daseinsvorsorge ist, die sie in Anspruch nehmen, bedeutet für die anderen eine attraktive Arbeitsmöglichkeit. Dabei gelten die Voraussetzungen, die ich bereits genannt habe: Das Umfeld muss stimmen, damit es mit der Selbstständigkeit klappen kann.

(Beifall SPD)

Hier wird ein weiteres Problem deutlich, das auch in den Freien Berufen einen großen gesellschaftlichen Mangel widerspiegelt. Ein Blick in die Statistik zeigt - ich habe auch hineingeschaut, Kollege Hamerich; ich habe nur einen etwas anderen Schwerpunkt gewählt als Sie -, dass Frauen in einigen wenigen Freien Berufen in der Mehrzahl sind, und das nicht gerade in den Berufen, in denen man ordentlich Knete verdienen kann, die die einkommensstarken Berufe sind. Die Hebammen mit einem Frauenanteil von 100 %, die Psychotherapeuten mit einem Frauenanteil von 67,9 %, die darstellenden Künstler mit einem Frauenanteil von 52,7 % und die Publizisten mit einem Frauenanteil von 51,6 % bilden hier die Spitze. Am anderen Ende der Skala, also dort, wo ordentlich Geld zu verdienen ist, stehen die Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer mit einem Männeranteil von 89,3 %, die Patentanwältinnen und -anwälte mit einem Männeranteil von 87,3 % und die Buchprüferinnen und Buchprüfer mit einem Männeranteil von 86,4 %.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen so gut wie ich, dass man faire Einkommenschancen nicht nur dadurch erreicht, dass theoretisch die Möglichkeit besteht, einen Beruf auszuüben; vielmehr müssen wir in unserer Gesellschaft sicherstellen, dass sich die Schere zwischen den Einkommen von Frauen und Männern schneller schließt. Wir müssen auch sicherstellen, dass die Schere zwischen den niedrigen Einkommen und den hohen Einkommen nicht weiter auseinanderklafft. Beides ist eine Frage der Gerechtigkeit, der Nachhaltigkeit und der fairen Chancen in der Welt von morgen.

Wo schon die Einkommen im aktiven Berufsleben auseinanderklaffen, tun es die Absicherungen bei Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit und im Alter umso mehr. Das betrifft nicht nur, aber auch die Freien Berufe. Wir müssen gerade in den Berufen Sicherheit schaffen, die nicht unter die gesetzliche Sozialversicherung fallen. Insbesondere dort, wo die Einkommen niedrig sind, gibt es immer wieder dramatische Fälle, in denen Menschen ihre Krankenversicherung nicht bezahlen können und völlig verarmen. Bei den Freien Berufen, in denen das Einkommen niedrig ist, gehört dieses Risiko auch in den Fokus. Gerade sie könnten von der Bürgerversicherung profitieren,

(Vereinzelter Beifall SPD)

von einer Arbeitsversicherung für alle und von einer Ausweitung des Versichertenkreises in der gesetzlichen Rentenversicherung.

(Vereinzelter Beifall SPD - Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

- Die passt immer und überall, Kollege Garg. Gerade Sie wissen ja, wie schwierig es ist, sich im Rahmen der Selbstständigkeit gesetzlich oder privat krankenzuversichern, oder aber, wie schwierig es ist, was die Rentenversorgung angeht.

Die Gender-Fragen, die sozialen Aspekte und die Entwicklung im ländlichen Raum werden uns noch intensiv beschäftigen. Freie Berufe werden in diesem demografischen Prozess nicht im Zentrum stehen. Aber wir werden sie auf jeden Fall mit beachten. Ich freue mich schon auf die Diskussion und die Beratung im Ausschuss. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Bevor wir fortfahren, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam Gäste der Kollegin

Nicolaisen auf der Tribüne zu begrüßen. - Ist das richtig? Sie gucken so kritisch. - Damen und Herren des Tangent Clubs aus Schleswig sind angemeldet. Wir begrüßen Sie sehr herzlich hier im Landeshaus.

(Beifall)

Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜSSEN -

(Heiterkeit)

Im Grunde habe ich das jetzt mit dem Ende des Satzes zusammengezogen. Es sollte nämlich heißen: Das Wort hat der Kollege Matthiessen.

„Bündnis 90/Die Guten“ geht auch.

Zunächst einmal danken wir der Landesregierung für die Beantwortung der Großen Anfrage der CDU-Fraktion zum Thema „Freie Berufe in Schleswig-Holstein“.

Freier Beruf - von A wie Architekt, Arzt und Aushilfsmusiker über Bademeister, Conférencier, Journalist, Kameramann, Lotse, Hebamme, Modeschöpfer, Netzplantechniker, Patentanwalt, Tanzlehrer, Werbetexter bis zum Wissenschaftler, Zahnarzt und Zauberer. Diese kleine Auswahl zeigt das große Spektrum der Berufe, über die wir an dieser Stelle reden. Daher bedarf es in der Tat nicht einer Kleinen, sondern einer Großen Anfrage, um das Thema Freie Berufe zu diskutieren.

Freie Berufe, ihre Vielzahl, ihre Vielfalt und ihre Bedeutung für unser Wirtschafts- und Kulturleben stehen auch ein Stück für eine freie Gesellschaft im Sinne von Artikel 12 Grundgesetz:

„Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“

Die Freien Berufe leisten große Beiträge zum Wirtschaftsleben. Sie bilden aus. Sie geben Beschäftigung. Sie sind in ihrer Gesamtheit ein starkes Standbein für unser Land Schleswig-Holstein.

Die Beantwortung einer Reihe von Fragen macht aber auch deutlich - der Minister hat das in seinem Beitrag noch einmal herausgestellt -, dass die Ermittlung von Daten außerordentlich schwierig ist. Das liegt vor allen Dingen an der bereits angedeuteten Heterogenität der Freien Berufe. Ich kann hier daher nur auf einige Probleme eingehen.

Die größte Gruppe der Freien Berufe sind in Schleswig-Holstein nicht die Ärzte mit etwa 4.200

Angehörigen. Es sind die bei der Künstlersozialversicherung (KSV) versicherten Künstler mit 4.454 Personen. Aus persönlicher Kenntnis weiß ich um die Verschiedenheit dieses Berufskreises, was an zwei Beispielen erläutert sei.

Eine junge Frau aus meinem engeren Freundeskreis hat Zwillinge, allersüßeste Babys, Katinka und Sofinchen, um die sie sich intensiv kümmert, mitunter unterbrochen von gelegentlichen Auftritten mit ihrer Partnerin als Krankenhausclowns. Der Mann ist ebenfalls Clown, überwiegend im Varieté. Das ist eine Familie mit soliden wirtschaftlichen Verhältnissen. Man staune. Ich war jedenfalls erstaunt, als ich da einmal nachgefragt habe. Ich war das letzte Kind von vieren, und ich war ziemlich allein und auf mich gestellt. Keiner hatte Zeit. Ich hatte einen Landwirtschaftsmeister als Papa und eine landwirtschaftliche Meisterin als Mutter. Diese Zwillinge haben Clowns als Eltern. Ich bin einmal gespannt, was dabei herauskommt.

Auf der anderen Seite ist da ein Freund - das Beispiel gibt weniger zum Humor Anlass -, der als Maler einige Bekanntheit hier im Lande genießt, der aber jetzt als Mann in meinem Alter nach einer Krise aus der Künstlersozialkasse ausgeschlossen wird. Die soziale Absicherung unserer Künstler ist eines der Themen, die wir in der Ausschussberatung vertiefen sollten. Jeder von uns kennt solche Fälle.

Ganz anders ist es bei der zweitgrößten Gruppe; das sind tatsächlich die Ärzte. Ein Drittel der Ärzte in Schleswig-Holstein ist über 60 Jahre alt. Noch gibt es keinen offiziellen Mangel. Aber es wird schwieriger werden, insbesondere auf dem flachen Land. Dieses Problem genießt zu Recht große öffentliche Aufmerksamkeit. Wir lesen regelmäßig dazu in der Presse. Ich möchte insbesondere auf die Zusammenhänge zum ÖPNV und zum Verkehr allgemein hinweisen. Wir brauchen neue, flexible Formen, um Patienten und auch Besucher beziehungsweise Begleiter zu den Krankenhäusern und zu Ärzten zu bringen. Erreichbarkeit ist eine entscheidende Frage. Die Mobilität auf dem Lande beziehungsweise der Mangel daran ist auch ein Hemmnis für Jungärzte, sich dort niederzulassen.

Wir müssen die Probleme adressieren, die wir im Hohen Hause auch in anderen Zusammenhängen immer wieder ansprechen, wie Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, geregelte Arbeitszeiten, Bürokratieabbau und stärkere Kooperation zwischen Kliniken und Arztpraxen. Unsere Anstrengungen müssen dabei den Weg von der „Hardware“, wie zum Beispiel Autobahnen, hin zu

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

„Software“ gehen, wie Kinderbetreuung, Kinder nicht mehr ständig selbst fahren müssen, elektronische Vernetzung zu Kollegen und so weiter.

Herr Hamerich hat gesagt, Freie Berufe sind eine Erfolgsgeschichte. Dem kann ich mich, Herr Kollege Hamerich, anschließen. Aber ich glaube, ich habe in meiner Rede deutlich gemacht, dass es sehr viele Probleme auf dem Feld der Freien Berufe gibt. So weist zum Beispiel auch Serpil Midyatli auf die Vorteile einer Bürgerversicherung im Falle der Künstler hin.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss!

Das sind Dinge, die wir im Ausschuss gemeinsam beraten wollen. Ich freue mich auf die Ausschussberatung, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Oliver Kumbartzky das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich schließe mich dem Dank meiner Vorredner an: dem Dank an die Antragsteller, dem Dank an die, die geantwortet haben, natürlich auch dem Dank an die Freiberufler.

Meine Damen und Herren, zu Recht schreibt die Landesregierung in den Vorbemerkungen zum Bericht - ich zitiere daraus -:

„Die Freien Berufe sind gekennzeichnet durch eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik, aus der immer wieder neue Berufe und Berufsbilder entstehen.“

Gerade weil es eine dynamische Entwicklung gibt, muss der Gesetzgeber natürlich auch dafür Sorge tragen, dass die Rahmenbedingungen entsprechende berufliche Veränderungen positiv begleiten und nicht etwa ausbremsen. Freiberufler im ländlichen Raum, aber natürlich auch in ganz SchleswigHolstein, sind auf eine gut ausgebaute Infrastruktur angewiesen. Da sind wir wieder bei dem Infrastrukturthema, dem Thema Landesstraßen, Autobahnen, Breitband - alles Infrastrukturthemen, die

wir als Landesgesetzgeber auch weiter vorantreiben müssen.