Protokoll der Sitzung vom 22.08.2012

(Christopher Vogt [FDP]: Jahrzehntelang? - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Bereits gefühlte! - Zuruf Abgeordneter Christopher Vogt [FDP])

Aber was ist denn Ihre Leistungsbilanz? - Für Sie waren die erneuerbaren Energien immer nur ein Feigenblatt. Es war Ihnen zu keinem Zeitpunkt ernst mit der Energiewende. Sie waren unfähig zu erkennen, was die Stunde geschlagen hat. Noch heute würden Sie lieber Kohlekraftwerke mit einer Laufzeit von bis zu 60 Jahren in die Landschaft setzen, als sich ernsthaft mit den Zukunftstechnologien zu beschäftigen. Ein bisschen mehr Sinn für die Realitäten und ein bisschen mehr Demut wären angebracht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Das fin- de ich auch! Ein bisschen mehr Kompetenz wäre auch gut!)

Nachdem kostbare Jahre verschwendet wurden durch einen überschätzten Umweltminister Röttgen, der mehr an seiner Karriere als an der Energiewende gebastelt hat, versucht sich nun Peter Altmaier an dem Projekt. Frau Merkel hat sich wohl gedacht: Der ist Netzpolitiker, dann kann der bestimmt auch Stromnetze.

Leider ist sein jüngst vorgelegtes Zehn-Punkte-Papier nicht viel mehr als heiße Luft.

(Zuruf FDP: Für wen arbeitet eigentlich Joschka Fischer? - Wolfgang Kubicki [FDP]: Oder Gerhard Schröder? Arbeitet der nicht für Gazprom? Ist Schröder eigentlich noch Sozialdemokrat?)

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG - ist für ihn eine Subventionsmaschine, die Strom teuer macht. Kein Wort darüber, dass in Deutschland Ökostrom dank des EEG inzwischen so preiswert wie nirgendwo sonst erzeugt wird. Kein Wort davon, dass die EEG-Umlage vor allem steigt, weil Schwarz-Gelb die Industrie zulasten der Verbraucher und kleinen Unternehmen großzügig befreit hat. Kein Wort darüber, dass seit Jahrzehnten der Atomstrom staatlich subventioniert wird und die noch völlig unabsehbaren Folgekosten nie zu einem fairen Kostenvergleich geführt haben.

(Eka von Kalben)

In Altmaiers Zehn-Punkte-Plan fehlen auch klare Ansagen, wie er sich etwa beim Streit um den Ausbau erneuerbarer Energien, der Energieeffizienz, der Energieeinsparverordnung gegenüber seinen Ministerkollegen Rösler und Ramsauer durchsetzen will.

Auch die Angriffe von Wirtschaftsminister Rösler auf den Naturschutz beim Netzausbau bleiben unerwähnt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Schade, dass ich nichts verstehe!)

So ist die Energiewende nicht zu schaffen.

Wir haben die Herzen der Menschen gewonnen und sie für das große Gemeinschaftswerk der Energiewende begeistert.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Was haben Sie?)

Das dürfen wir uns nicht von einzelnen Lobbyisten zerstören lassen. Danke, Herr Minister.

(Beifall Abgeordneter Lars Harms [SSW] - Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir werden es uns nicht zerstören lassen. Es ist doch fabelhaft, wie wir immer wieder neue innovative Produkte auf den Markt bekommen. Es ist fabelhaft, dass viele Arbeitsplätze, gerade in Schleswig-Holstein, durch den Standort als Windenergieland entstehen. Das müsste sogar Sie freuen, wie Deutschland wieder zum Gründerland wird. Die Energiewende und die Ökowende sind Herausforderung und Riesenchance zugleich. Ich möchte, dass wir sie gemeinsam als solche sehen, als Chance für unser Land. - Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Abgeordneter Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit uns auf der Tribüne 50 Gäste von der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung aus Eutin. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Herr Abgeordneter Kubicki hat das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich bei der Rede des Ministers für Energie und den Rest gefragt, ob es wirklich eine Regie

rungserklärung ist oder ein literarischer Erguss eines Oppositionspolitikers. Denn ich hätte erwartet, dass er uns erklärt, wie jemand, der jetzt in der Verantwortung steht, nicht nur mit dem Finger auf andere zeigt, sondern wie er mit den Problemen, die wir haben, umgehen will.

(Beifall FDP und CDU)

Liebe Frau von Kalben, es macht auch keinen Sinn, sich dauernd über andere zu echauffieren. Ich habe mit einem Menschen, die Ihrer Partei angehört, und der den Wahlkreis Kreuzberg direkt erobert hat, eine Diskussion geführt. Auf die Frage, wie er denn glaubt, dass man den Netzausbau hinbekomme, und wie lange es dauern würde, hat er erklärt: ein Jahr. Ich sagte ihm, dass allein die Planungsphase vier Jahre dauert, wenn es alles gut geht und keine der beteiligten Behörden irgendwelche Einsprüche einlegt. Dann müssen die Bürger beteiligt werden, und was machen Sie, wenn einer der Bürger klagt? Wenn wir das durch die Instanzen durchziehen, kann ich Ihnen zusichern, dass Sie vor Ablauf von zehn bis 12 Jahren einen Netzausbau - wo auch immer - gar nicht hinbekommen.

(Zuruf Abgeordnete Serpil Midyatli [SPD])

- Ja, doch. Sie brauchen offensichtlich eine Beratung, Frau Midyatli. Denn Sie müssen verstehen, dass die Menschen trotz Ihrer dauernden Bemühungen, herzergreifend dafür zu werben, gelegentlich auch anderer Auffassung sind als Sie. Das erleben Sie gerade in Pinneberg. Da werden Gemeinden gegen den Ausbau des Netzes, den Sie haben wollen, klagen. Bürger werden gegen den Ausbau des Netzes, den Sie haben wollen, klagen.

Ich sage Ihnen, wenn Sie das bisherige Rechtssystem nicht verändern, dann sind wir im Jahr 2025 oder 2030, bis überhaupt auch nur eine einzige Trasse gebaut sein wird, auf die es jetzt ankommt. Sie müssen doch die Frage klären, wenn Sie einen bestimmten Zeitrahmen haben, ob das Instrumentarium ausreicht. Wenn Sie das nicht begreifen wir haben ja genug Zeit, uns in den nächsten Jahren mit Ihnen weiter zu beschäftigen -, dann werden Sie feststellen, dass Sie mit Ihren hehren Zielen dramatisch scheitern werden, weil Sie die Realität nicht anerkennen.

(Beifall FDP)

Herr Dr. Stegner, im Gegensatz zu Ihnen verstehe ich davon wirklich etwas. Ich bin Jurist, und immer noch als Anwalt tätig.

(Zuruf Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD])

(Eka von Kalben)

- Ihre netten Zwischenrufe! Ich kann mich noch an einen erinnern - und ich muss es loswerden, weil es mich immer wieder erfreut -: Die FDP wird nicht mehr stattfinden, wird nicht mehr da sein! - Wir sitzen genauso da und haben unser Wahlziel jedenfalls besser erreicht als Sie Ihr Wahlziel.

(Zuruf Abgeordnete Serpil Midyatli [SPD])

Wenn es nach dem neuen Wahlrecht kein neues Auszählungsverfahren gegeben hätte, hätten Sie im Parlament auch keine Mehrheit mit Ihrer jetzigen Dänen-Regierung. Glauben Sie mir, die Menschen werden sehr schnell sehen, dass außer Ihren schaumschlägerischen Reden in der praktischen Umsetzung nichts passieren wird. Daran werden wir Sie dann auch messen. Das ist Aufgabe der Opposition.

(Beifall FDP und CDU)

Kopflos, tölpelhaft und von Sachkenntnis befreit, so könnte man den Start des neuen Energiewendeministers in den ersten Wochen und Monaten zusammenfassen. Herr Dr. Habeck, vieles war von Ihnen vielleicht gut gemeint. Wir wissen aber, das Gegenteil von gut ist in aller Regel gut gemeint. Schon nach wenigen Wochen reihten sich vielfältige Fehler aneinander, die insbesondere durch ein unbändiges und ungezügeltes Wollen nach Veränderung verursacht worden sind. Es war eine ziellose Suche nach einem Weg der energiepolitischen Umgestaltung. Ziellos deshalb, weil Sie meistens nicht nach der Umsetzbarkeit fragten.

Herr Minister, dass Sie jetzt diese Regierungserklärung zu diesem wichtigen Thema abgeben, mutet vor dem Hintergrund der bisher offenbarten Schwierigkeiten mit der Thematik doch seltsam an. Es scheint, als würden Sie versuchen, Tatkraft in einem Gebiet zu demonstrieren, in dem Sie sich noch gar nicht zurecht gefunden haben. Sie versuchen, ein großes politisches Gewicht zu stemmen, befinden sich dabei aber immer noch auf sehr wackeligem Boden. Ich hätte Ihnen geraten, erst einmal die ersten 100 Tage abzuwarten, bevor Sie einen großen Aufschlag wagen. Dass Sie es dennoch tun, kann man mutig nennen.

Ob Ihre Ausführungen uns jetzt grundlegend weitergebracht haben, bezweifel ich aber. Denn es ging mir in Ihrem Beitrag zu wenig um die Zukunft der Energiewende. Vielmehr zitierten Sie eine Zustandsbeschreibung des Status Quo. Von einer richtungsweisenden Rede, die eines der wichtigsten politischen Themen der kommenden Jahrzehnte gewissenhaft und zielorientiert aufarbeitet, habe ich mehr erwartet.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Dr. Habeck, schon in der letzten Legislaturperiode hatten Sie als mein damaliger Kollege als Fraktionsvorsitzender begonnen, Ihren späteren Start als Energiewendeminister zu konterkarieren. Sie waren einer der lautesten, als es darum ging, den damaligen Innenminister für die Schwierigkeiten bei der Ausweisung der Windeignungsflächen zu kritisieren. Das alles müsse doch schneller gehen, so ihr Credo. Dass alles nicht so einfach war, wie es von den Oppositionsbänken manchmal scheint, haben Sie später und auch hier eingeräumt. Ich muss sagen, dass Sie diesen Fehler zugeben, finde ich tröstlich. Wenn Sie hieraus für die Zukunft lernen, haben wir alle etwas davon. Es wäre nur schön, nicht nur für Sie, sondern insbesondere für Schleswig-Holstein, wenn es nicht mehr so viele Fehler werden.

Fehler aus Unachtsamkeit zu begehen, ist lässlich, wider besseres Wissen zu handeln, ist es nicht. Ich habe in Ihrer Rede keine Distanzierung zu Ihrem früheren Ansinnen gehört, das Landesentwicklungsgrundsätzegesetz zu ändern, damit Sie die „Vermaisung“ der Landschaft über den Landesentwicklungsplan künftig eindämmen können.

Wie wir damals der Presse entnehmen konnten, haben Sie hierzu eigens ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes eingeholt. Dieses stellte die Umsetzbarkeit Ihrer Planung grundsätzlich infrage. Dass Sie dennoch an Ihrer politischen Forderung festgehalten haben, spricht nicht für Sie. Denn warum lassen Sie etwas überprüfen, wenn Ihnen das Ergebnis im Zweifel egal ist. Es offenbart ein etwas leichtfertiges Rechtsverständnis, wenn Sie meinen, es trotz eines gegenteiligen Gutachtens von einer neutralen Institution besser zu wissen. Dass Sie in Ihrer Rede diese Forderung nicht noch einmal erhoben haben, lässt mich hoffen, dass Sie auch hieraus grundsätzlich gelernt haben.

Manche Fehler kann man leicht wieder gutmachen. Andere Fehler sind schwieriger zu beheben. Zu letzteren zählt für mich ganz eindeutig die organisationsstrukturelle Zerschlagung der Grundlage der Energiewende. Durch das Andocken der Abteilung Landesplanung an die Staatskanzlei haben Sie sich in den Koalitionsverhandlungen von der SPD schlichteweg über den Tisch ziehen lassen. Nicht weniger folgenreich ist, dass der Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr, der für die weitere Genehmigung der Stromleitungen zuständig ist, unter der Regie des Wirtschaftsministers bleibt. So beschränkt sich Ihre Zuständigkeit als Energiewendeminister auf die Einweihung von

(Wolfgang Kubicki)

Stromtrassen, die in anderen Ministerien geplant und genehmigt werden - vielleicht war das ja auch der Sinn der Veranstaltung.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Vielleicht auch ganz gut!)

Alle wichtigen Entscheidungen werden jedenfalls nicht bei Ihnen, sondern woanders getroffen. Herr Minister, zu diesem Punkt sagten Sie am 21. Juli 2012 im Interview mit der „sh:z“ - ich zitiere -:

„Man muss klare Verantwortungen schaffen, so wie wir es mit dem Energiewendeministerium getan haben. Einer muss den Kopf hinhalten, wenn es schief geht oder sich auf die Schulter klopfen lassen, wenn es klappt.“

(Johannes Callsen [CDU]: Hört, hört!)

So, wie es derzeit aussieht, werden Sie den Kopf dann hinhalten müssen, wenn es andere verbocken. Zugleich heimsen Sie den Erfolg ein, wenn andere ihre Sache gutmachen. Ich kann daher nur für das Land Schleswig-Holstein hoffen, dass Ihnen künftig auf die Schulter geklopft wird - für etwas, was Sie nicht getan haben.