- Nein, das weiß ich jetzt nicht. Ich appelliere aber an Sie, mit ihnen darüber zu reden, ihre Ausbauüberlegungen, was regenerative Energien - und gerade Windanlagen - angeht, einzustellen. Denn ich kann Ihnen sagen: Wenn die das umsetzen, können Sie den Strom, den wir in Schleswig-Holstein produzieren, an keinen Abnehmer mehr bringen. Das halte ich für eine sehr unvernünftige Maßgabe. Also appellieren Sie nicht an den Bund, appellieren Sie lieber an die eigenen Parteifreunde, zu überdenken, ob es nicht sinnvoller wäre, den kostengünstigen Strom aus Schleswig-Holstein zu importieren als selbst solche Anlagen aufzubauen. Dann wären wir schon weiter. An diesem Beispiel sehen Sie, dass die Fragen der Energiewende nicht so einfach strukturiert sind wie sie hier dargestellt werden. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Frage ist, ob Sie für die PIRATEN spricht oder für sich! - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie sprechen immer für die FDP, das ist der Unterschied! - Weitere Zurufe)
Genau, Herr Kollege Kubicki. Ich habe jetzt sozusagen sechs Stimmen und versuche, sie in meinem Redebeitrag miteinander zu vereinbaren.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen also alle darin überein, dass Schleswig-Holstein eine Schlüsselfunktion bei der Energiewende in Deutschland einnimmt. Auch der neuen Landesregierung scheint dies durchaus bewusst zu sein. Das hat Minister Habeck heute auch unterstrichen. Sowohl im Wahlkampf der nun an der Regierung beteiligten Parteien als auch im Koalitionsvertrag nahm diese Thematik eine zentrale Position ein. Herr Dr. Habeck, Energiewendeminister, das ist ein anspruchsvoller Titel. Er weckt hohe Erwartungen, nicht nur hier im Haus, sondern im ganzen Land.
In Schleswig-Holstein bestehen allerdings auch Bedenken - und die sollten wir ernst nehmen - gegen diese Energiewende. Die PIRATEN-Fraktion ist davon überzeugt, dass eine deutliche Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger bei uns im Land diese Wende will, viele aber nicht unbedingt vor der eigenen Haustür. Ein erfolgreiches Konzept für die Energiewende muss auf die Einbindung und Beteiligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger setzen, um nicht diffuse Ängste oder persönlich begründete Vorurteile zu befördern. Sie muss vielmehr eine nachhaltige Akzeptanz für die Notwendigkeit konkreter Maßnahmen in den Gemeinden schaffen. Dafür braucht es auch die Bereitschaft der politisch Handelnden, eben diese Notwendigkeit, einzelne Maßnahmen immer und immer wieder kritisch zu überprüfen und gemeinsam mit den Betroffenen vor Ort in die Gesamtentwicklung einzuordnen.
Dies war sicherlich auch den Autorinnen und Autoren des Koalitionsvertrages bewusst, als sie schrieben:
Jahre. Sie geht alle an: die Menschen vor Ort, die Wirtschaft, die Kommunen, Land, Bund und Europa.“
Wir begrüßen den Anspruch, die Fehler der Vorgängerregierung nicht wiederholen oder weiterführen zu wollen. Der im vergangenen Jahr vom Verein „Mehr Demokratie“ vorgelegte Bürgerentscheidsbericht über den Zeitraum von 1990 bis 2010 zeigt deutlich, wie vor allem in den letzten Berichtsjahren, 2009 und 2011, die Proteste der Bürgerinnen und Bürgern gegen den Bau, insbesondere von Windkraftanlagen, in den Gemeinden extrem stark zugenommen haben. So werden immer wieder - natürlich durch Bürgerentscheide - konkrete Bauvorhaben blockiert. Laut aktuelleren Zahlen nahm diese Tendenz auch in den folgenden Jahren weiter zu. Der Eindruck einer Wende von oben gegen unten ist also bereits entstanden und darf unter der neuen Landesregierung auf keinen Fall weiter gestärkt werden.
Uns allen muss klar sein: Damit die Energiewende gelingt, muss ein neues Bewusstsein geschaffen werden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das muss nicht nur aufseiten der Bevölkerung passieren, denn die ist bereits höchst sensibilisiert in all diesen Fragen und kennt die Vorteile der Energiewende ganz genau, sondern das neue Bewusstsein muss sich vielmehr aufseiten der Planer und Verantwortlichen durchsetzen.
Wir hoffen, es ist ebenso allgemeiner Konsens, dass die Lösung des Energieproblems zunächst eher im Minderverbrauch statt im Ausbau neuer Energieerzeugung liegen muss. Deshalb bedarf es aus unserer Sicht dringend eines Konzeptes der Landesregierung zur breiten Einbindung der Bevölkerung in die Energiewende, eines Konzeptes, das nicht nur die Durchsetzung des Baus der Anlagen und Trassen, sondern auch eine umfassende Information und Einbindung der Bevölkerung vorsieht.
Auch hier war der Koalitionsvertrag erstaunlich klar. Auch hier mag manch ein PIRAT gesagt haben: Das ist gut, das ist richtig, stimmt mal ruhig für den Albig, der sorgt dafür, dass das umgesetzt wird.
„In einer modernen Demokratie sind Transparenz und Zugang zu Informationen notwendige Voraussetzungen für Teilhabe und Mitbestimmung.“
Bislang ist hiervon allerdings im Bereich der Energiewende nichts zu spüren. Im Gegenteil, bei den Gesprächen zwischen Minister Habeck und unserer PIRATEN-Fraktion wurden wichtige Informationen, wie zum Beispiel der Altmaier-/Rösler-Plan nicht einmal erwähnt. Und auf den Vorschlag hin, auf der Webseite des MELUR sämtliche bisher zugängliche Planungsdaten und Beschlüsse, also sowohl auf EU-, Bundes- und Landesebene als auch auf Gemeindeebene - nachvollziehbar darzustellen und zusammenzufassen, verwies der Minister lediglich auf die Webseite des ausführenden Energiekonzerns TenneT. Das klingt schon skurril, dieser Verweis auf TenneT, wo wir doch alle - insbesondere die Menschen, die Zeitung lesen -, um ihre finanziellen Schwierigkeiten wissen und wissen, dass zum Beispiel der erste Betreiber eines NordseeWindparks einen Antrag auf Durchführung eines Missbrauchsverfahrens gegen TenneT gestellt hat. Dort sollen also die Bürgerinnen und Bürger ihr Wissen beziehen, wissentlich, dass TenneT sie wahrscheinlich viel Geld kosten wird? - Das ist doch nicht Vertrauen, das ist nicht transparent, sondern das ist eine Fehlleitung von Informationen.
Herr Minister Habeck, Energiewende und Netzausbau stellen sich dem Bürger - das ist jedenfalls unsere Erfahrung; vielleicht haben Sie eine andere im Land gemacht - zur Zeit als großes Kuddelmuddel vor. Die eine Hand weiß nicht, was die andere macht. Munter werden Windparks geplant, die Netzanschlüsse bleiben teilweise aus, und dann verklagen sich die Beteiligten auch noch gegenseitig. Zurzeit werden Pläne für den Netzausbau festgeklopft, ohne dass es darüber auch nur eine geschlossene Informationsmöglichkeit gibt.
Ich fordere Sie auf, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Das ist doch nicht so schwierig. Machen Sie dem Durcheinander durch sachliche, klare in den Ministerien zusammengestellte Daten und Informationen ein Ende, schaffen Sie eine Übersicht, sodass der Bürger den Entscheidungs- und Entstehungsprozess nachvollziehen kann, sodass er, wenn er neu damit konfrontiert wird, auch nachträglich sagen kann, wie es eigentlich zu dieser Entscheidung gekommen ist, welche Diskussion dabei eine Rolle gespielt hat. Wenn Sie dann mit einer landesbezogenen Netzagentur für Kontrolle, Prü
Sie müssen vor allen Dingen Instrumente schaffen, mit denen der tatsächliche Bedarf an Stromleitungen oder anderen Einrichtungen überhaupt erst einmal nachvollziehbar überprüft wird. Es reicht doch nicht zu sagen, wir brauchen die und die Trasse. Die Menschen müssen wissen, warum diese Trasse gebaut werden soll, denn sonst werden sie keine Akzeptanz finden.
Herr Dr. Habeck, es reicht eben nicht aus, Informationen auf der Seite von TenneT positiv zu erwähnen. Ich verrate jetzt auch überhaupt kein Geheimnis - das war ja öffentlich -, nämlich dass Sie in der Sitzung des Umweltausschusses in der letzten Woche zur Energiewende Ausführungen machten und sie reduzierten auf den Satz: Das meiste kennen Sie ja aus den Medien. - Das eine Woche vor der heutigen Regierungserklärung und wohlwissentlich, dass der Krisengipfel im Bundeskanzleramt nächste Woche stattfinden wird. Wo ist da bitteschön für dieses Parlament und die Bürger das Konzept der Landesregierung im Hinblick auf die Regelung der Probleme mit der Energiewende nachvollziehbar?
Ich glaube, es ist zu wenig, die Menschen auf Presseberichte - auch wenn wir sie schätzen - hinzuweisen. Herr Minister, Hintergrundgespräche mit Bundesministerien in privaten Gebäuden - auch davon hören wir nur über Presseberichte. Natürlich sind wir dankbar, überhaupt Informationen zu bekommen, aber davon hätten wir von Ihnen persönlich gern etwas mehr gehört.
Gleich in der ersten Plenarsitzung des neuen Landtags im Mai haben Sie - ich meine alle Regierungskoalitionsparteien - die entscheidende Tür für die Bürger verschlossen. Ja, ausgerechnet BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die mit uns im letzten Jahr die Volksinitiative für mehr Demokratie in SchleswigHolstein mitentwickelt hatten, haben schließlich dagegen gestimmt, die längt überfällige gerade angesichts der Energiewende umso dringender benötigte Reform kommunaler Bürgerbegehren durch eine Änderung der Gemeindeordnung herbeizuführen. Ich frage Sie: Ist das die Transparenz oder der Zugang zu Informationen, die der Öffentlichkeit in jedem Landtagswahlkampf - die Flyer der Landtagsfraktionen liegen dort draußen noch - versprochen wurden?
Ich möchte Ministerpräsident Albig ansprechen, der von der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vor Kurzem zitiert wurde, dass er eine schnelle Entscheidung über neue Stromleitungswege im Zuge der Energiewende fordere. Zugleich warnte Herr Ministerpräsident Albig vor zu viel Bürgerbeteiligung.
„Bürgerbeteiligung heißt aber nicht, dass an jedem Ort genau das passiert, was die Bewohner dieses Ortes wollen, sondern dass die Argumente gehört werden und dass die Entscheidungsfindung nachvollziehbar ist. Eine Bürgerbeteiligung, bei der jeder an jeder Stelle recht bekäme, würde zum Stillstand führen.“
- Okay. Von diesem Stillstand sind wir aus Bürgersicht zurzeit allerdings himmelweit entfernt. Stillstand gibt es derzeit nur durch die unkoordinierte Planung der Netzbetreiber und Stromlieferanten und der Politik, die es versäumt, durch Abstimmungen für Konfliktabbau zu sorgen. Fakt ist nämlich und das scheint Herr Albig übersehen zu haben -, dass bald über 1.500 Bürger und Initiativen Stellungnahmen allein zum Netzentwicklungsplan 2012 eingereicht haben. Fakt ist offenbar auch, dass diese in keiner Form berücksichtigt worden sind, sondern dass der Netzentwicklungsplan 2012 wie geplant weitergereicht wurde. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Unter Bürgerbeteiligung verstehen wir PIRATEN allerdings etwas anderes.
Schauen wir uns doch mal das Geschehen im Land an. Bei den Planungen für eine Offshore-Stromtrasse entlang unserer Nordseeküste mehren sich die Bedenken in Bezug auf den Umgang mit den Munitionsaltlasten. Der NABU weist auf die Gefahren für die Beschäftigten der beteiligten Firmen und für den empfindlichen Lebensraum Wattenmeer hin, die durch das sorglose Sprengen der Munitionsreste bedroht werden. Im Kreis Dithmarschen haben sich 15 Gemeinden zusammengeschlossen, um eine Resolution gegen die 380-kVFreileitung zu verfassen. Was passiert? - Staatssekretärin Nestle wird hingeschickt, aber vielmehr passiert dann eben auch nicht.