Protokoll der Sitzung vom 21.11.2013

Uns allen war schon im Jahre 2010 klar, dass die Regelungen, die ein Jugendmedienschutz-Staatsvertrag treffen kann, nur einen kleinen Beitrag zu dem leisten können, was insgesamt erforderlich ist, um Kinder und Jugendliche im Internetzeitalter vor ungeeigneten Inhalten zu schützen, sie gleichzeitig aber auch darauf vorzubereiten, später mit eben diesen Inhalten verantwortungsvoll umzugehen.

Wer heute noch einmal das Plenarprotokoll der damaligen Debatte liest, die wir hier vor ziemlich genau drei Jahren geführt haben, der kann dies aus eigentlich allen Beiträgen herauslesen. Wir waren damals alle zusammen auch gar nicht so böse, dass es uns die Kollegen in Düsseldorf abgenommen haben, Nein zu sagen, weshalb der Entwurf damals in Nordrhein-Westfalen steckengeblieben ist.

Bei allen Schwächen, die der damalige Entwurf für einen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag hatte, stellt sich natürlich die Frage, ob es denn nötig war, drei Jahre lang praktisch gar nichts zu tun und bis zum heutigen Zeitpunkt ohne echte Fortentwicklung in der Debatte dazustehen. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, an fünf Punkten deutlich zu machen, welche Position die CDU vertritt. Ich glaube, das ist auch eine Grundlage, auf der man in den Gesprächen und Verhandlungen vorangehen kann.

Erstens. Um die Rechtssicherheit gerade von Bloggern und Anbietern von Web-2.0-Inhalten durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag nicht über Gebühr einzuschränken und zu reduzieren, machen wir den Vorschlag, für solche Angebote eine eigene Kennzeichnung analog zu den FSK-Kennzeichnungen, beispielsweise für 6, 12, 16 oder 18 Jahre, einzuführen, die aber gerade eben keine Alterskennzeichnung ist, sondern die eine Kategoriekennzeichnung Blog oder Web-2.0 darstellt und es den Eltern ermöglicht, im Rahmen von Jugendschutzprogrammen diesen ganzen Bereich zuzuschalten oder abzuschalten.

(Beifall CDU)

(Sven Krumbeck)

Ich glaube, das ist auch von Interesse. Denn wann habe ich Gelegenheit, mit meinem Kind gemeinsam im Netz unterwegs zu sein? Und wann möchte ich vielleicht restriktiver vorgehen?

Zweitens. Wir sind inzwischen der Auffassung, dass Sperrverfügungen kein geeignetes Mittel sind. Die Versuche, die man in dem Bereich bisher gemacht hat, haben gezeigt, dass sie nicht wirkungsvoll sind. Damit sind sie ein ungerechtfertigter Eingriff in die Meinungsfreiheit.

(Beifall PIRATEN)

Drittens. Wir sind ferner der Auffassung, dass Jugendschutzprogramme auf allen gängigen Betriebssystemen und mobilen Endgeräten verfügbar sein müssen. Diese Programme sollten Warnhinweise enthalten, dass sie eben keinesfalls einen 100-prozentigen Schutz gewährleisten können.

Man muss sich vor Augen führen und bewusst machen, dass das Internet den Jugendschutz auch vor neue Herausforderungen, wie Mobbing, „Grooming“, Sucht, Abzocke oder radikale Inhalte stellt. Hier ist ein Rundfunkstaatsvertrag als solcher sicherlich überfordert. Man darf auch nicht den Eindruck erwecken, dass man mit diesem Instrument alle Probleme lösen könnte.

Viertens. Bei Projekten, bei denen es um die Vermittlung von Medienkompetenz geht, muss ganz sicher der Anteil der Eltern stärker als bislang in den Fokus gerückt werden. Und hier braucht sich Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Ländern auch gar nicht zu verstecken.

Fünftens. Technischer Jugendschutz hat seine Grenzen. Wenn man das akzeptiert und definiert, welche Maßnahmen angesichts der internationalen Bereitstellung von Telemedien einen realistischen Schutz vor beeinträchtigenden Inhalten bieten können, dann sollte eine Novellierung, wenn denn ein Wille vorhanden ist, kein Ding der Unmöglichkeit sein.

Bei all dem ist immer zu bedenken: Jugendschutz ist zunächst Aufgabe der Eltern. Diesen fällt auch die Aufgabe zu, für eine altersgemäße Nutzung des Internets durch ihre Kinder Sorge zu tragen.

Inzwischen sind immerhin zwei Jugendschutzprogramme am Start. Ein wesentliches Tool zur Umsetzung des Gedankens des Staatsvertragsentwurfs liegt damit vor. Der Vertrag hängt aber immer noch im föderalen Verhandlungsdickicht. Und es steht zu befürchtet, dass er da auch noch eine ganze Weile bleiben wird, nicht zuletzt deshalb, weil die schleswig-holsteinische Landesregierung aus lauter Sorge

vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den PIRATEN auf der Bremse steht.

(Beifall PIRATEN)

Aus der, vorsichtig formuliert, in Teilen etwas bocklosen Beantwortung vieler Fragen spricht für mich eine Zögerlichkeit, die ein bisschen nach dem Motto geht: „Wenn ich nichts mache, mache ich auch nichts falsch.“

Nur mal zur Erinnerung, an welchen Maßstäben man sich denn messen lassen muss: Im Koalitionsvertrag, Zeile 2.472 ff. heißt es:

„Wir wollen Medienkompetenz stärken“

- prima, da macht die Landesregierung alles weiter, was es schon gab -:

„und uns unter anderem unter Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen für eine transparente Novellierung des gescheiterten Jugendmedienschutz-Staatsvertrages einsetzen.“

Fazit bislang: keine Initiativen in der Rundfunkkommission, keine Initiative für Transparenz, keine Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und noch nicht einmal eine inhaltliche Idee, wo es denn hingehen soll.

In der Beantwortung der Großen Anfrage heißt es:

„Eine Überabreitung des JMStV sollte aus Sicht der Landesregierung den im Zusammenhang mit dem 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vorgetragenen Kritikpunkten Rechnung tragen und Bedenken möglichst ausräumen.“

Prima. Nur leider bleibt es das große Geheimnis der Staatskanzlei, wie man das denn machen will.

Die kernige Aussage auf meine Kleine Anfrage in der Drucksache 18/1276, in der ich nach Zielen der Landesregierung und dem weiteren Ablauf der Beratungen gefragt habe, heißt es:

„Zurzeit finden Beratungen auf politischer Ebene noch nicht wieder statt. Frühestens in der Sitzung der Rundfunkkommission der Länder am 11. Dezember 2013 wird der JMStV voraussichtlich Gegenstand der Tagesordnung sein. Es ist möglich, dass die Länder dann eine erste Diskussion zum weiteren zeitlichen und inhaltlichen Vorgehen führen.“

Lieber Herr Kollege Habeck, ich weiß nicht, ob Sie mit dem Ministerpräsidenten in den kommenden

(Dr. Axel Bernstein)

Tagen noch telefonieren. Falls ja, bitten Sie ihn doch, sich aus China eine Winkekatze mitzubringen, die ihn ab und zu einmal an das Thema erinnert.

(Beifall CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Peter Eichstädt.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich überlege gerade, womit ich anfange. Ich finde es ein bisschen schwierig, Herr Bernstein, dass gerade Sie sich damit beschäftigen, wie die Landesregierung mit diesem Vertrag umgehen sollte, und dass Sie das jetzt vorgestellte Vorgehen kritisieren; denn vor drei Jahren - darauf bezogen Sie sich ja auch - wollten Sie dem Vertragsentwurf, den Ihr eigener Ministerpräsident unterschrieben hatte, hier nicht mehr zustimmen. Dies halte ich im Prinzip für richtig. Aber ich finde, etwas mehr Demut wäre da angezeigt; denn Sie wissen doch sehr genau um die Schwierigkeit dieses Themas.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, Sinn und Zweck von Jugendmedienschutz ist es - das ist schon ausführlich dargelegt worden -, Kinder und auch Jugendliche vor Inhalten zu schützen, die sie aufgrund ihres Alters und ihrer Entwicklung noch nicht verarbeiten und die sie in ihrer Entwicklung beeinträchtigen können. Was das für Inhalte sein könnten, dazu fällt sicher jedem von uns eine ganze Menge ein. Regeln zu finden, um Kinder und Jugendliche altersgemäß zu schützen, gelingt vielleicht gerade noch in Ansätzen im Hörfunk oder im Fernsehen. Schon bei Printmedien wird das schwieriger.

Richtig kompliziert wird dies bei dem Versuch, einen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag auf die Besonderheiten des Internets hin zu formulieren. Deshalb haben - ich habe es gerade erwähnt - viele Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag aufgeatmet, als dieser Staatsvertrag im Dezember 2010 in Nordrhein-Westfalen gescheitert ist. Hier wäre er auch gescheitert; das erinnern einige noch. Damit war die Chance gegeben, erneut über die Frage nachzudenken, wie wir für Kinder und Jugendliche den Umgang mit dem Internet wirksam schützend gestalten können.

Nach meiner Auffassung war die Kritik damals berechtigt. Die gewählten Mittel, nämlich Kinder und

Jugendliche durch Sperren vor Inhalten im Internet zu schützen, waren und sind untauglich. Kennzeichnungen und Sperrungen sind Maßnahmen, die insbesondere zwei Folgen haben würden.

Zum einen werden Eltern Sicherheiten suggeriert, die diese Schutzmaßnahmen einfach nicht gewährleisten können. Alterskennzeichnungen funktionieren lange nicht auf allen Geräten, vor allem meist nur eingeschränkt auf den bei Jugendlichen zunehmend beliebter werdenden Smartphones und ähnlichen Geräten. Sie können außerdem technisch über Proxys umgangen werden. Zudem ist das Internet ein globales Medium mit globalen Inhaltsanbietern und auch globalen Nutzern. Und: Alle Kommunikation, die in Echtzeit erfolgt, kann von solchen Programmen nicht erfasst werden. Das betrifft vor allem das Internet. Von Blogs und von Web 2.0 will ich hier gar nicht detailliert reden. Diese Probleme liegen auf der Hand. Das von Herrn Bernstein eben vorgeschlagene Kennzeichnen von Blogs, glaube ich, ist auch nicht sehr zielführend. Aber das kann man an anderer Stelle noch einmal diskutieren.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe nicht einmal eine Vorstellung davon, wie das funktionieren soll und welche Informationen damit verbunden sein sollen. Wenn man weiß, dass man in einem Blog ist, weiß man damit nämlich noch lange nicht, was in dem Blog passiert. Nebenbei gesagt, das würde für Facebook als einem wesentlichen Bestandteil von Web 2.0 genauso gelten.

Zum anderen bedeuten solche Maßnahmen gravierende Eingriffe in die Unabhängigkeit des Internets, da jede Kennzeichnung und Sperre natürlich auch potenziell geeignet ist, eine Zensur zu betreiben. Auch dieser Aspekt wäre eine eigene Rede in diesem Hause wert.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Die Fragen, die sich heute stellen, sind: Hat sich technisch seit Dezember 2010 etwas geändert? Wie kann ein wirksamer Jugendmedienschutz gewährleistet werden, der gleichzeitig die grundsätzliche Freiheit des Internets, die dieses Medium so revolutionär und einzigartig macht, auch weiterhin gewährleistet? Das heißt: keine Sperren, keine fragwürdigen Klassifizierungen.

Wirklichen Jugendmedienschutz können wir nicht durch technische Maßnahmen erreichen, sondern nur, wenn wir Kindern und Jugendlichen die Mechanismen des Internets deutlich machen, wenn wir sie befähigen, Inhalte für sich zu bewerten und zu

(Dr. Axel Bernstein)

gewichten, Wahres von Unwahrem zu unterscheiden, ihre Kritikfähigkeit schärfen. Das bedeutet: Wirksamer Jugendmedienschutz ist nur mit der offensiven Vermittlung von Medienkompetenz zu erreichen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Ich habe deshalb schon vor Jahren darauf gedrungen, dass die Medienkompetenz auch in den Schulen in bestimmten Jahrgängen ein eigenes Fach wird. Ich weiß, dass die Schulpolitiker meiner Fraktion jetzt zusammenzucken. Aber wenn das nicht durchsetzbar ist, sollte zumindest eine stärkere Verankerung in den Lehrplänen und in der Lehrerausbildung erfolgen.

Meine Damen und Herren, das Internet ist schon heute kein rechtsfreier Raum. Das dürfen wir nicht vergessen. Wir haben einen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Wir haben Gesetze, die natürlich genauso im Internet gelten und die auch durchgesetzt werden. Niemand wird sich guten und wirksamen Ideen in den Weg stellen, wenn es darum geht, wie Jugendliche und vor allen Dingen Kinder vor schädlichen Inhalten im Internet geschützt werden können. Klassifizierungen von Seiten, von Blogs und Web 2.0, verbunden mit Alterssperren oder Zeitsperren, zählen nach meiner Überzeugung nicht dazu.