Protokoll der Sitzung vom 13.12.2013

Ich zitiere einmal den ADAC. Es ist etwas ungewöhnlich, wenn ich als Grüner den ADAC zitiere. Aber ich will das gern einmal tun. Es hieß in der Fachzeitschrift 20/12 zu den Lang-Lkws - mit Verlaub, Herr Präsident -,

„dass diese für das Straßenverkehrsnetz in seiner Gesamtheit nicht geeignet sind. Sie können insbesondere im nachgeordneten Netz Gefahren für die Verkehrssicherheit und den Verkehrsfluss bedeuten.

Solche Fahrzeuge sollen deshalb auch weiterhin nicht generell zum Verkehr, insbesondere auf allen Straßen, zugelassen werden.“

Sehen wir uns einmal die wissenschaftliche Begleitung an, die dort gerade läuft. Es gibt Fragebögen für Fahrer. Es ist sicherlich interessant, den Fahrer zu fragen: „Wie kommen Sie mit dem Lkw zurecht? Wie können Sie einparken?“ Aber für einen wissenschaftlichen Versuch ist das doch unsinnig. Man fragt überhaupt nicht die alleinerziehende Mutter mit dem Kleinkind, die mit einem Klein-Pkw unterwegs ist. Man fragt nicht die Familie, die mit ihrem Kind am Schulweg, am Straßenrand wohnt, wo diese Lkws fahren, und man fragt nicht diejenigen, die den Lkw in ihren Rückspiegeln nicht sehen können. Es ist doch eine reine Windschutzscheibenperspektive, die in diesem Feldversuch untersucht wird. Das ist unseriös. Wir wissen überhaupt nicht, welche Folgen das für die anderen Verkehrsteilnehmer hat. Deshalb halte ich diesen Feldversuch auch unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten für falsch und unsinnig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Zum Gewicht hat Herr Kollege Matthiessen schon ausgeführt. Ich fürchte höhere Reparaturkosten, Belastungen für die Straßen, für die Brücken. Die Zeit der Reparatur der Rader Hochbrücke ist noch nicht lange her. Da haben Sie, Herr Arp, hier im Parlament gestanden und sich dieses Problems angenommen. Dann können Sie nicht gleichzeitig Gigaliner fordern.

Mehr Masse, mehr Bewegungsenergien, das ist verheerend bei Unfällen. Das ist verheerend, weil wir keine Umleitesysteme wie Leitplanken haben, die darauf ausgerichtet sind.

Ich sage Ihnen Folgendes: Wenn man in dem Feldversuch der Lang-Lkws 44 t erlaubt, ist die Forderung doch völlig klar: Die nächste Forderung der Logistik ist: Jetzt möchten wir aber 60 t haben, warum denn eigentlich 44 t? Dann haben wir das Problem auch mit der Masse auf den Straßen.

Wir haben auch eine Dumpingpolitik gegenüber Schiene und Schiff. Das heißt, wenn wir die Straße weiterhin subventionieren, werden wir die Güter nicht auf die Schiene kriegen, wir werden sie nicht aufs Schiff kriegen. Es ist deshalb auch eine völlig falsche Lenkungspolitik, diese Gütermengen auf die Straße zu bekommen - völlig falsch.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Dr. Andreas Tietze)

Deshalb brauchen wir auch aus volkswirtschaftlicher Sicht die Diskussion der Rückverlagerung langlaufender Verkehre von der Schiene auf die Straße. In einem solchen Gesamtversuch, wenn wir schon über wissenschaftliche Untersuchungen reden, hätte ich mir die Auswirkung auf den Modal Split gewünscht, ich hätte mir eine Gesamtuntersuchung gewünscht, die all die Facetten, die wir zu bewerten haben, bewertet. Das hätte man übrigens auch im Einvernehmen mit den Ländern hinbekommen können, wenn man so vorgegangen wäre. Aber man hat einen anderen Weg gewählt. Man hat es durchregiert. Man hat über die Verordnung gemacht. Alle hat man auf die Zinne gebracht. Das ist eine Politik, die - ich hoffe - in der kommenden Großen Koalition - noch ist sie ja nicht beschlossen - keine Zukunft mehr haben darf. Aber ich bin skeptisch, denn es wird wahrscheinlich der gleiche Minister Verkehrspolitik machen, den wir jetzt schon vier Jahre haben erleben dürfen.

Mein Fazit: Wir brauchen nicht längere Lkws, wir brauchen endlich ein Umsteuern von Gütern auf Schiene und Schiffe und weniger Straße. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Christopher Vogt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Kollege Arp kann sich selbst verteidigen. Zu Ihren feuchten Träumen in der Verkehrspolitik kommen wir gleich noch bei der StadtRegionalBahn. Ansonsten sollten Sie sich da ein bisschen zurückhalten.

Es geht in Berlin ja wirklich gut los. Über die PkwMaut haben wir gerade schon gesprochen. Die sogenannte Große Koalition in Berlin hat noch nicht einmal ihre Arbeit aufgenommen, und schon gibt es den ersten Streit über die Vereinbarungen. Herr Ministerpräsident, das haben Sie unglaublich stark analysiert. Herzlichen Glückwunsch dazu! Während die Union Nebenabsprachen zum Koalitionsvertrag in Sachen Lang-Lkw fröhlich begrüßt - die Pressemitteilungen der CDU-Fraktion werden zumindest alle Verkehrspolitiker zur Kenntnis genommen haben -, dementiert die SPD, dass es solche Nebenabsprachen überhaupt gegeben habe. Ich will mich da ehrlicherweise gar nicht groß einmischen,

aber ich muss davon ausgehen, dass es solche Nebenabsprachen gegeben haben muss. Anders kann ich mir die Antragsinitiative der CDU-Fraktion nicht erklären, der wir mittlerweile beigetreten sind, weil wir das Ziel dieser Initiative teilen. Ich bin aber schon ein wenig erstaunt darüber, dass solche Behauptungen hier im Land im Raum stehen und vielleicht der einzige, der uns wirklich etwas erklären kann, dazu bisher geschwiegen hat. Sie waren ja in der Verhandlungsgruppe dabei. Die CDU begrüßt etwas, was Ihre Fraktion dementiert. Das ist schon etwas merkwürdig. Sie könnten Aufklärung leisten. Allerdings bin ich Realist, dass vor dem Mitgliederentscheid der SPD nichts kommen wird.

Nebenabsprachen hin oder her, es kann vonseiten der SPD in jedem Fall nicht geleugnet werden: Es gibt im gesamten Koalitionsvertrag keine Erwähnung des derzeit stattfindenden Feldversuchs mit Lang-Lkw. Daher lässt sich daraus nur der Schluss ziehen, dass dieser Feldversuch nach dem Willen der zukünftigen Koalitionäre in jedem Fall fortgeführt werden soll. Herr Kollege Schulze, in einem Koalitionsvertrag muss nicht alles geregelt werden. Aber wenn man in diesem Bereich etwas zu den Lenk- und Ruhezeiten, zu Parkleitsystemen für Lkw und zu umweltfreundlichen Euro-VI-Fahrzeugen vereinbart, dann wird man sicherlich auch über den Feldversuch gesprochen haben.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] und Volker Dornquast [CDU])

Wenn man diesen nicht erwähnt, dann wird man ihn wahrscheinlich fortführen wollen; sonst hätte man ihn ja erwähnt.

Angesichts dieser Gemengelage wird es nun wirklich Zeit, dass die Landesregierung ihre peinliche ideologische Geisterfahrt beendet und von ihrer Klage gegen den Feldversuch Abstand nimmt. Bereits vor einem Jahr - am 14. November 2012; die Kollegen haben darauf hingewiesen, und wir haben schon mehrfach darüber diskutiert - hat unser Verkehrsminister Meyer als einziges Argument in der damaligen Debatte angeführt, dass der Bundesrat nicht eingebunden wurde.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze?

Es sieht so aus, als ob er gern fragen möchte. Dann bitte schön.

(Dr. Andreas Tietze)

Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. - Unabhängig von der Debatte über Gigaliner - finden Sie es unter föderalistischen, politischen Gesichtspunkten richtig, dass eine Verordnung sozusagen die Zulassung im Straßenverkehrsrecht regelt und nicht, wie es eigentlich vorgesehen ist, im Bundesrat ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren gelaufen ist? Finden Sie das richtig, dass künftig in der Bundesrepublik Deutschland wichtige Fragen, die die Länder auch in der Finanzauswirkung betreffen, in Bundesministerien durch Verordnung geregelt werden? Ist das Ihre Auffassung?

(Beifall Uli König [PIRATEN])

- Aus ästhetischen Gründen gibt es Gründe dafür. Allerdings wissen Sie genauso gut wie ich, Herr Dr. Tietze, dass es in der Vergangenheit viele Beispiele gibt, in denen die Bundesländer hätten sagen müssen: Das geht so nicht. In vielen anderen Fällen hat man auch von einer Klage abgesehen. Dass man es gerade in diesem Punkt macht, liegt daran, dass Sie es aus politischen Gründen ablehnen, Herr Dr. Tietze, und nicht, weil Sie als Rechtsstaatspartei rechtsstaatliche Bedenken haben. Das können Sie mir ernsthaft nicht erklären.

Herr Dr. Tietze, folgender Hinweis: Der Kollege Vogel hat wie Sie politische Bedenken dagegen. Er lehnt es auch aus fachlichen Gründen ab. Minister Meyer hat das bislang nicht getan. Der Verkehrsminister, den Sie immer massiv unterstützen, Herr Dr. Tietze, hat fachliche Bedenken nicht vorgetragen, sondern allein dieses Argument gewählt. Auch in Ihrer Rede ist überdeutlich geworden, dass es Ihnen gar nicht um diesen Punkt geht, sondern dass Sie einfach politisch dagegen sind.

(Beifall FDP)

Haben Sie für eine Nachfrage Raum, Herr Abgeordneter Vogt?

Mir sind vielleicht einige Dinge entgangen. Sie hatten von vielen Beispielen gesprochen. Können Sie mir vielleicht ein, zwei nennen?

Darüber können wir uns gern unterhalten, Herr Dr. Tietze.

- Vielen Dank.

(Martin Habersaat [SPD]: Möchtest du auf die wirklich haarsträubenden Sachen kom- men?)

- Ich möchte auf die haarsträubenden Argumente eingehen, die auch heute hier wieder vorgetragen wurden.

Herr Kollege Dr. Tietze und Herr Kollege Matthiessen - er ist noch im Raum -, Sie haben einen Punkt angesprochen, der beim Feldversuch gerade getestet werden soll. Wir reden nach wie vor über einen Feldversuch und nicht über eine insgesamt beschlossene Zulassung dieser Fahrzeuge. Die Fahrzeuge sind - wenn ich es richtig weiß - in Deutschland nicht auf 44, sondern auf 40 t beschränkt. Herr Kollege Matthiessen, wenn 40 t auf mehrere Achsen verteilt sind, ist das auf einer normalen Straße eine geringere Belastung. Das ist zumindest meine physikalische Betrachtung.

Herr Kollege Matthiessen, es gibt allerdings ein Problem - da haben Sie nicht ganz unrecht -, das sind in der Tat die Brücken, die vielfach marode sind. Deshalb bin ich der Auffassung, man sollte in diesem Feldversuch schauen, wie die Auswirkungen sind, und Messungen vornehmen, um das anschließend vernünftig bewerten zu können.

Meine Damen und Herren, wir bieten Ihnen heute die Möglichkeit, dass Sie Ihre Klage zurückziehen, dass Sie den Feldversuch fortführen lassen und es nach dem Feldversuch fachlich richtig einschätzen können. Auch ich bin der Auffassung, dass es durchaus einige Fragen gibt, die man prüfen soll. Sonst bräuchte man ja keinen Feldversuch. Das gilt gerade für die Brücken, von denen viele marode sind. Das muss man sich genauer anschauen, Frau Kollegin.

Viele Argumente, die hier vorgetragen wurden, sind leider nicht stichhaltig; sie sind schlichtweg Unsinn. Die Lkw sind auf 40 t beschränkt. Der Kollege hat gerade gesagt: Na ja, wenn der Feldversuch beendet ist, dann werden die Spediteure kommen und sagen: Jetzt wollen wir aber 60 t. - Das ist natürlich ein tolles Argument. Bei 40 t sehe ich die Bedenken, die Sie vorgetragen haben, nicht. Deswegen sind wir der Auffassung, dass man die Klage zurückziehen sollte. - Herr Dr. Tietze, ich danke ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU)

(Christopher Vogt)

Für die Piratenfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Uli König das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Arp, auch in dieser Rede war Ihre Argumentation wieder ziemlich dünn. So leid es mir tut - das muss ich leider auch dem Kollegen Vogt vorwerfen.

(Widerspruch CDU und FDP)

Das erweckte ein bisschen den Eindruck eines politischen Kreisverkehrs, der hier angezettelt wurde. Ich fand das ziemlich schwach.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Das sagt der Richtige!)

Gigaliner, Lang-Lkw, Eurokombi, Eco-Kombi, Longliner, Road Train - die Namen für das Thema, über das wir heute sprechen, sind so vielfältig wie die Probleme, die damit zusammenhängen. Die Probleme fangen schon bei der Auffahrt auf die Autobahn an, wie Kollege Tietze schon dargestellt hat. Genau dann, wenn sich andere Verkehrsteilnehmer von der Beschleunigungsspur vor oder hinter einen Gigaliner einfädeln müssen. Im Weiteren wird der Überholvorgang für andere Verkehrsteilnehmer deutlich länger. Wir haben jetzt schon viel zu viele Elefantenrennen auf unseren Straßen.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Außerdem sind die Grünphasen von Ampeln und die Schaltungen an Bahnübergängen nicht auf Lang-Lkw abgestimmt.

Ein weiterer Aspekt ist die Belastung der Straßen. Eco-Kombis haben zwar eine geringere Achslast, aber die Meterlast ist deutlich höher.