Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

(Beifall CDU)

Es ist auch hier wie überall in Ihrer Politik: Sie trauen den Menschen vor Ort nichts zu. Statt den Schulen die Entscheidung über ihre eigene Ausrichtung und Entwicklung zu überlassen, werden Regionalund Gemeinschaftsschulen von oben zwangsumgewandelt und zum „Gemeinsamen Lernen“ verdonnert, übrigens gerade auch dann, wenn die Schüler, Eltern, Lehrer und Schulträger dagegen sind und ihre Regionalschule aus ganz besonderen örtlichen Gründen behalten wollen.

(Beifall CDU)

Denn Gymnasien nehmen Sie die Wahlmöglichkeiten für G 8 oder G 9 und verhindern somit auch dort, dass individuell auf örtliche Bedürfnisse rea

(Präsident Klaus Schlie)

giert werden kann. Mit diesen Strukturveränderungen stellen Sie Schulstandorte infrage. Sie bedrohen sie in ihrer Existenz. Sie schüren Verunsicherung, anstatt alle Kräfte für eine Verbesserung der Bildungsqualität einzusetzen.

Meine Damen und Herren, es gab doch ein klares Ergebnis bei den Anhörungen im Bildungsausschuss. Das Ergebnis war nämlich, dass Ihre Schulgesetzänderung einen Stellenbedarf auslöst und die von Ihnen hierfür bereitgestellten Ressourcen bei Weitem nicht ausreichen.

(Beifall CDU)

Die Lehrergewerkschaft GEW warnt Sie deswegen vor einem Scheitern Ihrer Schulreform. Die Landeselternbeiräte sehen in ihrer Reform eine „Bankrotterklärung für die Bildung“.

(Zuruf SPD: Das stimmt doch nicht!)

- Das haben sie aber richtigerweise so behauptet.

Für eine erfolgreiche Umsetzung brauchten Sie nämlich - und das wissen Sie - mehr Lehrer an den Schulen. Auf diese entscheidende Frage aber geben SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW keine richtige Antwort. Das einzige, das Sie mit Ihrem Schulgesetz erreichen, ist eine Absenkung des Bildungsniveaus und mehr Unterrichtsausfall an den Schulen.

Anstatt auf Leistungsorientierung zu setzen, setzen Sie auf Gleichmacherei. Schon die Abschaffung des Bildungs- und Erziehungsauftrags im Schulgesetz sorgt bei Bildungsfachleuten für Kopfschütteln.

Mit der weitgehenden Abschaffung von Schrägversetzungen vom Gymnasium an die Gemeinschaftsschule schieben Sie der Durchlässigkeit im Bildungssystem einen ideologischen Riegel vor. Dass dieser elementare Punkt - das sage ich wirklich in aller Ernsthaftigkeit - Ihrer Schulreform erst in letzter Minute eingebracht wurde, ist besonders perfide. Allein deswegen, zumal darüber auch in der Anhörung nicht diskutiert werden konnte, beantrage ich schon an dieser Stelle eine dritte Lesung zum Schulgesetz.

(Beifall CDU)

Im Klartext bedeutet dies: Egal wie schlecht oder wie gut die Noten sind, die einmal getroffene Entscheidung der Eltern für eine bestimmte Schule, auf die ihr Kind gehen soll, ist bindend; denn überforderte oder unterforderte Kinder können nicht mehr die Schule wechseln und leiden an Frustration so

lange, bis das Kind die Schule verlässt, mit oder ohne Abschluss.

Sie nehmen bewusst in Kauf, dass Schülerinnen und Schüler aus purer Verzweiflung die Schule abbrechen. Mit ihrem Quasi-Verbot erhöhen Sie die Schulabbrecherquote und verfehlen auch Ihr selbst gesetztes Ziel, jedem Kind einen qualifizierten Bildungsabschluss zu ermöglichen.

(Beifall CDU)

Auch im umgekehrten Fall, nämlich dann, wenn sich ein Kind auf einer Gemeinschaftsschule in seinen schulischen Leistungen so gut entwickelt, dass es das Abitur an einem Gymnasium machen könnte, darf dieses Kind die Schule nicht wechseln. Es darf nicht auf ein Gymnasium, weil die Anmeldung einmal anders erfolgt ist.

(Zuruf: Es reicht!)

Entlarvend ist die Begründung für das weitgehende Verbot von Schrägversetzungen vom Gymnasium auf die Gemeinschaftsschule. Aus der SPD-Fraktion heißt es, dass Gymnasiasten, die auf die Gemeinschaftsschule wechseln, das pädagogische Konzept der Gemeinschaftsschule stören.

Herr Abgeordneter Callsen, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Frau Abgeordneten Erdmann?

Ich würde gerne diese Passage zum Ende bringen.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sie lassen sich aber nicht gern unterbrechen!)

Ja, das hängt durchaus damit zusammen, richtig, danke, Herr Stegner.

Schrägversetzte Kinder - das ist die Bedeutung dieser Aussage - vom Gymnasium werden von Ihnen offenbar als Störer empfunden, anstatt ihnen eine schulische Perspektive zu geben. Ich finde, das ist menschenverachtende Bildungspolitik.

(Beifall CDU - Zurufe SPD)

Und weil ich bei Ihren Versäumnissen bin: Das wichtige Thema Inklusion, über das wir in diesem Hause immer wieder richtigerweise geredet haben, schieben Sie weiter vor sich her. Dabei brennt gerade dieses Thema den Lehrern und Eltern unter den Nägeln.

(Beifall CDU)

(Johannes Callsen)

Elementar allerdings ist Ihr Frontalangriff auf die Gymnasien, auch wenn die Koalitionäre noch so säuselnd immer wieder ihr Bekenntnis zum Gymnasium ablegen. Wenn künftig auch Gemeinschaftsschulen möglichst flächendeckend zusätzliche Oberstufen einrichten können, dann geht das bei der Lehrerversorgung natürlich zulasten der Gymnasien. Der Philologenverband hat richtigerweise auf diese vorsätzliche Unterversorgung, auf den Wegfall von Schulartempfehlungen und die praktische Abschaffung der Durchlässigkeit hingewiesen. Dies alles zusammen bewirkt eine systematische Verschlechterung der Lernbedingungen an den Gymnasien. Auch insoweit hat der Philologenverband recht. Der Philologenverband hat im Übrigen auch recht, wenn er der Koalition „Beratungsresistenz gegen die Expertise der Betroffenen“ vorwirft, eindeutig!

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, alle drei Koalitionsfraktionen reden immer wieder von ihrer Vision „Eine Schule für alle“. Trotzdem gaukeln Sie den Menschen vor, dass Sie fest zum Gymnasium stehen. Wenigstens die SPD-Arbeitsgemeinschaft für Bildungsfragen ist da ehrlich und bezeichnet dieses Schuldgesetz nur als einen Zwischenschritt. In Wahrheit ist dieses Schulgesetz nämlich auf nichts anderes angelegt, als möglichst lautlos in Schleswig-Holstein die Einheitsschule einzuführen. Mit der Einführung des Einheitslehrers haben Sie doch schon begonnen, den Gymnasien den ersten großen Brocken ihres Fundaments abzutragen.

Allen diesen Einheitsplänen dieser Koalition setzen wir eine Alternative entgegen und erteilen diesen Plänen eine ganz klare Absage.

(Beifall CDU)

Weil jedes Kind anders ist und anders gefördert werden muss, kann dies keine Einheitsschule leisten. Statt auf Gleichmacherei setzen wir auf mehr Selbstständigkeit für unsere Schulen; wir setzen auch auf mehr Qualität in der Bildung. Statt Zentralismus wollen wir mehr Entscheidungen an den Schulen vor Ort. Wir sind es nämlich, die den Menschen in Schleswig-Holstein etwas zutrauen. In der Anhörung ist eine breite Unterstützung für unser Modell der selbstständigen Schule deutlich geworden. Sie können vor Ort viel besser auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler eingehen als zentrale Dekrete aus dem Bildungsministerium in Kiel.

Unsere Schulen brauchen mehr Selbstständigkeit, um einen idealen Rahmen für eine vielfältige, für

eine kindgerechte Pädagogik schaffen zu können. Das betrifft auch die Fragen, wann beispielsweise alle Schüler gemeinsam unterrichtet werden, wann Gruppen entsprechend der Leistungsfähigkeit der Kinder gebildet werden und wann abschlussbezogene Klassen notwendig sind.

Wir wollen mit unserem Änderungsgesetz die Qualität der Bildung in den Schulen verbessern und eben keine Strukturveränderungen an der jetzigen Bildungslandschaft vornehmen.

(Beifall CDU)

Wir bekennen uns klar zur Leistungsorientierung in den Schulen. Hierzu gehören Zeugnisnoten mit verständlicher Kommentierung ebenso wie auch die Möglichkeit der Klassenwiederholung als weitere Chance für die Schülerinnen und Schüler.

Schule soll nach unserem Verständnis die schulische und berufliche Leistungsbereitschaft fördern. Sie soll neben vielen anderen Zielen, die bereits im Gesetz stehen, nach unserer Überzeugung das Verständnis für die soziale Marktwirtschaft und für neue Technologien und für Innovationen fördern und die Schüler damit noch besser auf die berufliche Wirklichkeit vorbereiten. Auch dies haben wir in unseren Gesetzentwurf hineingeschrieben. Denn es ist unbestreitbar: Wir brauchen nicht nur gut ausgebildete Akademiker, sondern auch qualifizierte Fachkräfte in Mittelstand und Handwerk.

(Beifall CDU und FDP - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Und gute Oppositionsführer!)

- Ja, den haben Sie, Herr Kollege.

Damit Schulkarrieren der Entwicklung der Kinder angepasst und nicht zu einer Sackgasse werden, wollen wir die Durchlässigkeit im Bildungssystem durch Schrägversetzungen weiter sicherstellen. Um der Individualität der Kinder zu entsprechen, wollen wir das Einschulungsalter wieder flexibler handhaben. Auch das ist ein wichtiger Punkt, der bei Ihnen viel zu kurz kommt.

Meine Damen und Herren, wir setzen zur Qualitätsentwicklung auf eine Evaluation auf Basis der nationalen Bildungsstandards. SPD, GRÜNE und SSW wollen eine ideologische Veränderung der Schulstrukturen. Sie wollen Gleichmacherei statt Leistung, sie wollen die Gymnasien schwächen und die Einheitsschule in Schleswig-Holstein durchsetzen. Die CDU steht für Qualitätsverbesserung, die CDU steht für die selbstständige Schule, für individuelle Förderung und Leistungsorientierung. Wir wollen, dass der Bildungsstandort Schleswig-Holstein stärker und eben nicht schwächer wird. Des

(Johannes Callsen)

halb, Herr Kollege Stegner: Wir nehmen Ihre Einladung gern an, nicht nur zu Ihrem Jahresempfang, sondern auch zur namentlichen Abstimmung über Ihr Gesetz, die ich hiermit beantrage. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Herr Abgeordneter Callsen, seien Sie so freundlich und bleiben einen Moment am Rednerpult. - Ich bin mir nicht sicher - wir insgesamt sind uns nicht sicher -, ob Sie den Begriff „Brandstifter“ gezielt auf den Ministerpräsidenten persönlich vorgetragen haben. Dann wäre das ein Ordnungsruf. Ich behalte mir vor, das anhand des Protokolls zu prüfen. Auch ansonsten halte ich diesen Begriff nicht für parlamentarisch.