Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

Es sind auch Zwischenrufe auf dem Off, die unsachlich und der Debatte nicht förderlich sind. Wir reden hier über das Schulgesetz. Dabei sollten wir bleiben und uns nicht persönlich angreifen. - Ich danke Ihnen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Bemerkung oder Frage des Herrn Fraktionsvorsitzenden Abgeordneten Dr. Stegner?

Bitte schön.

Lieber Herr Kollege Schmidt, über parlamentarischen Stil kann man sicherlich streiten - welche Aktuellen Stunden man anmeldet und viele andere Din

(Heike Franzen)

ge auch. Dafür, hier zu regeln, was parlamentarisch oder was unparlamentarisch ist, ist das Präsidium da. Ich stehe dazu, dass man sich dazu bekennt, dass man sich dafür schämt, wenn Menschen menschenverachtende Haltung unterstellt wird oder der Begriff „Brandstifter“ verwendet wird. Dafür darf man sich schämen. Das darf man hier auch sagen. Dazu stehe ich hier ausdrücklich.

Wir haben ein Präsidium gewählt, um Parlamentarisches von Unparlamentarischem zu trennen, wir haben keine Schiedsrichter, die bewerten, was sie richtig oder falsch finden.

Herr Dr. Stegner, ich teile ausdrücklich die Kritik, die Sie zu dem Begriff „Brandstifter“ geäußert haben. Diese und ähnliche Ausdrücke gehören hier nicht hin. Da gebe ich Ihnen durchaus recht. Trotzdem sollten wir einmal über das Miteinander hier nachdenken. Es ist mein gutes Recht als Abgeordneter, wenn ich ein Problem damit habe, dies hier zu äußern.

(Beifall PIRATEN und CDU)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Auf den Beitrag des Kollegen Habersaat möchte ich, ehrlich gesagt, gar nicht weiter eingehen.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Er zeigt mir, dass er nicht zugehört hat.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Ich habe davon gesprochen, dass Bildung und Erziehung mit Ihrem Schulgesetz in Schleswig-Holstein keine herausragenden Rollen spielen.

Was mich zu meiner Wortmeldung veranlasst hat, ist der Beitrag der Kollegin Jette Waldinger-Thiering, die gesagt hat, sie könne unseren Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil wir dort die Forderung aufstellten, die dänischen Ersatzschulen schlechterzustellen. An dieser Stelle bitte ich die Kollegin Jette Waldinger-Thiering darzustellen, wo sie in der Drucksache 18/1490 feststellen kann, dass wir § 124 angesprochen haben. Damit könnte sie diese Behauptung belegen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Lesen hilft manch- mal!)

Ich bin auf die Antwort der Kollegin gespannt. Nehmen Sie das, was Sie als Antwort hören werden, als Indiz dafür, wie intensiv sich einige der regierungstragenden Fraktionen mit unseren Änderungsanträgen tatsächlich beschäftigt haben. - Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor beziehungsweise sind zurückgezogen worden.

Für die Landesregierung hat jetzt die Ministerin für Bildung und Wissenschaft, Frau Professor Dr. Wara Wende, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es fühlt sich gut an, heute hier zu stehen und das neue Schulgesetz in seiner letzten parlamentarischen Debatte zu erleben. Mit dem neuen Schulgesetz haben wir nach nur eineinhalb Jahren Regierungszeit einen Meilenstein in der Schulgeschichte Schleswig-Holsteins gesetzt. Es hat in Schleswig-Holstein noch nie ein Schulgesetz gegeben, das in landesweiten Bildungskonferenzen, Workshops, Arbeitsgruppen und Bildungsdialogen mit den unterschiedlichsten Interessenvertretern von Schule entstanden ist. Viele haben ihre Kritik, ihre Meinungen und ihre Ideen in die Debatte eingebracht. Dafür möchte ich mich bei allen, auch bei der Opposition, ganz herzlich bedanken.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Bessere ist der Feind des Guten. Ich bin mir sicher: Gemeinsam haben wir ein besseres Schulgesetz gemacht. Natürlich konnten nicht alle Standpunkte berücksichtigt werden, da sie selbstredend untereinander nicht immer kompatibel waren. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass uns mit dem vorliegenden Gesetz ein Gesetz gelungen ist, das die Chancengerechtigkeit in Schleswig-Holstein signifikant erhöhen wird. Ich bin mir sicher, dass es ein Gesetz im Sinne der Schüler und Schülerinnen ist. Genau das sollte ein Schulgesetz sein.

Ziel des rot-grün-blauen Regierungshandelns ist: Wir wollen die Chance auf eine erfolgreiche Bildungsbiografie unabhängig von der Zufälligkeit des

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

Unterstützungspotenzials der Elternhäuser erhöhen. Im Fokus unserer Ausgangsüberlegung stand weniger die Frage: Wie müssen Schülerinnen und Schüler sein, um den Anforderungen von Schule gerecht zu werden? Im Fokus stand vielmehr die Frage: Wie muss Schule sein, damit sie den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht wird?

Kinder und Jugendliche müssen in der Schule die Erfahrung machen, dass es Spaß macht, an der Welt des Wissens und des Könnens teilzuhaben. Sie müssen ganz in Kants Sinne zum kreativen, fantasievollen und kritischen Selbstdenken ermuntert werden. Darüber hinaus müssen sie dazu motiviert werden, sich in die Gefühle und Gedanken anderer Menschen hineinzuversetzen. Sie müssen angehalten werden, Verantwortungsbereitschaft für sich und andere zu entwickeln. Sie müssen lernen, Andersdenkende zu akzeptieren und Konflikte gewaltfrei auszutragen. Genau das sind die pädagogischen Ziele, die wir mit Schule verbinden. Nachzulesen ist dies in § 4 des Schulgesetzes.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ob Sie diese Ziele als Bildungs- oder als Erziehungsziele bezeichnen, bleibt Ihnen überlassen. Das Schulgesetz schränkt die Möglichkeiten der sprachlichen Benennung an keinem Punkt ein, aber es ist eindeutig in dem, was Schule leisten soll. Es ist eindeutiger als das inhaltlich unverbindliche Sprechen von Bildung und Erziehung, ohne gleichzeitig zu sagen, was man konkret darunter verstehen will. Auch das habe ich heute einmal mehr nicht vernommen.

Gestatten Sie mir eine Randbemerkung: Vor wenigen Tagen war ich zu Besuch am Lübecker Carl-Jacob-Burckhardt-Gymnasium, das sich ein eigenes Sozialcurriculum gegeben hat. Die Lehrkräfte sprachen von pädagogischen Zielen und eben nicht von Erziehungszielen.

Gestatten Sie mir eine zweite Bemerkung zu unseren Schulen: Ich vertraue auf die Kompetenzen und auf das Engagement unserer Lehrkräfte. Sie sind durchaus in der Lage, selbstständig zu entscheiden, wie sie die Schwerpunkte ihrer Schule gestalten wollen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW)

Ein Beispiel dafür ist die Frage, ob sie sich ein eigenes Sozialcurriculum, das ich im Übrigen begrüße, geben wollen. Sie sind auch in der Lage, selbstständig darüber zu entscheiden, mit welchen didak

tischen Methoden der Unterricht organisiert werden soll. Deshalb sollten wir als Politiker auch nicht versuchen, den Lehrkräften vorzuschreiben, wie sie ihren Schülerinnen und Schülern das Lesen und Schreiben beizubringen haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Genauso wenig sollten wir ihnen vorschreiben, wie sie das pädagogische Ziel erreichen, dass Schülerinnen und Schüler Verantwortungsbereitschaft übernehmen. Ich bin mir auch sicher, dass unsere Lehrer in der Lage sind, Abschlussprüfungen so zu gestalten, dass elektronische Hilfsmittel nicht zu Schummeleien eingesetzt werden können,

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

weil intelligente Abschlussprüfungen auf problemlösendes Denken und auf den Transfer von Wissen und nicht auf die simple Reproduktion und die bloße Wiedergabe von Daten und Fakten zielen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Lassen Sie mich nun zu den zentralen Neuerungen des Schulgesetzes kommen: Wir werden künftig eine klar strukturierte Schullandschaft haben mit einer Zweisäuligkeit im Sekundarstufenbereich I und einer Dreisäuligkeit im Bereich der Sekundarstufe II. Damit führen drei gleichwertige, aber nicht gleichartige Wege zum Abitur. Gymnasien bieten in der Regel den achtjährigen, Gemeinschaftsschulen den neunjährigen Weg zum Abitur; mit 15 Ausnahmen, nämlich Gymnasien, die sich für G 9 beziehungsweise für den Y-Weg entschieden haben.

Die Gymnasien hatten die von der Opposition so vehement geforderte Wahlfreiheit, und elf von ihnen haben sich entschieden, zu G 9 zurückzukehren. Vier Gymnasien haben sich für das Y-Modell entschieden. Das haben wir akzeptiert. Nun frage ich Sie: Wie oft sollen sich unsere Gymnasien noch entscheiden können? Jedes Jahr? Alle drei Jahre? Alle fünf Jahre? Oder vielleicht alle zehn Jahre? Wir wünschen uns Stabilität in unseren Schulstrukturen. Ein permanentes Hin und Her dient dem Schulfrieden nicht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zu einer klar strukturierten Schullandschaft gehören Gemeinschaftsschulen mit eigenen Oberstufen. Deshalb haben wir bereits durch ein Vorschaltgesetz zusätzliche Oberstufen an Gemeinschafts

(Ministerin Dr. Waltraud Wende)

schulen ermöglicht. Oberstufen an Gemeinschaftsschulen sind schon allein deshalb notwendig, weil es unterschiedliche und ganz individuelle Lernwege gibt; Lernwege, die auch anders aussehen können als die von den Gymnasien ermöglichten.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Nicht bei jedem Kind steht bereits im Alter von zehn Jahren fest, welche Potenziale in ihm schlummern. Nicht jedes Kind hat ein Elternhaus, das alles daransetzt, dass ein Kind schulisch erfolgreich ist. Nicht jedes Elternhaus ist in der Lage, ein Kind optimal zu fördern. In der Gemeinschaftsschule werden die Schülerinnen und Schüler nicht nur individuell gefördert. Schülerinnen und Schüler können im Alter von 15 oder 16 Jahren selbst darüber entscheiden, ob sie nach der neunten, nach der zehnten oder nach der 13. Klasse die Schule beenden wollen. Unser aller Ziel muss doch sein, die Zahl erfolgreicher Bildungsbiografien zu erhöhen. Genau deshalb brauchen wir mehr Gemeinschafsschulen mit Oberstufe.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Lassen Sie mich meine These mit einem konkreten Beispiel unterfüttern: Die Gemeinschaftsschule Bargteheide erhielt den Deutschen Schulpreis 2013. Sie war die beste Schule des Jahres 2013. Seit zehn Jahren hat an dieser Schule keine Schülerin und kein Schüler die Schule ohne Schulabschluss verlassen. 10 % der hauptschulempfohlenen Schüler legen dort das Abitur ab. Die Prognosegenauigkeit der Grundschulempfehlung wird in Bargteheide ad absurdum geführt. 68 % der Schülerinnen und Schüler erlangen dort einen besseren Schulabschluss als von den Grundschullehrkräften prognostiziert. Schon deshalb müssen wir Schulen haben, die andere Formen von Unterricht und das längere gemeinsame und individualisierte Lernen in den Fokus rücken.