Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

(Beifall PIRATEN)

Nur: Seit den Terroranschlägen aus dem Jahr 2001 sind unsere Bürgerrechte in dramatischem Ausmaß weiter abgebaut worden. Hier in SchleswigHolstein haben SPD und CDU im Jahr 2007 ein hoch umstrittenes Anti-Terrorgesetz eingeführt. Verdachtslose Anhalte- und Sichtkontrollen x-beliebiger Personen einschließlich Öffnen ihrer Fahrzeuge und Einsehen in ihre Kofferräume ohne irgendeinen Gefahrenverdacht sind gesetzlich erlaubt worden.

Wo polizeiliche Erkenntnisse - wie auch immer die zu verstehen sind - es rechtfertigen, darf seither ein Gebiet zum Gefahrengebiet erklärt werden. Aber auch in einem 30 km breiten Streifen entlang der dänischen Grenze und entlang der gesamten Küste unseres Landes sind sozusagen kraft Gesetzes Gefahrengebiete vorhanden. Das Ergebnis ist, was im Fernsehen schon auf einer Karte gezeigt worden ist, dass kaum noch ein Gebiet in Schleswig-Holstein nicht in diese Gefahrengebiete fällt und noch nicht zum Gefahrengebiet erklärt worden ist.

Dazu kann ich nur sagen: Wir PIRATEN akzeptieren nicht, dass weite Teile unseres Landes zum Gefahrengebiet und damit zu einer Sonderrechtszone

(Katja Rathje-Hoffmann)

erklärt werden, in der sich jeder Mensch Kontrollen gefallen lassen muss. Schleswig-Holstein ist kein Gefahrengebiet. Diese Kontrollzonen sind eine Misstrauenserklärung gegen ganze Regionen und gegen Millionen von Menschen, die darin leben. Das haben sie nicht verdient, und das nehmen wir PIRATEN auch nicht hin.

(Beifall PIRATEN, Dr. Heiner Garg [FDP] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Mit Sicherheit haben diese Sichtkontrollen überhaupt nichts zu tun. Dass auch nur einmal bei dieser Anhalte- und Sichtkontrollen auch nur eine Straftat verhindert worden wäre, mit der die Einrichtung dieser Gefahrengebiete begründet worden ist, hat der Innenminister auf unsere Anfrage nicht bestätigen können. Mehr noch: In mehreren polizeilichen Anordnungen zur Verlängerung von Gefahrengebieten, die uns seit gestern vorliegen, heißt es wörtlich - ich zitiere -: Bisherige Ermittlungsmaßnahmen und operative Maßnahmen haben nicht zum Erfolg geführt. Das heißt, in den Verlängerungsanordnungen bestätigt die Polizei selbst die Wirkungslosigkeit ihrer Kontrollmaßnahmen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Ich will klarstellen: Niemand bestreitet, dass es Wohnungseinbruchsdiebstähle oder Rockerkriminalität gibt. Nur kommen Sie denen eben durch ungezielte Anhalte- und Sichtkontrollen nicht bei. Wenn Sie einen Nagel in die Wand schlagen wollen, brauchen Sie dazu einen Hammer. Eine Säge hilft Ihnen dazu nicht.

(Zuruf Olaf Schulze [SPD] - Birgit Herdejür- gen [SPD]: Man kann das auch mit einer Sä- ge machen!)

Deswegen wollen wir diese Säge aus dem Werkzeugkasten des Gesetzes herausnehmen.

Im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, das dürfte zumindest Sie interessieren: Jedermannkontrollen zur Suche nach grenzüberschreitender Kriminalität, wie sie in diesem Gesetz zugelassen sind, leisten auch einem Ethnic Profiling Vorschub. Untersuchungen zeigen leider, wenn beliebige Personen kontrolliert werden dürfen und Menschen für solche Kontrollen herausgegriffen werden müssen, neigt man dazu, Menschen ethnischer Minderheiten herauszuziehen. Deshalb fordert unter anderem das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung, die Initiative schwarzer Menschen in Deutschland und auch das Institut für Menschenrechte die Aufhebung solcher Ermächtigungen.

(Beifall PIRATEN, Eka von Kalben [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] und Wolfgang Ku- bicki [FDP])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei Einführung dieses Gesetzes haben auch Grüne und auch der SSW vehement gegen diese anlasslosen Anhalte- und Sichtkontrollen gestritten. Die heutige Justizministerin Anke Spoorendonk kritisierte Sicherheitsaktionismus und sagte, es werde einfach gesagt, ein bisschen mehr Überwachung trage zur Gefahrenabwehr bei. - Jetzt stehen Sie in der Verantwortung, es besser zu machen. Jetzt wird sich zeigen, ob eine rot-grün-blaue Koalition unsere Freiheitsrechte besser achtet als SPD und CDU.

Für uns PIRATEN ist Freiheit keine Gefahr und Privatsphäre keine Schutzlücke. Für uns ist Freiheit die Grundlage einer offenen und starken Zivilgesellschaft. Wir setzen auf Freiheit statt Angst. Deswegen müssen diese Gefahrengebiete weg.

(Beifall PIRATEN)

Geben Sie diese Sonderrechtszonen auf, und stellen Sie die Grundrechte wieder her.

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Astrid Damerow das Wort.

(Zurufe Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussionen in den letzten Wochen und Monaten um die Gefahrengebiete und auch der Redebeitrag des Kollegen Breyer eben haben deutlich gezeigt, dass hier viel Populismus und eher weniger Sachlichkeit waltet.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Bei wem?)

- Herr Kubicki, in diesem Fall bei den Antragstellern. Ich weiß ja noch nicht, was Sie sagen werden.

(Beifall Hans-Jörn Arp [CDU])

Der vorliegende Antrag der Fraktion der PIRATEN offenbart unserer Ansicht nach ein tiefes Misstrauen der Mitglieder ihrer Fraktion gegenüber Polizei und Staat.

(Zuruf Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Dahinter steht das ziemlich verquere Bild eines Staates, der unbescholtene Bürger ständig und ohne Grund in ihren Rechten beschneidet, eines Staates,

(Dr. Patrick Breyer)

der aus reinem Eigeninteresse willkürlich seine Bürger überwacht. Das ist das Bild, das Sie zeichnen.

(Zuruf Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Mit der Wirklichkeit hat Ihr Bild allerdings wenig zu tun. Wir reden hier über die sogenannten Gefahrengebiete. Wir reden über begrenzte Gebiete - Sie haben es eben ausgeführt -, in denen die Rechte der Polizei in geringem Maße ausgeweitet werden - und dies nicht nach Lust und Laune der Polizei, sondern nach Vorliegen bestimmter Tatbestandsmerkmale.

(Vereinzelter Beifall CDU - Wortmeldung Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

- Herr Breyer, ich lasse keine Zwischenfragen zu. Wenn ein solches Gebiet über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden soll, dann erfolgt eine richterliche Prüfung. Auch das haben Sie eben alles unter den Tisch gekehrt. Über welche ausgeweiteten Befugnisse reden wir denn, in denen die PIRATEN eine massive Einschränkung der Grundrechte sehen? - Wir reden über Anhalterechte sowie das Recht zur Inaugenscheinnahme. Es stimmt: Das sind Grundrechtseingriffe.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Aha!)

Aber stellen wir gegenüber, aus welchen Gründen diese Rechte eingeschränkt beziehungsweise aus welchen Gründen Gefahrengebiete eingerichtet worden sind. Herr Dr. Breyer, Sie selbst haben dies in einer Kleinen Anfrage abgefragt. Hauptgrund für die Einrichtung war in bisherigen Fällen der Wohnungseinbruchdiebstahl, Rockerkriminalität und eine Vergewaltigungsserie.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Das bringt aber nichts!)

Das sind nun in keiner Weise irgendwelche Fälle von Kleinstkriminalität. Wenn wir von unserer Polizei erwarten, dass sie uns vor Kriminalität schützt, dann müssen wir ihr auch die Mittel in die Hand geben, um diese Aufgabe erfüllen zu können.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Indem Sie x-beliebige Autos anhalten?)

Die Ausweisung - um das jetzt einmal hier deutlich zu machen - von Gefahrengebieten dient der Verhinderung von Straftaten

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Nein, dient sie nicht!)

und damit zu dem Schutz unserer Bürger.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Funktio- niert nicht!)

Sie zeichnen hier ständig ein völlig falsches Bild.

Die Begründung Ihres Antrags zeigt, dass hier reichlich Stimmungsmache im Vordergrund steht. Anders ist nicht zu erklären, dass Sie hier - Sie haben das eben wiederholt - behaupten, die in Inaugenscheinnahme könne den gesellschaftlichen Status eines Betroffenen negativ beeinflussen. Mit dem Argument können Sie dann im Übrigen als nächstes auch die Verkehrskontrollen verbieten. Sie sprechen von Jedermannkontrollen, von Sonderrechtszonen und der Gefahr des Racial Profiling. Sie versuchen mit der Verwendung solcher Begriffe schlicht und ergreifend, den Menschen und unseren Bürgern Angst zu machen.

Sie tun im Grunde so, als sei Schleswig-Holstein ein Polizeistaat. Dieses, Herr Dr. Breyer, ist erstens Unsinn, und zweitens erwecken Sie den Eindruck von Polizeiwillkür. Drittens beleidigen Sie in der Ausformulierung Ihres Antrags unsere Polizistinnen und Polizisten. Wenn Sie in Ihrem Antrag wenigstens konstruktive Vorschläge gemacht hätten -

(Zuruf Uli König [PIRATEN])

- Nein, alles, was Ihnen eingefallen ist, ist, der Polizei ein wichtiges Mittel zur Verhinderung von Straftaten zu nehmen.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Das bringt doch gar nichts!)

Es wäre für Sie vielleicht sehr hilfreich gewesen, wenn Sie an der Stelle einmal das Gespräch mit der Polizeidirektion Ratzeburg gesucht hätten.

(Beifall CDU - Zuruf Dr. Patrick Breyer [PI- RATEN])

Vielleicht können Sie das noch nachholen. Das dient dann vielleicht auch Ihrer Bewusstseinserweiterung. Denn wenn es nach Ihnen ginge, wäre unsere Polizei in bestimmten Fällen nahezu handlungsunfähig. Ich nehme nämlich an, dass, wenn Sie so weitermachen, Ihnen noch einiges andere einfällt, was Sie der Polizei demnächst an Befugnissen wegnehmen können.

Wir werden diesen Gesetzentwurf selbstverständlich, wie das Usus bei uns ist, im Ausschuss diskutieren. Ich sage Ihnen aber schon gleich: Wir sehen für uns relativ wenig Spielräume, hier zu einer Einigung zu kommen. Mit uns wird eine Schwächung der Befugnisse der Polizei, die die Sicherheit unserer Bürger gewährleistet, nicht zu machen sein.