Protokoll der Sitzung vom 10.07.2014

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb haben wir die Höhe des schleswig-holsteinischen Mindestlohns an der niedrigsten besetzten Entgeltstufe orientiert. Und deshalb soll der schleswig-holsteinische Mindestlohn regelmäßig überprüft und angepasst werden. Der bundesweite Mindestlohn ist auch gut. Er gilt nämlich flächendeckend. Das ist der Unterschied, Herr Callsen: Ich mache an dieser Stelle keinen Hehl daraus, dass ich persönlich mir im Bund weniger Ausnahmen gewünscht hätte.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Richtig ist, dass Teile der Wirtschaft den schleswig-holsteinischen Mindestlohn kritisieren. Richtig ist übrigens auch, dass Teile der Wirtschaft den bundesweiten Mindestlohn kritisieren, den Sie uns heute vorschlagen; sie finden ihn nämlich zu hoch und angeblich nicht marktgerecht. Am 1. Juli 2014 veröffentlichte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, einen Kommentar zum Mindestlohn in der „Bild“:

„Bei uns vereinbaren die Sozialpartner autonom Mindestlöhne. Dort, wo das nicht gelingt, greift das Arbeitslosengeld II als Grundsicherung.“

Wissen Sie, das nennt man einen Zielkonflikt in Sachen Gesellschaftspolitik. Wir finden so eine Aussage nämlich zynisch. Soziale Leistungen sind nicht dazu da, Lohndumping zu subventionieren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Genauso ist es mit Lehrerstellen. Ich kann Ihnen nur sagen: Sozialleistungen und Lehrerstellen gegeneinander auszuspielen, ist wirklich zynisch.

Wir wissen aus unseren zahlreichen Gesprächen, dass sich zumindest in Schleswig-Holstein die Kritik nicht an der Höhe des Mindestlohns orientiert. Da sind nämlich tarifgebundene Unternehmen in der Regel drüber. Die Kritik richtet sich darauf,

dass es überhaupt einen Mindestlohn gibt, egal wie niedrig er ist. Meine Damen und Herren, dann mag es so sein. Da haben wir offenbar unterschiedliche Werte. Wir stehen zum Mindestlohn im Bund, und wir stehen zum Mindestlohn von zurzeit 9,18 € bei Auftragsvergaben und Zuwendungen des Landes Schleswig-Holstein.

Ihnen müsste doch wohl klar sein, dass Sie mit Ihrem Gesetzentwurf nicht nur die Löhne der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer drücken. Wer übrigens 113 € Differenz brutto oder 60 € netto für eine geringe Summe hält, war noch nicht richtig arm. Meine Damen und Herren, das ist ein Skandal.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Über Ihre Lohndrückerei hinaus gehen Sie fahrlässig mit der sozialen Gerechtigkeit in SchleswigHolstein um. Wer regelnd eingreift, zum Beispiel in den Markt, braucht dafür gute Gründe. Ein Grund ist, dass unser Wirtschaftssystem nicht von sich aus in der Lage ist, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausreichende Löhne und für Unternehmen fairen Wettbewerb zu schaffen. Natürlich verursacht jede Regelung Verwaltungsaufwand, also Bürokratie.

Meine Damen und Herren, Sie legen hier einen halbgaren Gesetzentwurf vor, der vor sozialer Ungerechtigkeit strotzt. Sie stellen damit auch nicht sicher, dass das Land Schleswig-Holstein bei Auftragsvergaben seinen Kontrollpflichten genügen kann. Hingegen ist mir völlig klar: Was für Sie pure Bürokratie sein mag, ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten soziale Gerechtigkeit. Darauf sind wir stolz.

(Anhaltender Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Andreas Tietze.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag, den uns die CDU-Fraktion heute vorlegt, ist in der Tat ein Generalangriff auf die soziale Gerechtigkeit in diesem Land.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

(Olaf Schulze)

Lieber Herr Callsen, man fragt sich: Wollten Sie Ihre CDU profilieren, oder wollten Sie sich profilieren? Wenn Sie Ihre CDU profilieren wollten mit dem Thema soziale Kälte: völlig daneben. Wenn Sie sich damit profilieren wollten, hat es uns auch nicht überzeugt.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Muss es auch nicht!)

Sie spielen Bildung gegen soziale Gerechtigkeit aus. Mich erstaunt und erschüttert das. Sie sind auch hier ein scheinheiliger Redner gewesen. Jahrelang haben Sie an dieser Stelle den Mindestlohn, die Tariftreue bekämpft. Sie haben unsere Gesetzentwürfe abgelehnt. Sie wollten den Mindestlohn nicht. In Bausch und Bogen haben Sie sich dagegen ausgesprochen.

(Johannes Callsen [CDU]: Stimmt gar nicht!)

Das war Ihre Position hier im Haus. Was damals für die Wirtschaft schlecht war, ist auf einmal gut. Plötzlich sind Sie auch der Auffassung, dass 8,50 € gerecht sind. Lieber Herr Callsen, Ihre Bundespartei ist endlich eingeschwenkt. Sie ist vernünftig geworden, und sie hat sich auf einen Mindestlohn von 8,50 € geeinigt. Aber ich sage Ihnen auch: So viel Kreide, wie Sie hier gegessen haben, um sich so zu verbiegen, kann eigentlich kein Mensch schlucken.

Ihre persönliche Meinung zum Mindestlohn kenne ich, die kennen wir hier im Haus. Heute haben Sie sich im Grunde genommen entsprechend verbogen. Die Wandlung vom Saulus zum Paulus nehmen wir Ihnen hier nicht ab, lieber Herr Callsen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Im Gegenteil: Sie wollen Schlachten der Vergangenheit wiederholen und zu einem Sieg führen. Das wird Ihnen nicht gelingen. Die arbeitnehmerfeindliche Politik der Vorgängerregierung haben die Schleswig-Holsteiner noch gut im Kopf. Wenn Sie jetzt gegen 9,18 € zu Felde ziehen, dann müssen Sie den Menschen sagen, kurz vor dem Urlaub: Wir wollen euch 68 ct pro Stunde nehmen. Das ist eine Lohnkürzung von 8 % oder - der Kollege Schulze hat es gesagt - 60 €. Was bedeuten denn für Sie Werte wie Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit? Man kann Menschen am unteren Rand der Einkommensskala nicht zum politischen Ränkespiel missbrauchen. Das ist unmöglich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Sie sind für mich der Sheriff von Nottingham und nicht Robin Hood. Robin Hood wollte es den Reichen nehmen, um es den Armen zu geben. Sie wollen es den Armen nehmen, um es den Reichen zu geben. Das ist Ihre Botschaft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Lieber Herr Kollege Callsen, Sie wollten glänzen. Am Ende konstatiere ich: Der Lack ist ab. Das ist das Ergebnis Ihres Wortbeitrags.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Der Markt in Schleswig-Holstein ist nämlich durch unser Mindestlohngesetz berechenbar geworden. Dumpinglohnanbietern haben wir die rote Karte gezeigt. Die Kassen der öffentlichen Haushalte wurden bei den Sozialkosten entlastet. Die Bekämpfung der Schwarzarbeit und der Steuerhinterziehung erhöht die Steuereinnahmen. Volkswirtschaftlich gesehen haben wir hier genau das Richtige getan.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann sind wir in- nerhalb Deutschlands ja auf einem richtig gu- ten Weg!)

Die entstehenden Kosten für den Verwaltungsaufwand, den Sie hier proklamieren, haben wir egalisiert. Wir haben mit dem Korruptionsregister mit Hamburg eine Basis geschaffen. Das ist für Sie etwas völlig Neues, entschuldigen Sie einmal. Unser Gesetz ist so aufgebaut, dass es natürlich die Bemühungen des Bundes im Korruptionsbekämpfungsgesetz aufnimmt. Wir haben das Gesetz so gestaltet, dass wir auf die Frage der Veränderung im Bund sinnvoll reagieren können, aber eben nicht beim Mindestlohn. Denn die 9,18 € wollten wir. Das ist tatsächlich eine Politik dieser Koalition gewesen, lieber Herr Callsen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Deshalb sage ich an dieser Stelle noch einmal: Diese Koalition schützt unser Land vor Billigkonkurrenz, die auf Lohndumping setzt. Sie baut Benachteiligung durch Korruption und Bestechung ab. Sie hat mit dem Landesmindestlohngesetz ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das dieses Land tatsächlich sozial gerechter macht. Ich finde, man kann ein bisschen stolz darauf sein, dass unser Land in dieser Frage vorangeht und in Deutschland nicht zurückfällt.

(Dr. Andreas Tietze)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Natürlich reicht das nicht aus. Der armutsfeste Lohn, lieber Herr Callsen, nach allen von der OECD empfohlenen Studien liegt bei 9,84 €. 9,18 € sind also noch weit von einem üppigen Lohn entfernt. Wir sind jedoch ein Stück näher an dem Ziel, dass Menschen aus der Würde der Eigene-HändeArbeit heraus leben können. Das war es uns wert. Deshalb ist dieser Gesetzentwurf, den wir auf den Weg gebracht haben, richtig und gut für dieses Land.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Diese Koalition ist und bleibt eine Koalition der sozialen Gerechtigkeit, des fairen Wettbewerbs und der guten Arbeit für Schleswig-Holstein. Ihren Antrag brauchen wir dazu nicht. Der ist so überflüssig wie ein Kropf. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Christopher Vogt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den letzten beiden Reden habe ich auf den Kalender gesehen und mich vergewissert: Rainer Wiegard hat am 10. Juli Geburtstag, nicht am 1. Mai, auch wenn man dies nach den letzten beiden Redebeiträge denken könnte.

(Beifall FDP - Zurufe SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

- Kollege Harms, so weit sind wir uns einig. Herr Dr. Stegner, Sie tun gerade so, als hätten die drei Murksgesetze, die Sie durchgebracht haben, tatsächlich etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Das glauben Sie doch wohl selbst nicht.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Dr. Stegner, es ist für Sie vielleicht ein Geheimnis, für andere im Raum jedoch nicht: Das Land hat wenig Geld. Das Land ist chronisch knapp bei Kasse. Bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Bundeslandes gibt es - freundlich ausgedrückt - noch sehr viel Luft nach oben. So muss man immer wieder sehr genau auf die Schwer

punktsetzung bei den öffentlichen Ausgaben des Landes schauen.

(Serpil Midyatli [SPD]: Wenn die Leute we- niger verdienen, dann bringt das das Land voran? - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Politik der Kälte nennt man das!)