Protokoll der Sitzung vom 11.07.2014

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Stegner, Sie haben heute Morgen eine sehr tragende Rede zur generellen Familienpolitik gehalten.

(Anhaltender Beifall SPD)

Ich bin gespannt - wir haben noch mehr Tagesordnungspunkte -, wo Sie nachher Butter bei die Fische tun müssen.

Auch Ihnen, Frau Kollegin Erdmann, möchte ich ein ganz klein wenig widersprechen. Es ist typisch grüne Denke, dass man alles organisieren und vorgeben muss. Ich bin der Meinung, dass Netzwerke auch in der heutigen Zeit durchaus von allein entstehen und dass wir nicht alles aus Kiel vorgeben müssen.

Lassen Sie mich zu dem Bericht kommen. Ich möchte darstellen, dass wir uns in der ersten Aussprache durchaus einig waren, dass die Bestandsanalyse für die weitere Beratung hilfreich wäre. Es gibt auch eine Ist-Analyse. Nur leider ist über die regionale Verteilung der Angebote nichts zu finden. Das wäre aus meiner Sicht eine ganz wesentliche Information gewesen. Denn nur daraus lässt sich ableiten, wo Defizite beziehungsweise Bedarfe bestehen, die den veränderten Familiensituationen Rechnung tragen. Dass die Hansestadt Lübeck gut aufgestellt ist, war dem Bericht unschwer zu entnehmen, da die Antworten aus Lübeck diesen Bericht und die Ergebnisse sehr dominieren. Das führt aus meiner Sicht leider zu einer Schieflage in den Antworten und erschwert die Anwendbarkeit der Ergebnisse auf das ganze Land.

Bedauerlich ist auch, dass die Landesregierung in ihrem Bericht keine Aussagen zu den unterschiedlichen Strukturen und Bedarfen zwischen städtischen und ländlichen Räumen trifft. Ich schließe mich der Kritik meiner Kollegin Rathje-Hoffmann an. Wir sprechen immer von den Auswirkungen der demografischen Entwicklung. Die Landesregierung nimmt diese Problemlage nicht in den Fokus. Es bestehen unterschiedliche Anforderungen an die Familienzentren, je nach Lage und sozialem Umfeld. Städte wie Lübeck, Kiel oder Neumünster müssen andere Angebote liefern als zum Beispiel meine kleine Heimatstadt Bad Oldesloe oder eher dörfliche Räume wie Dithmarschen, SchleswigFlensburg oder auch die Insel Fehmarn.

Meine Damen und Herren, das Problem scheint mir auch darin begründet, dass bei der Landesregierung der Fokus leider verschoben wurde. Die dahinterliegende Zielsetzung, Elternkompetenzen zu stärken, ist zwar richtig, aber leider stehen nicht mehr die Familien im Mittelpunkt, sondern der Prozess. Anstatt Angebote zu fördern, wird die Organisation bestehender Angebote gefördert. Das Land nimmt jetzt dem Bericht zufolge jährlich 2,5 Millionen €

(Anke Erdmann)

in die Hand, um Vernetzungsarbeit zu fördern. Das ist für uns, ehrlich gesagt, der falsche Ansatz. Vorhin kamen verschiedene Zahlen. Sie, Frau Kollegin Erdmann, sprachen davon, dass jede Kita 25.000 € bekommt. Frau Alheit spricht davon, dass jedes Familienzentrum 25.000 € bekommt. Vielleicht klären Sie das einmal.

Wir sind nach wie vor der Meinung, Koordinierungsstellen allein schaffen keine Angebote und helfen den Familien vor Ort nicht. Ohne Frage sind Vernetzung und Kooperation nicht zu vernachlässigen, aber gute Angebote werden auch ohne Probleme bekannt und erreichen dann auch ihre Zielgruppe.

Für uns Liberale geht es darum, frühkindliche Bildung beziehungsweise, wie es in dem Bericht heißt, frühe Bildungszugänge und die Verbesserung der Bildungschancen von Kindern zu unterstützen. Diese Punkte werden im Übrigen nicht einmal im Eckpunktepapier, welches die Landesregierung erarbeitet hat und das dem Bericht angehängt wurde, weiter hervorgehoben.

Interessanterweise zielt das Eckpunktepapier darauf ab, dass Grundschulstandorte in der Fläche zu erhalten sind. Herr Dr. Stegner hat das hier eben nochmals betont. Dann frage ich mich, wieso jetzt gerade die Standorte Schafstedt sowie Petersdorf auf Fehmarn schließen müssen. Vielleicht können Sozial- und Bildungsministerin diesbezüglich noch einmal miteinander reden.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Ich kann Ihnen aber sagen: Wenn die Landesregierung nicht langsam in die Hufe kommt, endlich etwas für die kleinen Grundschulstandorte, wie aktuell - das habe ich gerade ausgeführt - Petersdorf und Schafstedt durch zusätzliche Planstellenzuweisungen zu tun - es geht dabei nicht um eine volle Lehrerstelle, es geht teilweise um den Faktor 0,3 -, dann helfen Ihnen in diesen Regionen keine Familienzentren mehr. Zerschlagene Strukturen kriegen Sie nicht wieder hin.

(Vereinzelt Beifall FDP und CDU)

Im Übrigen beantwortet die Ministerin auch die entscheidende Frage nicht, wie sie die Familien erreichen will, die den Bedarf am nötigsten haben. Die aktuelle Studie des Deutschen Jugendinstituts zeigt, dass gerade Migrantenfamilien oder Familien mit einem bildungsfernen Hintergrund das Betreuungsgeld wählen und so überhaupt nicht mit einer Kita in Kontakt kommen, die der Hauptausgangspunkt für die Familienzentren sein soll.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

- Herr Habersaat, Sie kennen unsere Position zum Betreuungsgeld. - Dass Sie für dieses Problem offensichtlich keine Lösungsansätze präsentieren, ist für mich enttäuschend.

Das Petitum meiner Fraktion ist klar: Die Familien im ganzen Land müssen im Mittelpunkt stehen. Wie diese am besten zu erreichen sind, sollte vor Ort entschieden werden. Deswegen meinen wir, dass die Steuerungsfunktion über die jetzt zur Verfügung gestellten Mittel direkt bei den Kommunen liegen sollte. Dann kann vor Ort entschieden werden, welcher Angebote es bedarf, ob sie den Bereich frühkindliche Bildung oder begleitende Hilfen verstärkt anbieten möchten oder ob es einer Anlaufstelle für Begegnung und Aktivitäten vor Ort bedarf.

Zentrale Vorgaben aus Kiel sind nicht notwendig. Konsequent wäre es daher, das ganze Ministerium aus diesem Prozess herauszunehmen, um so auch Verwaltungsaufwand einzusparen.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Vielleicht sollten wir die gesamte Gesetzgebung abschaffen!)

- Herr Baasch, solange Sie an der Regierung sind, wäre auch das nicht schlecht.

Eine Überführung dieses ganzen Bereichs in das FAG wäre daher angebracht.

Ich freue mich auf die Ausschussberatung. Am Ende habe ich noch eine Anmerkung, die für alle Häuser gilt.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, komme ich. - Es ist ja sehr schön, dass Sie uns die Tabellen et cetera in Tortendiagrammen darstellen, in der Kopie sind die unterschiedlichen Grautöne aber sehr schwer lesbar.

(Martin Habersaat [SPD]: So geht es nicht! - Lachen SPD)

Nehmen Sie das doch bitte als konstruktiven Vorschlag auf, mit Säulendiagrammen zu arbeiten.

(Beifall FDP - Zurufe Wolfgang Baasch [SPD] und Olaf Schulze [SPD] - Heiterkeit)

(Anita Klahn)

Für die Piratenfraktion hat Herr Abgeordneter Wolfgang Dudda das Wort.

Frau Kollegin Klahn, ich sage dazu: Hauptsache; es ist richtig geschwärzt.

(Beifall - Anita Klahn [FDP]: Was habt ihr eigentlich gefrühstückt?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte der Ministerin für ihren Bericht und ihr Konzept ausdrücklich danken. Es ist ein ungewöhnlich konkreter und aussagefähiger Bericht. Es ist eine Analyse entstanden, die wirklich brauchbar ist und nur sehr wenig Anlass zur Kritik gibt.

(Beifall PIRATEN, vereinzelt SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Als fünfter Redner will ich nicht alle Fakten und Notwendigkeiten der Familienzentren wiederholen. Das hat der Kollege Stegner sehr gut und ausführlich gemacht. Das dabei transportierte Menschenbild und auch den Anspruch an eine solidarische Gesellschaft teilen auch wir. Da gibt es gar keine Zweifel.

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Angesichts der knappen Haushaltsmittel ist es allerdings auch völlig richtig, den Aufbau von unnötigen und teuren Doppelstrukturen zu vermeiden. Das ist auch das herausragende Ergebnis der durchgeführten Befragung. Wie dieser Anspruch mit den bekannten Egoismen der hier beteiligten Player unter einen Hut gebracht werden soll, wenn im Ministerium nur eine Regiestelle bereitsteht, ist die zentrale Frage. Deswegen sind die Analysen und die Bestandsaufnahmen vor Ort von überragender Bedeutung. Dass möglichst viel an Gestaltungsfreiheit auf die Kommunen heruntergebrochen wird, begrüßen wir ausdrücklich. Dort sitzen diejenigen, die wissen, was vor Ort gebraucht wird.

Im urbanen Bereich - das sagte die Kollegin Klahn auch schon - sind andere Anforderungen zu erfüllen als im ländlichen Bereich. Da sind ganz andere Strukturen zu bedienen. Da liegen auch genau die Risiken für die zu vermeidenden Doppelstrukturen und die damit verbundene Unübersichtlichkeit.

Weitere Probleme ergeben sich zwangsläufig aus den im Bericht klar und richtig definierten Standards, die da heißen: Erstens. Zulassung zur Bildung erleichtern. Grundschulstandorte in der Fläche

erhalten. Zweitens. Familien stärken, dort, wo sie leben. Drittens. Leistungserbringer vernetzen.

Frau Alheit, wie Sie die sich daraus ergebenden Konflikte mit Ihrer Kollegin Wende, was den Erhalt von Grundschulstandorten in der Fläche angeht, angehen wollen, lassen Sie offen. Dazu sagen Sie nichts. Das ist sehr schwierig.

(Beifall PIRATEN, Heike Franzen [CDU], Barbara Ostmeier [CDU] und Anita Klahn [FDP])

Frau Alheit, der von Ihnen erkannte Mehrwert des sozialen Mehrwerts von Grundschulen ist richtig und steht der Einsparvorstellung von Frau Wende diametral entgegen.

Dies ist deswegen auch wichtig, weil die Mieten im urbanen Bereich so explodieren, dass die Menschen langsam an die Stadtränder verdrängt werden und auch die Empfänger staatlicher Transferleistungen zunehmend nicht mehr im urbanen Bereich leben können, sondern in die Speckgürtel ausweichen müssen. Diesen Trend müssen wir auch im Auge behalten. Von daher empfiehlt es sich, beim Konzept beweglich zu bleiben.

Die verständlichen, an dieser Stelle jedoch völlig kontraproduktiven Einzelinteressen der Leistungserbringer brauchen wesentlich mehr Top-down. Da müssen Sie wesentlich mehr von oben steuern. Nur so kriegen Sie auch den tatsächlichen Bedarf für die Familienzentren. Was die 25.000 € angeht, müssen Ihre Ansagen klar und deutlich sein. Da müssen Sie klare Standards definieren, ansonsten zerfleddert und zerfasert sich das Ding.

(Beifall PIRATEN, Katja Rathje-Hoffmann [CDU] und Barbara Ostmeier [CDU])

Ihr Bericht enthält auf den Seiten 29 und 30 zu viele Konjunktive. Das betrifft auch die Passage des Berichts zur Finanzierung, in dem es unter anderem heißt: anzustreben wäre eine Bündelung der Fördermöglichkeiten auf Landesebene und kommunaler Ebene vor Ort, um ein Gesamtkonzept realisieren zu können. Hier brauchen wir nicht einen Wunsch oder etwas, das angestrebt werden muss. Es ist die klare Erkenntnis, dass es nur so gehen kann. Denn die 25.000 € - so gut sie sind - regeln ja an sich noch nichts.

Trotzdem halte ich zum Abschluss fest: Der Bericht ist präzise und in der Analyse zutreffend. Er definiert die Ansprüche richtig. Er ist eine sehr gute und fortzuschreibende Grundlage dafür, dass Schleswig-Holstein den Rückstand an dieser Stelle gut aufholen kann. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Flemming Meyer das Wort.