Protokoll der Sitzung vom 12.09.2014

Satrup. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt die Frau Abgeordnete Marlies Fritzen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kultur ist zugleich Spiegel und Korrektiv der Gesellschaft, man könnte auch sagen, sie ist ihre Substanz, sie ist die gemeinsam entwickelte Art des Umgangs miteinander und die immer wieder überprüfte und manchmal neu ausgerichtete Verständigung darüber, was uns in dieser Gesellschaft zusammenhält, was uns in dieser Gesellschaft wichtig ist. Kultur ist mithin mehr als ein weicher Standortfaktor, Kulturpolitik ist essentiell für unser Land.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Beate Raudies [SPD])

Soweit die Sonntagsrede, die ich ernst meine, und auf die wir uns wahrscheinlich alle verständigen können. Wir reden heute allerdings über eine Premiere. Erstmals wird mit den Kulturperspektiven für Schleswig-Holstein nicht nur eine Momentaufnahme, sondern ein Vorschlag für die zukünftige Entwicklung der Kulturpolitik des Landes beschrieben. Ein Vorschlag wohlgemerkt, der nicht als Masterplan, der nicht von Kiel aus dem Land übergestülpt wird, sondern der im ausführlichen Diskurs mit den Kulturschaffenden im Land erstellt wurde und mit diesen auch weiterentwickelt werden soll.

Herr Kollege Sönnichsen, ja, wir stoßen an die gleichen Grenzen wie die Vorgängerregierung. Diese Grenzen sind nicht nur, aber auch finanzieller Natur. Im Gegensatz zur Vorgängerregierung machen wir aber an diesen Grenzen nicht halt oder kehren gar um, sondern versuchen, innerhalb dieser Grenzen Spielräume auszuloten und neue zu entwickeln. Ich denke, da liegt der wesentliche Unterschied zu dem, was bislang in diesem Land passiert ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Beate Raudies [SPD])

Kultur, meine Damen und Herren, kann man nicht verordnen. Kulturpolitik von oben kann nichts erreichen. Deshalb war der Kulturdialog so wertvoll. Deshalb werden wir ihn auch weiterführen. Von der Soziokultur bis zum Schloss Gottorf, von der Volkshochschule bis zum Kunstmuseum waren alle Akteure im Land eingeladen, sich zu beteiligen und

das Ergebnis zu gestalten, und zwar selber zu gestalten. Dieses Ergebnis wurde uns heute mit den Kulturperspektiven von der Ministerin vorgestellt.

Das waren Leute, die das Land und seine kulturellen Schätze kennen, diese kulturellen Schätze seit Jahren zum Teil auch heben, es waren aber auch gleichzeitig Menschen, die wie diese Landesregierung wissen, dass sie nicht an einem Tischleindeck-dich-Tisch zusammensaßen. Sie wissen sehr wohl, dass sie sich in Zeiten von Tarifsteigerungen auf der einen Seite und Konsolidierungspfad auf der anderen Seite noch einige Zeit gehörig nach der Decke strecken müssen. Trotzdem haben sie nicht aufgegeben, trotzdem sind sie bereit, weiter diesen Dialog mit dieser Landesregierung zu führen. Dafür möchte ich an dieser Stelle meine Hochachtung, meinen Respekt und meinen herzlichen Dank zum Ausdruck bringen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Zwei Punkte scheinen mir für die Zukunft von zentraler Bedeutung für die Kulturpolitik im Lande zu sein. Erstens. Wie halten wir es in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein mit dem ländlichen Raum? Zweitens. Wie kommen wir aus der Verwaltung des finanziellen Mangels in die gestaltende Offensive? Noch einmal: Hier geht es um die Grenzen, an denen andere bereits kehrtgemacht haben.

Mit den geplanten Kulturknotenpunkten geben wir eine Antwort für den ländlichen Raum. Und das ist für ein Flächenland wie Schleswig-Holstein, mit mancherorts dramatischen Folgen in der Siedlungsentwicklung durch den demographischen Wandel, von geradezu existenzieller Bedeutung. Vernetzung und Kooperation sichern und stärken das Kulturangebot in der Fläche und unterstützen zugleich die Kulturschaffenden. Es geht nicht mehr darum, dass man sich alleine sieht und alleine fühlt, sondern es kann nur weitergehen, wenn wir uns zusammenschließen, unsere Kräfte bündeln und versuchen, uns gemeinsam zu stärken.

Viele am Kulturdialog Beteiligte, die sich vorher schon kannten - denn unser Land ist ja durchaus überschaubar - schwimmen schon lange im gleichen Teich. Viele begrüßten dennoch diesen Dialog und bekannten ausdrücklich, neue Aspekte und Perspektiven gewonnen zu haben. Auch deshalb soll das Gespräch nicht abbrechen und in regelmäßigen Treffen eines Kulturbeirates fortgeführt werden. Dies ist eine Überwindung von Grenzen, an denen man früher Halt gemacht hat, so würde ich es ausdrücken.

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

Der zweite Punkt ist der noch entscheidendere: Welche Gestaltungsoptionen gibt es in der Kulturpolitik? - Die Spielräume, wir alle wissen es, sind eng. Allein die Zuschüsse an die schleswig-holsteinischen Landesmuseen Schloss Gottorf und die Staatsleistungen an die Kirchen, die ebenfalls aus dem Kulturetat bezahlt werden müssen, machen rund die Hälfte der gesamten Mittel aus, die uns zur Verfügung stehen. Dazu kommen noch erhebliche Gelder aus dem FAG, die fast ausschließlich zur Finanzierung der Theater aufgewandt werden.

Aufwüchse, etwa durch Tarifsteigerungen, engen die Möglichkeiten weiter ein. Das behandeln wir hier nicht zum ersten Mal, ich will es aber trotzdem wiederholen, da ich es wichtig finde. Es stellt sich die Frage, wie Angebote weiterentwickelt und besser vernetzt werden können. Dort, wo es eng ist, muss man künftig besser zusammenarbeiten, Kultur ist auch an dieser Stelle nicht statisch, das Kulturkonzept bietet hier gute Ansätze, auch auf die WFragen. Herr Sönnichsen, diese Fragen müssen Sie stellen, ich habe sie auch. Aber ich denke, dass darauf bereits eine Menge Antworten gegeben wurden.

Konkret gesagt, dieses Ziel wird nicht aus Kiel erreicht werden können, sondern nur, wenn man sich vor Ort miteinander verständigt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Diese Ansätze aus dem Kulturkonzept nicht zu nutzen, diese Fragen nicht zu stellen, hieße tatsächlich, in eine Mangelverwaltung hineinzulaufen. Das ist eben gerade keine Kulturperspektive für SchleswigHolstein.

Zum Schluss erlauben Sie mir bitte, noch einen Satz zu der viel diskutierten Ausrichtung der Gedenkstättenarbeit im Land zu sagen. Frau Ministerin, Sie wissen - und das möchte ich ausdrücklich hier noch einmal betonen -, wie sehr ich es schätze, dass Sie gerade diesen Punkt zu einem zentralen Punkt Ihrer Arbeit in der Kulturpolitik gemacht haben: mit der Einrichtung des Runden Tisches, mit vielen Gesprächskreisen, die diese schwierige Themen, auch dieses schwierige gemeinsame Agieren aufgreifen, und sich nicht wegzuducken, sondern dieses in den Vordergrund zu rücken und dem auch eine Prominenz zu geben, die es wirklich verdient hat. Das unterstütze ich ausdrücklich und danke Ihnen, dass Sie sich um dieses Thema so besonders kümmern, und das nicht erst, seitdem Sie Ministerin sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich möchte deshalb an dieser Stelle noch einmal betonen, dass ich die Idee einer neuen Stiftung begrüße, die sowohl die Arbeit der bisherigen, zumeist ehrenamtlich geleisteten Gedenkarbeit an die NSVergangenheit in Schleswig-Holstein unterstützt, als auch ein Konzept für den Umgang mit der Neulandhalle im Dieksanderkoog in Dithmarschen entwickelt. Diese Stiftung muss aus meiner Sicht die Grundlage für die zukünftige Erinnerungskultur im Land legen und die verschiedenen Perspektiven, die wir im Moment noch diskutieren, zusammenführen, auch wenn sie nicht immer so übereinstimmen, wie wir es uns gern wünschen. Sie ist aus meiner Sicht die organisatorische Voraussetzung für jede weitere Arbeit in diesem Bereich.

Ich wünsche mir, dass wir an dieser Stelle einen großen Schritt vorankommen. Sie haben mich, wenn wir die Schritte so nacheinander machen, an Ihrer Seite. - Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin Spoorendonk, vielen Dank für den Bericht. Auch ich möchte an dieser Stelle meinen Dank im Namen der FDP-Fraktion an die Mitwirkenden des Kulturdialogs richten, insbesondere an die vielen Ehrenamtler und auch an Herrn Dr. Lätzel für die sehr gute Moderation. Denn diese waren die tatsächlichen Akteure, die die Kulturperspektiven für Schleswig-Holstein aufgestellt haben. Sie haben mit ihrer Expertise nicht nur eine Bestandsaufnahme vorgenommen, sondern auch Strategien und Prozesse beschrieben. Insofern möchte ich an dieser Stelle wirklich anerkennen, dass dies ein echter Dialog war.

Ehrlicherweise formuliert die Ministerin auch, dass es sich hier bei dem Ergebnis der vorgelegten Kulturperspektiven erst einmal nur um eine Richtschnur für die zukünftige Kulturpolitik handelt. Die Umsetzung konkreter Maßnahmen stellen auch Sie, Frau Ministerin, unter den Vorbehalt der Finanzierung. Es wirkt wie beiläufig gesagt, ist aber von großer Bedeutung, auch in den Redebeiträgen der Koalitionspartner.

(Marlies Fritzen)

Vorgestern hatten wir die erste Haushaltslesung. Mit großem Interesse habe sicher nicht nur ich mir den Einzelplan 09 für den Kulturbereich angesehen. Mit Verlaub, Sie haben von der Koalition keine großen zusätzlichen Beträge für den Kulturbereich erhalten. Ganz im Gegenteil, viele Einzelmaßnahmen sind - wie man so schön sagt - überrollt, und einige erhalten sogenannte kleine Wohlfühlgeschenke.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel festmachen. Der Landesmusikrat bekommt etwa 13.000 € mehr. Der Landesverband der Musikschulen erhält circa 12.000 € mehr: Dafür veranschlagen Sie aber im Bereich der Zuwendungen an die Musikschulen knapp 50.000 € weniger. In Summe ist diese Maßnahmegruppe also um rund 18.000 € reduziert worden. Ich frage Sie: Wo ist da der Gewinn für die Musikförderung?

(Beifall FDP)

Freie und private Theater erhalten 50.000 € mehr. Konkret betrifft dies acht Anbieter. Lieber einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach, das mag da manch einer denken.

Kritisch sehe ich auch die Einrichtung von sogenannten Kulturknotenpunkten mit einem Finanzvolumen von 40.000 €. Die Koalition verfährt hierbei nach dem gleichen Muster wie bei den Familienzentren. Unter einem vielversprechenden Namen verbirgt sich lediglich eine Organisationsstruktur, die vorhandene kulturelle Angebote miteinander vernetzen soll.

Frau Ministerin, geben Sie dieses Geld doch direkt an die im Kulturbereich tätigen Institutionen, damit diese ihre Angebote sichern, ausbauen oder günstiger zugänglich machen können, aber schaffen Sie doch bitte keine zusätzliche Bürokratie.

Meine Damen und Herren, die im Juli 2014 vorgestellten Kulturperspektiven bleiben leider weit hinter den Ankündigungen der Ministerin zurück und dürften auch nicht die Erwartungen der am Kulturdialog Beteiligten erfüllen. Wortreich umschriebene Aufgabenstellungen anstelle von klar definierten und überprüfbaren Zielen. Ein modernes Denkmalschutzgesetz wird angekündigt, von dem wir bereits wissen, dass es heftig umstritten ist.

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dass die Ministerin die NS-Geschichte aufarbeiten lassen will, ist auch nicht neu. Die dazugehörigen Projekte lassen sich nur mit Drittmitteln finanzie

ren. In Bezug auf die Neulandhalle ist dieses Verfahren aber bereits gnadenlos gescheitert.

Dass ein moderner Internetauftritt geschaffen werden soll, um die kulturellen Reichtümer des Landes darzustellen, mag ja Begeisterung bei den PIRATEN hervorrufen. Weitere Infobroschüren auf umweltgerechtem Papier mögen den Eindruck aktiven Handelns vermitteln, aber de facto ist alles beim Alten geblieben. Nicht ganz - gut, dass wir einmal darüber gesprochen haben.

An dieser Stelle möchte ich an die lebhaften Debatten der vergangenen Legislaturperiode erinnern, in der Sie nicht müde geworden sind, vollmundig und aus tiefstem Herzen darzustellen, was Sie alles besser machen wollten, wenn Sie denn die Gelegenheit dazu bekämen. Frau Ministerin, jetzt Sie haben die Gelegenheit dazu.

Sie haben im Rahmen einer Arbeitssitzung gesagt, Sie würden dem Landtag das Ergebnis des Kulturdialoges vorlegen und letztlich entscheide die Politik, was umgesetzt werde. Damals suggerierten Sie, dass Sie das also nicht beeinflussen könnten. Das ist so aber nicht ganz richtig. Sie sind Teil der Landesregierung. Sie können verhandeln. Sie können Akzente setzen.

Das Gesamthaushaltsvolumen verzeichnet seit 2012 ein Plus von 2 Milliarden €. Betrachtet man den prozentualen Anteil des Kulturhaushaltes am Gesamthaushalt, dann ist festzustellen, dass dieser von 0,653 % im Jahr 2012 auf 0,594 % im Jahr 2015 sinken wird. Kulturpolitische Schwerpunktsetzung sieht anders aus.

(Beifall FDP)

Es wäre schön, wenn Sie feststellen und anerkennen würden, dass Sie letztlich die gleichen Schwierigkeiten haben, die auch wir in der vergangenen Legislaturperiode hatten. Außerdem würde ich mich sehr freuen, wenn Sie sich im Gespräch mit der Bildungsministerin dafür einsetzen würden, dass es an Schulen wieder mehr Musik- und Kunstunterricht gibt, als dies bisher der Fall gewesen ist. - Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Für die Piratenfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Sven Krumbeck das Wort.

(Anita Klahn)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte auch ich mich bei der Frau Ministerin und Ihrem Team, vor allem aber auch bei allen ehrenamtlichen Teilnehmern des Kulturdialogs sehr herzlich für ihre Teilnahme und die tolle Arbeit beim Kulturdialog danken.

(Beifall PIRATEN)