Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

Das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall PIRATEN)

Ein weiterer Punkt auf der Liste der nicht gehaltenen Versprechen betrifft die Drogenpolitik. Wir

(Torge Schmidt)

PIRATEN sprechen etwas differenzierter und vielleicht auch treffender von „Suchtpolitik“.

Da sind wir dieser Landesregierung voraus.

„Wir wollen zielgruppenorientierte, sekundärpräventive Maßnahmen wie das ‚Drug Checking‘ erproben und Drogenkonsumräume rechtlich absichern. Wir werden eine bundeseinheitliche Regelung im Umgang mit Drogenkonsumenten anstreben, die diese vor der Kriminalisierung schützt. Bis eine bundesweite Regelung gefunden ist, werden wir die ‚geringen Mengen‘ zum Eigenverbrauch weicher Drogen im Sinne des § 31 a BtMG in Schleswig-Holstein überprüfen, anheben und uns dabei an einer fortschrittlichen Drogenpolitik orientieren, um den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit zu geben, flexibel auf den Einzelfall zu reagieren.“

(Beifall PIRATEN - Christopher Vogt [FDP]: Sehr gut!)

Wo steht das geschrieben? - Richtig, natürlich auch wieder in der Grundlage Ihrer Koalition, im Koalitionsvertrag. Hier eine Bilanz zu ziehen, ist einfach: Es ist rein gar nichts passiert. Die Regierung hat hier eindeutig kein Versprechen gehalten, und es wird in diesem Bereich auch keine Einlösung der Versprechen mehr geben. Vertraut man auf die Regierung, bleibt es im Bereich Drogenpolitik beim Status quo. Frau von Kalben, machen Sie Ihrem Ministerpräsidenten hier endlich einmal Beine!

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wer, ich?)

- Ja, genau Sie.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich will auf eine weitere Glanzleistung dieser erklärungsbedürftigen Regierung eingehen: die Pflegekammer. Richtig ist, dass die Landesregierung das entsprechende Gesetz auf den Weg gebracht hat. Falsch ist die Annahme, dass die Mehrheit der Menschen oder der Pflegenden hinter diesem Plan steht. Selbst die SPD-Parteibasis hat die Einführung einer Pflegekammer abgelehnt. Mit der Pflegekammer etabliert die Landesregierung ein höchst umstrittenes Projekt, welches den Pflegenden in den drängenden Bereichen Image, Entlohnung, Arbeitszeit nicht einen Deut helfen wird. Das Geld für diese überflüssige Pflegekammer wäre an anderer Stelle besser eingesetzt.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU)

Bevor ich zum Ende komme, will ich etwas in Erinnerung rufen, das die derzeitige Missregierung sehr deutlich werden lässt: In der Flüchtlings- und Minderheitenpolitik ist Ihr Wirken ein Eingeständnis des Unwillens zu regieren. Vorausschauende Flüchtlingspolitik findet in einer SPD-geführten Regierung in Schleswig-Holstein nicht statt. Ich will gar nicht den SPD-Innenminister beim Namen nennen, der in der Simonis-Regierung die Erstaufnahmeeinrichtungen schließen ließ. Er schämt sich ohnehin für nichts. Aber dass Sie, Herr Ministerpräsident, diesen Makel nicht korrigieren, spricht auch gegen Sie, obwohl wir anerkennen, dass Herr Breitner dort bemüht war und Herr Studt vielversprechend gestartet ist.

(Zuruf SPD: Hört, hört!)

Es findet aber kein damals ach so oft beschworener Dialog mit den Gemeinden statt. Wenn Sie dies nicht alsbald ändern, könnte es passieren, dass sich die Stimmung im Land ändert. Ich weiß, dass Sie dies eigentlich gar nicht wollen.

Ihre gelebte Willkommenskultur ist wiederum kein besserer Politikstil. Ich will das an einem weiteren Beispiel deutlich machen: In diesem Landtag wurde interfraktionell beschlossen, dass sich die Landesregierung für einen EU-Minderheitenkommissar einsetzen soll. Dieser Auftrag ist an die Landesregierung ergangen. Nachdem wir von Ihnen nichts gehört hatten, haben wir einmal nachgefragt und als Antwort bekommen, dass man sich - aufgepasst! im Dialog befinde.

(Heiterkeit Wolfgang Dudda [PIRATEN] und Volker Dornquast [CDU] - Zurufe Dr. Ralf Stegner [SPD] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nun, die EU-Kommission ist mittlerweile im Amt, einen Minderheitenkommissar gibt es nicht, und vom Dialog hat auch niemand etwas mitbekommen. Selbstgespräche sind kein Dialog, Herr Albig.

(Beifall PIRATEN)

Jetzt aber einmal in die nähere Zukunft, genauer gesagt auf zweieinhalb Jahre und die Herausforderungen geblickt: Sie halten sich für gut und wähnen sich auf dem richtigen Weg. Wir sagen auch nicht, dass Sie auf uns hören sollen. Das haben wir auch fast abgeschrieben. Wenn wir Sie aber nicht ständig an Ihren Koalitionsvertrag, auf dessen Grundlage Sie auch Stimmen der PIRATEN erhalten haben, erinnern, fürchte ich, wird dies weiterhin einfach nur ein Papier sein, welches im Schrank gut aussieht. Wir werden Sie deshalb auch in den nächsten

(Torge Schmidt)

zweieinhalb Jahren an Ihre Versprechen erinnern. Aber Sie sollten dann auch Größe besitzen, einmal auf uns zu hören, und Sie sollten die Größe haben, auch Ihre eigenen Fehler einzugestehen und sich nicht nur auf Ihre Ein-Stimmen-Mehrheit zurückzuziehen. Durchregieren ist kein neuer und auch kein besserer Politikstil.

(Beifall PIRATEN)

Noch eine Anmerkung zur ehemals gepflegten Dialogkultur unseres Ministerpräsidenten: Zwei Monologe sind noch lange kein Dialog. Kommen Sie endlich zu Ihrem Dialog, und führen Sie ihn nicht nur mit willfährigen Stimmen, die Ihnen nach dem Mund reden!

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Was reden Sie für einen Quatsch?)

Davon gibt es in Ihrer Partei genug, aber es gibt auch die anderen. Die hört man aber nicht so gern, weil ein Nein auch einmal wehtut.

Eins der größten Projekte - wie Sie selbst in Ihrer Regierungserklärung anmerkten -, das in der nächsten Zeit vor uns liegt, ist der Neubau des UKSH. Dieser Neubau muss dem demografischen Wandel nicht nur Rechnung tragen, er muss ihn angesichts des Volumens und der schieren Größe des finanziellen Umfangs auch ein Stück weit vordenken.

Wo wir gerade bei schlechten Problemlösungsstrategien sind: Der Umgang mit den Mitarbeitern des größten Arbeitgebers im Land sollte jeden wirklichen Sozialdemokraten übel werden lassen. Wenn die Mitarbeiter des UKSH vor den Türen des Landeshauses stehen, quasi vor Wut schäumen und ihrem Unmut über Ihre Pläne Luft machen, ist es eben nicht die richtige Antwort, ihnen einen ungewollten Tarifvertrag aufzudrängen, damit sie den alten nicht mehr bestreiken können.

(Beifall PIRATEN)

Das ist unterste Schublade, das ist Manchester-Kapitalismus in Reinform.

(Heiterkeit Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ferdinand Lassalle und Friedrich Ebert würden sich im Grabe umdrehen.

(Beifall Wolfgang Dudda [PIRATEN])

Wenn der Bund der Steuerzahler Ihnen genauso wie wir sagt, dass das Finanzierungsmodell des UKSH kritisch ist, dann hören Sie doch auch einmal darauf. Besonders die Finanzierung des UKSH wird

dem Land Schleswig-Holstein in den nächsten 30 Jahren wieder auf die Füße fallen.

(Beifall PIRATEN)

Sie hinterlassen den Eindruck, dass Ihnen das egal ist. Nach Ihnen die Sintflut - ist das der Satz, mit dem Sie in Wikipedia eingehen möchten? So der Wähler will, werden in 30 Jahren PIRATEN oder andere hier stehen und Ihnen nicht nur beim Thema UKSH sagen: Die PIRATEN haben Ihnen schon damals gesagt, dass es schiefgehen wird. Die PIRATEN wollen, dass auch zukünftig Menschen gern in Schleswig-Holstein leben, junge wie alte Menschen zusammen mit stärkeren und schwächeren. Wir PIRATEN wollen ein für alle Generationen gerechtes Land. Wir wollen das für die Zukunft, und wir wollen es auch jetzt. Daran schon jetzt zu denken und es umzusetzen, das wäre wirklich ein besserer Politikstil, das wäre bessere Politik.

(Beifall PIRATEN)

Für die Kolleginnen und Kollegen des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte dem Ministerpräsidenten für seine Regierungserklärung danken und für all die guten Dinge, die er dort genannt hat, die wir als rot-grün-blaue Koalition gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Ich glaube, das kann sich sehen lassen. Ich gebe ehrlich zu: Auch ich bin - ähnlich wie meine Vorredner aus der Koalition - recht stolz darauf, was wir in zweieinhalb Jahren für dieses Land Schleswig-Holstein erreicht haben.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich von Stolz rede, dann eben auch vor dem Hintergrund, dass der SSW tatsächlich in seiner schon etwas mehr als 60-jährigen Geschichte nun seit zweieinhalb Jahren zum ersten Mal in einer Regierung dabei ist und ich auch den Eindruck habe, dass das sehr gut, sehr ruhig und sehr entspannend läuft. Vor dem Hintergrund glaube ich, dass es etwas Neues für uns ist, aber gleichzeitig auch etwas, bei dem wir das Gefühl haben, dass wir als SSW auch unsere Fingerabdrücke auf der Regierungsarbeit haben hinterlassen können. Ich glaube, wenn Sie nachher - am Ende meiner Rede - ein Resümee ziehen, werden Sie auch sehen, wo bei uns die Schwerpunkte lagen.

(Torge Schmidt)

Ich möchte aber noch eines vorausschicken, weil das für mich ganz wichtig ist: Wir haben seit zweieinhalb Jahren die Beteiligung einer Minderheitenpartei an einer Regierung. Das ist in manchen Ländern durchaus nicht ungewöhnlich, aber in vielen Ländern ist es das eben doch. Es ist insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland bisher ungewöhnlich gewesen, dass dies geschieht. Es ist auch ein europäisches Signal, dass das geht. Unser Ministerpräsident steht auch für dieses Signal. Er hat sich das bewusst ausgesucht, dass er sich das mit dem SSW angetan hat. Vor dem Hintergrund glaube ich, dass das auch etwas ist, was wir als Beweis erbringen können, dass die Beteiligung einer Minderheitenpartei für die Mehrheit einen Gewinn bringt, dass das, was wir in die Regierungsarbeit einbringen - das will ich nicht überschätzen - eine andere Sichtweise ist, die eben nicht zum Schaden der Mehrheitsbevölkerung ist.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dem fühlen wir uns verpflichtet. Ich finde, das ist auch ein wichtiges Signal in andere Länder, in denen es Konflikte gibt, dass es möglich ist, dass ein Minderheitenmodell irgendwann dazu führen kann, dass die Minderheit nicht nur für sich alleine steht und für sich selbst arbeitet, sondern dass sich diese bewusste Integration einer Minderheit auch sichtbar darin dokumentiert und manifestiert, dass sich die Minderheit sehr gern für die Mehrheitsbevölkerung einsetzt. Ich freue mich darüber, dass wir als SSW in einer rot-grün-blauen Koalition genau dies tun können.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Halbzeitbilanz der rot-grün-blauen Koalition kann sich sehen lassen. Nun kann man natürlich sagen, dass man eine andere Einschätzung meinerseits auch nicht erwartet hätte. Allerdings sind wir auch durchaus selbstkritisch; Sie werden das an mancher Stelle meiner Ausführungen noch sehen. Um aber das, was wir getan haben, einschätzen zu können, muss man immer wieder die Ausgangssituation und das betrachten, was wir verändern wollten. Wir haben in zweieinhalb Jahren mehr erreicht, als wir selbst gedacht haben.

Wir wollten im Bildungsbereich zum Beispiel die Schulstrukturen ändern, ein modernes Schulgesetz schaffen, die Lehrerbildung entsprechend ausrichten und auch die Kinderbetreuung im Vorschulalter massiv unterstützen. Da kann man sagen: Klar, das haben wir auch alles gemacht. Aber das Wie ist ja