Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

Wir hören beim Strom noch längst nicht auf. Strom ist nur der Anfang. Wir wissen, dass wir uns jetzt der Wärme zuwenden müssen, denn fast die Hälfte unserer Energie verheizen wir. Ich bin froh, dass wir eine neue Strategie entworfen haben, die sich an den in Dänemark gemachten Erfahrungen anlehnt. Dort beträgt der Anteil der Erneuerbaren im Wärmebereich bereits heute 52 %, bei uns erst 12 %. Um hier besser zu werden, setzen wir EUMittel ein, zum Beispiel für Quartiersanierung, Wärmenetze oder Kraft-Wärme-Kopplung.

Sie sehen, diese Koalition läuft einer Energiewende nicht hinterher, sondern wir gestalten sie mit den Menschen und für die Menschen. Das ist Fortschritt für unser Land, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir wissen: Die Energiewende verändert unseren ländlichen Raum spürbar. Sie ist Herausforderung und Chance zugleich, ökonomisch wie ökologisch. Wir erkennen auch, dass wir angesichts solcher Herausforderungen im Schnittfeld von Landwirtschaft und Naturschutz stehen. Durch ordnungspolitische Grundsatzentscheidungen wie durch das Dauergrünlanderhaltungsgesetz bewahren wir unsere Landschaft vor weiterer Vermaisung. Unsere Gewässer und unser Grundwasser schützen wir vor Nitrateintrag. Wir tun das, damit wir die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und gerade eben auch unserer Landwirtschaft sichern. Unsere Landwirtschaft braucht nämlich ein gesundes SchleswigHolstein und nicht ein verdrecktes Schleswig-Holstein. Dafür setzt sich diese Landesregierung ein.

Wir wissen, dass solche Entscheidungen auch immer ein Spagat und immer ein Abwägungsprozess sind; sie stehen immer im Gegensatz von Nutzen und Schützen. Aber wir werden ein kritisches und ein konstruktives Miteinander auch in der Zukunft organisieren. Gemeinsam mit der EU helfen wir dem ländlichen Raum und der Landwirtschaft in vielen Bereichen, diesen Spagat hinzubekommen. 419 Millionen € im „Zukunftsprogramm Ländliche Räume“ stehen dafür zur Verfügung.

Das, was wir beim Naturschutz erleben, wird auch beim Tierschutz mit Händen greifbar. Die Menschen erwarten von uns Richtungsänderungen für die Tiere, nicht gegen die Landwirte. Es ist ein großes Missverständnis zu glauben, es sei gegen Landwirtschaft gerichtet, wenn man sich für Tierschutz einsetzt, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 73. Sitzung - Mittwoch, 12. November 2014 5965

(Ministerpräsident Torsten Albig)

Es geht uns vielmehr um einen Wandel in unser aller Köpfe, um einen Wandel bei den Produzenten, aber auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Diese Koalition hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, bei der Nutztierhaltung umzusteuern. Ich weiß, dass dies kein leichter Prozess ist. Ich sage aber ganz deutlich: Ich will kein Schleswig-Holstein, in dem Ferkel keine Ringelschwänze mehr haben. Ich will kein Schleswig-Holstein, in dem Küken nur leben können, wenn ihre Schnäbel gekürzt werden. Wir wollen die Haltungsbedingungen an die Tiere anpassen und nicht umgekehrt. Wir wissen, dass dies die ökonomischen Chancen unserer Landwirte eben nicht schmälert, sondern - im Gegenteil - sie langfristig erst ermöglicht.

Meine Damen und Herren, auch unsere Wirtschaft in Schleswig-Holstein steht heute erfolgreich da.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Jeden Tag!)

Da sind in erster Linie die Leistungen, und das ist das Verdienst unserer Unternehmungen und ihrer Beschäftigten. Wir als Landesregierung wollen und werden diesen Erfolg positiv begleiten. Wir richten deshalb unsere Förderprogramme strategisch auf die Felder aus, auf denen Schleswig-Holsteins echte Chancen liegen. Wir benennen die Stärken Schleswig-Holsteins. Sie liegen in den Lebenswissenschaften, in erneuerbaren Energien, bei der Ernährungswirtschaft, der Informationstechnologie und der maritimen Wirtschaft. Hinzu kommen die traditionellen Stärken im Maschinenbau, in der Gesundheitswirtschaft und im Tourismus. Fördergelder gehen künftig nur noch dahin, wo wir unsere Stärken haben. Die Zeiten der Gießkanne, die wir vorgefunden haben, sind beendet.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Die Gießkanne haben wir vorgefunden!)

Wir fördern nach neuen, klaren Kriterien, die den positiven Wandel Schleswig-Holsteins unterstützen.

Unser wichtigstes Instrument dabei ist das Landesprogramm Wirtschaft. Es ist das neue Wirtschaftsförderprogramm für die Jahre 2014 bis 2020. Es bündelt die Fördermittel von Land, von EFRE und aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Mit fast 600 Millionen € können wir in der laufenden Förderperiode Projekte unterstützen, die auf ein intelligentes, nachhaltiges Wachstum abzielen, und wir können Regionen in ihren Stärken begleiten. Dass wir neue

Akzente setzen, hat auch die EU gewürdigt. Der klare strategische Rahmen unseres Programms hat dazu geführt, dass wir als eine der ersten Regionen Europas den Zuschlag für unser neues Programm bekommen haben. Ehrlich gesagt ist mir das noch wichtiger als teilweise ein Nichtapplaus aus diesem Haus, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ein gutes Beispiel für die neue Fokussierung auf unsere Stärken ist auch unser Blick auf die Westküste. Die Landesregierung hat 30 Millionen € speziell für die Stärkung der Westküste bereitgestellt, für die Entwicklung von Tourismus und die Entwicklung von Energie. Gleichzeitig sind wir uns auch unserer industriellen Basis bewusst. Wir wollen sie stärken, um Know-how im Land zu halten. Wir wissen, Industriearbeitsplätze heißt Innovation und Fortschritt. Wir wissen, dass an der Industrie Dienstleister, Logistiker und der Finanzsektor hängen. Wir unterstützen den Technologietransfer und helfen mit betrieblicher Innovationsförderung. Wir werden mit den Gewerkschaften und den Unternehmen die Chancen einer modernen und einer klugen Industriepolitik nutzen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Aber alle Förderprogramme sind ohne jeden Wert das ist zentral und die Triebfeder unserer Politik -, wenn den Unternehmen gut ausgebildete Fachkräfte fehlen. Antworten auf den steigenden Fachkräftebedarf geben wir mit der Fachkräfteinitiative und dem Landesprogramm Arbeit. In der neuen EUFörderperiode stehen zusammen mit Kofinanzierungsmitteln rund 240 Millionen € bereit. Das bedeutet im Alltag: Wir bringen Jugendliche in Ausbildung. Wir qualifizieren Menschen für ihren Job. So sorgen wir für Fachkräfte, und so sichern wir unseren Unternehmen Wettbewerbsfähigkeit. Berufsausbildung ist für uns dabei mindestens so wichtig wie eine akademische Ausbildung. Unsere Zielgröße ist: Niemand in diesem Land darf zurückbleiben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Diese Koalition hat ein klares sozialmarktwirtschaftliches Profil. Das Leben der Menschen zu verbessern, heißt immer auch Standards setzen für gute Arbeit, Standards, die auch gut sind für unsere Unternehmen, weil sie fairen Wettbewerb erst ermöglichen. Man kann wirklich kaum nachvollzie

(Ministerpräsident Torsten Albig)

hen, dass es so schwer ist zu begreifen, dass die Menschen in diesem Land darauf warten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Mit dem Mindestlohngesetz und dem Tariftreuegesetz schützen wir unsere Unternehmen vor einer Billigkonkurrenz, die auf Dumpinglöhne setzt.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Öffentliche Aufträge in diesem Land werden nur noch an Unternehmen vergeben, die sich verpflichten, den Mindestlohn einzuhalten. Alle guten Unternehmen in diesem Land tun das schon längst.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die äußerst positive Entwicklung bei der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und die sehr erfreulich niedrige Arbeitslosenquote von 6,3 % bestätigen unseren Kurs und widersprechen all denen, die uns sagen, dass das der Untergang des Abendlandes wäre. Es ist das Gegenteil, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Fair und gerecht muss es im Arbeitsmarkt zugehen. Fair und gerecht muss es in unserer Gesellschaft zugehen.

Dieser Anspruch leitet uns auch im Bereich der Bildung. Was haben wir 2012 vorgefunden? Zu wenig Kitaplätze für unsere Kinder, Chaos bei den Schulformen, marode Hörsäle an den Hochschulen. Ich weiß, alle Vorgängerregierungen, auch sozialdemokratische, hatten daran ihren Anteil. Aber das macht es nicht besser. Das ist den Menschen auch ziemlich egal. Sie wollen einfach nur, dass Bildung besser wird und dass Sie gefragt werden, dass sie einbezogen werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das haben Sie gemacht!)

- Wir haben das gemacht. Wir haben gehandelt, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weil wir wissen, dass die Voraussetzungen für gute Bildung im frühkindlichen Alter geschaffen werden, haben wir uns um deutlich mehr und deutlich bessere Kitaplätze gekümmert. Weil wir wollen, dass Eltern sorgenfrei und gleichberechtigt ihrem

Beruf nachgehen können, wenn sie es denn wollen, haben wir uns diesen großen - auch haushaltspolitischen - Anstrengungen unterworfen. Wir haben den Rechtsanspruch auf einen Krippenlatz oder individuelle Tagesbetreuung bis zum dritten Lebensjahr in Schleswig-Holstein flächendeckend verwirklicht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben im Bundesvergleich überdurchschnittliche Anstrengungen unternommen, die Betreuungsplätze auszubauen. Mit unserer Betreuungsquote von 30,4 % stehen wir jetzt auf Platz 3 der westdeutschen Länder nach Hamburg und RheinlandPfalz. Wenn wir zurückschauen, dann stellen wir fest, das ist eine enorme Leistung. 2012 gab es in unserem Land viel zu wenig Plätze, um den Rechtsanspruch zu erfüllen.

Wir haben auch erreicht, dass Eltern ihren Krippenplatz für ihre Kinder eben nicht einklagen müssen. Seit Regierungsübernahme haben wir die Zahl der U-3-Plätze um knapp ein Viertel gesteigert. 4.000 Kinder haben dank Rot-Grün-Blau jetzt einen Krippenplatz. Darauf kann man stolz sein, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dabei - das unterscheidet uns sehr von anderen haben wir die Kommunen nicht auf den Kosten sitzen lassen. Wir nehmen Konnexität ernst. Wir haben uns mit der kommunalen Familie geeinigt. Das ist ein riesiger Fortschritt gegenüber dem, was wir vorgefunden haben.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Wir geben so viel Geld aus wie nie zuvor in der Geschichte des Landes Schleswig-Holstein, und wir lassen uns dafür nicht vor Gerichten in diesem Land verklagen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir machen weiter. Bei den Gebühren wird es sozial gerechter. Die Kinder aus ALG-II-Familien sind schon von Gebühren befreit. Die landesweit einheitliche Regelung der Sozialstaffel wäre der nächste Schritt. Wir halten an unserem Ziel, ein beitragsfreies Kitajahr einzuführen, fest, und wir setzen uns für die qualitative Weiterentwicklung von Kindertagesstätten ein. Dies sind unsere Ziele, und wir werden sie erreichen, so wie wir die ersten auch erreicht haben.

(Ministerpräsident Torsten Albig)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)