Protokoll der Sitzung vom 23.01.2015

(Beate Raudies [SPD]: Und was ist mit dem Elternwillen?)

Für die Schulassistenten liegt nach wie vor kein Konzept vor, weder Aufgabenstellung noch Qualifikation sind geklärt. Ich bin gespannt, wie Sie es auslegen werden: Das OVG Lüneburg hat klar festgehalten, dass die inklusive Schule nicht hinter das Förderniveau der bisherigen Förderschulen zurückfallen darf. - Warten wir es ab.

(Beifall FDP)

(Anke Erdmann)

Mein Kollege Christopher Vogt hat vor Kurzem die Landesregierung gefragt, wie sie die Besoldung der Lehrkräfte nach dem neuen Lehrkräftebildungsgesetz ausgestalten möchte. Die Antwort bringt hier an dieser Stelle null. Ich halte das, ehrlich gesagt, für fahrlässig.

Das Bürokratiemonster Übergangsempfehlung hat meine Kollegin Heike Franzen bereits dargestellt. Die Gymnasien und die Gemeinschaftsschulen wissen nicht, wie sie die Schülerinnen und Schüler beurteilen sollen, wenn sie ausschließlich ein verbales Zeugnis vor sich liegen haben.

Zur Rechtschreibung an den Grundschulen hat Kollegin Heike Franzen auch Vieles gesagt. Das muss ich im Detail nicht wiederholen.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Sie hat sehr viel Richtiges gesagt. Ich möchte nur, weil die Grünen immer sehr für Studien sind und auch gern etwas anführen, auch auf eine andere Studie zum schriftsprachlichen Lernen von Professor Reinhold Funke hinweisen: „Erstunterricht nach der Methode Lesen durch Schreiben und Ergebnisse schriftsprachlichen Lernens“, Didaktik Deutsch, 2014, Heft 36, Seite 20 bis 41, PH Heidelberg - damit Sie nachlesen können.

(Martin Habersaat [SPD]: Die einzige Studie zu dem Thema!)

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Methode Lesen durch Schreiben deutliche schlechtere Ergebnisse produziert als die Fibel-Methode. Lesen Sie es nach, haben Sie Migrantenkinder im Hinterkopf, denn gerade die haben massive Nachteile, wenn sie es nicht richtig erlernen können.

(Beifall CDU und Christopher Vogt [FDP])

Es geht an dieser Stelle um die Zukunft unserer Kinder.

Ich finde es nicht verwerflich, Leistungsanforderungen zu stellen. Ich finde es auch nicht verwerflich, auch in der Grundschule Kinder zu Leistungen zu motivieren. Auch wenn Sie sich versuchen, hier lustig zu machen, dass wir andere Wettbewerbe herbeiführen: Kinder messen sich auch freiwillig miteinander. Wie erklären Sie tatsächlich Wettkampf im Sport? Wieso gehen Kinder zum Sport, zum Fußball? Wieso freuen sie sich, wenn sie ein Tor geschossen haben und der andere gerade nicht? Wieso erlernen Kinder freiwillig ein Musikinstrument oder machen andere Dinge?

(Olaf Schulze [SPD]: Freiwillig! Zauber- wort! - Weitere Zurufe SPD)

Weil sie sich messen wollen, weil sie Spaß daran haben. Ich finde, Erfolg kann motivieren.

(Beifall Martin Habersaat [SPD], Birgit Her- dejürgen [SPD] und Anke Erdmann [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

- Danke. - Warum soll dann derjenige, der Erfolg hat, nicht auch belohnt werden?

(Unruhe)

- Ihre Welt ist manchmal sehr schwarz-weiß. Auch derjenige, der eine Drei hat, hat ein Erfolgserlebnis, wenn er weiß, woher sie kommt, wenn man mit ihm vernünftig redet. Die Grundschullehrkräfte haben uns ganz klar gesagt, dass das, was Sie ihnen präsentieren, bodenloses Misstrauen in die Kompetenzen und die pädagogische Arbeit der Lehrkräfte ist.

(Zuruf Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Kein Lehrer lässt ein Kind allein, wenn es Schwierigkeiten in der Schule hat.

Frau Abgeordnete!

Nein, ich bin mit der Zeit überfällig. Vielen Dank für Ihre Großzügigkeit, Herr Präsident, ich lasse keine weiteren Zwischenfragen zu. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Beate Raudies [SPD]: Das ist auch besser so!)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter Sven Krumbeck.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wenn man still steht, wird man schnell überrollt.“ - Diesen Satz von Lee Iacocca trifft in Bildungsfragen leider sehr oft auf zwei Fraktionen in diesem Landtag zu.

(Beifall PIRATEN, SSW und vereinzelt SPD)

Ich schätze die Kolleginnen und Kollegen aus beiden Fraktionen persönlich sehr, teile viele gute Gedanken und unterstütze auch gern gute Initiativen. Aber generell sind mir CDU und FDP, was die Gestaltung von Bildungspolitik angeht, einfach zu rückwärtsgewandt.

(Anita Klahn)

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das gilt natürlich gerade für die Anträge zum Thema: keine reformpädagogischen Experimente. Ich bin dem Bildungsausschuss sehr dankbar dafür, dass er beschlossen hat, zum Schrifterwerb in Grundschulen Expertenmeinungen einzuholen. Die haben deutlich gezeigt, dass die Befürchtung von Schwarz-Gelb an dieser Stelle unbegründet war. Darum lehnen wir auch die entsprechenden Anträge ab.

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Schwieriger wird es da mit der Leistungsbewertung, für die die CDU heute einen Antrag vorgelegt hat. Die PIRATEN haben sich seinerzeit in einem eigenen Antrag zur Leistungsbewertung in den Grundschulen eindeutig zum Verzicht auf Noten bekannt. Der CDU-Antrag unterscheidet an dieser Stelle nicht zwischen den Schularten. In jeder Klassenstufe soll das Leistungsprinzip betont werden. Die CDU zeichnet in diesem Kontext einen direkten Zusammenhang zwischen Lernerfolg und Leistungsbereitschaft. Die CDU ignoriert weiter, dass gerade dieses Druckszenario für die Kleinsten nicht geeignet ist, Freude am Lernen zu entfalten. Wenn nur Erfolge motivieren können, wie Sie richtig sagen, Frau Klahn, können Misserfolge demotivieren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Uli König [PIRATEN])

Sie ignorieren weiter, dass Lernerfolge sehr wohl unterschiedlicher Natur sein können, wenn wir die Heterogenität in den Klassen betrachten. Sie erkennen nicht an, dass eine integrative Schule nicht zu skalierenden Noten passt. Bei so viel Ignoranz kann wohl jeder verstehen, dass ich diesem Antrag so nicht zustimmen kann.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Tatsächlich erkenne ich aber an, dass wir, die wir auf Ziffernnoten in der Grundschule verzichten wollen, es bisher nicht geschafft haben, die Eltern mitzunehmen. Das müssen wir nachholen. Darum wollen wir gemeinsam mit den Regierungsfraktionen einen Erprobungszeitraum und eine Evaluation zum Thema beschließen, damit wir auch die letzten Skeptiker oder uns selbst eines Besseren belehren können, aber auf Grundlage von wissenschaftlichen Analysen.

(Beifall PIRATEN und Lars Harms [SSW])

Ich halte es an dieser Stelle mit der GEW, die sagt, dass auch eine große Mehrheit irren kann, vor allem dann, wenn diese Mehrheit in keiner Weise neue Möglichkeiten prüfen will. Ich sehe im Moment nicht, dass die CDU bereit ist, sich im Bereich kleine Grundschulen auf eine andere Lösung einzulassen als im Bereich der höheren Klassenstufen, bei denen ich mich auch im Hinblick auf die Ausbildungsreife ausdrücklich nicht festgelegt habe. Daher macht es für mich wenig Sinn, den vorliegenden Antrag zu Schulnoten im Ausschuss zu diskutieren. In der vorliegenden Form lehnen wir beide Anträge schon heute ab. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ohne die Themen Notengebung und Experimente in unseren Grundschulen in irgendeiner Form abwerten zu wollen, will ich auf eine nicht ganz unwesentliche Tatsache hinweisen: Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier über den Sinn oder Unsinn von Ziffernnoten im Grundschulbereich reden. Und ganz Ähnliches gilt für die sogenannten Experimente an unseren Grundschulen.

Auch dieses Mal möchte ich mit Blick auf diese Themen mein Vertrauen in die Entscheidung der Menschen vor Ort, die Autonomie unserer Lehrkräfte und meinen Glauben an die Wahlfreiheit betonen. Ich denke, wir alle tun gut daran, die Kirche im Dorf zu lassen. So ist zum Beispiel mit der Entscheidung, ob und in welcher Grundschulklasse Notenzeugnisse erteilt werden, nicht zwangsläufig das Schicksal gesamter Generationen verbunden. Natürlich weichen Berichtszeugnisse und Kompetenzraster stark vom vertrauten System ab. Das mag den einen oder anderen verunsichern. Und doch erlauben diese Instrumente nach meiner Überzeugung einen deutlich differenzierteren Blick auf die Fähigkeiten, Kenntnisse und Leistungen der Schülerinnen und Schüler als schlichte Schulnoten.

(Beifall SPD und Lars Harms [SSW])

Glauben Sie mir: Uns ist durchaus bewusst, dass das Aneignen von messbarem Wissen und Kompetenzen ein sehr wichtiger Teil der schulischen

(Sven Krumbeck)

Bildung ist. Aber Schulbildung ist doch noch viel mehr. Wer zum Beispiel Fortschritte bei künstlerischen Fähigkeiten oder Lernerfolge im Bereich sozialer Kompetenzen differenziert bewerten will, stößt bei einer Skala von 1 bis 6 an seine Grenzen. Da könnte eine Kombination beider Ansätze schon Sinn machen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund zunehmend heterogener Klassen in einem inklusiven Schulsystem.

Auch wenn ich also gut nachvollziehen kann, dass das Thema Schulnoten für viele vergleichsweise emotional behaftet ist, sollten wir nun alle zu einem sachlichen Umgang zurückfinden. Fakt ist, dass die Entscheidung für oder gegen Noten in den Händen der Schulkonferenzen liegt. Weil sie hier am besten aufgehoben ist, wird sie auch in Zukunft hier liegen. Mittlerweile ist ja deutlich geworden, dass die große Mehrheit der Schulen erst einmal beim herkömmlichen System bleibt. Das will ich weder bewerten, noch will ich hier über die Gründe spekulieren. Klar ist aber auch, dass sich 20 % der Grundschulen für eine Grundschule ohne Noten entschieden haben.

Aber unabhängig davon, welche Haltung man zu diesem Thema auch haben mag, ist sie zu akzeptieren, und genau das tun wir. Denn die Leistungsbereitschaft ist Ausdruck der Motivationslage unserer Kinder in der Unterrichtssituation, die aber auch von persönlichen Eigenschaften und dem Alter abhängig ist. Bei jüngeren Kindern ergeben sich der Erfolg von Anstrengungen und die Fähigkeiten auch ohne eine Bewertung des Erfolges, der Leistung. Bei älteren Kindern ist es durchaus einfacher, denn hier gilt eine einfache Formel der Leistungsbewertung: Fähigkeit mal Anstrengung ergibt das zu erwartende Ergebnis.

Der SSW hat großes Vertrauen in die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort. Sie kennen die Kinder, haben einen genauen Blick für ihre jeweiligen Bedürfnisse und wissen, wie sie sie am besten fördern können. Es geht also weniger darum, ihre Methodenwahl bis ins letzte Detail festzulegen. Im Gegenteil: Sie brauchen verschiedene Methoden und müssen aus ihnen auch in Zukunft frei wählen können. Daher meine ich: Der Lernerfolg der Kinder sollte für uns alle maßgeblich sein. Was hierfür am zuträglichsten ist, können unsere Lehrkräfte wirklich am besten beurteilen.