Protokoll der Sitzung vom 20.02.2015

Noch einmal: Die Sicherheit der Mitarbeiter darf auf gar keinen Fall gefährdet werden, weil zu wenig Personal eingesetzt oder weil der Betrieb der Hafthäuser unter nicht angemessenen Bedingungen durchgeführt wird.

Zu Recht spricht der Antrag der CDU-Fraktion auch Fragen der Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter an. Selbstverteidigungskurse sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Aus- und Fortbildung. Ich denke, im Innen- und Rechtsausschuss wird Gelegenheit sein, diese Frage zu klären, ob dies in hinreichender Weise gewährleistet und in welchem Umfang dieser Aspekt überhaupt bislang in der Aus- und Fortbildung berücksichtigt worden ist. Es geht um den Umfang und die Qualität der Ausbildung. Das betrifft die Selbstverteidigung, aber natürlich auch alle anderen einschlägigen Punkte wie Krisenprävention und so weiter. Alle Punkte, die in diesem Zusammenhang in den Anträgen angesprochen worden sind, sind natürlich wichtig. Das möchte ich unterstreichen.

Es ist unabdingbar, zu prüfen, welche Schlussfolgerungen aus der Geiselnahme vom 24. Dezember 2014 im Hinblick auf die Organisation des Strafvollzugs gezogen werden müssen. Wir werden das allgemeine Thema im Zusammenhang mit der angekündigten Reform des Strafvollzugs hier noch grundsätzlich debattieren.

Auch ich stelle an die Landesregierung die Frage, weshalb sie sich nicht an dem Musterentwurf der zehn Länder orientiert hat. Das ist vorhin schon von Herrn Günther zu Recht gefragt worden.

Ich möchte mit der Anregung schließen, die Anträge dem Ausschuss zu überweisen. Für den Fall, dass sich die Mehrheit des Hauses einer Ausschussüberweisung verweigert, kündige ich an, dass wir dem Antrag der CDU zustimmen werden. - Danke.

(Beifall FDP und CDU)

Für die Piratenfraktion hat Herr Abgeordneter Wolfgang Dudda das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke beiden Antragstellern für die Anträge, aber nicht, weil die Anträge jeweils für sich so gut sind, sondern weil man aus beiden Anträgen etwas Vernünftiges machen könnte, wenn man vernünftig und ruhig debattieren würde. Insofern wünsche ich mir wesentlich unaufgeregtere und weniger polarisierende Diskussionen.

Ich werde nur insofern auf die Geiselnahme eingehen, als dass ich sage, dass die Automatismen, die eigentlich greifen müssten, um einen traumatisierten Beamten zu betreuen, hier nicht gegriffen haben. Dass sie nicht gegriffen haben, ist nicht allein an Frau Ministerin Spoorendonk und Herrn Staatssekretär Schmidt-Elsaeßer zu adressieren, sondern das ist auch an diejenigen zu adressieren, die seit Jahren die Entwicklung verschlafen haben, die seit Jahren - auch Vorgängerregierungen - nicht dafür gesorgt haben, dass unsere Justizvollzugsbeamten im Vollzug unterstützt werden. Die Begrifflichkeiten „Schließer“ und „Wärter“ sind absolut verboten. Es gibt jetzt die Gelegenheit, einmal festzustellen, was diese Menschen leisten, die unter bedrückendsten Umständen arbeiten. Wer schon einmal in einer JVA war, der weiß, wovon ich rede. Diese wollen und müssen mit multiethnischer Kompetenz und Sozialkompetenz arbeiten. Sie wollen mehr sein als nur diejenigen, die die Tür auf- und zuschließen. Sie wollen mehr sein als nur diejenigen, die oben im Wachturm sitzen und schauen, dass keiner abhaut. Das machen sie auch gut.

Ob die Ausbildung hierfür ausreichend ausgestaltet ist, oder ob man mehr Kompetenzen vermitteln kann, das sind Fragen, die sich nicht erst seit dieser Legislaturperiode stellen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig festzustellen, dass das, was wir jetzt erleben, nicht das Resultat von zwei Jahren Spoorendonk ist, sondern von 20 Jahren Verschlafen auf der ganzen Ebene.

(Beifall PIRATEN)

Dazu gehört auch, dass ich berechtigte Zweifel daran habe, ob diejenigen in der Leitungsspitze des Hauses - damit meine ich ausdrücklich nicht Frau Spoorendonk und nicht Herrn Schmidt-Elsaeßer -, die Verantwortung getragen haben, auch diejenigen sind, die in der Lage sind, die Dinge zu verbessern. Daran habe ich erhebliche Zweifel, insbesondere vor dem Hintergrund des Berichts, den Sie genannt haben, Herr Rother, was die Befragung angeht.

Mir ist eine Mail aus der Lenkungsgruppe zugegangen. Darin geht es um die Befragung in Schles

(Dr. Ekkehard Klug)

wig. Die ist so verheerend ausgefallen - das muss ich wörtlich widergeben -, dass wörtlich geschrieben worden ist - ich nenne aber nicht den Namen -: Ebenfalls zur Vermeidung weiterer Gerüchte teile ich noch einmal mit, dass Herr … in der letzten Lenkungsgruppe anwesend war und hinsichtlich des Ergebnisses von einem Softbericht gesprochen hat, der dann anlässlich des Ergebnisses herausgegeben werden soll. - Wir brauchen keine Softberichte. Wir brauchen Klartext.

(Beifall PIRATEN)

Deswegen habe ich Zweifel daran, dass alle in der Leitungsspitze des Hauses verstanden haben, worum es hier geht. Wenn aber schon bei der Analyse der Status quo nicht schonungslos ermittelt wird, wie soll dann begonnen werden, eine zeitgemäße Führungskultur zu schaffen, die modernen Ansprüchen genügt? Die Skepsis der Beschäftigten kann ich nur zu gut nachvollziehen, die sich nicht auf ein Gesundheitsmanagement einlassen wollen, weil sie ihm nicht vertrauen, weil dort offensichtlich nach ihrem Eindruck hässliche Dinge schöngeredet werden. Ohne gegenseitiges Vertrauen und ohne echte Wertschätzung, ohne Schulung der Leitungsebene wirkt ein aufgesetztes betriebliches Eingliederungsmanagement sogar kontraproduktiv.

Die Beschäftigten brauchen und verdienen unsere Wertschätzung und unseren Respekt. Sie brauchen entsprechend eine echte Fürsorge. Darum soll es in den beiden Anträgen gehen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Etwas anderes ist übrigens angesichts des demografischen Wandels unverantwortlich, wenn wir einen funktionierenden Vollzug in den nächsten 10 bis 20 Jahren aufrechterhalten wollen, weil das Berufsbild sonst so leidet.

Die Folgen von posttraumatischen Belastungsstörungen wurden nicht nur in der Justiz, sondern überall unterschätzt. Auf Bundesebene hat man erst vor 14 Jahren damit begonnen, das vernünftig zu betreuen. Man weiß aus der Wissenschaft, dass sich eine nicht betreute traumatische Belastungsstörung manifestiert, je länger das Ereignis von der Betreuung entfernt ist. Deswegen ist es wichtig, dass hierbei etwas geschieht.

Ich habe erfahren - vielen Dank, Herr Dr. SchmidtElsaeßer -, dass auch hierbei die richtigen Schritte eingeleitet wurden, um durch ein Modul zusammen mit uns, wie ich es verstanden habe, die Dinge auf den Weg zu bringen.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Das ist zwar viel zu spät, aber immerhin. An vielen Stellen wurden Dinge auf den Weg gebracht, die schon lange hätten auf den Weg gebracht werden sollen.

Ich erinnere daran, dass die GdP 2009 bereits angemahnt hat, derartige Dinge einzurichten. Ich zitiere aus deren Zeitung „Der Schlüssel“ aus 2009, dass sich ein Justizvollzugsbediensteter erst nach 3 Monaten wieder zum Frühdienst hat einteilen lassen, weil er bei der morgendlichen Lebendkontrolle einen erhängten Gefangenen gefunden hatte.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen, Herr Dr. Schmidt-Elsaeßer, ausdrücklich danken, dass Sie uns heute Morgen über den Vorgang in Lübeck in der vergangenen Nacht unterrichtet haben. Das ist der richtige Weg. So können wir miteinander vernünftig und vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Aber es gilt, diese posttraumatische Belastungsstörung ebenso aufzuarbeiten wie die Fähigkeiten in der waffenlosen Selbstverteidigung aus- und fortzubilden. Ich höre auch, dass Dinge in diesem Zusammenhang auf den Weg gebracht worden sind. Ich frage mich angesichts der Personalknappheit infolge von Krankheit, ob solche Dinge überhaupt im Moment umgesetzt werden können und nicht zulasten eines sicheren Vollzugs gehen. Solche Dinge sind wünschenswert, gehen aber erst dann, wenn tatsächlich genug Personal vorhanden ist.

Ich sage es immer wieder gern: Ich wünsche mir einen Strafvollzug, der Entlassene produziert, die ich mir gut als meinen Nachbarn vorstellen kann. Das hört sich zwar semantisch an, muss aber das Ziel eines vernünftigen Strafvollzugs sein. Das wird aber nur möglich sein, wenn nicht im übernächsten Haus ein unbetreuter dauerkranker Justizvollzugsbediensteter seinem Dienst fernbleiben muss, weil er ihn nicht mehr aushält. Darum müssen wir uns kümmern.

Beide Anträge enthalten vernünftige Ansätze. Ich würde sie gern beide im Ausschuss beraten und zusammenführen sowie zu einer etwas unaufgeregteren Diskussion zum tatsächlichen Wohl der Fürsorge unserer Justizbediensteten kommen. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Herr Abgeordnete Lars Harms das Wort.

(Wolfgang Dudda)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben dem Umgang mit kritischen Situationen geht es im Antrag der CDU um die Fürsorgepflicht der Ministerin gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalten.

Da die Union nun einen Fragekatalog zum Umgang mit kritischen Situationen vorgegeben hat, wäre die Fürsorgepflicht nach eigenen Vorstellungen seitens der CDU also erfüllt. Unter einer Fürsorgepflicht verstehen wir vom SSW jedoch etwas anderes. Für uns ist eine Fürsorgepflicht vor allem an das Vertrauen in die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geknüpft.

„Vertrauen“ heißt für uns auch, dass sich der Dienstherr schützend vor seine Mitarbeiter stellt, sofern sie Kritik ausgesetzt sind. Ob diese Kritik berechtigt ist, sollte dann natürlich überprüft werden, doch an erster Stelle steht das allgemeine Vertrauen in die Leistungen der Mitarbeiter.

Ein generelles Köpferollen wollen wir nicht, und das entspricht auch nicht unserer Arbeitskultur. Da mag es natürlich Unterschiede geben, und das unterscheidet uns möglicherweise auch von anderen.

Denn es ist mittlerweile offensichtlich, wofür sich die Opposition interessiert, nämlich für ein Köpferollen - am besten noch am laufenden Band. Lieber Kollege Günther, Sie schreien laut. Sie werfen mit Fehlinformationen und Unterstellungen um sich immer in der Hoffnung: Es wird schon irgendeinen Menschen treffen, dem man dann den Kopf abschlagen kann.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch CDU)

Meine Damen und Herren, fußballerisch gesprochen, treten Sie auf die Knochen und nicht gegen den Ball. Wir halten zu einer solchen Haltung ganz klar Abstand.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kenne die Ministerin schon sehr lange, deshalb sage ich: Wir vom SSW nehmen von unserer menschlichen Grundhaltung nicht Abstand. An dieser menschlichen Grundhaltung, dass man sich schützend vor seine Mitarbeiter stellt, dass man mit ihnen spricht und dass man gemeinsam Dinge entwickelt, werden wir festhalten, egal welche Vorwürfe da aus der Opposition kommen.

Feststellen lässt sich aber auch, dass nicht nur Ministerinnen und Minister eine besondere Fürsorge

pflicht gegenüber den Angestellten zu tragen haben, sondern die Fürsorgepflicht ist mehr als eine dienstliche Fürsorgepflicht. Auch Abgeordnete haben eine gewisse Fürsorgepflicht für die Landesbediensteten zwischen Flensburg und Wedel.

Das heißt natürlich auch, dass man in diesem Fall die Justizvollzugsangestellten nicht unnötig in Gefahr bringen sollte, etwa durch die Veröffentlichung von internen Papieren. Dessen hat sich die CDU gerade gerühmt.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Genau! Ermittlungsverfahren!)

Auch könnte man über eine Überprüfung nachdenken, ob eine solche Veröffentlichung wirklich eine gute Idee war oder ob diese möglicherweise strafbewehrt ist. Denn es ist eindeutig: Die dort tätigen Menschen wurden durch die Veröffentlichung des Alarmplans tatsächlich in Gefahr gebracht. Das, meine Damen und Herren, ist eigentlich unverantwortlich und viel unverantwortlicher als alles, was Sie irgendjemandem in der Regierung vorwerfen könnten.

(Beifall SSW, SPD und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Gut, dass die Staatsanwalt- schaft ermittelt!)

Die Verantwortung gegenüber dem Justizvollzugspersonal obliegt demnach nicht nur einer einzelnen Person, sondern es handelt sich vielmehr um eine breit aufgestellte Verantwortung, die unter anderem auch das Parlament und einzelne Abgeordnete wie Fraktionen mit einschließt.

Kritiker bemängeln im Zusammenhang mit dem Lübecker Vorfall vom 24. Dezember 2014 die angeblich fehlende Transparenz durch die Ministerin. Feststellen lässt sich, dass es sowohl einen Informationsaustausch in öffentlicher als auch in vertraulicher Sitzung im zuständigen Ausschuss gegeben hat, an dem ein bekannter Protagonist niemals teilgenommen hat.

Darüber hinaus wurden Pressekonferenzen sowie eine Fragestunde im Parlament abgehalten. Immerhin war dann der Oppositionsführer da. Dabei wurde logischerweise immer vom aktuellen Stand der Informationslage berichtet. Der Austausch mit dem Parlament war engmaschig ausgelegt, und er war vor allen Dingen freiwillig. Dazu musste die Ministerin nicht aufgefordert werden. Das wird auch in Zukunft so sein.

Inwieweit man aus den gegebenen Informationen Schlüsse ziehen kann, obliegt unmittelbar dem jeweiligen Gegenüber. Natürlich wird von dem einen oder anderen versucht, aus den gegebenen Informationen sein Süppchen zu kochen.