Seit der Einführung des Elterngeldes lässt sich nun zudem aber auch erkennen, dass dieser Karriereknick auch Männer befällt, die länger als zwei Monate ihr Kleinkind innerhalb der Elternzeit betreuen. Ab einer dreimonatigen Elternzeit bei Vätern, so hat es die Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden, kommt es auch bei Vätern zu Ansehens- und Einkommensverlusten und zudem zu schlechteren Aufstiegschancen. Jahrelang bekannte und große Probleme von Frauen treffen nun auch die Männer. Hier brauchen wir mehr Anerkennung für Familienarbeit.
Hinzu kommt noch ein weiterer struktureller Faktor, der sich negativ auf die Bezahlung auswirkt. Es ist die Bewertung und die Wertung von Berufsfeldern. Wir brauchen mehr denn je eine geschlechtergerechtere Berufswahl. Hier müssen wir, parallel zu den weiteren Maßnahmen zur Entgeltgleichheit, auch dazu beitragen, die traditionelle Berufswahl von jungen Frauen und Männern zu verändern.
Hierzu sind neben den Eltern auch vor allem die Schulen und die Berufs- und Studienberatungen gefordert, neue Wege zu gehen. Zudem muss auch hier vorher offen und ehrlich über die anstehenden Verdienstmöglichkeiten geredet und informiert
werden. Die Initiative, Mädchen für MINT-Berufe zu begeistern und zu gewinnen, braucht eine viel deutlichere und wirkungsvollere Unterstützung und Werbung. Noch immer sind die traditionellen Berufsziele in Deutschland viel ausgeprägter als bei unseren europäischen Nachbarn.
Lassen wir uns nicht täuschen: Auch ein bereinigter Einkommensunterschied von 7 % lässt sich nicht über Jahre hin wegdiskutieren, sondern wir müssen ihn wirkungsvoll bekämpfen.
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und der SPD gibt hierzu klare Vorgaben und Absichten. Bei der auf Bundesebene angekündigten Gesetzesinitiative muss die Tarifautonomie unangetastet bleiben. Der mögliche bürokratische Aufwand zur Durchführung der gerechten Entlohnung darf nicht zu einem überbordenden Bürokratismus à la Mindestlohngesetz nebst Dokumentationspflichten werden.
Die Frage ist: Wie soll das aussehen? - Die Personalabteilungen von Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten - davon haben wir in Schleswig-Holstein genau 100 Stück - werden verpflichtet, Übersichten über die Gehälter im Unternehmen zu erstellen und Qualifizierungsmerkmale besser vergleichbar zu machen.
Bestehende Ungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern gefährden den sozialen Frieden. 99 % der Frauen und 97 % der Männer fordern von einer chancengerechten Politik: Frauen sollen für die gleiche oder gleichwertige Arbeit auch den gleichen Lohn wie Männer bekommen. - Vielen Dank.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir könnten meinen, die Gleichberechtigung sei erstritten. Insbesondere wenn Frauen wie ich in einer
Partei beheimatet sind, die die Frauenquote seit jeher praktiziert und Frauen deshalb auch im besonderen Maße fordert und fördert. Der Ausbau der Kitas, die exzellente Ausbildung junger Frauen, die vielen in der Familie aktiven jungen Männer - so nehme ich es jedenfalls aus dem Umfeld meiner Tochter wahr -, all das erweckt den Eindruck: Die Gleichberechtigung der Frauen ist erstritten. Auch wenn ich manchmal als weibliche Fraktionsvorsitzende etwas andere Wege gehe als meine Kollegen,
so kann ich meine Rolle berechtigterweise als gleichberechtigt bezeichnen. - Da braucht Herr Harms gar nicht zu lachen.
Aber die Fakten sprechen eine andere Sprache: Frauen verdienen deutlich weniger als Männer. Frauen verfügen über deutlich weniger Vermögen als Männer. Frauen sind viel häufiger von Altersarmut betroffen als Männer. Dies ist zunächst einmal ein Fakt jenseits irgendwelchen feministischen Schabernacks. Das sind Daten des Statistischen Bundesamtes. Das ist nicht im Jahr 1920, sondern das ist heute so, und das ist nicht nur in Indien, sondern auch in Schleswig-Holstein so.
Meine Damen und Herren, Politik, Arbeitgeberinnen und Gewerkschaften schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Einige stellen fest, dass Mädchen in Schule, Studium und Berufsausbildung die Jungs bereits überrundet haben, der Rest werde sich ergeben. Manche sagen auch, das Problem gebe es gar nicht.
Die Ursachen sind vielfältig und seit Jahren bekannt. Das beginnt bei der Berufswahl. Jungen orientieren sich stärker an den zukünftigen Einkommensmöglichkeiten als Mädchen. Die Startchancen der Mädchen sind super. Aber nicht jede hat so einen klugen Rat der Großmutter wie den, den ich neulich am Weltfrauentag gehört habe: Mädchen, lerne etwas Ordentliches, dann kannst du dir einen netten Mann suchen.
Soziale Berufe werden häufiger von Frauen ausgeübt als von Männern und schlechter bezahlt als entsprechende Berufe mit gleich langer Ausbildung. Natürlich, liebe Frau Rathje-Hoffmann, müssen wir dafür werben, dass Mädchen alle Berufe offenste
hen. Aber wir wollen doch nicht ernsthaft Mädchen und Jungen, die einen Erzieherberuf ergreifen wollen, das auszureden versuchen, indem wir sagen: Werdet lieber Kfz-Mechaniker; denn die Wartung eines Wagens bringt pro Stunde mehr Geld als die ambulante Pflege der Schwiegermutter. - Das ist doch eine absurde Gesellschaft, wenn man so redet.
Insofern glaube ich, kann der Gegenvorschlag nur sein, dass wir dafür sorgen müssen, dass Berufe mit sozialer Tätigkeit, sogenannte Frauenberufe, besser bezahlt werden.
Dazu gehört - das ist Teil des Antrages -, dass Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, aber vor allen Dingen im privaten Bereich, anders bewertet werden, als es bisher der Fall ist. Einfühlungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit, Teamgeist, all das wird zwar im Berufsalltag erwartet, aber nicht in dem Maße als Anforderung vergütet. Berufserfahrung, aber auch Erfahrungen in der Familienarbeit und ehrenamtliche Erfahrungen, die gesammelt werden, sind wichtig. Deswegen wollen wir, dass sie in Bewertungsmodelle mit einbezogen werden. Es geht darum, dass die Anerkennung von Frauen und Männern in diesen sozialen Berufen gesteigert wird. Im Grunde ist es so, dass wir als Frauen etwas erstreiten, was dann den Männern genauso zugute kommt. Daher erwarte ich einmal ein bisschen Dankbarkeit von den Herren des Hauses.
Selbst innerhalb einer Berufsgruppe gibt es strukturelle Unterschiede. Frauen arbeiten deutlich häufiger als Männer in Teilzeit. Noch immer sind Familienaufgaben mehrheitlich Frauenaufgaben. Immer häufiger wird in den Fokus genommen, dass nun auch Männer Elternzeit in Anspruch nehmen. Wunderbar! Das begrüße ich ausdrücklich. Aber Fakt ist immer noch, dass bei den Männern 25 % durchschnittlich drei Monate Elternzeit nehmen, während bei den Frauen fast alle Elternzeit nehmen, und das durchschnittlich ein Jahr. Sie können sich einmal ausrechnen, wie da das Verhältnis ist; das habe ich nicht getan. Die dauerhaft teilzeitarbeitenden Männer - darauf kommt es ja letztendlich an - oder ganz für die Familie da seienden Männer können Sie mit der Lupe suchen. Wenn Sie sie dann finden, werden sie garantiert als das tolle Beispiel in einer Weise in den Fokus gestellt, von der manche teilzeitarbeitende Frau mit Sicherheit nur träumen kann.
Teilzeit und Aufstieg sind eben eine schwierige Sache. Ich weiß das aus Erfahrung. Führungsaufgaben in Teilzeit wahrzunehmen, ist unglaublich schwierig und erfordert von der Führungskraft und auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein völliges Umdenken. Es ist im Grunde ein Umdenken in unserer Arbeitswelt erforderlich. Das ist der dritte - auch strukturelle - Grund für die Lohnungleichheit: die geringeren Aufstiegschancen.
Die Zahl der Frauen in Führungspositionen nimmt zu. Herr Kubicki hat neulich gesagt, dass sich das über die Jahre irgendwann ausmendeln wird. Ich glaube, solange die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht geregelt ist, wird es immer schwierig sein, das über eine bessere Ausbildung von jungen Frauen zurechtzumendeln oder zu hoffen, dass es sich dadurch ergibt.
Ein Weiteres muss ich selbstkritisch als Frau erwähnen. Es gibt ein Buch von Bascha Mika, das heißt: „Die Feigheit der Frauen“. Ich glaube, manche Frau überlegt sich tatsächlich, ob sie sich den Karrierestress überhaupt antun will; denn Karriere bedeutet, sich Spielregeln zu unterwerfen, Spielregeln, die uralt und auch sehr männlich sind. Die Spielregeln für eine Karriere auch in der Politik bedeuten: Ellbogen raus, Freizeit und Familie ausblenden, laut sein, und schon darfst du - unabhängig vom Geschlecht - dabei sein. Es mag sein, dass die eine oder andere Frau das überhaupt nicht will ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
- Ja. In meinen Augen ist das auch keine Gefahr für die Arbeitgeber. Mit offenen Karten zu spielen, wie wir es in unserem Antrag fordern, und Frauen und Männer gleich gut zu bezahlen, ist ein Aushängeschild für kluge Wirtschaftsbetriebe, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es ist eine Chance, sich als guter Arbeitgeber zu zeigen. Wer sich als fairer und weltoffener Arbeitgeber präsentiert, der hat die Nase vorn beim Rennen um die Fachkräfte. Da werden die Frauen nämlich dringend benötigt.
Ja, Herr Kubicki, natürlich gibt es ein Antidiskriminierungsgesetz, Gott sei Dank. Aber es gibt nun einmal strukturelle Hemmnisse für Frauen. Darüber haben wir ja berichtet. Sie haben es auch in der Sendung, in der Sie vertreten waren, gehört. Es gibt natürlich eine Hemmschwelle für Frauen, gegen ihren Arbeitgeber wegen ihres Gehalts vor Gericht zu ziehen; das ist völlig klar. Insofern gibt es zwar das Gesetz. Aber es ist sehr schwer für die einzelne Frau, dies durchzukämpfen, wenn sie nicht einen starken Verband hinter sich hat.
Darüber hinaus kann man nur etwas einklagen, was man weiß. Bei uns gilt ja immer noch: Über Geld redet man nicht und über Gehalt schon gar nicht. Wenn ich jedoch nicht weiß, dass mein Kollege 15 % mehr verdient - wie in dem Beispiel, das genannt wurde -, dann kann ich doch auch nichts einklagen. Insofern ist die Transparenz aus meiner Sicht schon ein wichtiger erster Schritt, um überhaupt sicherstellen zu können, dass die Betreffenden ihre Rechte bekommen.
Die CDU möchte jetzt - das finde ich total interessant; ich verstehe nur nicht, wie es zu der Pressemeldung von Frau Franzen passt - Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer nach A 13 besolden. Wir können darüber gern morgen an geeigneter Stelle diskutieren.
Aus unserer Sicht kann man sagen, mehr geht immer. Wir aber machen Folgendes: Wir bringen die Bezahlung der mehrheitlich weiblichen ehemaligen Haupt- und Realschullehrerinnen auf Gymnasialniveau. Was daran wiederum dem Equal-Pay-Gedanken widerspricht, erschließt sich mir nicht. Das können wir gern noch diskutieren. Aber die Logik erschließt sich mir überhaupt nicht.
Meine Damen und Herren, wir können trefflich darüber streiten, welche Statistik die wahre ist und wie groß der Lohnunterschied ist, ob es 7 % oder 22 % sind. Wir können trefflich darüber streiten, ob die Frauen schuld sind, weil sie die falschen Berufe wählen, weil sie sich nicht genügend durchsetzen, nicht genügend um das Gehalt kämpfen oder sich