Was die Frage angeht, ob es Veränderungsbedarf in Bezug auf den rechtlichen Rahmen gibt, so will ich gar nicht sagen, in welche Richtung, ob man der Auffassung ist, es müsste hier Einschränkungen geben - diese Position kann man ja vertreten -, oder ob man die Auffassung hat, dass bestimmte Befugnisse vielleicht sogar mit Blick auf die Lageentwicklung ausgeweitet werden müssen; auch für diese Position habe ich durchaus Sympathie.
Jedenfalls macht es doch Sinn, jetzt zunächst einmal die laufende Evaluation des Bundesverfassungsschutzgesetzes abzuwarten und zu sehen, ob es Handlungsbedarf gibt. Zum jetzigen Zeitpunkt wird es von uns keine Schnellschüsse in diese Richtung geben.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wozu braucht man einen Geheimdienst? Es gibt diejenigen, die Geheimdienste als Allheilmittel für jede Bedrohung sehen. Nur Agenten mit allen Vollmachten, quasi außerhalb der normalen Rechtsordnung stehend, sind gute Agenten.
- Genau! Dieser Meinung sind nicht nur Menschen, die offenbar zu viele James-Bond-Filme geguckt haben, sondern die auch ernsthaft fordern, Geheimdienste sollten gegen die organisierte Kriminalität eingesetzt werden, weil Geheimdienste halt diese schönen nachrichtendienstlichen Mittel zur Verfügung haben, die die Polizei aus gutem Grund nicht hat.
Auf der anderen Seite sind diejenigen, die die Geheimdienste abschaffen wollen, mal offen, mal verdeckt, weil sie ihre Informationen halt mit geheimen Mitteln beschaffen - oh Wunder! - und ihre Arbeit deshalb auch nicht zu 100 % öffentlich gemacht werden kann.
Die Gretchenfrage ist: Hat eine demokratische Gesellschaft einen Bedarf nach geheimdienstlich beschafften Erkenntnissen oder nicht?
Bei den meisten Terroranschlägen war ja nicht die Hauptkritik, dass es Geheimdienste gibt, sondern die Hauptkritik war, dass meistens die schon bekannten Täter im Vorfeld unterschätzt worden sind oder dass die Geheimdienste zu wenig gewusst haben.
So ist es also nicht verwunderlich, dass in der letzten Umfrage 61 % der Befragten die Kompetenzen der Geheimdienste für in etwa richtig hielten oder gar noch ausbauen wollten, während nur 21 % für eine Einschränkung plädierten. Damit sind die Deutschen übrigens die geheimdienstkritischsten Europäer. Die Zahlen sehen in anderen europäischen Ländern deutlich anders aus.
Was würde also passieren, wenn wir die Geheimdienste wirklich abschaffen würden? Lassen Sie uns das einmal rekapitulieren. Beim nächsten Vorfall mit einem politisch oder religiös motivierten Hintergrund würde sofort die Forderung laut werden, warum man nicht rechtzeitig die dahinterstehenden Strukturen oder sogar Täter erkannt hat.
Als Nächstes würde dann der Ruf nach geheimdienstlichen Befugnissen für die verbliebene Sicherheitsbehörde laut werden, nämlich der Polizei; denn gesellschaftliche Anforderungen und gesellschaftliche Bedürfnisse können Sie nicht wegbeschließen. Genau das wollen wir angesichts unserer Geschichte nicht, nämlich dass wir keine Geheimdienste mehr haben und dass das Informations- und Erkenntnisbedürfnis von der Polizei erledigt wird.
haben laut Bericht aber auch die Polizei, Staatsanwaltschaften und einige Innenminister. Die müssten wir nach dieser Logik gleich mit abschaffen; Aufgabe nicht richtig erfüllt, also abschaffen. Nach Auffassung der SPD sind Geheimdienste zwar nicht verzichtbar, sie sind aber auch kein Allheilmittel, und der NSU-Abschlussbericht hat schonungslos die Defizite aufgezeigt.
Da wäre zunächst der dringend notwendige Mentalitätswechsel bei allen Sicherheitsdiensten, damit nicht wieder - wie bei dem NSU - nur in eine Richtung und dann noch in die falsche Richtung ermittelt wird. Auch die Geheimdienste müssen stärker als bisher gegenüber der sie kontrollierenden Politik die Effektivität ihrer Arbeit nachweisen. Hier sage ich ganz offen: Geheim tagende Sitzungen sollten besser genutzt werden, die tatsächliche Arbeit darzustellen und auch hinterfragen zu lassen und nicht nur allgemeine Erkenntnisse zu präsentieren, denn dann fragt man sich tatsächlich als jemand, der Geheimdiensten nicht ablehnend gegenüber steht, selbst: Wozu braucht es euch?
Nicht erst seit dem NSU-Abschlussbericht stehen die V-Personen in der Kritik. Herr König, wenn man diesen Gesetzentwurf übrigens nicht verabschiedet, dann bleiben die V-Personen das, was sie bisher sind, nämlich ohne jede gesetzliche Grundlage. Insofern hat diese absolute Position auch ihre Nachteile. Im Gegensatz zur TKÜ, die bis jetzt bundesgesetzliche Grundlagen hat, die dem einen schmecken mögen, dem anderen nicht, kann auch der Einsatz von V-Personen ziemlich stark in die Privatsphäre eindringen, sogar stärker als in dem Fall, in dem ich ein Telefon verwanze.
Es sollte vielleicht eine einigungswürdige Forderung sein, dass der Einsatz von V-Personen als Mittel - nicht die V-Person selbst; denn wir wollen niemanden gefährden - der parlamentarischen Kontrolle unterliegen muss. Ansonsten ist das für mich unverständlich. Nach den Geschichten, die wir in den letzten 20 Jahren im Zusammenhang mit V-Personen gehabt haben, kann man nicht sagen, dass man dies weiterhin ganz allein den entsprechenden Behörden überlassen sollte.
Es gibt viele weitere Fragen, zum Beispiel ob, wie und wann Geheimdienste bei Kenntnissen von schweren Straftaten ihre Informationen zwingend mit Polizei und Staatsanwaltschaften austauschen müssen.
Zu Ihrem Antrag: Das Problem beim NSU-Untersuchungsausschuss war übrigens nicht, dass man zu viel miteinander geredet hätte, sondern man hat zu
wenig miteinander geredet. Das ist aufgrund des Trennungsgebotes problematisch. Aber dann mehr oder weniger die Forderung aufzustellen, man wolle das Trennungsgebot nicht aufweichen und damit die wichtige Erkenntnis aus dem NSU-Bericht einfach auszublenden, ist uns jedenfalls zu einfach. Auch darüber müssen wir intensiv diskutieren, da wir die schwere Abwägung zwischen den nachrichtlichen und dienstlich erworbenen Erkenntnissen vorzunehmen haben, die auf schwere und schwerste Straftaten hindeuten, und dem Bedürfnis, diese an irgendeiner Stelle der Polizei zu übergeben und die eigenen Quellen nicht weiter zu schützen. Das ist eine ganz schwere Entscheidung, und wenn man sie ernsthaft betrachten will, dann muss man sie auch ernsthaft diskutieren.
Mich würden noch viele weitere Fragen interessieren, zum Beispiel: Was versteht der Entwurf unter Cyber-Gefahren? Wenn dies nur die Abwehr der Tätigkeit ausländischer Dienste ist, dann ist das tatsächlich klassische Geheimdienstaufgabe. Allgemeine Cyber-Gefahren gehen aber eher von Kriminellen aus und sollten weiterhin Aufgabe der Polizei bleiben und nicht etwa beim Verfassungsschutz angesiedelt werden, denn dann würden wir nach meiner Meinung im operativen Bereich tatsächlich das Trennungsgebot aufweichen. Ich glaube, man macht es sich mit dem Begriff Cyber manchmal ein bisschen zu einfach.
Frau Präsidentin, mein letzter Satz: Ich glaube, diese und weitere Fragen sollten wir in Ruhe im Ausschuss klären. Deshalb beantrage ich die Überweisung. Herr Kollege Dr. Bernstein, übrigens, wir müssen jetzt darüber diskutieren.
Vielen Dank für Ihren letzten Satz. Herr Kollege, Sie sehen, dass die Zeit schon weit fortgeschritten ist. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Abgeordneter Burkhard Peters das Wort.
Enthüllungen und der NSU-Affäre haben zweifellos ein problematisches Innenleben unserer Geheimdienste offenbart. Der BND hat den massiven Eingriff von NSA und GCHQ in die Grundrechte aller Deutschen nicht nur nicht verhindert, sondern auch noch mit ihnen zusammengearbeitet und dabei geholfen, die eigenen Bürgerinnen und Bürger auszuspionieren.
Auf die Vergangenheit und Gegenwart des deutschen Verfassungsschutzes näher einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen. Festhalten kann man allerdings angesichts der V-Leute-Problematik und der zahlreichen Beispiele rechtswidriger Aktionen im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Untergrund: Verfassungsschutzbehörden können aufgrund ihrer klandestinen Abschottung gelegentlich in die Gefahr geraten, das zu gefährden, was sie eigentlich schützen sollen, nämlich die demokratische Rechtsordnung.
Über die Art und Weise, wie die Bundesregierung nun offenbar auf all das reagiert, kann man nur verwundert sein. Nach einem Blick auf den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich Verfassungsschutz wird schnell klar, dass die Reform aus den auf dem Tisch liegenden Erkenntnissen völlig falsche Schlussfolgerungen zieht. Die Begründung des kürzlich veröffentlichten Gesetzesentwurfs verspricht - ich zitiere, die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden weiter zu verbessern, die IT-gestützte Analysefähigkeit auszubauen und den Verfassungsschutz auf die Zukunft auszurichten.
So weit, so gut. Begründet wird all dies damit, extremistischen und terroristischen Bestrebungen effektiver entgegentreten zu können. Diese Begründung erscheint bereits recht schwammig gemessen an der Eingriffstiefe der nachfolgenden Gesetzesänderungen. Mit diffusen Sicherheitsbedrohungen soll hier nicht weniger als die großflächige Breitbandüberwachung der Bürgerinnen und Bürger vorangetrieben werden.
Ebenfalls völlig uferlos werden die Voraussetzungen zur Datenübermittlung der Geheimdienste an die Polizei in § 19 Verfassungsschutzgesetz des Entwurfes formuliert. Übrigens hat das Bundesverfassungsgericht bereits Anmerkungen zur Bestimmtheit der Übermittlungskompetenzen geäußert. Ich erinnere an die Antiterrorentscheidung vom 24. April 2013. Die Voraussetzungen für eine Datenübermittlung seien angesichts eines erheblichen Grundrechtseingriffs nicht hinreichend klar
Durch die Ausweitung seines Aufgabenbereiches auf sogenannte Cyber-Kriminalität soll der BND scheinbar zu einer international agierenden CyberPolizei umfunktioniert werden. Konkret sprechen wir über geplante Änderungen des Artikel-10-Gesetzes, das die Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis durch Telekommunikationsüberwachung regelt. Der BND hat in der Vergangenheit mit der Breitbandüberwachung gegen das Gesetz verstoßen, so unter anderem der ehemalige Vorsitzende des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier.
Jetzt soll es einen gesetzlichen Freibrief geben, massenhaft Daten aus dem Internet absaugen zu dürfen und zu speichern.
Der Katalog der Taten, zu deren Verfolgung eine Überwachung durch den Geheimdienst zulässig sein soll, soll enorm vergrößert werden. Bereits zwecks Verfolgung auch geringfügiger Computervergehen, zum Beispiel nach § 202 a und 303 a StGB, sollen Daten ausgespäht und gespeichert werden dürfen. Was das nun mit der Bekämpfung von Terror oder gar dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu tun hat, bleibt völlig unklar.
Würde der BND seinen neuen gesetzlichen Auftrag zum Schutz vor Cyber-Gefahren ernst nehmen, so müsste er im Übrigen konsequenterweise als Erstes etwas gegen die Ausspionierung unseres kompletten Internet- und Telefonverkehrs durch die NSA unternehmen.
Angesichts der Überwachungsskandale geht dieser Gesetzesentwurf bereits vom Grundsatz her nach unserer festen Überzeugung in eine völlig falsche Richtung. Die Bundesregierung betrachtet die Snowden-Enthüllungen offenbar als Machbarkeitsstudie und nicht als Skandal.
Die Institutionen Verfassungsschutz und BND müssen von Grund auf überdacht werden. Zumindest muss eine stärkere Kontrolle her. Der Aufgabenbereich muss klar und schlank beschrieben werden. Doch was macht die Bundesregierung? - Sie legalisiert stattdessen den massiven Rechtsbruch.