Protokoll der Sitzung vom 20.03.2015

Mir ist von den Parlamentarischen Geschäftsführern signalisiert worden, dass es die Absicht gibt, hierzu die Reden zu Protokoll zu geben. Ich frage einmal schnell ab, ob das für alle gilt. - Ich frage gerade ab, Herr Abgeordneter Kubicki, ob das für alle Fraktionen gilt.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Petra Nicolaisen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Minister hat es eben gesagt, vor uns liegt der 97-seitige Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung der Landesbauordnung. Im September 2012 wurde die Musterbauordnung fortentwickelt. Unter anderem dient sie zur Vereinheitlichung bundesweiter Standards. Zudem wurde die EU-Bauproduktrichtlinie im Jahre 2013 aufgehoben und durch die EU-Bauproduktverordnung ersetzt. Für diese beiden Veränderungen ergibt sich eine Fortschreibung der Landesbauordnung.

Insbesondere sind folgende materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Erleichterungen geplant. So sind zum Beispiel im Bereich der nachträglichen und energetischen Gebäudesanierung und für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, wie beispielsweise bestimmter Solar- und Kleinwindanlagen, Vereinfachungen vorgesehen. Bei solchen Vorhaben sind keine gesonderten Genehmigungsverfahren mehr erforderlich.

Wesentliche Änderungen sind zum Beispiel: Erstens: Gemeinden können durch Satzungen örtliche Bauvorschriften über abweichende Abstandsflächentiefen, also über die Vergrößerung oder Verringerung, erlassen. Dadurch können die Kommunen Anforderungen hinsichtlich der Bebauungstechnik laut Baugesetzbuch harmonisieren.

Zweitens. Innerhalb von im Zusammenhang bebauter Ortsteile kann zukünftig von den vorgesehenen Abstandsflächen abgewichen werden, wenn sich das Bauvorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

Drittens. Die Gemeinden können zukünftig zum Beispiel in einer Satzung konkret bestimmen, welche genaue Zahl und Beschaffenheit von Stellflächen nachzuweisen ist. Dieses kann auch für Teile oder gesamte Gemeindegebiete festgelegt werden. Das Satzungsrecht ist neu, es führt somit zu einer Präzisierung der Landesbauordnung.

Eine weitere Änderung der Landesbauordnung soll im Bereich der Prüfingenieurinnen und Prüfingenieure für Standsicherheit sowie der Prüfsachverständigen vorgenommen werden. Hier ist die Einführung der öffentlich-rechtlichen Beauftragung durch die Bauaufsichtsbehörde geplant. Dies mag durchaus sinnvoll sein, es wird in anderen Bereichen bereits praktiziert. Hier gilt es jedoch, eine Expertenanhörung abzuwarten.

Im Zuge der Änderung der Landesbauordnung möchte ich jetzt jedoch noch den Bogen in Richtung Flexibilisierung von Standards im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung schlagen. Der Minister hat es auch angesprochen. Die Kommunen sind gegenwärtig mit der Bewältigung der stark angestiegenen Zuwanderung von Flüchtlingen konfrontiert. Der Bund hat im Oktober 2014 eine Flexibilisierung im Bauplanungsrecht vorgenommen. Die kommunalen Landesverbände haben dazu Forderungen aufgestellt und Hinweise an die Landesregierung gegeben. Ziel muss es sein, bedarfsgerechte Lösungen hierfür zu finden.

(Beifall CDU)

Die kommunalen Landesverbände drängen auf eine gesetzliche Formulierung, sofern - das wurde gesagt - die Schutzgüter Leib, Leben und Gesundheit nicht betroffen sind. Hier mag es die eine oder andere Verordnung oder freihändige Vergabe geben, die ebenfalls betroffen ist.

Herr Innenminister, hier sind Sie am Zuge! Finden Sie eine Regelung im Baurecht oder an anderer Stelle, die in Einzelfällen ein Abweichen von festgelegten Standards unterhalb der EU-Schwellenwerte ermöglicht. Die bedarfsgerechte Schaffung öffentlicher Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge muss zeitnah ermöglicht und gesichert werden.

Fazit: Die anstehenden Veränderungen in der Landesbauordnung müssen bürgerfreundlicher und insbesondere im Interesse der Rechtsklarheit verständlicher formuliert werden. Vereinfachungen im Bauordnungsrecht sind wünschenswert.

Weitere Details haben wir im Innen- und Rechtsausschuss beziehungsweise mit Experten in Anhörungen zu beraten. Ich hoffe, dass mit der Fortschreibung der Landesbauordnung insgesamt eine Entlastung der Kommunen einhergeht, Bürokratieabbau vollzogen wird, es zu weiteren Erleichterungen im Baugenehmigungsverfahren kommt und wichtig - dass es im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung zu einer Flexibilisierung von Standards kommen kann. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Thomas Hölck.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion ist der Landesregierung dankbar, dass die Landesbauordnung fortgeschrieben wird. Damit wird das Baurecht in Schleswig-Holstein den gesellschaftlichen und den technischen Veränderungen angepasst. Eines will ich dennoch sagen: Bauen - sicheres Bauen - gilt auch für Unterkünfte für Flüchtlinge.

(Beifall Lars Winter [SPD] und Jette Waldin- ger-Thiering [SSW])

Deshalb ist es richtig und wichtig zu sagen, dass wir in dem Bereich die Landesbauordnung nicht aufweichen; denn die Standards, die vorhanden sind, müssen für alle gelten, die hier leben.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Mit dem Gesetzentwurf zur Landesbauordnung wird dem Konflikt um den Flächenverbrauch mit einer Flexibilisierung der Abstandsflächen Rechnung getragen. Künftig können Gemeinden für im Zusammenhang bebaute Ortsteile durch Satzungen örtliche Bauvorschriften erlassen, die eine Unterschreitung der derzeit gültigen Abstandsflächenregelung zulässt; wobei der Grundsatz, dass sich ein Bauvorhaben in die Eigenart der Umgebung einfügen muss, weiterhin Bestand hat.

Überall dort, wo es sinnvoll erscheint, eine Verdichtung zu intensivieren, kann ein Beitrag zur Minimierung des Flächenverbrauchs geleistet werden. Umgekehrt können auch größere Abstandsflächen vereinbart werden, was bei einer Quartiersgestaltung hinsichtlich der Akzeptanz durch die Bevölkerung durchaus sinnvoll erscheinen kann. Gerade in dem dicht besiedelten Hamburger Umland kann die Gesetzesänderung im Wettbewerb um Flächen für Wohnbebauung, für Gewerbeansiedlung und für Landwirtschaft für Entspannung sorgen. Die Möglichkeit der Variation von Abstandsflächen in ein und derselben Gemeinde ist ein bedeutender Schritt für eine sozial- und umweltverträgliche Städtebaupolitik. Ein Stadtquartier, eine Siedlung, muss immer als Sozialraum wahrgenommen werden. Da stellt sich immer die Frage: Was macht einen Raum

sozial, und wie wirkt er auf diejenigen, die ihn bewohnen?

Barrierefreiheit ist für das Wohnen der Zukunft unabdingbar. Das gilt für das Wohnen im Alter, für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung und für Familien mit kleinen Kindern. Wohnungen müssen genauso mit dem Rollator wie für den Kinderwagen barrierefrei erreichbar sein.

(Beifall Birte Pauls [SPD] und Regina Poersch [SPD])

Deshalb begrüßen wir, dass die Bestimmungen im § 52 Absatz 1 LBO weiter und flexibler in der Anwendung gefasst werden sollen. Damit wird Bauen durch die Forderung nach Barrierefreiheit bei kleineren und mittleren Wohneinheiten nicht verhindert.

(Beifall Kai Vogel [SPD] und Detlef Mat- thiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ebenfalls wichtig ist die gesetzliche Festlegung, dass eine ausreichende Zahl von Stellplätzen für Wohnungen und bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, nach § 52 Absatz 2 LBO barrierefrei gestaltet werden müssen.

Der Gesetzentwurf stärkt in mehreren Bereichen die Eigenverantwortung der Gemeinden. Das ist gut so. Dazu gehört auch die Möglichkeit, in einer Satzung festzulegen, welche Anzahl von Stellplätzen ein Bauherr für sein Bauvorhaben nachweisen muss. Das gilt auch für deren Beschaffenheit. Zu erwähnen ist auch, dass der Nachweis von konkreten Stellplätzen künftig die Schaffung oder Erneuerung von Wohnraum nicht verhindern oder erschweren soll. Auch hier können die Gemeinden eigene Lösungen entwickeln.

Für die Weiterentwicklung des Tourismus in Schleswig-Holstein ist die Einbeziehung der Beherbergungsstätten in die Barrierefreiheit ein großer Fortschritt. Bauliche Anlagen, deren Bereiche dem allgemeinen Besucher- beziehungsweise Benutzerverkehr dienen, müssen künftig in Hotels oder Apartmenthäusern barrierefrei gebaut werden.

Weiterhin sind die Vereinfachung der künftigen Genehmigungspraxis im Bereich der regenerativen Energien und die genehmigungsfreie Unterschreitung des Mindestabstands von 3 m bei Wärmedämmmaßnahmen in der Sache innovativ und zukunftsweisend. Solaranlagen sind bei Gebäuden bis 7 m Höhe grundsätzlich verfahrensfrei, das gilt auch für die Verwendung von Photovoltaikanlagen als Gestaltungselemente einer Gebäudefassade.

(Petra Nicolaisen)

Das Aufstellen 10 m hoher Kleinwindanlagen mit einem Rotordurchmesser von 3 m ist nach wie vor in Wohn-, Misch- und Dorfgebieten genehmigungspflichtig. Das ist aus heutiger Sicht eine kluge Entscheidung; denn es muss auch darum gehen, als Gesetzgeber die potenziellen Nachbarschaftskonflikte möglichst gering zu halten.

Fazit: Der Gesetzentwurf zur LBO wird Bürokratie abbauen, das Bauen vereinfachen und die Eigenverantwortung stärken, ohne die Sicherheit zu gefährden. Denn am Ende gilt das Zitat von Johann Wolfgang von Goethe: „Man mag immerhin Fehler begehen - bauen darf man keine.“ - Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, SSW und Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Landesbauordnung ist lang, der Stoff ist trocken, und dennoch: Es muss sein.

Die LBO dient dem Schutz der Menschen und der Umwelt. Standsicherheit, Brandsicherheit, Wärmeund Klimaschutz sind keine Kleinigkeiten, und auch, wenn die LBO gestern als letzter Tagesordnungspunkt gesetzt war, ist sie jedenfalls für mich ein Gesetzesvorhaben, das nicht hinten steht, sondern ganz vorn.

Ich möchte damit einsteigen, was mir ein Herzensthema bei der LBO-Novelle ist: In der neuen Landesbauordnung steckt ein gutes Stück Energiewende. Wenn ein Gebäude wärmetechnisch saniert oder ertüchtigt wird, dann soll eine dadurch verursachte Unterschreitung von Baugrenzen erlaubt sein. In Zukunft sind nachbarschaftsrechtlich solche Unterschreitungen zu dulden.

Minister Robert Habeck hat das verkündet: Die Energiewende ist nicht nur eine Stromwende, Wärme und Mobilität gehören dazu. Die Energiewende ist ein Gesamtkunstwerk: Mit der neuen LBO erleichtert unser Innenminister Studt den Wärmeschutz von Gebäuden materiell und verfahrenstechnisch. Es gilt auch für die Erzeugung von Energie. Solaranlagen gehören in Zukunft zu den verfah

rensfreien Bauvorhaben. Das bedeutet: Man muss sie weder genehmigen lassen, noch muss man sie anmelden.

Bei den Solaranlagen gilt das auch für kleine Freiflächenanlagen. Verfahrensfrei sind in Zukunft gestellt „gebäudeunabhängige Solaranlagen mit einer Höhe bis zu 2,75 m und einer Gesamtlänge bis zu 9 m“. Das ist deswegen ein bedeutender Fortschritt, weil viele Gebäude selber nicht für Solaranlagen geeignet sind, sei es wegen der Ausrichtung des Gebäudes oder wegen der schönen alten Blutbuche vor dem Gebäude, die Schatten auf das Dach wirft. In diesen Fällen kann auf dem Grundstück in Zukunft eine Solaranlage im Gelände aufgeständert werden. Die Bemaßung hält sich dabei in der Größenordnung, die wir zum Beispiel von Carports und dergleichen kennen.

Weiter werden in § 63 LBO kleine Windenergieanlagen verfahrensfrei gestellt bis zu einer Höhe von 10 m und einem Durchmesser der Rotorblätter von 3 m. Nur in Wohngebieten gilt das nicht, und das halten wir auch für geboten, um Nachbarschaftskonflikten vorzubeugen.

Wir freuen uns auch darüber besonders, weil heute, am Tag der ersten Lesung der neuen Landesbauordnung, in Husum die Messe New Energy eröffnet wird. Das ist weltweit die bedeutendste Messe für kleine Windkraftanlagen. Dazu finden auch Seminare und Verbändeversammlungen statt. Daher steht es Schleswig-Holstein gut zu Gesicht, die Rahmenbedingungen für diese Technik zu verbessern. Die LBO wird deswegen sicherlich nicht nur heute in Kiel, sondern auch in Husum diskutiert werden.

Messen dienen der Förderung der Wirtschaft in unserem Land. Sie sind ein Spiegel der Leistungsfähigkeit unserer Unternehmen, sie zeigen Innovationen. Ich bedaure es sehr, dass es zum wiederholten Mal nicht gelungen ist, die Termine der wichtigen Messen und der Tagungen des Landtags miteinander abzustimmen. Herr Präsident, es sollte in den kommenden Jahren beachtet werden, dass Abgeordnete und die Landesregierung die wichtigen Messen im Land besuchen können.

Meine Damen und Herren, die neue LBO ermöglicht auch Gemeinden, Abstände durch eigene Satzungen zu regeln. Das ist gut so. Der Entscheidungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung wird erweitert. Das bedeutet mehr Freiheit und ist aus meiner Sicht auch sachgerecht, weil die Stadträte und Gemeindevertreter die Verhältnisse vor Ort am besten kennen und die gemeindliche

(Thomas Hölck)

Entwicklung besser und eigenverantwortlich steuern können.

Als letzten Aspekt möchte ich hervorheben, dass die neue LBO auch einen weiteren Schritt zur Vereinheitlichung des Baurechts in Deutschland macht, indem sie die Musterbauordnung der Länder in die Landesgesetzgebung integriert. Das hilft den Unternehmen und freien Berufen, die in mehreren Bundesländern aktiv sind. Damit sind wir diesbezüglich sicherlich noch nicht am Ziel der Wünsche. Die nächste LBO kommt bestimmt, wir leisten mit dem neuen Gesetz aber einen Beitrag zur Entbürokratisierung.

Meine Damen und Herren, ich weiß, es gibt im Hohen Hause Themen, die für mehr Aufregung sorgen. Nichtsdestotrotz geht es bei Baunormen um Sicherheit und nicht zuletzt auch um viel Geld. Für Familien, die ihr Haus bauen, ist in der Regel das größte Vorhaben, das für viel Aufregung sorgt, die Bauantragstellung, und die Beauftragung von Bauvorlageberechtigten. Letztlich ist es für manche Bauherren auch der größte Griff ins Portemonnaie, der sich jahrzehntelang auswirkt.

Insofern sollten wir dieses Gesetzeswerk mit der gebotenen Sorgfalt im Hohen Hause behandeln. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.