Protokoll der Sitzung vom 20.03.2015

Ich eröffne wieder die Sitzung und rufe die Tagesordnungspunkte 14 und 25 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Erbschaftsteuer in die Finanzautonomie der Länder überführen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2781

Im Interesse der schleswig-holsteinischen Wirtschaft: Erbschaftsteuerreform aufkommensneutral gestalten

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/2851

b) Aufkommen aus der Erbschaftsteuer erhöhen. Zukunftsaufgaben in Schleswig-Holstein nachhaltig und gerecht finanzieren!

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2809

Ich sehe, das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. - Wir werden folgendermaßen verfahren. Zunächst erhält die FDP-Fraktion zum älteren Antrag zu a) das Wort. Wenn das Ihr Einverständnis findet, wird danach die SPD als erstgenannte Fraktion des Antrags unter b) das Wort erhalten, danach die Fraktionen nach ihrer Stärke.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben mit den drei vorliegenden Anträgen eine richtig spannende politische Gemengelage. Die CDU möchte gern eine aufkommensneutrale Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils. Der Koalitionspartner im Bund möchte hier in Schleswig-Holstein eine Erhöhung des Erbschaftsteueraufkommens. Ich fürchte, lieber Tobias Koch, bei der Durchsetzungsfähigkeit der Union im Bund werden wir am Ende tatsächlich eine Reform bekommen, die mit Sicherheit nicht aufkommensneutral ist, sondern die weiter wie die bisherigen Maßnahmen den kleinen Mittelstand schwächt. Denn bisher haben Sie auf bundespolitischer Ebene herzlich wenig umgesetzt.

Wir schlagen Ihnen einen ganz anderen Weg vor. Wir schlagen Ihnen vor, die Philosophie, die Sie auch in Ihrer Antragsbegründung vor sich her tragen, in Schleswig-Holstein auszuprobieren und dem Land die Hoheit über die Erbschaftsteuer zu geben.

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP] und Torge Schmidt [PIRATEN])

(Lars Harms)

Ich möchte einmal Nils Schmid, der nicht meiner Partei angehört, aber baden-württembergischer Wirtschafts- und Finanzminister sowie stellvertretender Ministerpräsident für die SPD ist, zu den Plänen von Herrn Schäuble zitieren. Schmidt sagt:

„Die Eckpunkte Schäubles nehmen zu wenig Rücksicht auf die Bedeutung der mittelständischen Unternehmen für die Beschäftigung in Deutschland, und sie nehmen keine Rücksicht auf die Interessen Baden-Württembergs.“

(Beifall Christopher Vogt [FDP])

„Die Einbeziehung des kompletten Privatvermögens ist eine klare Erschwernis für den Betriebsübergang.“

- Recht hat der Mann.

„Schäuble verkennt völlig, dass wir jetzt ein Bekenntnis der Politik zur Bedeutung der Familienunternehmen in Deutschland brauchen. Er hat hier einen regelrechten Flurschaden angerichtet, er hat den Solarplexus der Mittelständler getroffen, denen es nicht nur um ihr Geld geht, sondern auch um ihre Betriebe.“

- Vollkommen recht hat Nils Schmid.

(Vereinzelter Beifall FDP)

Und Nils Schmid redet nicht von der Erhöhung des Aufkommens, lieber Kollege Andresen.

Am schönsten in der Debatte finde ich den Beitrag von Dr. Ralf Stegner, der wie folgt zitiert wird:

„Eine nüchterne Betrachtung zeigt, dass es bei der Erbschaftsteuer Spielraum nach oben gibt.“

Zum gleichen Zeitpunkt sagt er, man solle es Erben erlauben, ihre Steuerschuld mit Unternehmensanteilen zu begleichen. Eine vergleichbare Regelung sehe die Abgabenordnung schon jetzt bei Kunstwerken vor. - Stegner vergleicht also den kleinen und mittelständischen Unternehmer mit Mona Lisa. Was für ein Ausbund von wirtschaftspolitischer Kompetenz, Herr Dr. Stegner! Ganz ausgezeichnet!

(Beifall FDP - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ja, das weiß Herr Dr. Stegner vermutlich auch nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte die Übertragung von Vermögen von Erblassern auf ihre Erben, also beispielsweise von Eltern auf ihre Kin

der, für gelebte Generationengerechtigkeit und nicht für eine Ungerechtigkeit - um das hier sehr deutlich zu sagen. Familienunternehmen - ich will hier ausdrücklich von kleinen und mittelständischen Unternehmen reden - dürfen durch eine Reform der Erbschaftsteuer nicht in ihrer Existenz bedroht werden.

(Beifall Jens-Christian Magnussen [CDU])

Bei der Gelegenheit will ich auch mit dem einen oder anderen Vorurteil, was hier ständig in der Debatte herumgeistert, aufräumen: Erbschaften sind keineswegs leistungslos entstanden, sondern dahinter steht immer die gesamte - und zwar versteuerte Lebensleistung des Erblassers.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist nicht gesagt!)

- Ja, Frau von Kalben, aber die des Erblassers! Es mag ja Ihr Gesellschaftsbild sein, den Leuten alles wegnehmen zu wollen, um es selbst umzuverteilen. Ich sage: Mein Gesellschaftsbild ist das gerade eben nicht.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Erbschaften sind volkswirtschaftlich gesehen übrigens auch kein Einkommen, sondern es sind reine Vermögensübertragungen. Es entsteht kein neuer Reichtum, sondern es wird lediglich umverteilt.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Umverteilt!)

Wir haben Ihnen mit unserem Antrag ein Angebot gemacht. Wenn Sie wirklich daran glauben, etwas an der Ungleichverteilung der Vermögenssituation in Deutschland ändern zu können, indem Sie ein anderes Erbschaftsteuerrecht fordern, dann probieren Sie das auf Länderebene doch einfach einmal aus, solange Sie regieren. Dann werden Sie ja sehen, ob Sie damit Erfolg haben.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt PIRA- TEN)

Ich glaube, bei dem Einfluss, den die Erbschaftsteuer und das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer insgesamt hat, werden Sie dadurch daran gar nichts ändern.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn der Zusammenhang, den Sie zwischen Erbschaftsteuer und Vermögensverteilung herstellen, den gibt es gar nicht. Wenn Sie sich international

(Dr. Heiner Garg)

einmal die Staaten angucken, die gar keine Erbschaftsteuer erheben, sehen Sie, dass dort das Einkommen trotzdem nivellierter verteilt ist als in den Staaten, die Erbschaftsteuer erheben.

(Beifall Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Abgeordneter Dr. Garg, gestatten Sei eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Andresen?

Ja, selbstverständlich.

Vielen Dank, Herr Kollege. Mich reizt es schon, auch auf Ihren nächsten Satz einzugehen, aber ich möchte zunächst noch eine andere Frage stellen. Sie halten hier ein flammendes Plädoyer gegen Erbschaftsbesteuerung, dass das aus Ihrer Sicht eine Doppelbesteuerung sei und so weiter. Darauf können wir in der Debatte noch eingehen. Wäre es dann aber nicht ehrlicher gewesen, hier zu beantragen, was Herr Kubicki - ich glaube vor eineinhalb Jahren im Sommer - schon einmal gefordert hat, die Erbschaftsteuer abzuschaffen? Wäre das nicht ehrlicher gewesen, wenn ein FDP-Antrag vorgelegen hätte, der gleich sagt: „Schafft die Erbschaftsteuer ab!“, anstatt jetzt den Umweg darüber zu gehen, uns die Länderkompetenz geben zu wollen?

- Herr Kollege Andresen, ganz im Gegenteil. Erstens ist das nicht, „wie ich behaupte“, eine Doppelbesteuerung, sondern das ist ganz klar eine Doppelbesteuerung, weil es sich stets um bereits versteuertes Geld und Vermögen handelt. Das ist hier also nicht irgendetwas Behauptetes.

Zweitens weiß ich nicht, welches Zutrauen Sie in Ihre weitere politische Karriere haben. Ich glaube, dass wir die Chance haben, relativ bald in Schleswig-Holstein wieder in der Verantwortung zu sein. Ich möchte gern ausprobieren, ob es nicht cleverer ist, die Steuerhoheit bei der einen oder anderen Steuer in die Länderhoheit zurückzugeben, damit wir darüber entscheiden können und im Zweifel einen Standortvorteil gegenüber anderen Bundesländern haben, indem wir unsere Erbschaftsteuerregelung anders ansetzen, mit niedrigeren Steuersätzen, um uns damit einen Wettbewerbsvorteil gegen

über möglicherweise rot-grün geführten Ländern zu erarbeiten.