Protokoll der Sitzung vom 21.05.2015

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2975

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat der Herr Abgeordnete Johannes Callsen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abbau von Bürokratie war - wenn wir uns alle erinnern - der große Schlager von Ministerpräsident Albig und dieser Landesregierung im Vorfeld der Landtagswahl. Tatsächlich hat diese Landesregierung ein Mehr an Bürokratie geschaffen, sie hat mehr Auflagen für die Betriebe in diesem Land geschaffen.

Herr Albig wollte ein Viertel der Verwaltungsaufgaben kürzen. Das hat er als SPD-Spitzenkandidat angekündigt. Mittlerweile wissen wir: Die Verwaltungsausgaben sind im Landeshaushalt um 38 Millionen € im letzten Jahr angestiegen. Der Bürokratieabbau dieser Landesregierung ist grandios gescheitert.

(Beifall CDU und FDP)

Mit dem fehlenden Bürokratieabbau allein ist es nicht getan. Sie bauen Bürokratie auf. Wir haben das Vergaberecht, wir haben ein neues Mindestlohngesetz, ein Korruptionsregister, neue Bürokratie allesamt für den Mittelstand. Wie sehr diese Bürokratie mittlerweile zum wirtschaftlichen Bremsklotz wird, hat Ihnen erst vor wenigen Tagen, Anfang dieser Woche, der Groß- und Außenhandel deutlich ins Stammbuch geschrieben.

Nicht einmal beim Mindestlohngesetz auf Bundesebene ist diese Landesregierung in der Lage, unnötige Bürokratie bei den Dokumentationspflichten, über die wir hier im Haus diskutiert haben, abzubauen - im Gegenteil. Da stellt sich der Wirtschaftsminister vor Handwerkern hin, fordert Entlastungen für Betriebe unter zehn Mitarbeitern, erhält dafür reichlich Applaus, lässt sich beklatschen. Wir nehmen Herrn Meyer ernst, nehmen ihn beim Wort, reichen diesen Antrag in den Landtag ein und müssen feststellen: einstimmige Ablehnung vonseiten der Regierungskoalition! Was tut der Wirtschaftsminister, Herr Meyer? Er steht schulterzuckend daneben. Den Menschen draußen Bürokratieabbau zu versprechen und hier im Landtag das Gegenteil zu beschließen, ist wirklich nur noch peinlich und unglaubwürdig.

(Beifall CDU und FDP)

Als neuen Höhepunkt gibt es jetzt neue Regelungen bei der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung. Da müssen sich Lehrlinge, junge Menschen, in Fragebögen offenbaren, ob sie obdachlos sind, ob sie drogenabhängig sind oder ob sie einer nationalen Minderheit angehören. Die Erhebung dieser Daten hat keinerlei Nutzen für die Ausbildung. Sie erschwert die Ausbildung von jungen Menschen, und sie belastet die Ausbildungsbetriebe. Deswegen muss hier dringend nachgebessert werden.

Mit dem neuen Landesnaturschutzgesetz stehen die nächsten Wachstumsbremsen für Mittelstand und Handwerk schon vor der Tür, nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für das Gewerbe.

Meine Damen und Herren, wir wollen den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein stärken. Deswegen haben wir als CDU-Fraktion wiederholt Vorschläge unterbreitet, die besonders kleine und mittlere Unternehmen entlasten. Deshalb fordern wir heute die Landesregierung auf, dass sie endlich Maßnahmen treffen muss, um unsere Wirtschaft zu entlasten und damit zu stärken. Denn nicht nur der Mittelstand, sondern auch Existenzgründer und vor allem junge Unternehmer, die sich hier etablieren

wollen, die sich hier ansiedeln wollen, würden von Entlastungen profitieren. Das wäre ein erster Schritt, um vor allem den Mittelstand von überflüssiger Bürokratie zu befreien.

(Beifall Volker Dornquast [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CDU hat auf Bundesebene den Bundeswirtschaftsminister aufgefordert, ein Konzept zu entwickeln, das übermäßige Bürokratie ausbremst. Die Lösung war das sogenannte One-in-one-out-Prinzip. Konkret heißt das: Für jede neue Regelung muss eine alte Regelung abgeschafft werden. Dieses Prinzip wollen wir auch auf Schleswig-Holstein übertragen, und zwar über die ganze Legislaturperiode.

Denn nach den ganzen Zumutungen wie den Dokumentationspflichten beim Mindestlohn, dem Tariftreuegesetz, dem Registergesetz, der Anhebung der Grunderwerbssteuer auf sagenhafte 6,5 % oder dem Denkmalschutzgesetz - um nur einige Dinge zu nennen - müssen für den Mittelstand hier in Schleswig-Holstein jetzt endlich wirtschaftsfreundliche Signale folgen.

(Beifall CDU)

Ich freue mich, dass Wirtschaftsminister Meyer das One-in-one-out-Prinzip des Bundes öffentlich schon deutlich gelobt hat. Weil Staatssekretär Dr. Nägele auf dem Parlamentarischen Abend der Volks- und Raiffeisenbanken unseren Antrag zum Bürokratieabbau so positiv hervorgehoben hat, bin ich sicher, dass einer Zustimmung zu unserem Antrag durch die Koalition hier im Landtag sicher überhaupt nichts entgegenstehen wird. Ich sage Ihnen: Ihre Zustimmung wäre nicht nur ein gutes Signal für den Mittelstand, sondern auch ein Zeichen der Glaubwürdigkeit dieser Landesregierung. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Für die FDP-Fraktion als zweite Antragstellerin hat jetzt der Herr Abgeordnete Christopher Vogt das Wort.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] - Zuruf SPD: Vorschusslorbeeren!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beifall ist berechtigt.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] - Zurufe SPD) )

- Beruhigen Sie sich! - Bürokratieabbau fordern viele politische Akteure immer wieder gern, aber tatsächlich kommen in Deutschland beinahe täglich neue Gesetze, Verordnungen, Erlasse und Richtlinien hinzu. Das ist kein rein deutsches Problem auch wenn unser Land ja weltweit für sein viel zu kompliziertes Steuerrecht bekannt ist. In britisch geprägten Staaten gibt es die, wie ich finde, hochinteressante Tradition - ich habe es in einigen Parlamenten schon einmal gesehen -, dass in der Mitte des Plenarsaals die gesamte Gesetzgebung in Büchern aufgereiht ist. Wenn man sich die Bilder aus früheren Jahrzehnten anschaut, erkennt man, es waren einige wenige Texte. Mittlerweile ist das so umfangreich geworden, dass die Tische, die dort stehen und sehr lang sind, das gar nicht mehr aufnehmen können.

Demokratien haben offenbar eine generelle Neigung, mit der Zeit immer mehr Bürokratie aufzubauen, was meines Erachtens an zwei Dingen liegt: Es gibt bei viel zu vielen politisch Verantwortlichen die ausgeprägte Neigung, alle Eventualitäten des Lebens gesetzgeberisch abdecken zu wollen, und es mangelt bei selbigen an der Bereitschaft, auch einmal Vorschriften wieder aufzuweichen oder sie ganz einfach zu streichen, wenn sie mehr schaden als nutzen.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Es ist also kein Naturgesetz, dass unsere Gesellschaft durch immer mehr Bürokratie zunehmend gelähmt wird. Es liegt an uns als Gesetzgeber, mehr Flexibilität zuzulassen. Ministerpräsident Albig - der Kollege Callsen hat es angesprochen ist einmal mit dem Versprechen gestartet, Bürger und Unternehmen umfangreich bei der Bürokratie entlasten zu wollen. Gefolgt ist dann nichts.

Zu seiner Verteidigung muss ich anfügen: Herrn Albig war damals offenbar nicht bekannt, dass die schwarz-gelbe Vorgängerregierung mit der Mittelstandsoffensive bereits alle Berichtspflichten an das Land abgeschafft hatte. Da war also nicht mehr viel zu machen. Leider hat es die rot-grün-blaue Landesregierung nicht beim Status quo belassen und wie leider auch die aktuelle Bundesregierung neue unnötige Bürokratie geschaffen.

Die schwarz-rote Koalition auf Bundesebene hat allein im ersten Jahr ihrer Amtszeit den Deutschen neue Bürokratielasten im Umfang von fast 10 Milliarden € aufgebürdet. Die Folge dieser Politik ist, dass nach einer aktuellen Untersuchung mittlerwei

(Johannes Callsen)

le 92 % der Unternehmen die Bürokratiebelastung in Deutschland als hoch beziehungsweise sehr hoch ansehen. 96 % der Befragten empfinden die Anzahl an Gesetzen und Verordnungen als zu hoch. Der Bundeswirtschaftsminister will die selbst geschaffenen Bürokratiemonster nun kaschieren und hat einen 25-Punkte-Plan zum Abbau von Bürokratie vorgelegt. Die 25 Vorschläge von Herrn Gabriel sind in der Mehrzahl wenig stichhaltig und klammern die selbst geschaffenen Bürokratiemonster natürlich komplett aus.

Die CDU-Fraktion - Kollege Callsen! - wiederum beschränkt sich mit ihrem vorgelegten Antrag auf das Vorschlagen der - grob übersetzt - Eins-reineins-raus-Regel, die Herr Gabriel auch ins Spiel gebracht und sozusagen als wichtigste Idee präsentiert hat. Damit wäre aus unserer Sicht aber nichts gewonnen beziehungsweise eingespart. Vorhandene Vorschriften durch neue im gleichen Umfang zu ersetzen, würde nichts anderes als das Festschreiben des Status Quo und damit Stagnation bedeuten. Zudem bleibt unklar, wie das in der Praxis überhaupt umgesetzt werden soll.

Und eins muss ich als Freund der Union sagen: Ich bedaure es außerordentlich, dass sich die CDU nun auch auf Landesebene von dem Anspruch verabschiedet hat, eine Partei des Bürokratieabbaus zu sein. Das ist wirklich schade.

(Beifall FDP)

Da meine Fraktion an echten Fortschritt beim Bürokratieabbau glaubt, haben wir mit unserem Antrag konkrete Vorschläge vorgelegt. Unser Antrag kommt mit sechs Punkten zwar etwas schlanker, dafür aber auch deutlich zielgerichteter daher als die Liste des Bundeswirtschaftsministers. Wir schlagen einen Normenkontrollrat der Länder nach dem Vorbild des Nationalen Normenkontrollrates vor. Das dürfte auch der grünen Fraktion gefallen, schließlich hat auch die Bundestagsfraktion der Grünen Gabriels Liste als völlig unzureichend kritisiert und eine Stärkung des Normenkontrollrates des Bundes gefordert.

(Beifall FDP)

Des Weiteren greifen wir einen Punkt auf, der auch im Sonderausschuss Verfassungsreform diskutiert worden ist, das ist die bürgerfreundliche Verwaltung, die mit dem digitalen Wandel Schritt halten muss. Das bedeutet, dass man auch online seine Anträge einreichen können muss.

Außerdem wollen wir die steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen verkürzen, Genehmigungsver

fahren vereinfachen, und wir wollen die Landesregierung auffordern, sich dafür einzusetzen, dass die Dokumentationspflichten beim Mindestlohn auf Bundesebene verschlankt werden. Zu guter Letzt halten wir es für sinnvoll, Vereinfachungen beim Tariftreue- und Vergabegesetz vorzunehmen. Sie haben das Gesetz ja aus Nordrhein-Westfalen abgeschrieben. In Nordrhein-Westfalen hat man es schon etwas länger und sich dort als rot-grüne Landesregierung vorgenommen, dass nur noch diejenigen Nachweise liefern müssen, die die Ausschreibung auch tatsächlich gewonnen haben. Das ist ein sehr sinnvolles Verfahren.

(Beifall FDP)

Unserer Auffassung nach kann das Vergabegesetz sofort abgeschafft werden, das Korruptionsregistergesetz auch.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das Tariftreuegesetz auch!)

Die Liste ist übrigens nach fast zwei Jahren immer noch leer.

Aber wir wollen auch Ihnen die Möglichkeit geben, unserem Antrag zuzustimmen. Deshalb freue ich mich - falls wir heute noch nicht zusammenkommen - auf die Ausschussberatungen und auf Ihre Gegenvorschläge zum Bürokratieabbau. - Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Olaf Schulze das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Abbau von Bürokratie, das hört sich erst einmal super an. Und einfache Rezepte - das ist die Spezialität der CDU, jedenfalls dann, wenn sie nicht in die Verlegenheit kommt, dies an der Realität messen lassen zu müssen. Gern erinnere ich in diesem Zusammenhang an die Bierdeckel-Steuererklärung.

Nun soll es also eine Eins-rein-eins-raus-Regelung für Gesetze geben. Wir glauben, dass das eine interessante Sache ist, die die Bundesregierung da plant. Mit ihrem Maßnahmekatalog schafft sie ein Gesamtpaket, in dem die einzelnen Vorschläge aufeinander aufbauen. Da geht es um Regelungen auf Bundesebene, um Aufzeichnungspflichten, um Än

(Christopher Vogt)

derungen bei der Einkommensteuer, um Zentralisierung von Melde- und Informationspflichten.

Ich muss Ihnen zu Ihrem reduzierten Vorschlag ganz ehrlich sagen: Wenn es darum geht, wie einfach oder schwierig Gesetze für die Wirtschaft sind, kommt es nicht darauf an, wie viele es gibt, sondern was darin steht. Was das betrifft, hat die SPD zum Glück ganz andere Vorstellungen als CDU und FDP.