Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt darf ich sehr herzlich auf der Tribüne die Bürgerbeauftragte Samiah El Samadoni begrüßen. - Herzlich willkommen im Kieler Landtag!
Ich eröffne die Aussprache und teile Ihnen zunächst mit, dass die Landesregierung keine Redezeit zu diesem Tagesordnungspunkt angemeldet hat. - Zunächst spricht die Abgeordnetenkollegin Katja Rathje-Hoffmann von der CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau El Samadoni! Eine neue Bürgerbeauftragte, ein neuer und anderer Stil und eine weitere neue Aufgabe mit der Antidiskriminierungsstelle. So viel Neues, auch für uns als Abgeordnete, Frau El Samadoni. Zunächst möchte ich allerdings an dieser Stelle noch einmal der vorherigen Beauftragten für soziale Angelegenheiten, Frau Wille-Handels, danken. Sie war immer streitbar und erfolgreich und hat sich für die sozialen Belange der Menschen in unserem Land eingesetzt.
Seit Mai letzten Jahres erfüllt diese Aufgabe nun Frau Samiah El Samadoni. Einiges hat sich verändert, und einiges ist neu - wie zum Beispiel das proaktive Bestreben nach einem regelmäßigen Austausch mit den Abgeordneten aller Fraktionen für eine ständige Einbindung und Kommunikation untereinander und miteinander. Das finde ich sehr gut. Danke schön dafür.
Im Berichtszeitraum kam es zu einem leichten Rückgang der Eingaben oder Petitionen von 3.875 im Jahr 2013 auf 3.477 im letzten Jahr. Ursache dafür kann auch sein, dass wir jetzt eine Antidiskriminierungsstelle in Schleswig-Holstein haben und dass es ein bisschen weniger Probleme im Bereich des SGB II gibt, bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Die Beauftragte setzt sich aktiv für eine bessere Kommunikation mit den Jobcentern und der Agentur für Arbeit ein. Ganz oben auf der Liste steht immer noch, die verständliche Lesbarkeit der Bescheide zu verbessern und häufig nachzufassen, wenn wichtige Kundenunterlagen fehlen - um all das kümmern Sie sich. Das ist richtig so. Sie tun den Leuten gut, die sich an Sie wenden.
Meist stellt sich dann in der Aufklärung heraus, dass falsches Abheften oder die Überlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Agenturen die Ursache war oder auch zu häufig wechselnde Mitarbeiter. Inhalt vieler Petitionen ist auch die Beschwerde über eine ausgeprägte Misstrauenskultur
Frau El Samadoni setzt sich in all diesen Fällen oft persönlich für ein Umdenken im Sinne der Petenten ein. Insgesamt zu neun Themenfeldern gibt es in Ihrem Bericht Anregungen und Vorschläge. Nennen möchte ich die sogenannte Krankengeldfalle und die damit verbundenen Folgen der verspäteten Einreichung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sowie den Themenkomplex rund um die Schulbegleitung, der Eltern, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Assistenzkräften zurzeit sehr große Sorgen bereitet. Unklar ist nach wie vor die Lage bei der Schulbegleitung und neuen Schulassistenz. Hier müssen ganz schnell dauerhafte Lösungen zum bestehenden Streit um die Finanzierung der Schulbegleitung gefunden werden, schon zum nächsten Schuljahr im August. Die Zeit drängt.
Die Eltern fragen sich zu Recht und immer lauter: Was wird im neuen Schuljahr aus meinem Kind, wer hilft mir weiter, und wie geht es weiter? Die Beauftragte stellt fest, dass es große Unsicherheiten gibt, weil bislang noch niemand weiß, welche Qualitätsanforderungen die geplanten Schulassistenten haben sollen.
Das geht an die Landesregierung - da ist gerade nicht viel zu sehen. Bringen Sie sich hier so schnell wie möglich ein, bringen Sie mehr Licht ins Dunkel! Die Eltern warten darauf.
Im Berichtszeitraum von 2013 bis 2014 haben sich rund 140 Bürgerinnen und Bürger an die Antidiskriminierungsstelle des Landes gewendet. Auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ging es um Fälle der Benachteiligung aus Gründen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, der Behinderung, des Alters oder auch der sexuellen Identität.
Nach zwei Jahren zeigt sich deutlich, dass es immer noch einen hohen Informations- und Umsetzungsbedarf in der Verwaltung, im Arbeitsleben und bei vielen Bürgerinnen und Bürgern und Defizite in der Praxisanwendung gibt. Die Antidiskriminierungsstelle betreibt viel Öffentlichkeitsarbeit und arbeitet aktiv daran, dass diese Defizite abgebaut werden.
Frau El Samadoni, Sie konnten einer Schwangeren helfen, die von ihrer Fortbildung abgemeldet worden ist. Abhilfe gab es auch bei Mobbing am Arbeitsplatz und Benachteiligung durch eine Schwer
behinderung bei einem Bewerbungsverfahren. Weitere Probleme gab es mit rassistischer Diskriminierung im Alltag und bei der Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Eltern. Das haben wir eben gehört. Diese und viele weiteren Probleme werden kompetent und zielgerichtet von der Bürgerbeauftragten angegangen, thematisiert und Lösungen herbeigeführt. So stellen wir uns das vor.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 3.477 Bürgerinnen und Bürger haben sich im vergangenen Jahr mit ihren Sorgen und Nöten an die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten im Land Schleswig-Holstein gewandt. Diese hohe Zahl von Eingaben und Anfragen bei der Bürgerbeauftragten macht immer wieder deutlich, dass unser Sozialrecht nicht einfach und schon gar nicht einfach zu durchschauen ist. Frau El Samadoni, Ihr Bericht zeigt deutlich: In der Sozialverwaltung, in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der Eingliederungshilfe und im Schwerbehindertenrecht brauchen die Menschen in unserem Land Unterstützung.
Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Mit fast einem Drittel aller 1.070 Eingaben war der Themenbereich Grundsicherung für Arbeitssuchende - zu Deutsch: Hartz IV - erneut ein Schwerpunkt der Beratungsund Unterstützungstätigkeit der Bürgerbeauftragten.
Sehr geehrte Frau El Samadoni, Ihnen und Ihrem Team ein ganz herzliches Dankeschön für die geleistete Arbeit und für den vorliegenden Jahresbericht 2014.
Die Menschen in Schleswig-Holstein können sich auf die Unterstützung durch eine engagierte Bürgerbeauftragte verlassen. Für meine Fraktion darf ich erneut feststellen: Es ist gut, dass wir dieses Amt haben. Die Bürgerbeauftragte ist die soziale Instanz des Landes Schleswig-Holstein, die den
Menschen im Umgang mit Einrichtungen und Verwaltungen im Sozialbereich hilft und die ihnen beim Lesen und Verstehen von Bewilligungs- und Leistungsbescheiden zur Seite steht.
Die Bürgerbeauftragte leistet aber nicht nur direkte und konkrete Hilfe im Einzelfall. Die Bürgerbeauftragte ist auch eine verlässliche Anwältin, wenn es darum geht, gesellschaftliche Probleme und soziale Herausforderungen anzusprechen. Frau El Samadoni, in diesem Zusammenhang will ich die Veranstaltung von Montag im Landeshaus „Hartz IV 10 Jahre Grundsicherung für Arbeitssuchende“ nennen. Diese Veranstaltung war sehr informativ, sehr spannend und von den Ergebnissen her so, dass wir uns im politischen Bereich noch mit vielen Fragen auseinandersetzen müssen. Zehn Jahre Hartz IV - eine Sozialreform, die ihre Spuren hinterlässt. Nicht nur, weil Hartz IV für viele Eingaben bei der Bürgerbeauftragten verantwortlich ist und weil Hartz IV dazu führt, dass unsere Sozialgerichtsbarkeit viele Streitfragen zu klären hat. Für die einen gilt Hartz IV nach wie vor als Job-Motor, für die anderen ist es der Weg in die Armutsspirale.
Hartz IV hat auf jeden Fall dafür gesorgt, dass Arbeitslosigkeit und Armut sichtbarer und fühlbarer geworden sind. Es besteht aber nach wie vor - auch das ist Montag sehr deutlich geworden - eine Differenz zwischen dem Fördern und dem Fordern. Mit Fördern und Fordern bei Langzeitarbeitslosen war gemeint und gewollt, dass Menschen, die Sozialhilfe erhalten, auch Anspruch auf Weiterbildung, Unterstützung, Qualifizierung und Vermittlung bekommen. Langzeitarbeitslose sollten gezielt unterstützt werden, um ihre Situation zu verändern. Frau El Samadoni, mit Ihrer Tagung vom Montag, haben Sie noch einmal deutlich den Schwerpunkt auf zehn Jahre Hartz IV und den notwendigen Reformbedarf an der Sozialreform gelegt.
Zu fordern bleibt eine bessere Förderung von Langzeitarbeitslosen. Besonders Menschen mit Kindern und mit gesundheitlichen Problemen brauchen intensive Betreuung und Unterstützung, wenn es darum geht, wieder ins Arbeitsleben zurückzufinden. In der Umsetzung wurde das Gleichgewicht von Fördern und Fordern nicht immer gewahrt. Für viele Menschen hat das Fordern Überhand genommen, und die vielen Repressionen, die es im Hartz IV-Bereich gibt, aber auch der schroffe Umgangston, der in den Verwaltungen bei den Bescheiden oft herrscht, sind von Ihnen im Bericht angesprochen worden. Daher ist es richtig, dass wir uns diesem Thema in der politischen Auseinandersetzung annehmen. Wir werden in der Zukunft dazu
kommen müssen, wieder für einen öffentlich geförderten sozialen Arbeitsmarkt mit öffentlich geförderter Beschäftigung einzustehen. Auch das war für mich ein Ergebnis aus der Diskussion am Montag.
Zum Antidiskriminierungsbericht komme ich jetzt nicht mehr wirklich, aber auch der ist informativ. Ich hätte dazu auch noch einige Sachen zu sagen, gerade auch vor dem Hintergrund der Diskussion, die wir eben hier geführt haben.
Abschließend darf ich zumindest für meine Fraktion beantragen, dass wir den Bericht der Bürgerbeauftragten in den Sozialausschuss und den Antidiskriminierungsbericht federführend in den Sozialausschuss und mitberatend in den Innen- und Rechtsausschuss überweisen, sodass dort mit Ihnen persönlich die Diskussion vertieft werden kann. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau El Samadoni, Brücken zwischen Menschen und Behörden zu bauen, das haben Sie sich auf Ihre Fahnen geschrieben. Ich finde, es wird in jeder Zeile Ihres Berichtes deutlich, wie engagiert und mit wieviel Herzblut Sie versuchen, Menschen zu helfen, die sich mit den Behörden nicht zurechtfinden, die die Bescheide nicht verstehen und die sich ein bisschen verraten und verkauft vorkommen in unserem sozialen Sicherungssystem - was eigentlich gut ist, aber leider auch noch Lücken hat.
Die Probleme, die Sie beschreiben, sind - das muss ich leider sagen - im Laufe der Jahre immer wieder dieselben. Als Grüne sehen wir immer mit großer Sorge die vielen Beschwerden im Bereich Arbeitslosengeld II. Es wird immer wieder versucht, nachzubessern, aber wir sind noch lange nicht da angelangt, wo wir von Anfang an sein wollten, beim Fördern und Fordern. Ganz im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass die Menschen viele Bescheide,
die dort herausgehen, immer noch nicht verstehen. Deshalb begrüße ich es ganz ausdrücklich, dass Sie konstruktiv daran gehen und versuchen, auch dort Brücken zu bauen und für mehr Verständlichkeit zu sorgen.
Unsere Bürgerbeauftragte, unsere neue Bürgerbeauftragte, hat im letzten Jahr in 3.477 Fällen Bürgerinnen und Bürgern geholfen. Sie hat versucht, soziale Angelegenheit besser zu erklären und eine Brücke zu bauen, damit diejenigen, die von den Bescheiden betroffen sind, sich nicht abgehängt fühlen, sich nicht einem anonymen System ausgeliefert fühlen.
Das Problem mit der Stolperfalle beim Krankengeld ist ein ganz besonders gutes Beispiel. Es war seit Jahren schon im Gespräch, jetzt ist es geändert worden. Das begrüße ich ganz ausdrücklich.
Ich muss auch sagen, dass die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle, die wir als Küstenkoalition auf den Weg gebracht haben, jetzt schon zeigt, wie wichtig das ist. Es ist völlig indiskutabel, dass Menschen aus ethnischen Gründen oder wegen ihrer sexuellen Identität - die Debatte darüber haben wir gerade geführt - diskriminiert werden. Umso wichtiger und besser ist es - und ich freue mich darüber sehr -, dass es jetzt in Schleswig-Holstein dafür eine Anlaufstelle gibt und diejenigen, die sich diskriminiert fühlen, Unterstützung und Beratung bekommen.
Auch dafür im Namen meiner Fraktion ganz, ganz herzlichen Dank an Sie, Frau El Samadoni. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen, ich freue mich auf den nächsten Bericht, und ich schließe mich gern dem Vorschlag des Kollegen an, dass wir Ihre beiden Berichte in die Ausschüsse überweisen. - Vielen Dank.