Zweitens. Ich halte es für wichtig, dass gewaltbereiten islamistischen Gruppierungen auch dadurch das Wasser abgegraben werden muss, dass man ihnen die Nachwuchsrekrutierung speziell bei potenziellen jungen Kämpfern möglichst erschwert. Viele junge Leute, darunter Menschen aus Einwandererfamilien, aber auch Konvertiten deutscher Herkunft, finden in den extremistischen Gruppen offenbar deshalb eine Heimat, weil sie sich dort und leider nur dort - anerkannt, geborgen und in eine Gemeinschaft aufgenommen fühlen. Fänden sie eine Alternative in anderen gemeinschaftlichen Zusammenhängen, würden viele sicher nicht den Weg zu einer radikalen islamistischen Gruppierung gehen. Es geht also, kurz gesagt, um gelingende Integration in unsere Gesellschaft, um nicht mehr und nicht weniger. Wo dies misslingt, droht in einer Reihe von Fällen ein Abgleiten in den islamistischen Extremismus.
Drittens. Dies hängt offensichtlich mit dem vorgenannten Punkt zusammen: Es gibt unter jungen Leuten mit einem islamischen Familienhintergrund offenbar in einer Reihe von Fällen ein Bedürfnis
nach religiöser Orientierung, das derzeit oft nicht anders Befriedigung finden kann als durch den Eintritt in eine radikale islamistische Gruppierung.
Wenn man dies feststellt, wird meines Erachtens sehr deutlich, wie wichtig im Bereich der Prävention das Angebot eines islamischen Religionsunterrichts zum Beispiel an unseren Schulen ist, beziehungsweise wäre. Das in Schleswig-Holstein hierzu an einer Reihe von Schulen in der Vergangenheit durchgeführte Modellvorhaben ist bereits in der Zeit der Großen Koalition initiiert worden. In der 17. Wahlperiode wurde es dann unter meiner Verantwortung als damaliger Bildungsminister weitergeführt. Gegen Ende der Wahlperiode lag die wissenschaftliche Evaluation vor. Ich kann dazu kurz feststellen: Diese wissenschaftliche Evaluation ist positiv ausgefallen.
Meines Erachtens ist es wichtig, solche Ansätze aufzugreifen. Ich kann nicht sehen, dass dies nach dem Regierungswechsel in der Amtszeit von Frau Ministerin Wende getan worden ist. Sie hatte offensichtlich eher mit anderem bildungspolitischem Trallala und Hopsasa zu tun als mit solchen wesentlichen Dingen. Auch auf der heutigen Internetseite des Ministeriums für Schule und Berufsbildung findet man bei einer entsprechenden Recherche bedauerlicherweise das Stichwort nicht.
Mein letzter Satz: Gibt man „Islamkunde“ ein, dann wird man gefragt: Meinen Sie Sachkunde? - So weit zu diesem Thema. Ich denke, wir sollten hier am Ball bleiben. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Extremismus ist eine dringliche Herausforderung für Demokratie und Menschenrechte und erfordert ein wachsames und kontinuierliches Engagement aller Akteure unserer Gesellschaft. Das Klima der Freiheit und Toleranz, das unser Land, Deutschland, seit seiner Entstehung prägt, darf
nicht zerstört werden. Es darf in Deutschland und innerhalb und außerhalb Europas, keinerlei Toleranz für Fremdenhass, Gewalt und gewaltbereiten politischen Extremismus geben. Aus diesem Grund plädiere ich für eine differenzierte Herangehensweise. Wir dürfen nicht in der Extremismusfalle landen, indem einfach alles zusammengewürfelt und bewertet wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die vorgelegte Antwort der Landesregierung zur Lage in Schleswig-Holstein ist aus meiner Sicht relativ undifferenziert. Das liegt tatsächlich an der Fragestellung, denn die Antwort hat nur zu beantworten, was vom Fragesteller abgefragt wird. Trotzdem sind in der Antwort weite Teile Copy-and-paste-Antworten aus dem Bundesverfassungsschutzbericht, der meines Erachtens ebenfalls Lücken in der detaillierten Analyse aufweist, aber darüber werden wir zusammen im Innen- und Rechtsausschuss diskutieren.
Zunächst baut dieser Bericht - beziehungsweise die Fragesteller - offensichtlich auf einer Extremismustheorie auf, die eine Parallelisierung von Rechts- und Linksextremismus sowie islamistischen Erkenntnissen vornimmt und dabei vereinfachend in Kauf nimmt, was wissenschaftlich übrigens vollkommen unsinnig ist.
Die Gleichsetzung von linken und rechten politischen Ansätzen entpolitisiert und bagatellisiert dabei die offensichtlichen Gefahren des Rechtsextremismus. Die Tatsache, dass die Neonazigruppe NSU in aller Ruhe und von den Behörden indirekt unterstützt quer durch Deutschland ein dutzend Morde verüben konnte, ist sozusagen ein Alleinstellungsmerkmal und bis heute noch nicht einmal vollständig aufgeklärt.
Die Gefahren des aktuellen Rechtsextremismus bei uns werden in diesem Bericht aus meiner Sicht fälschlicherweise als gering eingestuft. Zur heutigen NPD: Natürlich, das sind nicht mehr die älteren Herren aus den 60er-Jahren. Sie hat an Mitgliedern verloren, das ist richtig, aber gleichzeitig ist sie radikaler, gewaltbereiter und extremer geworden. Die Verbindung zum Beispiel zu Hooligans und zur Rockerszene wird nicht ausreichend analysiert.
Nicht vergessen sollte man, denn auch dies steht in dem Bericht nicht, die ätzende Kampagne der NPD zur Bundestagswahl: Geld für die Oma statt für Sinti und Roma. Von rechtsextremistischen Angriffe verbaler oder anderer Art auf diese, unsere jüngste Minderheit, die durch unsere Landesverfassung geschützt ist, ist in der Antwort der Landesregierung nichts zu lesen.
Was den Extremismus von links betrifft: Es scheint für die Landesregierung eine Gleichsetzung zu geben zwischen Linksextremen und Antifa. Das finde ich persönlich höchst bedenklich. Ich bezeichne mich beispielweise als Antifaschistin, ohne dabei in die linksextreme Ecke gerückt werden zu wollen. Herr Innenminister, Antifaschismus bezeichnet die Ablehnung des Faschismus und mögliche Entwicklungen dorthin und ist jenseits jeder Gleichsetzung mit extremen rechten Neonazis und Neofaschisten davon zu trennen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Frage des radikalen Islamismus und Salafismus: Ja, islamistischer Terrorismus hat in den letzten Jahren weltweit im Glauben an eine vermeintlich einzig richtige Auslegung der islamischen Religion grausamste Anschläge verübt und damit zum Beispiel mit dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ einer freiheitlichen aufgeklärten Gesellschaft ins Gesicht geschlagen und das Recht auf freie Meinungsäußerung mit Füßen getreten. Kollege Bernstein, ich warne aber davor, detaillierte Angaben, die dieser Bericht jetzt gibt, zu dramatisieren. Ich warne auch davor, damit die mit uns lebenden Muslime in unserem Land, die die gleiche Demokratie verteidigen wie wir, in eine Ecke zu drängen, zu schwächen und zu kriminalisieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir eine grundsätzliche Einigung für die zukünftigen Beratungen. Dies scheint dem Kollegen Bernstein nicht bekannt zu sein.
„Angriffe auf Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sowie Ideologien der Ungleichwertigkeit sind dauerhafte Herausforderungen für die gesamte Gesellschaft. Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, die Herausforderungen durch die Islam- beziehungsweise Muslimfeindlichkeit, Antiziganismus, Ultranationalismus, Homophobie, gewaltbereiter Salafismus beziehungsweise Dschihadismus, linke Militanz und andere Bereiche zeigen die Vielzahl demokratie- und menschenfeindlicher Phänomene. Um ihnen kraftvoll entgegenzutreten, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen von Staat und Zivilgesellschaft.“
ten können, dann wird es die einseitigen Darstellungen künftig vielleicht nicht mehr geben. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab: Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz vor Extremismus. Gerade darum ist so wichtig, dass die demokratische Gesellschaft aufmerksam gegenüber allen Phänomenen bleibt, die sich gegen sie richten. Der Schutz der Verfassung geht uns alle an. Wir haben auch die besseren Argumente.
Der entschiedenen Haltung vieler Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner ist es zu verdanken, dass der Innenminister bei den Rechtsextremen im Land kaum noch nennenswerte Organisationsstrukturen feststellt. Bürgermut und Engagement haben hier in den letzten Jahren Beeindruckendes geleistet. Der Verfassungsschutz hat ebenfalls dazu beigetragen, dass sich in SchleswigHolstein die Gefahr des Extremismus als nicht herausragend darstellt.
Rufen wir uns die Auseinandersetzungen in den 90er-Jahren vor Augen, als rechtsextreme Aufmärsche gegen die offene Gesellschaft hetzten. Nachdem sogar Rechtsextreme in Parlamente, auch in dieses, einziehen konnten, kann man nun sagen: So etwas gibt es heute nicht mehr, und das ist gut so. Wir haben also in den letzten Jahren einen enormen Fortschritt erzielen können. Und das liegt unter anderem daran, dass Rekrutierungsbemühungen der rechtsextremistischen Szene erfolgreich verhindert werden konnten.
Der Innenminister weist darauf hin, dass es gar keine planmäßige Anwerbung neuer Mitglieder mehr gibt. Diese liefen bei den Ewiggestrigen beispielsweise über Musikveranstaltungen und konnten fast vollständig ausgetrocknet werden. Der Verfassungsschutz bemüht sich, bereits die Bildung kleiner Zellen zu verhindern. Das ist Teil einer bewährten Präventionsstrategie und zeigt jetzt auch Früchte.
tig, wenn sie eine gewisse kritische Masse erreicht haben. Darum ist ein funktionierendes Frühwarnsystem von grundlegender Bedeutung. Genau über das verfügen wir in Schleswig-Holstein. Der Verfassungsschutz verfügt über tiefergehende Kenntnisse der Extremisten, deren Handeln und Strukturen. Das ist sehr, sehr wichtig, um diese zu bekämpfen.
Wünschenswert wäre aber trotzdem eine bessere Markierung extremistischer Gewalttaten. Bislang steht das entsprechende Gesetz der Bundesregierung allerdings noch aus, damit Hassverbrechen von Einzeltätern gekennzeichnet werden können. Wer Ausländer niederknüppelt, muss nicht notwendigerweise zu einer rechtsextremen Organisation oder Kameradschaft gehören, fällt also den Verfassungsschutzbehörden zunächst nicht auf. Trotzdem kann eine solche Tat einen extremistischen Hintergrund gehabt haben. Die personenorientierte Statistik der Polizei muss daher im Sinne einer wirkungsvollen Prävention ertüchtigt werden, damit diese Einzeltäter gar nicht erst zu Vorbildern werden können.
Das gilt natürlich auch für die wachsende islamistisch-extremistische Szene, die bislang in der Polizeistatistik keine Rolle spielt, weil die rechtliche Grundlage fehlt. Der Innenminister gibt bei der islamistisch-extremistischen Szene allerdings Entwarnung. Noch gibt es keine islamistisch-extremistische Organisationen in Schleswig-Holstein. Noch haben wir es mit Einzelpersonen zu tun, wenn auch mit einer erheblichen Zahl von etwa 360 Personen, darunter 230 mit salafistischem Bezug. Und noch gibt es keine stabilen Strukturen.
Damit es gar nicht erst dazu kommt, gibt es eine neue Beratungsstelle in Trägerschaft der Türkischen Gemeinde. Diese soll sich vor allem um junge Menschen kümmern, die in Gefahr sind, sich religiös zu radikalisieren. Bevor sich Menschen in der Abgeschiedenheit radikalisieren, gibt es Anzeichen. Genau diese gilt es zu identifizieren. Es ist also völlig richtig, dass Präventionsarbeit von innen und nicht von außen kommt. Hier gilt das Motto: Wehret den Anfängen. Diese Zusammenarbeit mit der Türkischen Gemeinde halte ich gerade in diesem Bereich für wirklich vorbildlich.
Liegen allerdings extremistische Straftaten vor, geht es darum, zu verhindern, dass aus Tätern auch noch Helden gemacht werden können. Die Justizministerin wird daher die Prävention in diesem Bereich in den Haftanstalten weiter verstärken. Dazu gehören Weiterbildungsprogramme und Sprachkurse für die Vollzugsbeamten. Der Innenminister setzt
einen Islamwissenschaftler ein, der Schriften auswertet, damit die Beamten wissen, womit sie es zu tun haben.
Zu warnen ist allerdings auch vor der Übertragung der Erfahrungen, die der Verfassungsschutz mit links- und rechtsextremistischen Strukturen gemacht hat, auf die islamistisch-extremistische Szene. Insoweit gibt es nach meiner Auffassung durchaus Unterschiede. Aber ich glaube, dass diese Unterschiede in der Bearbeitung berücksichtigt werden.
Die sachkundigen Antworten auf die Große Anfrage zeigen, dass sich sowohl die Vernetzungen ganz anders gestalten als auch die Hierarchien bewusst flach gehalten werden bei den islamistisch-extremistischen Personen. Einflussreiche Islamisten kann man gerade nicht an ihrer Position erkennen, weil sie die Annahme von Ämtern, zum Beispiel in den Moscheevereinen, dezidiert ablehnen. Wer die Fäden in der Hand hält, ist also gar nicht so leicht zu erkennen. Hier muss man in den Gemeinden die Entwicklung genau beobachten.
Zusammenfassend zeigt die Große Anfrage einen gut funktionierenden Verfassungsschutz, der nicht erst tätig wird, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Die gute Präventions- und Netzwerkarbeit der letzten Jahre zahlt sich aus. Die vielen Ehrenamtlichen in Schleswig-Holstein, die sich gerade auf diesem Gebiet engagieren, zeigen, dass Bürgerwille und Bürgerengagement durchaus etwas bewirken können. Deshalb bin ich stolz auf meine Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner.
Es ist beantragt worden, die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage in der Drucksache 18/3054 dem Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dieses einstimmig so beschlossen.
Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/3115