Protokoll der Sitzung vom 18.06.2015

Dieser Austausch auf allen Ebenen und ein tiefer Einblick in die tägliche Praxis der Landespolizei sind und bleiben mir wichtig. Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon einmal morgens um fünf Uhr einen großen Polizeieinsatz auf der Bergstraße oder nachts um drei einen Hotelbrand in Rendsburg mit

erlebt und gesehen hat, wie in wunderbarer Weise unsere Rettungskräfte, Polizei, Feuerwehr, DRK und Ordnungsamt gemeinsam die Dinge regeln. Das ist auch für mich immer wieder neu beeindruckend, was unsere Polizistinnen und Polizisten tagtäglich für uns leisten. Deshalb bin ich nicht nur mit Verstand, sondern auch mit dem Herzen bei all denen, die da draußen tagtäglich ihren Dienst versehen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ebenso selbstverständlich ist es, dass ich mit denen spreche und telefoniere, die sich während dieser Einsätze in der Ausübung ihres Dienstes verletzen.

(Zurufe FDP und CDU)

- Lassen Sie mich doch bitte einmal ausreden. Nicht zuletzt daraus resultiert auch der Besuch auf der Bergstraße, weil es dort einen verletzten Kollegen gegeben hat, der mir über diese Ereignisse und die schwierige Situation dort berichtet hat. Dann ist es auch nur richtig, sich vor Ort selber einen Eindruck zu verschaffen, wie die Situation aussieht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Den regierungstragenden Fraktionen danke ich für die Bestätigung unseres bisherigen und künftigen Handelns und Vorgehens, wie es in dem vorliegenden Antrag zum Ausdruck kommt.

Mit dem Blick nach vorn wünsche ich mir, dass alle, die wir in diesem Bereich Verantwortung tragen, auf allen Ebenen wieder zur Sachdiskussion um die beste Lösung zurückkehren. Notwendige Veränderungen und Reaktionen auf aktuelle Entwicklungen gelingen nur im ehrlichen und fachlichen Dialog von unten nach oben und von oben nach unten. Dies gilt ganz ausdrücklich auch für die wichtigen und unverzichtbaren Interessenvertreter, die ich auf der Tribüne auch ganz herzlich begrüßen möchte.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Gestatten Sie mir einen letzten Hinweis, lieber Herr Dr. Bernstein: Ich würde es ganz ausdrücklich gutheißen, dass Sie, wenn Sie Informationen aus internen Dienstbesprechungen haben möchten, die ich führe, bitte nicht meine Dienststellenleiter anrufen, die im höchsten Maße über diese Art der Informationsbeschaffung irritiert sind, sondern mich doch bitte einfach ansprechen. Mir ist es auch wichtig, mit Ihnen im Gespräch zu sein und ins Gespräch zu

(Minister Stefan Studt)

kommen, um auch da nach der besten Lösung zu suchen. - Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um 10 Minuten überzogen. Diese Zeit steht jetzt auch allen anderen Fraktionen jeweils zur Verfügung.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die FDPFraktion hat nun der Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemessen an der Einwohnerzahl gibt Schleswig-Holstein von allen Bundesländern am wenigsten für die Polizei aus: 121 € je Einwohner im Jahr.

(Zuruf CDU: Unerhört!)

Im Vergleich der Bundesländer weist SchleswigHolstein mit 2,7 Polizeibeamten auf 1.000 Einwohner die drittniedrigste Polizeipräsenz auf.

(Zuruf CDU: Unglaublich!)

Und nun will die Landesregierung hier kürzen: 122 Stellen sollen wegfallen.

Nicht nur die Gewerkschaften warnen, die Kürzungspläne seien Ausdruck einer besorgniserregenden Fehlentwicklung. Ich zitiere den GdP-Landesvize Torsten Jäger:

„Das Innenministerium streut den Bürgern Sand in die Augen, wenn es behauptet, dass mit weniger Personal alles besser wird.“

(Beifall FDP und CDU)

Dabei sind die Anforderungen an die Polizei immer mehr gestiegen. Bei Einbruchdiebstählen rangiert Schleswig-Holstein, gemessen an der Einwohnerzahl, bundesweit unter den „Top 5“ der Bundesländer. Der Schutz von Unterkünften für Asylbewerber und Flüchtlinge bindet weiteres Personal. Zur wirksamen Bekämpfung von Internet-, Serien- und Bandenkriminalität braucht das Land eigentlich 100 zusätzliche Stellen für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Dies sind altbekannte Zahlen und Fakten schon aus dem Vorjahr.

Behördenleiter beginnen bereits, wegen der schon vorhandenen Belastung ihrer Mitarbeiter Alarm zu schlagen. Der Chef der Kieler Polizeidirektion be

klagte Anfang Juni, im Zusammenhang mit Demonstrationen, mit dem Schutz von Staatsgästen und anderen Sondereinsätzen hätten sich in diesem Jahr - es war noch nicht einmal das erste Halbjahr vorbei - bereits so viele Stunden angehäuft, wie im gesamten Jahr 2014. Jede Menge Verfahren blieben deshalb lange Zeit liegen. Ein weiteres Beispiel ist der G-7-Gipfel in Elmau. Rund 600 Polizeibeamte aus Schleswig-Holstein standen deshalb für eine Woche in unserem Land nicht zur Verfügung.

Die Krankenstände erreichen eine Rekordhöhe. Ende des vorigen Jahres war zu hören, dass diese in Kiel mit über 7 % etwa doppelt so hoch liegen wie im Durchschnitt der gesetzlich Versicherten. In zwei Kieler Revieren waren es sogar katastrophale 17 %.

Während die Zahl der Verunglückten im Straßenverkehr im vorigen Jahr um 11 % gestiegen ist, droht nun die Stilllegung von zehn Videowagen der Landespolizei, das ist die Hälfte der in diesem Bereich eingesetzten Fahrzeuge.

Wie reagiert der zuständige Innenminister auf die Hilferufe seiner Landespolizei? - Hilflos. Ratlos.

Während Herr Studt die Lage schönredet, sprechen die Vertreter der Polizeibeamten Klartext. Die Identifikation vieler Polizistinnen und Polizisten mit ihrem Beruf stünde auf dem Spiel, sagt die GdP.

In einer Umfrage bei ihren Kollegen verschickte die GdP 3.000 Fragebögen. 76 % der Antwortenden bezeichneten die Personalsituation bereits jetzt, also vor den geplanten Stellenstreichungen, als „belastend“. Die Verunsicherung ist dabei längst über die Reihen der Polizeibeamten hinaus in der Bürgerschaft unseres Landes angekommen. Ich zitiere:

„Leider müssen wir feststellen, dass offenbar aufgrund der Arbeitsverdichtung auf den Polizeidienststellen die Hinweise an die Opfer auf die Betreuungsmöglichkeiten des WEISSEN RING trotz zunehmender Einbruchdiebstähle rückläufig sind.“

So erklärte sich die Organisation WEISSER RING am 18. März 2015 in der schriftlichen Anhörung zu dem von der FDP-Fraktion beantragen Bericht der Landesregierung über die Entwicklung im Bereich der Einbruchskriminalität. Dieser Brief wurde unterschrieben von Landesvorsitzendem Uwe Döring, ehemals - wie Sie alle wissen - SPD-Justizminister unseres Landes in der Zeit der Großen Koalition.

Scharfe Kritik äußerte auch der frühere SPD-Innenminister Klaus Buß, der sein Amt in der Zeit der Ministerpräsidentin Heide Simonis ausgeübt hat. Er

(Minister Stefan Studt)

sagte: Der geplante Stellenabbau bei der Landespolizei sei ein grober Fehler, denn das Sicherheitsempfinden der Bürger werde dadurch gestört.

(Beifall FDP und CDU)

Wie können also die Sprecher der Ampelkoalition, der Küstenampel - Entschuldigung

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Küstennebel!)

die Kritik an den Stellenabbauplänen als oppositionelle Panikmache abtun, wenn doch genau diese Kritik aus ihren eigenen Reihen kommt?

(Beifall FDP und CDU)

Die lokalen Seiten der schleswig-holsteinischen Zeitungen sind voll von Beiträgen, aus denen die Besorgnis der Bürgerinnen und Bürger angesichts des Rückzuges der Polizei aus dem ländlichen Raum deutlich wird.

Nehmen wir etwa das Beispiel der Kripo-Außenstelle Brunsbüttel, deren Schließung droht. Wegen der dann bei Einsätzen vor Ort anfallenden Fahrzeiten gehen weitere Arbeitsstunden für effektive Fallbearbeitung verloren. Und so wie in Brusbüttel wird das an allen Stellen sein, wo Sie die Ausdünnung in der Fläche so weiterfahren wie bisher.

Hinzu kommt der Verlust an wertvoller Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten. Auch das ist ein wichtiger Punkt, der sich auf die Schlagkraft der Polizei nachteilig auswirkt. Die Ausdünnung der Polizeipräsenz in der Fläche - was heute von der GdP als Zentralisierungswahnsinn bezeichnet worden ist - führt insgesamt dazu, dass Bürger im Notfall länger warten müssen, bis die Polizei vor Ort erscheint. Genau dies darf nicht sein.

(Beifall FDP und CDU)

Die Bildung von Bürgerwehren ist dann die Kehrseite dieser Entwicklung: Zeichen für ein schwindendes Vertrauen der Bürger in die Schutzfunktion des Staates und - wie wir Freie Demokraten meinen - ein gefährliches Signal für einen nicht mehr vollständig funktionierenden Rechtsstaat.

So kann es nicht weitergehen. Die Politik muss dem Einhalt gebieten. Die Landesregierung muss ihren Kurs ändern, sie muss die Abwärtsspirale zulasten der inneren Sicherheit und zulasten des Vertrauens der Bürger in unseren Rechtsstaat stoppen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD, Grünen und SSW: Nehmen Sie sich ein Beispiel! Ich zitiere:

„Die Koalitionspartner werden die Vollzugspolizei von jeglichen Stellenstreichungen ausnehmen...“

So steht es im Hamburger Koalitionsvertrag von SPD und Grünen auf Seite 100. - Danke für die Aufmerksamkeit.