So steht es im Hamburger Koalitionsvertrag von SPD und Grünen auf Seite 100. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Studt, wenn Sie darüber beunruhigt sind, dass ich mit Polizeibeamten in Schleswig-Holstein spreche, kann ich Sie gern weiter beunruhigen: Ich spreche fast täglich mit Polizeibeamten in Schleswig-Holstein, und das aus gutem Grund.
Denn die Schnittmenge zwischen dem, was Sie hier dargestellt haben, und dem, was Wahrnehmung in unserer Landespolizei ist, ist überschaubar. Da gibt es durchaus sehr unterschiedliche Wahrnehmungen. Die Presseveröffentlichungen der vergangenen Wochen „Aufstand gegen den Innenminister“, „schlechtester Innenminister, den das Land je hatte“ - fallen ja nicht vom Himmel.
Es gibt natürlich die Erwartungshaltung, dass sich ein Innenminister des Landes Schleswig-Holstein für seine Landespolizei einsetzt, auch gegenüber den eigenen Regierungsfraktionen.
Hier wird nicht erwartet, dass ein Innenminister für die Galerie arbeitet. Die Performance, die Sie abgeliefert haben, wird auch nicht besonders nach oben schnellen dadurch, dass Ihre Reden jetzt in der SPD-Fraktion Korrektur gelesen werden. Es geht doch darum, dass Sie die Belange, die die Polizistinnen und Polizisten in Schleswig-Holstein umtreibt, ernst nehmen und dass Sie sie vertreten. Dass es am Ende im Kabinett oder in den Regierungs
fraktionen andere Beschlüsse geben kann, ist doch selbstverständlich; das ist nicht das Thema. Aber ein Innenminister, der gar nicht erst den Eindruck erweckt, dass er an der Seite seiner Polizei stehen würde, wenn es um Stellen oder um den Rechtsrahmen geht, der verliert Vertrauen. Herr Studt, das ist Ihr Problem, dass man Ihnen nicht traut.
Wenn ich mir den Antrag der Regierungsfraktionen angucke, der uns gestern auf den Tisch geflattert ist, stelle ich zunächst einmal fest - das ist interessant -, dass Sie auf Organisationsleitlinien Bezug nehmen, die dem Landtag noch gar nicht vorliegen. Ich finde es schön, wenn die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Regierungsfraktionen so gut funktioniert, dass Sie die kennen. Ganz hervorragend, Herr Stegner.
Es ist erfreulich, wenn es jetzt Organisationsleitlinien gibt. Die haben ja eine lange Geschichte. Mal gab es einen Entwurf, dann gab es keinen Entwurf mehr, dann gab es einen Gedankensplitter, dann gab es auch keinen Gedankensplitter mehr. Wenn jetzt etwas vorliegt, ist es schon einmal nicht schlecht, dass es eine Grundlage gibt, auf der diskutiert werden kann. Es wäre nett, wenn Sie die uns auch offiziell zur Verfügung stellen. Ich hoffe, dass das, was mir vorliegt, etwas mit dem zu tun hat, was Sie am Ende in Kraft setzen wollen.
Wenn wir das Loblied der Koalitionsfraktionen auf die Landesregierung in Ihrem Antrag auseinandernehmen, bleibt nicht sonderlich viel übrig von dem, was Sie an Eindruck zu erwecken versuchen. Denn sie sagen: Wir werden dem Innenminister genau auf die Finger gucken, dass es keine Personalkürzungen gibt, ohne dass Aufgaben abgebaut werden, oder keine neuen Aufgaben ohne neues Personal - dann allerdings, wenn alles, was bisher im Gespräch war, abgearbeitet ist.
Das bedeutet konkret: Sie haben seit Beginn dieser Legislaturperiode 50 Polizeidienststellen geschlossen. Das bedeutet, dass 31 weitere Polizeidienststellen zur Disposition stehen. Das bedeutet, dass an der Kürzung - Sie sprechen fälschlicherweise nach wie vor von 122 Stellen, de facto sind es 342 Stellen, die Sie kürzen wollen - nichts geändert wird, dass am Abzug von über 60 Stellen von 260 Stellen der Wasserschutzpolizei nichts geändert wird und
Sie versteigen sich auch noch zu der Aussage, es werde nichts im unmittelbaren Aufgabenvollzug passieren. Das möchte ich mir einmal angucken: Wenn Sie von 265 Wasserschutzpolizisten 63 abziehen, ohne dass im Aufgabenvollzug etwas passiert, ist es zu billig, auf die Präsenzboote zu verweisen. Sie wissen sehr genau, dass die Wasserschutzpolizei Aufgaben in den Häfen, bei der Kontrolle von Fahrzeugen, beim Fährverkehr übernimmt, wo selbstverständlich nicht mehr das geleistet werden kann, was heute zu leisten ist.
Sie wissen auch, dass Sie in diesem Bereich mit Aufgabenabbau nicht weit kommen werden. Denn weil die Wasserschutzpolizei im maritimen Bereich die einzige Landesbehörde ist, die wir auf See haben, wird da nichts zu finden sein, was Sie ohne gesetzliche Grundlage streichen können.
Das nächste Beispiel ist die Verkehrsüberwachung. Natürlich wird hier im Aufgabenvollzug einiges schlechter werden, wenn Sie das Personal reduzieren, wenn Sie die Anzahl der Fahrzeuge, die auf Autobahnen und Bundesstraßen unterwegs sind, reduzieren. Gerade vor dem Hintergrund der Verkehrsunfallstatistik ist das eine unverantwortliche Entscheidung.
Vor welchem Hintergrund führen wir die Debatte überhaupt? Wir führen sie vor dem Hintergrund eines öffentlichen Hilferufs von Dienststellenleitern in der Presse - an sich schon ein einmaliger Vorgang. Der Hintergrund dafür ist eine hohe Dauerbelastung unserer Polizei, nicht nur im ersten Halbjahr dieses Jahres durch einige Groß- und Sonderlagen, sondern im ganz normalen Regelbetrieb, die sich auch in einem hohen Krankenstand ausdrückt, der deutlich höher ist als in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Die zahlreichen Sonderlagen, die Sie zu Recht angesprochen haben, kommen noch obendrauf.
Wir stehen im Wettbewerb um Nachwuchs für die Landespolizei, nicht nur mit anderen Polizeibehörden, sondern natürlich auch mit vielen anderen Wirtschaftszweigen. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch Wege finden, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte besser zu machen als in der Vergangenheit. Und das wollen Sie bewerkstelligen, indem Sie Stellen kürzen? - Da bin ich sehr gespannt.
Sie haben keine Antwort darauf, wie Sie mit den Strukturen, die Sie anstreben, der zunehmenden Respektlosigkeit und Gewaltbereitschaft gegenüber unserer Polizei begegnen wollen.
Die Landesregierung, SPD, Grüne und SSW gehen unreflektiert davon aus, dass man all diese Anforderungen an eine Landespolizei bewältigen könne, wenn man sie nur effizient genug organisiere. Wenn ein Organisationserlass - wenn das Papier, das ich kenne und das möglicherweise der Organisationserlass ist, den Sie den Regierungsfraktionen gegeben haben - Ihre Antwort ist, setzen Sie auf Einheitlichkeit, auf Vergleichbarkeit, auf Standardisierung und auf innerbetriebliche Bewertungsmaßstäbe. Das ist Ausdruck einer technokratischen Sichtweise, die verkennt, dass jede Dienststelle und jede Abteilung in der Polizei eine individuelle Eigenpersönlichkeit ist und individuellen Anforderungen gerecht werden muss.
Heterogenität, Flexibilität und Bürgernähe zeichnen unsere Polizei bis heute aus. Sie werden zugunsten einer „gerechten“ Ressourcenverteilung geopfert. Im Klartext heißt das nichts anderes: Bürgernähe, Ortskenntnis und Einbindung von Beamten in das örtliche soziale Umfeld werden zugunsten einer gleichmäßigen Verteilung des Mangels aufgegeben. Das ist der entscheidende Fehler.
Unser Leitbild bleibt die bürgernahe und ortsnah verwurzelte Präsenzpolizei. Sie passt nicht in das Schema einer betriebswirtschaftlich optimierten Konzernstruktur. Wir brauchen die Motivation, die Kameradschaft, das Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein und auch den Idealismus der Beamtinnen und Beamten. All das lässt sich nicht von oben verordnen, und all das steht in keiner Akte, Herr Studt.
Wir haben uns vor diesem Hintergrund entschlossen, einen eigenen Antrag in die Parlamentsberatung heute einzubringen, um noch einmal ganz deutlich zu machen, dass es nicht um die Frage geht, ob Sie einen Konsens über die Verteilung des Mangels geschaffen haben, der von oben vorgegeben wurde. Der entscheidende Punkt ist, dass Sie diesen Mangel verursachen, und das lehnen wir ab.
Der Grundfehler bleibt. Personalkürzungen sind ein verheerendes Signal an eine permanent am Limit laufende Landespolizei. Die von uns geforderten zusätzlichen 160 Stellen sind kein Luxus, sondern sie machen die Wahrnehmung des heutigen tagtäglichen Aufgabenbestandes erträglicher. Wenn Sie davon sprechen, es werde Aufgabenreduzierung geben, empfehle ich einen Blick in die heutige Ausgabe der „Segeberger Zeitung“, in der das Modellprojekt zur Vereinfachung von Schwertransporten ohne Polizeibegleitung offensichtlich vorzeitig eingestampft wurde. Auf weitere so spannende Vorschläge sind wir neugierig.
Wir fordern Sie auf, Herr Innenminister: Sorgen Sie dafür, dass die Verschlechterung der Kontrolldichte bei der Überwachung des Verkehrs auf Autobahnen und Bundesstraßen nicht erfolgt. Auf die Unfallstatistik habe ich verwiesen.
Sorgen Sie dafür, dass die Wasserschutzpolizei handlungsfähig bleibt. 65 von 265 Stellen zu streichen - ohne Aufgabenstreichung! -, das ist für das Land zwischen den Meeren eine Farce.
Sorgen Sie für Bürger- und Ortsnähe nicht nur auf dem Land. Auch in städtischen Bereich ist dies von Bedeutung.
Sorgen Sie dafür, dass Spielräume für wirksame Präventionsarbeit erhalten bleiben, und legen Sie ein schlüssiges Konzept für den steigenden Aufwand aufgrund zusätzlicher zentraler Flüchtlingsunterkünfte auf den Tisch.
Legen Sie dar, wie Sie die Qualität und Verfügbarkeit der IT in der Polizei sicherstellen wollen. Ich finde schon bemerkenswert, dass Sie die 60 Stellen, die von Ihnen sozusagen als Gegenfinanzierung für den Fall, dass Dataport beauftragt wird, herangezogen werden, nicht bei den Stellenkürzungen berechnen; das ist eine andere Diskussion. Es ist schon sportlich, dass Sie, ohne dass eine detaillierte Ausschreibung vorliegt, ohne dass ein Konzept vorliegt, davon ausgehen, man werde das im Rahmen von 30 Stellen schon hinbekommen. Was machen Sie denn, wenn das nicht aufgeht? Dann geht die ganze Diskussion von vorn los. Dann sind es vielleicht nicht 30 oder 60 oder 90, sondern 120 Stellen. Das ist doch alles auf Sand gebaut, was Sie hier vorlegen.
Die bisher bekannten Entscheidungen - ich sage das mit aller Vorsicht; wie gesagt, die Dokumente liegen uns förmlich noch nicht vor -, die bisher geplanten Entscheidungen der Landesregierung sind eben gerade kein Konzept. Sie sind letztlich Ausdruck mangelnder Wertschätzung für die Arbeit unserer Landespolizei.
In unserem Antrag, der - noch einmal: wie in den Haushaltsberatungen und im Nachtragshaushalt dargelegt - gegenfinanziert ist und für dieses Haus ohne Probleme umsetzbar wäre, finden Sie das Gegenmodell, den Einstieg in die Schließung der strategischen Lücke, den Verzicht auf Streichung des Personals bei der Polizei. Ich verweise noch einmal darauf: Dann reden wir darüber, dass wir eine halbwegs auskömmliche Bestandsgröße für den Normalbetrieb haben, dann reden wir noch nicht über neue Herausforderungen in der Zukunft und reden noch nicht über Sonderlagen, sondern über das,