Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

(Beifall Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Wir Schleswig-Holsteiner profitieren sehr stark von offenen Grenzen zu Dänemark. Mehrere tausend Menschen wohnen in dem einen Land und arbeiten in dem anderen. Wir machen Ausflüge nach Dänemark, wir gehen auf der anderen Seite der Grenze einkaufen, oder wir feuern - die Kieler hören jetzt einmal weg - gemeinsam unsere SG Flensburg Handewitt an.

Durch die Pläne der neuen rechtskonservativen Parlamentsmehrheit im dänischen Folketing, die Grenzkontrollen zu verschärfen, wird das falsche Signal gesendet. Statt mehr Kooperation ist Abschottung die Antwort der neuen dänischen Mehrheit.

Es ist richtig, dass der neue dänische Außenminister, Kristian Jensen, angekündigt hat, Verschärfungen von Grenzkontrollen nur im Rahmen der Schengen-Kooperation zuzulassen. Permanente Grenzkontrollen, so scheint es, sind vorerst vom Tisch. Allerdings bleiben wir skeptisch. Wir erwarten von der dänischen Regierung - auch wenn dies nicht unser Anspruch daran ist, wie man mit offenen Grenzen umgeht -, dass sie dieses Versprechen in den nächsten Jahren einhalten wird. Die dänischen Rechtspopulisten fordern bereits jetzt, nachdem der dänische Außenminister das angekündigt hat, dass die Bevölkerung über weitere Verschärfungen abstimmen soll. Vorbild dafür ist Großbritannien, das mit der Union andere Zollabkommen hat als die restliche Europäische Union.

Das alles passt ganz gut in die Strategie der neuen rechtskonservativen dänischen Regierungsmehrheit, die sich in der Europapolitik grundsätzlich stärker an David Cameron orientieren will. - Bei mir ist der

(Birte Pauls)

Zeitmesser ausgegangen. Deswegen rede ich einfach so lange, wie ich reden will.

(Heiterkeit - Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Wie diese Debatte über die künftige EU-Politik in Dänemark ausgeht, ist noch nicht entschieden. Es wäre sicherlich nicht das erste Mal, wenn eine nationalistische Politik der dänischen Rechtspopulisten, die zurzeit doch keine Mehrheit im Parlament hat, am Ende doch wieder mehrheitsfähig würde.

Selbst wenn die Ankündigungen des dänischen Außenministers eingehalten werden, reden wir über Verschärfungen, die zumindest wir Grüne nicht wollen. Wir wollen keine Verschärfungen, auch wenn sie innerhalb der Schengen-Kooperation möglich sind. Wir wollen keine verschärften Stichprobenkontrollen vom Zoll. Wir wollen auch keine Kennzeichenerfassung per Videoüberwachung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PIRATEN)

Einmal wieder sollen Freiheitseinschränkungen die Antwort sein. Dazu sagen wir Nein.

Es ist ein Kniefall vor dänischen Rechtspopulisten und deren leider zu oft erfolgreichen antieuropäischen Stimmungsmache.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, die Kollegin Pauls hat Sie schon darauf hingewiesen: Es sind leider Ihre dänischen Schwesterparteien, die mit Dansk Folkeparti eine Regierungsmehrheit haben. Ich finde es sehr gut, wie Sie, Frau Damerow, und auch Sie, Herr Klug, sich hier positioniert haben. Ich bitte Sie wirklich, die Gespräche mit Ihren dänischen Kollegen zu führen. Ein paar, die das in Ihrer Partei tun, haben Sie positiv hervorgehoben. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung. Ich glaube, dass die dänischen Liberalen und Konservativen sicherlich eher auf Sie hören werden als auf grüne Stimmen in dieser Debatte.

Aus unserer Sicht geht es nicht nur um die Frage der Grenzkontrollen, sondern um ganz viele Kooperationen im deutsch-dänischen Grenzland. Es geht darum, den gemeinsamen Arbeitsmarkt auszubauen. Es geht darum, unsere Tourismusregion zu stärken, für die das sehr negative Effekte haben wird, wenn das alles so kommt.

Es geht aber auch um die Hochschulkooperation. Der Kollege Klug hat sie angesprochen. In Ergänzung könnte man sagen, dass Dänemark vor einer Universitätsreform steht. Dort könnte eine Zentrali

sierung im Hochschulsystem bevorstehen. Die alte dänische Regierung hat begonnen. Die neue hat viele Grundlagen übernommen. Es ist noch nicht klar, was das für die deutsch-dänische Zusammenarbeit im Hochschulsektor bedeutet. Auch da wollen wir mehr Europa, wir wollen mehr grenzüberschreitende Projekte und nicht weniger.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Es geht also nicht einfach nur um ein paar mehr Zollbeamte an irgendeinem Grenzhäuschen, sondern es geht darum, ob wir in den nächsten Jahren weiter Gemeinsamkeiten ausbauen wollen. Wir als Koalition, wir als Landtag wollen das ganz bestimmt. Wir hoffen, dass das auch weiterhin eine Mehrheit in Dänemark will.

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich bin bei meinem letzten Satz. - Dazu müssen wir uns aber auch im Detail mit allen Aspekten auseinandersetzen. Deshalb der Antrag auf Überweisung an den Europaausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Für die Fraktion der PIRATEN hat die Frau Kollegin Angelika Beer das Wort.

Ich sehe gerade, dass offensichtlich die Zeitanzeige am Rednerpult nicht funktioniert. Möglicherweise kann das repariert werden. Wir im Präsidium können die Zeit lesen. Ich werde mich dann sehr deutlich bemerkbar machen. Sie selber haben aber keinen Anhaltspunkt. - Sie haben aber auf jeden Fall erst einmal das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Ich versuche erst einmal, den Konsens herauszuarbeiten. Alles, was Rasmus Andresen eben gesagt hat, was die Grünen nicht wollen, wollen wir auch nicht. Alles, was er gesagt hat, für die Verbesserung der Zusammenarbeit positiv ausgedrückt, wollen wir auch. Auch mit den Antragstellern - in der Zwischenzeit sind es FDP und CDU - gibt es eine Ge

(Rasmus Andresen)

meinsamkeit - das ist wichtig -: Auch wir fordern ein Europa ohne Grenzen.

(Beifall PIRATEN, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Gerade weil es so ist und weil wir über unseren Nachbarn im Norden reden, muss ich mich mit dem Antrag und der Formulierung auseinandersetzen. Ich kann nur davor warnen, mit falschen Formulieren, falschen Behauptungen und Polemik das Verhältnis zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark zu gefährden. 2015 ist eben nicht 2011. Die Situation ist unterschiedlich.

Deswegen habe ich mich Folgendes gefragt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Ihr Antrag trägt das Datum 2. Juli 2015. Warum haben Sie nicht längst Stellungnahmen auf „SPIEGEL-ONLINE“ oder von Lars Løkke Rasmussen gelesen, die deutlich vorher veröffentlicht wurden, in denen gesagt wurde, dass es eben nicht um die generelle Einführung von Grenzkontrollen gehe, sondern man das Schengener Abkommen berücksichtigen werde?

Herr Kollege Dr. Klug, wir haben in Brüssel darüber gesprochen. Es ist hier gesagt worden. Auch die Kommission hat gesagt, dass sie sehr genau verfolge, was jetzt auf dänischer Seite passiere. Sie hat aber auch gesagt, dass es derzeit keine Hinweise darauf gebe, dass Schengen verletzt würde. Deswegen bin ich eher dafür, in einem Antrag korrekt zu formulieren. Es wird nicht besser dadurch, dass die CDU jetzt als Antragsteller mit darauf steht. Sie sagen unter Punkt zwei:

„Der Schleswig-Holsteinische Landtag bedauert die erneute Ankündigung der dänischen Regierung, permanente Grenzkontrollen … einzurichten.“

Wir sollten differenzierter sein, um im Dialog mit unseren dänischen Nachbarn deutlich zu machen, warum bestimmte Maßnahmen aus unserer Sicht negativ in der Entwicklung sind, und trotzdem deutlich zu machen, dass wir verdammt froh sind, dass sich die Rechtspopulisten mit vielen ihrer europafeindlichen und ausländerfeindlichen Forderungen eben nicht durchsetzen konnten.

(Beifall PIRATEN)

Wir reden hier zwar über Schleswig-Holstein und Dänemark, aber ich finde, um dann aufrichtig zu sein, muss man sagen: Wir haben gerade den 30. Jahrestag des Schengener Abkommens, das Jubiläum, besonders gewürdigt, auch hier in Schleswig-Holstein, weil es eine der konsequente

sten Umsetzungen und zugleich eine der wichtigsten Säulen des europäischen Gedankens ist.

Wir sind überzeugt, dass es gerade angesichts der Flüchtlingswanderungen die Humanität gebietet, den Europäischen Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts nicht nur zu bewahren, sondern zu verteidigen. Dies gilt nicht nur für unsere Nachbarn im Norden, sondern für ganz Europa. Deswegen habe ich mich über die Rede von Astrid Damerow hier heute gefreut. Es ist für mich dann trotzdem ein Widerspruch zur Positionierung der CDU- und CSU-Kollegen aus dem Bundestag, die das 30-jährigen Jubiläum des Abschlusses des Schengen-Abkommens zum Anlass genommen haben, eine generelle Verschärfung von Schengen zu fordern und anzuregen. Das steht diametral dem entgegen, was wir hier gerade von der CDU auf Landesebene gehört haben.

Wir machen uns Sorgen über die Renationalisierung Europas. Wir wissen, dass es jetzt wieder eine rechtsextreme Fraktion im Europaparlament gibt, die sich äußerst aggressiv gegen Minderheiten, gegen Kollegen, gegen jeden Gedanken der Gemeinschaftlichkeit in Europa positioniert. Deswegen möchte ich auch an dieser Stelle noch einmal an unsere dänischen Kollegen die Bitte richten: Überlegen Sie gut und nachhaltig, ob Sie nicht zum Beispiel mit der angekündigten Kürzung der Unterstützung für Asylbewerberinnen und Asylbewerber das falsche Zeichen setzen. Denn das, was die Rechtsextremisten besonders gut verstehen und was sie auch schon versuchen, ist eine Verzahnung, eine Kooperation zwischen ausländerfeindlichen Bestrebungen in Dänemark und hier bei uns in SchleswigHolstein. Das müssen wir versuchen zu verhindern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Für die Kolleginnen und Kollegen des SSW hat Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An dieser Stelle sind wir uns alle hier im Haus - glaube ich - einig. Eine permanente, technologisch hochgerüstete Zollkontrolle an den Grenzübergängen zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark ist keine gute Idee. Sie widerspricht nicht nur dem europäischen Grundgedanken der offenen Grenzen, sondern es würde

(Angelika Beer)

auch den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, die Wirtschaft, den Tourismus sowie das kulturelle Zusammenleben der deutsch-dänischen Grenzregion in Mitleidenschaft ziehen.

Das größte Problem wäre dann jedoch nicht unbedingt vor unserer eigenen Haustür zu finden, sondern vielmehr wäre es eine Konstellation, durch die andere Mitgliedstaaten längst zum Nachahmen animiert wurden. Wir müssen uns vor Augen führen, dass es in dieser Frage nicht nur um unsere Lebensqualität geht, sondern um die in der gesamten Europäischen Union. Was wir als SSW klar ablehnen, ist eine allumfassende Vorratsdatenspeicherung, wie etwa durch das Scannen von Kraftfahrzeugkennzeichen,

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

beispielsweise bei der Fahrt über die Grenze. Dadurch könnten Bewegungsprofile erstellt und weitergegeben werden. Solche oder ähnliche Bestrebungen sorgen bei uns aber vor allem für eins: nämlich für Bauchschmerzen. Entscheidend für uns als SSW ist dabei nicht die Technik, sondern wie sie genutzt wird.

Im Allgemeinen lässt sich derzeit feststellen, dass das Bestreben, die Grenzen wieder hochziehen zu wollen, auch anderswo vorhanden ist, darunter auch bei uns in Deutschland, was diese Thematik nicht unbedingt einfacher macht. Eben einmal so mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, ist daher vielleicht zu kurz gedacht. Was wir jedoch in diesem Fall auch zur Kenntnis nehmen müssen, ist, dass die Regierung in Kopenhagen klare Aussagen getroffen hat und sich allemal an das Schengener Abkommen halten wird.

(Beifall Lars Harms [SSW])

Diese Zusage wurde von Venstre gegeben. Natürlich liegt es in der jeweiligen Souveränität eines Staates, über mögliche Details im Zusammenhang mit seinen Außengrenzen zu entscheiden. Wir können auch feststellen, dass sich die Polizeidienststelle in Padborg etabliert hat und tadellos agiert. Tagtäglich arbeiten dort deutsche und dänische Polizisten in gemischten Teams zusammen. Diese Zusammenarbeit hat sich bewährt, und an dieser wollen wir als SSW auch in Zukunft gern festhalten.

(Beifall SSW)

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass eine außerordentlich breite Mehrheit in Dänemark den Wunsch hat, die Kriminalitätsbekämpfung an der Grenze effektiver zu gestalten. Wir können nur