Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete und zum Teil liebe Gäste oben auf der Tribüne, die nichts sehnlicher erwarten als die Abstimmung heute! Ich muss ein bisschen Wasser in den Wein gießen. Ich fange einfach einmal an.
Die letzte mündliche Anhörung zum Gesetz zur Errichtung einer Pflegekammer fand nach dem Motto: „Augen zu und durch“ statt, aber mit der Erkenntnis, dass selbst Befürworter der künftigen Kammer - hier sei beispielhaft der Landespflegerat genannt - den Gesetzentwurf in Teilen als problematisch ansahen. Er sieht beim Verhältnis der Fachkräfte zu den Hilfskräften durch die Pflegekammer Probleme. Fachkräfte müssen Mitglied sein, Hilfskräfte können Mitglied sein. Beide sind bei der Kammerwahl wahlberechtigt, die Wählbarkeit besitzen jedoch nur die Fachkräfte. Also gibt es Mitglieder erster und zweiter Klasse in dieser neuen Kammer.
teure Computersoftware und eine unkalkulierbare finanzielle Absicherung der Gründungs- und Werbungskosten. Die Pflegekammer wird mit einem großen Schuldenberg an den Start gehen, denn das Land will und sollte sich nicht an den entstehenden Errichtungskosten für diese Kammer beteiligen.
Die Gesamtkosten der Einrichtungsphase, die an die 30 Monate dauert, werden auf knapp 730.000 € geschätzt. Die Kosten sind mit Fremdkapital vorzufinanzieren und aus den späteren Beitragszahlungen der Mitglieder zu decken, sie gehen also auf Kosten der Pflegenden. Die Kritiker der Kammer wurden im Laufe des Verfahrens nicht weniger, wie man es meinen sollte. Nein, es wurden im Gegenteil immer mehr. Die Gewerkschaften ver.di und komba und auch der Deutsche Gewerkschaftsbund halten überhaupt nichts von dieser Zwangskammer. Das gilt auch für den SPD-Kreisverband Schleswig-Flensburg von Frau Pauls.
„Die von der Landesregierung SchleswigHolstein geplante Pflegeberufekammer verfehlt ihre Wirkung in jedweder Ausrichtung und hilft nicht den Beschäftigten in den Pflegeberufen.“
„Die geplante Kammer schafft keine besseren Rahmenbedingungen. Für die langfristige Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege stehen der Pflegekammer keine wirksamen Instrumente zur Verfügung.“
Das sagt ver.di Nord, meine Damen und Herren. Unbestritten ist auch die direkte und unmittelbare Konkurrenz der Zwangsmitgliedschaft zur freiwilligen Mitgliedschaft in den Gewerkschaften. Zudem sieht ver.di die geplante Regelung, die Solidarität und die Kooperation innerhalb der Pflegeberufe auch mit den anderen Gesundheitsfachberufen als gefährdet an.
Ein weiterer großer Kritiker ist die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände. Mitglieder sind die AWO, die Caritas, der Paritätische Wohlfahrtsverband, das DRK, die Diakonie und auch die jüdische Gemeinde. Die Vertreterin der LAG beklagte während der Anhörung im Ausschuss, dass auch kirchliche Belange keine Berücksichtigung fänden und dass die Qualitätsentwicklung und die berufliche Fortbildung ohne eine
Einbeziehung der Arbeitgeber wenig sinnvoll seien. Besonders erwähnen möchte ich die fast 800 Schreiben, die seit 2013 beim Landtagspräsidenten eingegangen sind. Sie alle haben den Inhalt:
„Ich möchte mich ausdrücklich von der möglichen Einrichtung einer Pflegekammer mit Zwangsmitgliedschaft distanzieren. Dies geschieht gegen meinen ausdrücklichen Willen und gegen meine beruflichen und persönlichen Interessen.“
Das sind fast 800 Schreiben, die von den regierungstragenden Fraktionen nicht beachtet werden; ebenso wenig wie die Einwände der übrigen Kritiker und Gegner, von den zahlreichen Demonstrationen vor dem Landeshaus vor knapp zwei Monaten einmal ganz abgesehen. Unbestritten ist, dass die Qualität der Pflege und der Ausbildung gesichert werden muss, dass die Anforderungen steigen und dass die körperlichen Arbeitsbelastungen nicht dazu führen dürfen, dass immer mehr Pflegekräfte vorzeitig aus ihrem Beruf aussteigen wollen. Fakt ist: Die Pflege braucht eine gute Anerkennung und vor allem eine hohe Wertschätzung und eine gute Bezahlung.
Aber hierauf hat die Pflegekammer keinen Einfluss. Eine wesentliche Aufgabe der Kammer wird die intensive Beschäftigung mit sich selbst
und mit dem intensiven Aufbau von zusätzlicher und unnötiger Bürokratie für alle Beteiligten sein. Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie am besten die Koalition. Wir bleiben deshalb dabei: Wir lehnen die Pflegekammer ab, weil sie sich als wirkungsloser Placebo entpuppen wird. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Birte Pauls das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist ein historischer Tag für die Pflege in Schleswig-Holstein.
In den letzten 30 Jahren wurde die Forderung der beruflichen Pflege immer intensiver, und nach sechs Jahren politischer Diskussion hier im Landtag und nach zustimmender Umfrage im Landtag bringen wir heute nach Rheinland-Pfalz die zweite Pflegekammer in Deutschland auf den Weg. Aber ich prophezeie Ihnen: Es wird nicht die letzte sein. In Niedersachsen befindet sich der Gesetzentwurf in der Anhörung, in Bayern und in Berlin gab es ebenfalls zustimmende Umfragen, die laut CDU-Gesundheitssenator verpflichtend ist. In NRW und in Brandenburg beschäftigt man sich ebenfalls damit. Es gibt Fördervereine, Unterschriften werden gesammelt, und in den sozialen Netzwerken finden sich entsprechende Foren, wie zum Beispiel von ver.di-Mitgliedern pro Pflegekammer.
Nur eine Kammer, in der alle Berufsangehörigen vertreten sind, schafft die notwendige Verbindlichkeit und die demokratische Legitimation, für die Pflegeberufe zu sprechen. Das ergab unter anderem die sehr positive schriftliche Anhörung.
Wir brauchen eine Selbstverwaltung durch die Experten aus den eigenen Reihen; denn wer, wenn nicht die Pflegenden selbst, weiß am besten, was gute Pflege wirklich ist und vor allem wie sie organisiert wird - ganz auf Augenhöhe mit den anderen Heilberufen, bei denen es selbstverständlich ist, dass sie ihre Geschicke selbst regeln? Das hat niemand, auch nicht aus Ihren Reihen, jemals irgendwie infrage gestellt. Zukünftig werden also nicht länger alle nur über die Pflege reden, sondern endlich mit der Pflege sprechen müssen, und das ist gut so.
Mit diesem Gesetz haben wir ausschließlich die Qualitätssicherung und die Wahrung der Interessen der beruflichen Pflege im Fokus gehabt. Dass genau das aber einigen nicht passt, ist uns bewusst gewesen. Das ist uns klar, aber die Pflegenden mussten in der Vergangenheit schon viel zu lange und viel zu oft auf die Drittinteressen anderer Rücksicht nehmen. Der heutige Beschluss ist deshalb ein Meilenstein zur Stärkung der Pflegeberufe, und genau das wollen wir. Wir machen endlich Schluss mit der ewigen Fremdbestimmung der Pfle
ge und organisieren die Selbstverwaltung. Dabei sind wir übrigens in bester Gesellschaft mit vielen anderen Nationalstaaten, die uns zeigen, dass es im Dreiklang mit starken Gewerkschaften, Berufsverbänden und der Selbstverwaltung eine bessere Stellung in der Gesellschaft geben kann und dass somit auch die Rahmenbedingungen verbessert werden können.
Ich hätte mir wirklich sehr gewünscht, dass die Oppositionsparteien an dieser Stelle einmal nicht reflexartig mit Nein stimmen, sondern dass wir uns wie in Rheinland-Pfalz gemeinsam um die Pflege geschart hätten. Das ist sehr schade. Nun machen wir das allein, aber wir machen es.
Bedanken möchte ich mich gern bei all denjenigen, die sich zum Teil sehr kritisch, aber immer konstruktiv an den Debatten beteiligt und in den letzten Monaten unter anderem auch in den vorbereitenden Arbeitskreis eingebracht haben. - Herzlichen Dank dafür.
Eines habe ich im Laufe der vielen Diskussionsrunden quer durchs Land festgestellt: Je besser der Informationsstand ist, desto höher ist auch die Zustimmung zur Kammer. Mit den mit purer Absicht und aus Eigennützigkeit durch Kammergegner gestreuten Vorurteilen und Falschinformationen oder aber auch durch zurückgehaltene Informationen hat man die Pflegenden verunsichert. Ich finde, das hat die Pflege nicht verdient. Aber damit ist jetzt Schluss, denn der jetzt zu gründende Errichtungsausschuss hat die Pflegenden zukünftig zu informieren. Ein Blick auf die Homepage der Pflegekammer Rheinland-Pfalz zeigt, wie hervorragend und respektvoll und auf Augenhöhe das gehen kann.
Dieses Pflegeberufekammergesetz wird die Pflege und ihre Qualität in Schleswig-Holstein nachhaltig sichern. Erstmalig bekommen die Pflegenden nämlich einen eigenen Ansprechpartner, der nur ihre Interessen vertritt und nur sie berät und organisiert, auch in Sachen Fort- und Weiterbildung. Daten zur Entwicklung des Berufsstands werden gesammelt, und auf alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche, die die Pflege betreffen, kann eingewirkt werden. Das Ganze geschieht immer demokratisch legitimiert, weil alle in Schleswig-Holstein tätigen Berufsangehörigen durch die Kammer vertreten werden. Wir haben für die wichtige Gruppe der Assistenzberufe eine freiwillige Mitgliedschaft ermöglicht. Wir führen die berufliche Pflege, die größte Gruppe im Gesundheitssystem, zusammen und ver
leihen ihr somit endlich eine gemeinsame starke Stimme. Nur die Mitglieder allein entscheiden, wie hoch der viel diskutierte steuerlich absetzbare Kammerbeitrag sein wird, der sich selbstverständlich nach dem Einkommen richtet und nicht nach Ihren komischen Pressemitteilungen.
Jetzt ist Schluss mit Sonntagsreden und Fremdbestimmung. Jetzt geht es endlich los, und ich freue mich sehr, dass ich daran mitwirken durfte. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir uns in zehn Jahren fragen werden, warum wir genau das nicht früher gemacht haben. Wenn ich mir mein Horoskop von heute ansehe, dann gibt mir das recht. Da steht nämlich: Die Ereignisse dieses Tages haben langfristig gesehen positive Folgen. - Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank. Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag für Schleswig-Holstein, und es ist ein ganz besonders guter Tag für die Pflege.
Die Pflegekammer Schleswig-Holstein kommt, und wir alle werden gleich grünes Licht für die Pflegekammer geben. Volle Kraft voraus für mehr Selbstbestimmung und eine eigene Stimme für die Pflege.
Die Küstenkoalition ergreift diese Chance für die Pflege. Das ist wichtig in einer älter werdenden Gesellschaft. Die fehlenden Alternativvorschläge der Opposition möchte ich heute nicht mehr kommentieren, das haben wir in den letzten Monaten ausführlich getan. Das würde der guten Stimmung Abbruch tun.
Ich freue mich sehr über die Pflegekammer. Der Weg dorthin war lang. Wir haben gründlich am Fundament gearbeitet und viele Fachgespräche und Diskussionen geführt.