Und der DGB-Vorsitzende sitzt auf der Tribüne. Ihr einziger Beitrag zu guter Arbeit ist allen Ernstes, dass Sie über eine Bundesratsinitiative den Mindestlohn schleifen wollen. Oder: In Ihrem famosen Beirat zum mittelstandsfreundlichsten Bundesland verzichten Sie ganz zufällig auf die Arbeitnehmervertreter, und da ruft jemand von der FDP auch noch dazwischen, das ginge Arbeitnehmervertreter auch gar nichts an. Das ist ein tolles Verständnis, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist eine Arbeitgeberkoalition.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Die Menschen, von denen Sie sagen, dass sie aufpassen müssen, dass sie nicht zu den Protestparteien gehen, die wollen von Ihnen mehr haben als Worthülsen aus der PRKiste und facebooktaugliche Schönwettertermine. Das ist nämlich das, was Sie tun.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich auf das eigentliche Thema heute zurückkommen, denn irgendjemand muss ja über das Arbeitspaket der Landesregierung reden, wenn Sie es selbst schon nicht getan haben.
Ich beziehe mich bei meiner Bewertung der schwarzen Ampel, Herr Ministerpräsident, übrigens ausdrücklich nicht auf unsere eigenen sozialdemokratischen Erwartungen. Nein, ich messe Sie nur an dem, was Sie selbst angekündigt haben. Ich bin da sehr bescheiden. Ihr 100-Tage-Programm war ein schönes Paket mit erschreckend wenig Inhalt. Vor der Landtagswahl kündigten Sie eine Unterrichtsgarantie an. Im Koalitionsvertrag wurde das zur hundertprozentigen Unterrichtsversorgung zurückgestuft, so wie wir das vorher in der Küstenkoalition beschlossen hatten. Im 100-Tage-Programm blieb dann ein Lehrerbedarfsanalysekonzept.
Ich wiederhole das noch einmal, weil das bei Scrabble - wenn Sie zu Hause Scrabble spielen - ziemlich viele Punkte einbringen würde: Lehrerbedarfsanalysekonzept. Was ist das eigentlich? Das ist nicht einmal eine Analyse des Lehrerbedarfs, für die es Vorarbeiten gibt, sondern das ist ein Konzept für die Analyse. Das ist doch Satire, meine sehr verehrten Damen und Herren. Weniger als das geht doch gar nicht.
Ebenfalls vor der Wahl kündigten Sie für die ersten 100 Tage einen großen Kita-Gipfel an, um mit Kommunen, Trägern und Eltern über die Beiträge zu sprechen. Im Arbeitsprogramm der Regierung fand sich unter dem Stichwort „Kita“ nur noch ein knapper Absatz zur Änderung des Landeswaldgesetzes. - Toll, muss ich sagen. Das ist wirklich sensationell. Und auch das, was Sie uns gestern bei der Haushaltseckwertedarstellung präsentiert haben, sagt doch nur, dass den Eltern eines klar sein muss: Der Zug zur Beitragsfreiheit ist gestoppt. Dieses Ziel gibt es erst wieder, wenn Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein Regierungsverantwortung haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist völlig klar.
Wann fangen Sie eigentlich mit der Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs an, den Sie so scharf kritisiert haben? Um es mit Shakespeare zu sagen: „Much ado about nothing.“ Sie machen viel Lärm um wirklich überhaupt nichts. Herr Ministerpräsident, das ist nicht die Politik der ruhigen Hand, wie ein Bundeskanzler einmal gesagt hat, das ist eine Politik der eingeschlafenen Füße, die Sie hier vorführen.
Wollen Sie allen Ernstes, dass die Menschen wieder von „Schläfrig-Holstein“ sprechen? Das ist doch das, was dabei herauskommt, wenn man so daherkommt wie Sie!
In einem Punkt haben Sie recht: Ich hätte Sie nicht dafür kritisieren sollen, dass Sie in Urlaub gehen. Auch ich war übrigens im Urlaub. Der Unterschied ist nur: Bei Ihnen merkt man gar nicht, ob Sie im Urlaub oder im Dienst sind, bei dem, was dabei herauskommt. Da gibt es gar keinen Unterschied.
Frau Ministerin Heinold, immerhin, das Investitionsprogramm IMPULS, von CDU und FDP vor Kurzem noch heftig kritisiert, setzen Sie jetzt fort. Dann loben Sie sich selbst für die durch unsere Arbeit gestiegene Investitionsquote, obwohl Sie hinter den schneidigen FDP-Ankündigungen deutlich zurückbleiben. Das ist schon ein richtiges PR-Wunder, das Sie da vorlegen, wirklich!
Dann sagt die Finanzministerin auch noch, sie sei gar nicht sicher, ob die Papierplanungen und die Realität miteinander zusammengeführt werden können.
Da schließt sich der Kreis. Da kann man nur sagen: Das ist ehrlich gesagt Nihilismus pur, was Sie da vorführen.
Herr Ministerpräsident, ich will Sie trotzdem loben, auch für Dinge, die Sie in den ersten 100 Tagen nicht gemacht haben. Die CDU wollte im Mai 2017 noch binnen 100 Tagen den Landtagsbeschluss zum Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer aufheben. Ein Glück, dass Sie an dieser Stelle den Mund so voll genommen haben.
Das sogenannte Arbeitsprogramm der Landesregierung, das Sie Mitte Juli 2017 vorgestellt haben, war in weiten Teilen offenbar eine Zusammenstellung dessen, was die Ministerien sowieso gerade tun, ergänzt um das eine oder andere, was schnell geht. Damit haben Sie sechs DIN-A-4-Seiten gefüllt. Herzlichen Glückwunsch!
Wie ambitioniert und innovativ das war, will ich Ihnen am Beispiel Haushalt und Finanzen darstellen. Da teilen Sie uns als wichtigen Punkt mit: „Vorbereitung der Beschlussfassung über die Eckwerte zum Haushalt 2018“. Donnerwetter, da traut sich jemand etwas! - Was Sie jetzt leisten, wird seit 25 Jahren so gemacht, jedes Mal um diese Jahreszeit. Ein doller Punkt im 100-Tage-Programm!
Schnell und unproblematisch klappte immerhin eines: die Einstellung von gleich zwei neuen Staatssekretären, von denen zumindest mir bislang noch nicht ganz klar ist, wofür wir die eigentlich brauchen.
Die FDP hat sich doch bis zum Schluss verrenkt, um uns für den zusätzlichen Staatssekretär zu kritisieren, den wir 2012 eingestellt haben, obwohl das Kabinett Albig die eigenen Bezüge gekürzt hatte. Was machen Sie von der FDP selbst? - Sie unterschreiben einen Koalitionsvertrag, in dem noch einmal zwei Staatssekretäre on top kommen. Chapeau, das ist die bemerkenswerte Konsequenz aus der Kritik an der Vorgängerregierung, das ist wirklich große Klasse!
Auch die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung läuft wie geschmiert. Ein dritter Regierungssprecher darf die neue Facebook-Seite und den Instagram-Auftritt des Ministerpräsidenten betreuen, weil wie bei den Matrjoschkas zumindest die Verpackung irgendwie nett aussehen muss. Was mit Themen passiert, die nicht passen, weil sie den
schönen Eindruck stören, sehen wir bei der Schicksalsfrage des Landes Schleswig-Holstein - Sie ahnen es schon -, bei der Pferdesteuer. Die wird im Schnellverfahren verboten, ohne allerdings den betroffenen Kommunen Alternativen aufzuzeigen oder gar die Ungerechtigkeiten bei der diesbezüglichen Vermeidung der Gewerbesteuer auch nur anzusprechen, Frau Ministerin.
Noch größer ist Ihre Flucht aus der Verantwortung bei den Straßenausbaubeiträgen. Den Menschen im Wahlkampf zu versprechen, dass das abgeschafft wird, und ihnen dann zu sagen, es werde abgeschafft in den reichen Kommunen, in den armen Städten und Gemeinden müsse das weiter bezahlt werden, ist nicht nur mutlos, das ist Wählertäuschung allerersten Grades, Herr Ministerpräsident.
Herr Ministerpräsident, Sie wollten die Menschen mitnehmen. Warum beendet Ihre Regierung dann ausgerechnet die Dialogpolitik der Küstenkoalition? Darauf war doch Ihr grüner Koalitionspartner früher so stolz. Wir haben in der Tat kontrovers über G 8/G 9 gestritten. Wir waren übrigens nie Freunde von G 8, aber wir waren für den Schulfrieden und ein Dialogprinzip.
Und was machen Sie? - Sie wollen das nach Ihrem Wahlkampfschlager mit Volldampf ohne Rücksicht auf Verluste durchdrücken. Die Folgen für die Gemeinschaftsschulen sind Ihnen eh egal - an denen liegt Ihnen ja leider nichts -, aber auch die für die Gymnasien selbst. Sie reden nicht mit den Schulen, nicht mit den Schülerinnen und Schülern, nicht mit den Lehrkräften, den Eltern oder Kommunen. Sie setzen sogar noch eine 75-%-Hürde drauf. Das ist mehr als das Quorum für eine Verfassungsänderung, und das nennen Sie Demokratie. Das gibt es nirgendwo in der Bundesrepublik. Das ist das Gegenteil von Demokratie und Dialogkultur, und die Grünen machen das einfach mit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, klar ist, dass Sie nicht nur ein Modellprojekt sind, sondern einige in den Reihen der schwarzen Ampel am Modellcharakter ein ganz persönliches Interesse haben. Daniel Günther erklärt sich zur Führungsreserve der CDU in der losgetretenen Debatte um die Nachfolge von Angela Merkel. Robert Habeck möchte sowieso lieber Umweltminister einer schwarzen
Ampel in Berlin werden. Er kämpft dafür engagierter als irgendjemand sonst, auch wenn er ständig mit kummervollem Blick betont, er wolle das eigentlich nicht - halb zog es ihn, halb sank er hin. Und der Kollege Kubicki
wird in der Presse mit Blick auf die Hauptstadtambitionen in Cassius-Clay-Manier zitiert: „Ich kann alles.“
- Herr Kollege Kubicki, nach den letzten Tagen und Ihren Interviews zum Thema Cum-Ex-Steuervermeidung kann ich nur sagen: Wahrscheinlich sind Sie unvollständig zitiert worden. Der Satz muss eigentlich heißen: „Ich kann mir alles erlauben.“ Aber das glauben Sie nur, Herr Kubicki, es wird nicht so kommen.
Ich bin wirklich der Letzte in diesem Haus, der bundespolitische Mitwirkung für schlecht hielte. Aber seine Arbeit in Schleswig-Holstein muss man schon tun. Eines geht nicht: Wenn zum Schutz der eigenen Ambitionen das Regieren in SchleswigHolstein zumindest von einigen nahezu eingestellt wird. Wenn Sie zum Beispiel bei der Windkraftplanung auf Schlafmodus umschalten, würgen Sie die Energiewende ab. Das gilt für Sie, Herr Ministerpräsident, aber auch für den Herrn Energiewendeminister. Die Windkraftbranche hat das deutlich unter Beweis gestellt mit dem, was sie diese Woche vorgetragen hat.
Herr Ministerpräsident, erlauben sie mir zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung. Am Montag haben Sie die Berliner Schwurbel-Einigung von CDU und CSU zur Obergrenze, die nicht so heißen darf und doch eine ist, gelobt und ausdrücklich begrüßt, dass Frau Merkel noch schneller umgefallen ist als das letzte Mal bei der Ausländermaut. Heute haben Sie die Stirn, sich hier hinzustellen und einen liberaleren Familiennachzug und erleichterte Integration anzukündigen, obwohl Ihre christliche Partei genau das Gegenteil von dem beschlossen hat, und Sie das Montag so gelobt haben. Das ist pure Heuchelei.