Protokoll der Sitzung vom 27.11.2020

(Beifall FDP und Lars Harms [SSW])

Herr Dr. Stegner, es ist ja gut, dass wir nun fraktionsübergreifend fordern, das Gesetz, bei dem Sie unsere Enthaltung kritisiert haben, wenige Tage später wieder zu ändern. Es ist in Ordnung, dass wir das fraktionsübergreifend fordern. Denn auch bei einer Inzidenz von unter 70, die interessanterweise darin bei der Krankenhausfinanzierung festgeschrieben ist, haben unsere Krankenhäuser erhebliche Kosten für den Intensivbereich, die auch erstattet werden müssen. Wir haben da auch Vereinbarungen mit Hamburg getroffen, das wurde schon angesprochen, die einen höheren Inzidenzwert als wir aufweisen. Wir sind da auch solidarisch und kooperativ mit Hamburg. Unsere Krankenhäuser haben diese finanzielle Benachteiligung nicht verdient, und das müssen wir sehr deutlich machen. Wir werden so lange nerven, bis das wieder geändert wurde. Das freut mich, dass wir das gemeinsam machen.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Die Reaktionen auf die Absprachen der Ministerpräsidentenkonferenzen und auf unsere Entscheidung, damit umzugehen, finde ich wirklich bemerkenswert. Während wir von unserer Wirtschaft, verschiedenen Medien und sogar Medizinern aus Schleswig-Holstein für unser Augenmaß gelobt werden, werden wir von außerhalb, vor allem von anderen Landesregierungen, zum Teil heftig kritisiert. Das überrascht nicht nur mit Blick auf unser Infektionsgeschehen und auf die nun wirklich sorgsam abgewogenen Entscheidungen, sondern auch mit Blick auf die bisherigen Regeln anderer Bundesländer. Kollege Koch hat es angesprochen. Ich finde kaum etwas schwieriger und unangenehmer, als in den privaten Bereich der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen.

(Beifall FDP)

Wir haben vor einiger Zeit wirklich miteinander über die Zehner-Regelung gerungen. Ich staune sehr darüber, dass mehrere Bundesländer da bisher

noch gar nichts geregelt haben. Wir werden weiterhin Kontrollen mit Augenmaß durchführen.

Ich muss sagen: Wenn ich ein Bundesland wirklich schätze, dann ist das Bayern. Dort gibt es vieles, was man nur bewundern kann, aber die Kommunikation des bayrischen Ministerpräsidenten gehört für mich, ehrlich gesagt, nicht dazu.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [frakti- onslos])

Ich finde, Herr Söder ist mit Blick auf die Coronabilanz seines Bundeslandes nun wirklich nicht in der Position, um anderen Landesregierungen permanent kluge Ratschläge zu erteilen, schon gar nicht dieser Landesregierung. Die Zeit könnte er sinnvoller nutzen.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [frakti- onslos])

Es ist erstaunlich, wenn ausgerechnet Bayern nach bundesweiter Einheitlichkeit ruft. Das ist sonst selten der Fall. Wenn Herr Söder mehr Härte fordert, hindert niemand seine Regierung daran, dies in Bayern vorzuleben. Jeder kann sich auch ganz genau vorstellen, was Herr Söder fordern würde, wenn wir die bayrischen Infektionszahlen hätten und Bayern unsere. Da kann sich doch jeder vorstellen, dass Herr Söder ganz anders kommunizieren würde. Insofern finde ich das schon schwierig.

(Beifall FDP, Werner Kalinka [CDU] und Lukas Kilian [CDU] - Werner Kalinka [CDU]: So ist es!)

Die geografische Lage spielt eine Rolle, aber wenn jeder angemessen auf das jeweilige Infektionsgeschehen reagieren würde und reagiert hätte, hätten wir gemeinsam viel gewonnen. Den Königsweg gibt es natürlich nirgendwo.

Die Hotspot-Strategie für die besonders betroffenen Regionen war selbstverständlich überfällig. Ich hätte es aber deutlich besser gefunden, wenn man auch konkretisiert hätte, was denn eigentlich gemacht werden soll, wenn man über einer Inzidenz von 200 liegt. Das fehlt mir noch.

Aber mit Blick auf Schleswig-Holstein ist es absolut verantwortbar, wenn wir die sogenannten körpernahen Dienstleistungen - übrigens gehört Prostitution nicht dazu, da gab es teilweise Missverständnisse, die sind ausdrücklich nicht gemeint - bei uns jetzt wieder zulassen und wenn auch die Wild- und Tierparks beziehungsweise Zoos wieder öffnen dür

(Christopher Vogt)

fen. Letztere bieten gerade für viele Familien eine risikoarme Outdoor-Aktivität. Man kann und sollte gerade mit kleinen Kindern auch jetzt nicht den ganzen Tag nur in der Wohnung sitzen.

Ich hoffe nicht nur deshalb, dass die Zahlen bei uns weiter sinken werden und wir zu Beginn des neuen Jahres auch wieder mehr Sport- und Kulturangebote zulassen können. Wir brauchen auch eine Perspektive für die Hotels und für die Gaststätten, die wir Ende Oktober nicht geschlossen hätten, wenn der Bund nicht vehement darauf gedrängt und Entschädigungszahlungen übernommen hätte.

(Beifall FDP)

Es ist wichtig, dass die Novemberhilfen auf Grundlagen der Zahlen aus dem Dezember 2019 berechnet werden: Für viele Betriebe ist der Dezember schließlich der umsatzstärkste Monat im Jahr und deshalb extrem wichtig für das Geschäftsmodell. Das Geld sollte aber auch zügig ausgezahlt werden, um Liquiditätsprobleme zu vermeiden. Was das Land bei der Abwicklung tun kann, das wird es auch tun. Darauf können sich die Unternehmen verlassen.

(Beifall FDP)

Die Überbrückungshilfe III ist grundsätzlich gut und richtig, aber ich finde, der Bund muss auch noch mehr für die Soloselbstständigen tun, die oftmals besonders stark betroffen sind.

(Beifall FDP und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wir merken erneut: Das Öffnen ist komplizierter als das Schließen. Die Bundesregierung sollte deshalb auch mit offenen Karten spielen, was sie für die Monate Januar, Februar und März - zumindest grob - plant; denn mich beunruhigen entsprechende Andeutungen von Regierungsmitgliedern kurz nach der Ministerpräsidentenkonferenz, dass man inklusive März oder gar April viele Bereiche geschlossen halten will, während aus dem Bundestag gefordert wird, dass sich die Länder zukünftig an den Entschädigungen beteiligen sollen. Ich fürchte, dass dies unsere Leistungsfähigkeit überfordern würde, und das ist auch nicht der mit dem Bund verabredete Weg. Wir sind schließlich mit mehreren Milliarden Euro bereits an unsere Leistungsgrenzen gegangen. Viele Unternehmen wie zum Beispiel auch die Kinos brauchen auch eine gewisse Vorlaufzeit, um wieder Geld verdienen zu können.

Ich bin Monika Heinold sehr dankbar, dass sie die Position des Landes sehr deutlich gemacht hat. Der Bund hat Forderungen an uns gestellt. Wir sind dem solidarisch nachgekommen, aber er hat auch Ver

antwortung bei der Finanzierung übernommen. Dass wir nun noch einmal Milliardenpakete schnüren, sehe ich momentan nicht.

(Beifall FDP, Tobias Koch [CDU], Katja Ra- thje-Hoffmann [CDU] und Lars Harms [SSW])

Es geht um viele wirtschaftliche Existenzen. Ich finde, wir sollten deutlicher machen, dass viele Betriebe derzeit vor allem deshalb geschlossen sind, weil man die Kontakte insgesamt herunterfahren will, und nicht etwa, weil man deren Konzepten nicht vertrauen würde. Ich werbe sehr um Verständnis dafür, dass wir bei der Verschärfung im Einzelhandel, was die Zahl der Kunden pro Fläche angeht, nicht mitgehen werden.

(Beifall FDP)

Die Ausweitung der Maskenpflicht ist als milderes Mittel auch hier sinnvoll. Da gehen wir in Schleswig-Holstein auch grundsätzlich voran. Ich halte es aber für absolut kontraproduktiv, in der Adventszeit Schlangen vor den Geschäften zu riskieren - übrigens auch vor Supermärkten, die auch von dieser Regelung betroffen sein sollen. Ich hoffe sehr, dass ich da noch eines Besseren belehrt werde, aber ich glaube, diese 20-m2-Regelung wird nur die Kunden nerven und dem Einzelhandel weiter schaden. Es ist kein Zufall, dass die Amazon-Aktie während der MPK einfach mal nach oben geschossen ist. Das ist nun einmal so in einer Marktwirtschaft.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Wir sollten - ich kenne die Bedenken - trotzdem darüber reden, ob wir nicht im nächsten Jahr ein paar mehr verkaufsoffene Sonntage ermöglichen, die besonders umsatzstark sind und die vielen Geschäften das Überleben sichern könnten.

(Beifall FDP und CDU)

Die MPK ist gut geeignet, um sich zwischen Bund und Ländern sehr kurzfristig abzustimmen, was derzeit notwendig ist. Sie ist aber kein Verfassungsorgan. Entschieden wird letztlich in den Landesregierungen oder - noch besser - in den Parlamenten. Das gilt auch in der Pandemie. Wir müssen die demokratischen Prozesse, die die Verfassung aus guten Gründen vorsieht, auch in der Krise berücksichtigen und pflegen. Ich bin froh darüber, dass das in Schleswig-Holstein gut gelingt, auch im Austausch mit Kommunen, Verbänden und Wissenschaftlern.

Transparenz ist dabei von elementarer Bedeutung. Das gemeinsame Länderpapier war ein Fortschritt, um sich auch in den Ländern besser abstimmen zu können. Was mich aber wirklich ärgert, ist die Tat

(Christopher Vogt)

sache, dass die Ministerpräsidentenkonferenz bei der „Bild“-Zeitung immer quasi live übertragen wird. Jeder gute Politiker pflegt seine Kontakte zu den Medien, aber was da passiert, ist wirklich weit drüber.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und Beifall Kirsten Eickhoff-Weber [SPD])

Ich warte dann immer stundenlang geduldig auf die Unterrichtung durch den Ministerpräsidenten, aber dann werden bei „Bild-Online“ SMS von vermutlich anderen Ministerpräsidenten, Herr Günther, im Livestream im Internet vorgelesen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Das ist nicht Transparenz, wie ich sie mir vorstelle. Das sollte man wirklich ändern.

(Beifall FDP, SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben noch viel zu tun: Die Impfungen müssen weiter vorbereitet werden. Dazu braucht es auch überall entsprechende Kühlgeräte. Wenn zügig viele Menschen in den sensiblen Bereichen geimpft werden können, dürfte dies eine enorme Entlastung für unser Gesundheitssystem darstellen. Die Corona-Warn-App muss dringend weiter verbessert werden, damit sie auch wirklich hilft.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Gesundheitsämter müssen endlich digitalisiert werden, um die Mitarbeiter zu entlasten. Anlass zur Hoffnung geben da auch freiwillige Apps, die die Gesundheitsämter bei der Kontaktnachverfolgung entlasten und zum Beispiel in der Gastronomie und bei bestimmten Veranstaltungsformen helfen können. Der Einsatz von Schnelltests und Schutzausrüstung wie FFP2-Masken muss auch weiter optimiert werden. Die Gesamtstrategie für die Wintermonate muss dringend weiterentwickelt werden, um diesen Namen auch wirklich zu verdienen. Die Ansprache der politisch Verantwortlichen an die Bürgerinnen und Bürger sollte an einigen Stellen angemessener werden.

(Beifall FDP)

Kriegs- oder Katastrophenrhetorik, also der Vergleich mit Flugzeugabstürzen oder Videos, die einen auf dem Sofa mit Hähnchenkeulen zeigen und sich an den Zweiten Weltkrieg anlehnen, oder infantile Ansprache ist nicht hilfreich.

(Beifall Werner Kalinka [CDU])

Stattdessen braucht es noch mehr Offenheit und Raum für Diskussionen, um Verschwörungstheori

en den Boden zu entziehen, die leider erschreckend weit bis in die Mitte der Gesellschaft verbreitet sind. Wir dürfen nicht vergessen: Die Demokratie, der Rechtsstaat und auch die soziale Marktwirtschaft müssen gerade in dieser Krise gestärkt werden, wenn wir unsere hohe Lebensqualität in Deutschland erhalten wollen.

(Beifall FDP)

Das neue Jahrzehnt wird mit Blick auf den demografischen Wandel, der immer stärker spürbar wird, und die internationale Lage schon herausfordernd genug werden.

Ich wünsche allen trotz der Umstände eine gute Adventszeit. Es ist in der Tat nicht die Zeit für Partys und die üblichen Aktivitäten, aber wenn alle weiterhin besonnen bleiben, können wir uns trotzdem auf Weihnachten und auf Silvester im engsten Familienkreis freuen. Man kann auch meinetwegen gern eine Rakete steigen lassen