Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

Es bleibt natürlich die Frage, warum Sie nicht in Ihrer Regierungszeit dafür gesorgt haben, dass es zumindest zu einer landesweit einheitlichen Regelung kommt.

(Beifall AfD)

Haben Sie sich einen Überblick verschafft, wie die Situation in Schleswig-Holstein ist? Wo übernehmen die Kommunen die Kosten? Wie viele Gespräche haben Sie mit Kommunen beziehungsweise mit den Landesverbänden geführt, um eine freiwillige Kostenübernahme durch diese zu erreichen?

(Beate Raudies [SPD]: Was soll das denn?)

- Dass dort nicht Hurra gerufen wird, ist klar. Ich finde aber, Sie machen es sich in der Rolle der größten Oppositionspartei im Moment etwas zu leicht, wenn Sie jetzt nach dem Bund rufen, ohne selbst die Initiative ergriffen zu haben. Es wäre sehr wohl möglich gewesen, mit den kommunalen Landesverbänden zu sprechen. In anderen Bundesländern ist das geschehen.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Können Sie verstehen, dass wir Ihrem Antrag zunächst nicht zustimmen möchten, sondern um Ausschussüberweisung bitten? - Wir tun das nicht wegen der Sache an sich, sondern einzig und allein, weil der Bund seine Hausaufgaben zumindest schon begonnen hat.

Die Ergebnisse werden aber selbstredend erst nach Ende des Modellversuchs genutzt werden können und gegebenenfalls die Basis einer bundeseinheitlichen Regelung bilden. Bis dahin gibt es im Land aber durchaus genug für uns selbst zu tun, um den hier schon angesprochenen Flickenteppich zu stopfen.

Lassen Sie mich zum Schluss auf den eingangs erwähnten Widerspruch zurückkommen: Nachdem ein geeignetes Verhütungsmittel möglicherweise nicht bezahlt worden ist, wird ein Schwangerschaftsabbruch sehr wohl durch das Sozialamt gezahlt. Die Widersprüchlichkeit und damit NichtVermittelbarkeit dieser Rechtslage ist evident. Eines ist aber noch viel wichtiger: Wenn alle Frauen so verhüten könnten, wie sie es möchten, gäbe es im Ergebnis nicht nur weniger ungewollte Schwangerschaften, sondern es könnten auch viele ungewollte Schwangerschaftsabbrüche verhindert wer

den. Ich gehe davon aus, dass das unser gemeinsames Ziel ist. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Herr Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

(Christopher Vogt [FDP]: Da bin ich ge- spannt!)

Du bist ruhig jetzt!

(Heiterkeit)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Die US-Regierung hat sich gerade wieder unbeliebt gemacht. Die Krankenkassen müssen dort nicht mehr die Kosten der Antibabypille tragen. Die Zeitungen titeln: „Selbstbestimmung von Millionen US-Amerikanerinnen bedroht“. Das ist die Folge einer rückwärtsgewandten Politik.

(Beifall SSW, SPD und Aminata Touré [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In Deutschland haben Frauen, die Sozialleistungen beziehen, 15 € für die Gesundheitspflege. Damit sollen sie auch die Kosten für Verhütungsmethoden decken. Man hat sich kaum Gedanken gemacht, was Verhütungsmittel wirklich kosten. 15 € heißen, dass eine Frau sich vielleicht zwischen Kontaktlinsen, Medikamenten oder eben der Pille entscheiden muss. Man soll sich nichts vormachen: Andere Mittel, wie beispielsweise eine Kupferspirale oder die Dreimonatsspritze, lassen sich davon erst recht nicht bezahlen.

Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten der Antibabypille bei Frauen bis zum 20. Lebensjahr - danach nicht mehr, es sei denn, es soll damit eine Akneerkrankung behandelt werden.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wird die Pille als Verhütungsmittel genutzt, muss die Patientin selbst für die Kosten aufkommen. Schöne Haut - ja. Verhütung - nein.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es wird noch merkwürdiger: Frauen mit wenig Geld können sich viele verlässliche Verhütungsmittel nicht leisten, weil sie zu teuer sind. Das Schlimmste an dieser Kostenregelung ist, dass die

(Dr. Frank Brodehl)

Krankenkassen die Kosten der Verhütungsmittel nicht tragen, aber für einen Schwangerschaftsabbruch aufkommen. Ich frage mich ganz ehrlich: Wollen wir Frauen in diese Lage bringen?

(Zurufe: Nein!)

(Beifall)

Einige Bundesländer und Kommunen versuchen bereits, hier über speziell eingerichtete Fonds entgegenzuwirken. In sieben Städten gibt es das Modellprojekt „biko“: Frauen mit wenig Geld werden hier beraten. Es werden auch die Kosten der verschreibungspflichtigen Verhütungsmittel übernommen. Auch in Lübeck haben wir eine dieser Beratungsstellen. Wie wir gehört haben, sind auch Flensburg und einige andere Städte vorbildlich dabei.

Das reicht aber nicht. Wir brauchen eine bessere Lösung, die Frauen unabhängig vom Wohnort die gleichen Möglichkeiten bietet. Wir reden hier über das Recht von Frauen auf sexuelle Selbstbestimmung und frei gewählte Methoden der Familienplanung.

(Beifall SSW und SPD)

Deshalb unterstützen wir den SPD-Antrag und die Bundesratsinitiative zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für Frauen mit geringem Einkommen.

Wir können nicht ertragen, dass Frauen benachteiligt werden, die ohnehin schon in einer prekären Lage sind. Mit der Bundesratsinitiative der Länder Niedersachsen und Bremen soll allen Frauen ein gleichberechtigter Zugang zu Verhütungsmitteln ermöglicht werden. Die Kosten für ärztlich verordnete Verhütungsmittel für Frauen sollen bundeseinheitlich übernommen werden, wenn sie ein geringes Einkommen beziehen oder auf Sozialleistungen angewiesen sind.

Das kann aber nur ein erster Schritt sein. Wir meinen, dass wir über die Forderung dieser Initiative hinausgehen sollten: Gesetzliche Krankenkassen sollten immer die Kosten von verschriebenen Verhütungsmitteln tragen. So wäre fairerweise gewährleistet, dass die Männer genauso wie die Frauen an den anfallenden Kosten beteiligt werden - zumindest über die Kassenbeiträge.

(Beifall SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Verantwortung muss bei beiden Geschlechtern liegen. Wir sprechen zwar über Verhütungsmittel für Frauen. Männer spielen aber eine nicht zu leugnende Rolle in diesem ganzen Vorgang.

(Zuruf FDP: Das habe ich verstanden! - Hei- terkeit)

Außerdem können wir so sicherstellen, dass die wirkliche Wahlfreiheit im Mittel der Verhütung besteht. Es gibt gute Gründe, sich nicht für die Pille, sondern für die Spirale, Spritzen, Pflaster oder Präservative zu entscheiden. Sollte man immer noch nicht von der Kostenübernahme überzeugt sein, dann vielleicht deshalb, weil man keine Frau ist. Dann sollte man einmal mit den betroffenen Frauen sprechen und ihnen zuhören. Man wird sich dann der Dramatik der Situation bestimmt bewusst. - Jo tak.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Flemming Meyer, der Brückenschlag vom Gesundheitsmodernisierungsgesetz 2004 zu Donald Trump: Darüber muss ich nachher wirklich noch einmal nachdenken, was Sie uns damit sagen wollten.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Aus Sicht der Landesregierung und auch aus meiner Sicht ist es jedenfalls definitiv richtig und geboten, sich immer wieder zu fragen, welche Maßnahmen helfen, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden, vor allem aber auch, Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden. Ich glaube, es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass eine verhütete Schwangerschaft in jedem Fall und stets einer abgebrochenen Schwangerschaft vorzuziehen ist. So habe ich auch die Beiträge der Kolleginnen und Kollegen verstanden. Ich will das explizit im Hinblick auf den Gesundheitsschutz der jeweils betroffenen Frauen sagen.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Flemming Meyer)

Aus meiner Sicht ist richtig, wie das offensichtlich sein soll, sich mit diesem Anliegen, mit dem vorliegenden Antrag im Ausschuss intensiv auseinanderzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, wenn Sie mir es gestatten, will ich einen Aspekt erwähnen, der mir besonders wichtig erscheint, den man im Zusammenhang mit Ihrer Initiative diskutieren sollte. Das ist das Thema, wie man über den Aspekt der Schwangerschaftsverhütung und der sexuellen Gesundheit der Frau hinaus mit der grundsätzlichen Problematik des Zugangs zu gesunderhaltenden Maßnahmen im Hinblick auf die Abgabe von Medikamenten insgesamt umgeht, wenn es um die Problematik sexuell übertragbarer Krankheiten geht. Die Kollegin Bohn und der Kollege Neve, ich glaube, auch der Kollege Bornhöft, haben das angesprochen.

Sexuell übertragbare Krankheiten sind die Hepatitis-C-Infektion und selbstverständlich immer noch die HIV-Infektion. Schauen Sie sich die heutigen Möglichkeiten der Heilung an, aber auch, welche Kosten und welche Nebenwirkungen damit verbunden sind. Bei HIV haben wir keine Heilung, es gibt aber in einigen Städten die Möglichkeit, für nicht Infizierte PrEP abzugeben - dankenswerterweise zu einem Preis, den sich viele, aber nicht alle Menschen leisten können.

Wenn wir den Anlass haben, über den Zugang zu einer gerechten Gesundheitsversorgung zu diskutieren, sollte man diese Thematik berücksichtigen. Sieht man den volkswirtschaftlichen Mehrwert einer solchen Diskussion, streitet man sich am Ende nicht über den einzelnen Kostenträger, sondern muss sich fragen - ich will niemandem irgendetwas Böses unterstellen -: Warum ist das 2004 mit dem GMG herausgenommen worden? Mit welcher dauerhaft verlässlichen Regelung - in diesem Fall selbstverständlich bundesweit - soll der Zugang sowohl zu schwangerschaftsverhütenden Präparaten als auch zu entsprechenden Präventionspräparaten beziehungsweise Präparaten zur Gesunderhaltung, um sich vor sexuell übertragbaren Krankheiten zu schützen, in Zukunft sichergestellt werden?

Ich freue mich auf eine fachlich ausgewogene Ausschussdiskussion, um für dieses Problem, das definitiv besteht, eine für die Menschen sinnvolle Lösung herbeizuführen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Volker Schnurrbusch [AfD])