Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

geht es auch um die Sterilisation von Männern. Dieser Part sollte hier mit bedacht werden.

(Birte Pauls [SPD]: Habe ich doch gesagt!)

- Die Sterilisation der Männer hatten Sie so ein bisschen mit erwähnt.

(Zurufe Serpil Midyatli [SPD] und Birte Pauls [SPD])

Das sollten wir auch im Ausschuss entsprechend diskutieren, dass das auch eingebaut werden kann. Verhütung ist ein Thema der Gleichberechtigung und kann nicht nur Sache der Frauen sein.

Ein anderer Aspekt ist auch noch, dass wir dann auch über Prävention im weiteren Sinne sprechen. Hier meine ich zum Beispiel eine Hepatitis-Impfung, die mit 100 € zu Buche schlägt. Auch das ist eine Sache, mit der wir Menschen nicht allein lassen sollten.

Insofern bitte ich um Ausschussüberweisung. Lassen Sie uns das lebhaft im Ausschuss diskutieren. Ich freue mich darauf.

(Beifall CDU, SPD und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD möchte eine bundeseinheitliche Regelung für die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für Frauen mit geringem Einkommen. Das wollen wir Grüne auch. Wir wollen, dass Frauen und Männer über ihren Körper selbst bestimmen können. Natürlich wollen wir das auch für Jungen und Männer. Damit eine ungewollte Schwangerschaft gar nicht erst entsteht, ist Verhütung wichtig. Die Rolle einer selbstbestimmten Familienplanung halten wir auch für sehr sinnvoll und sehr wichtig.

Es ist gerade eben schon darauf hingewiesen worden: Im vorliegenden Antrag wird sich auf die konkrete Bundesratsinitiative bezogen. Da ist es doch so: Die Regelung stammt von Rot-Grün. Es ist nicht nur die SPD, die das auf den Weg gebracht hat. Deswegen sind wir von grüner Seite auch ein bisschen erstaunt, dass sich bei der Bundesratsinitiative allein auf Frauen bezogen wird. Das hätte ich mir bei Rot-Grün doch ein bisschen anders vorge

(Hans Hinrich Neve)

stellt. Frau Kollegin Pauls, Sie haben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie nicht den Wortlaut der Bundesratsinitiative beschrieben haben, sondern das Sie für die Fraktion hier in Schleswig-Holstein genau wie die Grünen hier in Schleswig-Holstein sagen: Männer müssten da mit einbezogen werden. - Das finden wir auch richtig und sinnvoll.

Es ist auch richtig und sinnvoll, darauf hinzuweisen, dass alle, die sich aufgrund ihrer Einkommenssituation Verhütung nicht leisten können, in schwierige Situationen hineinkommen können. Ich glaube übrigens, dass Sie, Herr Kollege Neve, die Behandlung einer Hepatitis C meinten. Das ist ein gutes Beispiel. Es geht auch um andere Erkrankungen, die verhindert werden können und verhindert werden sollten.

Ich sage auch einmal ganz klar: Für uns Grüne ist auch nicht wichtig, ob es am Ende die gesetzliche Krankenversicherung ist oder ob es über das SGB II oder SGB XII geregelt wird. Für uns Grüne ist das Ziel am wichtigsten, dass es geregelt wird.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Hans Hinrich Neve [CDU])

Ich denke, dass wir noch einmal darauf hinweisen sollten, dass wir bei diesem Thema, wenn die Formulierung schon so gewählt wurde, wie sie ist, die Möglichkeit nutzen sollten, im Ausschuss zu besprechen, was wir hier in Schleswig-Holstein - gern auch als gemeinsame Initiative - für richtig halten und ein bisschen diesen Aspekt Gesundheitsschutz und Prävention mit aufgreifen. Das wäre mir und uns von der Fraktion sehr wichtig. Deswegen freue ich mich auf die weitere Beratung im Ausschuss.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende SPD-Antrag greift eine Gerechtigkeitslücke auf, die bundesweit wie ein Fleckenteppich, teils landesweit, teils kommunal, teils gar nicht geregelt wird.

(Zurufe)

- Flickenteppich, stimmt, nicht Fleckenteppich. Um Gottes Willen, Entschuldigung!

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Passiert aber auch auf Teppichen! - Heiterkeit)

- Chapeau! Ich denke, es ist Konsens, dass es nicht gewünscht sein kann, dass im Endeffekt der Geldbeutel über die Art und Weise der Familienplanung entscheidet.

Personen, die auf SGB-II oder SGB-XII-Leistungen angewiesen sind, haben laut Regelsatzverordnung nicht viel mehr als 16,34 € monatlich zur Verfügung - für Rezeptgebühren, Medikamente und auch für Verhütungsmittel. Es gibt mehrere Monatspillen, die höhere Kosten erzeugen. Darauf zu antworten, dann solle man doch bitte diejenigen nutzen, die am günstigsten sind, wäre mehr als plump. Die Antibabypille ist ein hormonelles Präparat, das von Anbieter zu Anbieter unterschiedliche Zusammensetzungen hat und dadurch auch unterschiedliche Verträglichkeiten beziehungsweise Unverträglichkeiten hervorruft. Mag der Preis bei Kopfschmerzmitteln oder Nasenspray eine ausschlaggebende Rolle spielen, bei der Pille verhält es sich definitiv so nicht.

Es gibt Landkreise wie Diepholz, Segeberg und noch weitere, die schon genannt wurden, die Modelle haben, bei denen der Kreis als freiwillige Aufgabe diese Kosten für Verhütungsmittel übernimmt. Es gibt da aber auch wiederkehrende rechtliche Debatten, ob und wieweit diese freiwilligen Leistungen gegebenenfalls auf die Regelsätze anzurechnen sind, und somit auch immer ein Stück weit Unsicherheit schaffen, was dazu führt, dass den Betroffenen null geholfen wäre.

Darüber hinaus ist es nun wirklich absurd, dass faktisch der Wohnort darüber entscheidet und ausschlaggebend dafür ist, ob man sich Verhütung leisten kann. Es gibt bereits private Initiativen, die die derzeitige Gerechtigkeitslücke zumindest in Teilen füllen möchten und können: pro familia hat beispielsweise ein Modellprojekt namens „biko“ in sieben Orten in Deutschland, unter anderem auch Lübeck, über das Frauen mit einem sehr geringen Eigenbeitrag die Verhütungsmittel der eigenen Wahl erhalten und selbstbestimmt verhüten können. Dieses Engagement von pro familia ist äußerst lobenswert. Es zeigt aber auch, dass es hier auch öffentlich-rechtlichen Handlungsbedarf gibt. Eine bundesweite Regelung ist also prinzipiell sinnvoll. Es wurde schon festgestellt: Bis 2004 gab es diese Problematik in dem Sinne nicht.

Ich muss jetzt leider noch etwas Wasser in den Wein gießen: Dass wir nun dem Antrag nicht direkt zustimmen können, liegt daran, dass sich die

(Dr. Marret Bohn)

Drucksache, wie festgestellt, nur auf Frauen bezieht. Es ist statistisch wohl noch so, dass in festen Beziehungen überwiegend die Frauen für die Verhütung leider sozusagen in die Verantwortung genommen werden.

(Serpil Midyatli [SPD]: „Sicher ist sicher!“, denken wir uns Frauen! Auf euch ist ja kein Verlass! - Heiterkeit)

- Ach, Frau Midyatli. Es könnte ja auch andersherum sein: „Ja, ja, ich habe meine Pille heute genommen, es ist alles in Ordnung!“ - und neun Monate später geht das Geplärre los. Nein, ist klar, das hat zwei Richtungen, das mit der Sicherheit.

(Heiterkeit - Serpil Midyatli [SPD]: Ich sage ja: Wir entscheiden! - Weitere Zurufe)

Diese Verantwortungsverteilung wollen wir nicht unbedingt weiter rechtlich manifestieren. Eine geschlechtsneutrale Erweiterung des Antrags wäre daher sinnvoll. Dies würde auch Kosten für Kondome oder beispielsweise auch für Hormonpräparate für Männer beinhalten.

Wir würden den Antrag aber gern noch um einen weiteren Aspekt ergänzen, und zwar um den Gesundheitsaspekt bezüglich der Übertragung von sexuell übertragbaren Krankheiten. Auch hier gibt es eine Korrelation zwischen Armutsrisiko auf der einen Seite und dem Risiko, entsprechende Erkrankungen zu erleiden - ein gesellschaftlich ebenso nicht akzeptabler Zustand, der beseitigt, zumindest aber gelindert werden sollte. Schwangerschaftsvorsorge muss daher auch den Aspekt von Safer Sex umfassen. Und diesem Ansatz weiter folgend: Auch Safer Sex sollte doch bitte in unserer Gesellschaft keine Frage des Geldbeutels sein.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Daher bitten wir um die Überweisung dieses Antrags an den Sozialausschuss, um hier die aufgeworfenen Aspekte geschlechtsneutraler Verhütungsunterstützung und Safer Sex zu beraten. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und Entschuldigung für den Versprecher gleich zu Beginn.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Frank Brodehl das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Frauen, die Sozialleistungen beziehen, können seit dem GKV-Modernisierungsgesetz im Jahr 2004 nicht mehr mit einer Kostenübernahme für Verhütung rechnen. Wie es im Antrag heißt, sind diese Kosten mit dem Regelsatz aus dem Bedarf für Gesundheitspflege von derzeit 15 € zu finanzieren. Es ist schon gesagt worden, dass teilweise einzelne Kommunen einspringen - Gott sei Dank. In Schleswig-Holstein ist dies laut einer stichprobenartigen Studie aus dem Jahr 2015 allerdings nur in 14 % der Kommunen der Fall gewesen.

Ich mache es kurz und bringe die Problematik auf den Punkt: Wie man - beziehungsweise Frau - verhütet, ist bei geringem Einkommen gleich von zwei Faktoren abhängig, vom Geldbeutel und vom Wohnort. Das ist absolut inakzeptabel.

(Beifall AfD)

Hinzu kommt, dass bei Abtreibungen bei nicht gewollter Schwangerschaft die Kosten des Schwangerschaftsabbruchs sehr wohl vom Sozialamt bezahlt werden. Das ist mit Sicherheit nicht vermittelbar. Die Antragsteller - Frau Pauls - schlagen vor, sich beim Bundesrat für eine bundesgesetzliche Regelung mit dem Ziel einer bundeseinheitlichen Regelung zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für Frauen mit geringem Einkommen einzusetzen.

Der Bund hat sich mit der Frage allerdings schon beschäftigt und sich bewegt. Sie haben es selbst eben gesagt: Das Modellprojekt mit Zugang zu verschreibungspflichtigen Verhütungsmitteln, Kostenübernahme, Information und Beratung für Frauen mit Anspruch auf Sozialleistungen läuft seit einem knappen Jahr - auch in Schleswig-Holstein, etwa in Lübeck. Die anderen Städte wurden genannt. Das Modellprojekt ermöglicht - ich zitiere von der Internetseite des zuständigen Ministeriums

„einen niedrigschwelligen Zugang zu verschreibungspflichtigen, sicheren und gut verträglichen Empfängnisverhütungsmitteln für bedürftige Frauen“.

Abgesehen davon, dass aus dieser Seite hervorgeht, dass eine volle Kostenübernahme innerhalb des Projekts erfolgt, steht dort natürlich auch unmissverständlich:

„Zudem sollen valide Daten … gewonnen werden, die einer möglichen bundesweiten Lösung den Weg ebnen könnten.“

(Dennys Bornhöft)

Der Bund bewegt sich also. Ich habe mich schon gefragt, warum dieser Antrag deshalb zum jetzigen Zeitpunkt eingebracht wird.

(Beate Raudies [SPD]: Bundesratsinitiative?)

Es bleibt natürlich die Frage, warum Sie nicht in Ihrer Regierungszeit dafür gesorgt haben, dass es zumindest zu einer landesweit einheitlichen Regelung kommt.