Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über ein wesentliches Thema und einen Strafnormparagrafen, der unser aller Arbeit betrifft. Im Bundestag, aber auch in diesem Landtag, haben wir uns schon mit dem § 108 e StGB befasst und ausdrücklich klargestellt, dass wir dort Kausalitätsfragen anders geregelt haben wollen.
Schaut man sich aber nun den Antrag des SSW an, kommt einem vor, als wenn man eine simple Lösung dieses Problems durch Streichung zweier Worte gefunden hätte. Aus dem Wortlaut des § 108 e sollen „im Auftrag oder auf Weisung“ gestrichen werden.
Im Strafrecht ist es ganz häufig so: Simple Lösungen wirken meist gut, sind aber problematisch. Je simpler die vorgeschlagene Lösung, desto skeptischer sollte man sein. Schauen wir uns die Norm einmal genauer an. § 108 e Absatz 1 Strafgesetzbuch lautet:
„Wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Woher kommt dieses „im Auftrag oder auf Weisung“? - Es stammt ganz eindeutig aus dem Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes:
„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
So kommt es, dass in dieser Norm die Handlung „im Auftrag oder auf Weisung“ ausdrücklich nicht wörtlich, sondern deklaratorisch auszulegen ist,
Das Strafrecht ist das schärfste Schwert des Staates. Hier muss präzise und genau gearbeitet werden. Ja, in der wissenschaftlichen Diskussion wird gesagt: Genau diese Worte müssen aus dem Gesetz gestrichen werden. Es war die AfD-Fraktion im Bundestag, die am 23. März dieses Jahres im Bundestag genau diesen Antrag gestellt hat, „im Auftrag oder auf Weisung“ aus § 108 e StGB zu streichen. Wenn wir als Schleswig-Holsteinisches Parlament eine Bundesratsinitiative starten wollen, sollte man überlegen: Wie groß wird der Erfolg eines solchen Antrages im Deutschen Bundestag sein, wenn es einen solchen Antrag im Bundestag schon gab?
Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat die Vorlage der AfD in seiner 54. Sitzung am 9. Juni 2021 beraten und empfiehlt mit den Stimmen von - jetzt wird es spannend CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Gesetzentwurf abzulehnen. Das Gleiche im Ausschuss für Inneres und Heimat: CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ebenso im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz: wieder CDU/CSU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Linke.
Ich glaube, wir sollten uns als Schleswig-Holsteiner durchaus ernsthaft mit dem Thema befassen, wie man auch Kausalitätsfragen beim § 108 e StGB berücksichtigen kann und die bestehende Regelung verändern, möglicherweise auch verschärfen kann. Ich glaube aber, dass wir mit simplen Lösungen, die auf den ersten Blick genial wirken, eher auf ein Pferd steigen, das schon totgeritten ist.
Der Antrag ist mit breiter Mehrheit im Bundestag abgeschmettert worden. Ich glaube, von einem toten Pferd sollte man absteigen und nicht aufsteigen, um weiterzureiten. Ich empfehle Ihnen daher ausdrücklich, diese Bundesratsinitiative, die der SSW vorgeschlagen hat, abzulehnen.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Ich wollte nur darauf hinweisen, dass die Abweisung von AfD-Anträgen - egal, in welchem Zusammenhang sie stehen - natürlich den gleichen Hintergrund hat wie bei uns: Die Bundestagsabgeordneten lehnen Anträge von erklärten Rechtsextremisten natürlich grundsätzlich ab. Damit muss nicht unbedingt eine inhaltliche Ablehnung verbunden sein.
Ich bin einverstanden, dass wir noch einmal darüber reden, ob man etwas ändert und wie man es ändern sollte. Wenn wir das im Ausschuss machen, sind wir auch offen zu gucken, ob es noch andere Möglichkeiten gibt. Das wollte ich hier schon einmal kundtun, damit klar ist, dass wir nicht dogmatisch an den Formulierungen hängen, sondern natürlich auch im Ausschuss darüber reden wollen, ob wir auch bessere Formulierungen, bessere Ideen finden können, die wir dann als Bundesratsinitiative entsprechend einbringen können. Da sind wir völlig offen.
- Vielen Dank für die Mitteilung. Ich nehme das gern mit auf. Wir haben uns im Landtag in der letzten Diskussion zum Thema Abgeordnetengesetz und Maskenaffäre ausdrücklich dazu bekannt, dass wir genau an dem Punkt der Kausalität etwas machen wollen und auf Bundesebene angekündigte Änderungen unterstützen werden. Das wurde hier im Landtag ja mit großer Mehrheit angenommen, weil man sich in der Tat um das Thema kümmern muss.
Wenn die Große Koalition es auf den letzten Metern jetzt nicht hinbekommt, können wir gern anfangen, über Bundesratsinitiativen tätig zu werden. Ich bin aber eigentlich grundsätzlich der Meinung, dass man Änderungen des Strafgesetzbuches, die im Bund gerade diskutiert werden, nicht mit zusätzlichen Bundesratsinitiativen flankieren muss. Das ist alles doppelte Arbeit, die am Ende durch die tatsächliche Arbeit im Bundestag überholt wird. Wenn die Debatte dort aber nicht kommt, machen wir gern mit und greifen es gern auf, damit wir aus Schleswig-Holstein im Zweifel mit einem Vorschlag unterwegs sind. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gerade darauf hingewiesen worden: Der Deutsche Bundestag hat am vergangenen Freitag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Die Linke - bei Enthaltung der Fraktionen der FDP und der AfD - das Gesetz zur Verbesserung der Transparenzregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages und zur Anhebung des Strafrahmens des § 108 e des Strafgesetzbuches verabschiedet. Dieses Gesetz sieht unter anderem die Erhöhung des Strafrahmens bei der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern vor und stuft damit dieses Delikt künftig als Verbrechen ein. Der Tatbestand hingegen bleibt unverändert. Der SSW interpretiert und entwickelt unsere Beschlussfassung aus der letzten Landtagstagung zu diesem Themenkomplex weiter.
In einem anderen Punkt ist uns der Deutsche Bundestag hingegen weit voraus, nämlich bei der Überarbeitung der Verhaltensregeln für die Abgeordneten. Es wäre gut gewesen, wenn wir heute schon die erste Lesung zu den erforderlichen Änderungen in unserem Abgeordnetengesetz hätten durchführen können. Das wäre ein gutes Signal nach außen gewesen. Ich hoffe aber, dass wir nach der Sommerpause rasch zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf der demokratischen Parteien kommen.
Auch wenn sich vielleicht manche fragen könnten: „Was haben wir denn mit den Vorfällen im Bayrischen Landtag - das ist weit weg - oder im Deutschen Bundestag zu tun?“, so sollten wir uns tatsächlich keine falschen Hoffnungen machen: In der Öffentlichkeit werden alle Abgeordneten in einen Sack gesteckt.
Unsere derzeitigen Regelungen sind in der Tat schon wirklich gut, aber sie können noch besser werden. Sie sollten natürlich, so weit es geht, mit den Regelungen des Bundes im Einklang stehen. Da unterstützen wir auch gern den Antrag der Abgeordneten des SSW in der Weiterentwicklung, um bei der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern mehr Klarheit zu schaffen.
Bereits kurz nach dem Inkrafttreten der ursprünglichen Fassung von § 108 e im Strafgesetzbuch im Jahre 1994 wurde die Vorschrift wegen ihrer Beschränkung auf den in der Praxis so gut wie nie nachweisbaren Stimmenkauf beziehungsweise Stimmenverkauf heftig kritisiert.
Erst mit der Neuregelung im Februar 2014 verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Gesetz, das die Anforderungen der UN-Konvention zur Bekämpfung der Korruption an die Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern erfüllt. Der Tatbestand von § 108 e StGB wurde zwar auf immaterielle Vorteile sowie Zuwendungen an Dritte erweitert, zugleich aber auch erheblich eingeschränkt.
So sind von § 108 e Strafgesetzbuch eben keine nachträglichen Zuwendungen - der Kollege Harms hat darauf hingewiesen - für bereits von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern vorgenommene Handlungen erfasst. Die Tatbestände der Bestechung und Bestechlichkeit von Amtsträgern nach den §§ 332 und 334 StGB sehen daher eine Strafbarkeit der nachträglichen Vorteilsgewährung für bereits abgeschlossene Diensthandlungen vor. Warum also dann nicht für Abgeordnete? - Das versteht wirklich kein Mensch.
Darüber hinaus findet sich der nach § 108 e erforderliche enge Kausalzusammenhang - das hat der Kollege Kilian gerade dargelegt - bei der Wahrnehmung eines Mandats weder in der UN-Konvention zur Bekämpfung der Korruption noch in dem Strafrechtsübereinkommen des Europarats. Beide Vertragstexte setzen lediglich Leistung und Gegenleistung voraus, ohne eine Unterordnung der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger über die Interessen der Vorteilsgewährenden zu verlangen. Aus diesem Grunde wären diese Sätze oder diese Worte „im Auftrag oder auf Weisung“ tatsächlich zu streichen. Der Gedanke ist naheliegend, aber auch eben zu überarbeiten beziehungsweise durch eine andere Formulierung zu ersetzen, weil man natürlich - darauf hat Herr Kilian zu Recht hingewiesen - die freie Mandatsausübungsregelung und so weiter hat, was in der Tat zu berücksichtigen wäre. Es wäre wirklich gut, wenn wir auch an dieser Stelle dort zu einer Übereinkunft in der Diskussion im Innen- und Rechtsausschuss kämen.
Korruptionsvorwürfe schaden der parlamentarischen Demokratie und allen Mitgliedern in den Vertretungskörperschaften, egal, ob das der Deutsche
Bundestag oder ein Gemeinderat ist. Sie tragen zur Politikverdrossenheit bei. Demokratiefeindliche Parteien, die das für sich zu nutzen versuchen, nicht nur nach ihrer Wahl, sondern wie wir gestern lesen konnten, auch schon vor der Wahl, sind in der Regel die ersten, die die Hand aufhalten, und enttäuschen nicht nur ihre Wählerinnen und Wähler, sondern damit auch ihre illegalen Spenderinnen und Spender regelmäßig.
Die Integrität und die Funktionsfähigkeit des repräsentativen Systems müssen geschützt werden. Da ist die beabsichtigte Einstufung beziehungsweise erfolgte Einstufung von Bestechlichkeit und Bestechung als Verbrechen gerechtfertigt. Bestechlichkeit und Bestechung sind keine Kavaliersdelikte und gehören auch nicht zu irgendeiner regionalen Amigo-Folklore. Die unabhängige Mandatsausübung ist kein Lippenbekenntnis, sondern Verfassungsgrundsatz. Um das deutlich zu machen: Dafür ist eine Änderung im Strafgesetzbuch - nicht nur nach den aktuellen Vorfällen, sondern grundsätzlich - das richtige und notwendige Mittel. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits in der Mai-Tagung hat der Kollege Harms darauf hingewiesen, dass angesichts der aktuellen Abgeordnetenskandale um Maskenbeschaffung, Spenden und so weiter eine Baustelle besteht, nämlich im § 108 e StGB. Er beendete seine Ausführungen mit dem Satz:
„§ 108 e des Strafgesetzbuches muss also in seinen Tatbeständen erweitert werden. Sonst haben wir nur ein stumpfes Schwert.“
Nur einen Tag später lieferte der SSW und reichte den jetzt vorliegenden Antrag zur Änderung des § 108 e StGB ein. Vielleicht wäre eine gewisse Besinnungspause doch sinnvoll gewesen.
Unter Punkt eins soll durch eine Streichung der Worte „im Auftrag oder auf Weisung“ dem Problem beigekommen werden, dass bisher nachgewiesen werden muss, dass es einen Auftrag gab und dieser Auftrag angenommen wurde. Dieser Beweis ist eigentlich nie zu führen, weil niemand so dämlich ist, einen entsprechenden Auftrag oder eine Weisung zu dokumentieren. Es werden auch keine Zeuginnen oder Zeugen zur Verfügung stehen, denn die Vertragspartner auf der anderen Seite würden sich wiederum selbst wegen Abgeordnetenbestechung strafbar machen.
Konkludentes Handeln, so sagte der Kollege Harms damals, sollte für eine Anklage ausreichen. Deshalb müsse nach der Auffassung des SSW klargestellt werden, dass derartige Vergehen auch dann geahndet werden können, wenn ein Auftrag oder eine Weisung nicht explizit nachweisbar seien.
Wenn ich das richtig verstehe, soll nach der Vorstellung des SSW also bereits der böse Schein eines kollusiven Zusammenwirkens - so nennen wir Juristen solche Unrechtsvereinbarungen - von Interessenvertretenden und Abgeordneten ausreichen.
Lieber Kollege, bei aller Sympathie für das Grundanliegen: Als Rechtsanwalt, der gelegentlich auch im Bereich der Strafverteidigung unterwegs ist, sträuben sich mir die Nackenhaare. Ich habe massive Bedenken. Es ist ein Grundprinzip des Strafrechts, dass für die Verurteilung einer Straftat durch die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte der sogenannte Strengbeweis zu führen ist. Das gilt auch für die Frage der Kausalität zwischen Handlung und Tatbestandsverwirklichung.