Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Peter Lehnert [CDU])

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Frau Kollegin Anita Klahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle wollen gerechte Bildungschancen für jeden Schüler und jede Schülerin in Schleswig-Holstein, denn das Recht auf Bildung ist ein Menschenrecht. Ein selbstbestimmtes Leben kann nur führen, wer seine eigenen Anlagen und Talente vollständig ausbilden kann. Daher muss jeder die Möglichkeit haben, die Schule zu besuchen, die seinem Bildungsweg gerecht wird - egal, ob er auf der Insel oder dem Festland lebt.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am Geld sollte die Ausbildung eines Jugendlichen angesichts der momentanen Finanzlage in unserem Land nicht scheitern. Wir dürfen aber den Blick nicht dafür verlieren, was angemessen und vertretbar ist. Das mag dem einen gefallen, dem anderen nicht: Zur Freiheit und Pluralität einer Gesellschaft gehört eben auch, ein gewisses Maß an Ungleichheit zu ertragen.

Die Koalition hat sich darauf verständigt, dass die Schülerinnen und Schüler von Halligen und Inseln im Kreis Nordfriesland entsprechend dem sogenannten Helgoland-Stipendium unterstützt werden, wenn sie eine Schule mit Oberstufe oder eine Berufsschule auf dem Festland besuchen. Ich halte diesen Schritt angesichts des Ziels, den Kindern beste Chancen zu ermöglichen, für konsequent. Er bedeutet, dass den Jugendlichen von den Inseln und Halligen der Weg zum Erwerb eines höheren Schulabschlusses oder einer qualifizierten Berufsausbildung offensteht.

Es mögen vielleicht nicht allzu viele Jugendliche sein, aber jeder Einzelne zählt, wenn er auf dem Weg zur guten Ausbildung, die ihn glücklich macht, oder zum Abitur von uns unterstützt wird. Bisher bekommen diese Schülerinnen und Schüler

ab der 10. Klasse allein das einkommensabhängige Schüler-BAföG, das aus Bundesmitteln finanziert wird. Angesichts der Kosten, die entstehen, wenn man eine eigene Wohnung auf dem Festland anmieten muss, sind die 300 € mehr, die man über das Helgoland-Stipendium bekommt, durchaus gerechtfertigt, vor allem auch unter dem Aspekt, dass es für die Familien auf Inseln und Halligen nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist, dass ein Kind für die schulische Ausbildung fortziehen muss.

Es ist für uns ein Unterschied, ob man zum Erreichen des Abiturs dazu gezwungen wird, sein elterliches Heim zu verlassen, oder ob Familien sich aus persönlichen Gründen für ein bestimmtes Schulsystem entscheiden, wie zum Beispiel für den Besuch einer kostenpflichtigen Privatschule mit Internatsunterbringung oder für den Besuch einer dänischen Schule.

Der SSW fordert abweichend von unserem Antrag, dass die Landesregierung den Beschlüssen des nordfriesischen Kreistags von 2016 und des Hauptausschusses von 2017 folgt und somit auch den Besuch einer Schule des Dänischen Schulvereins bereits ab der 9. Klasse nach Art des Helgoland-Stipendiums fördert. Ich möchte noch einmal klarstellen: Bisher erhalten die Schülerinnen und Schüler auf den Inseln eine einkommensabhängige Förderung nach einem Vertrag aus dem Jahr 1982 bis einschließlich Klasse 9. Das Schüler-BAföG steht ab Klasse 10 einkommensabhängig zur Verfügung, und zusätzlich kommt jetzt das Helgoland-Stipendium mit 300 € ab Klasse 11 beziehungsweise ab Beginn einer Ausbildung.

Folgen wir also der Forderung des SSW - so, wie sie in dem Antrag formuliert ist -, würde dies bedeuten, dass Eltern, deren Kinder die 9. Klasse einer dänischen Schule auf dem Festland besuchen, neben der einkommensabhängigen Förderung zusätzlich die 300 € des Helgoland-Stipendiums erhielten. Damit ginge es aus meiner Sicht nicht mehr allein um Chancengerechtigkeit, im Rahmen der staatlichen Regelangebote ohne Benachteiligung das Abitur zu erwerben oder eine Berufsfachschule zu besuchen, sondern um die Unterstützung einer frei gewählten besonderen Schulform und vor allem um eine Doppelförderung einer einzelnen Gruppe.

Die Sicherstellung des Rechts auf Bildung ist auf jeden Fall gewährleistet. Ich würde mich freuen, wenn wir die Details im Ausschuss weiter erörterten und vielleicht zu einem gemeinsamen Antrag kämen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Ines Strehlau)

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Brodehl.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Als AfD unterstützen wir den Antrag des SSW, eine einkommensunabhängige finanzielle Förderung nach dem Vorbild des Helgoland-Stipendiums einzuführen. Wir halten die Forderung des SSW nach Entlastung aus mehreren Gründen für gerechtfertigt.

Die finanziellen Belastungen für das Land Schleswig-Holstein wären durchaus überschaubar. Im Schuljahr 2016/2017 besuchten gerade einmal 87 Schüler eine dänische Grund- oder Gemeinschaftsschule auf den Inseln Sylt und Föhr. Die Zahl der Schüler der nordfriesischen Inseln und Halligen, die an einer deutschen Schule unterrichtet werden und auf dem Festland ihre Schulbiografie fortsetzen möchten, ist ebenfalls sehr gering. Überschaubar ist somit auch der Förderungsumfang. Die Förderung sieht 300 € monatlich vor, die gemeinsam von Gemeinde, Kreis und Land aufgebracht werden müssten.

Während die Kosten für die beteiligten Gemeinden, für den Kreis und das Land also relativ einfach zu stemmen wären, bedeutet dies für die betroffenen Elternhäuser eine ganz erhebliche Entlastung. Der nordfriesische Landrat Dieter Harrsen äußerste sich in dieser Frage zunächst einmal dahin gehend, dass diese Familien ja beihilfeberechtigt seien und es ihnen sogar besser ginge als denjenigen, die das Helgoland-Stipendium erhielten. Dies trifft aber nur auf einen Teil der Eltern zu, denn die Zuschüsse werden entsprechend der Einkommen gestaffelt. Für die anderen Eltern stellt der Schulwechsel auf das Festland also eine ganz erhebliche finanzielle Belastung dar. Insofern kann überhaupt keine Rede davon sein, dass man in Helgoland nachziehe, wie Harrsen meint. Aus meiner Sicht ist das Gegenteil der Fall.

Ein ganz anderer Punkt betrifft nicht die Finanzen, sondern die Schulbiografien und die Bedürfnisse der Schüler auf den Inseln und Halligen. Dies gilt besonders für die Schüler, die eine dänische Schule auf Föhr oder Sylt besuchen. Da sie auf den nordfriesischen Inseln nur bis zur 8. Klasse beschult werden, wechseln sie danach an die Flensborg Du

borg-Skolen, um dort den ersten allgemeinbildenden Schulabschluss zu erhalten. - Ich hoffe, ich habe das richtig ausgesprochen.

(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Ja!)

Mit unserem Ja zum Helgoland-Stipendium erleichtern wir den Verbleib im gleichen Schulsystem und vermeiden so einen Bruch der Schulbiografie. Für die Familien auf den Halligen ist die Unterstützung besonders wichtig. Spätestens nach der 9. Klasse erfolgt in der Regel der Wechsel aufs Festland,. Oftmals gibt es allerdings auf den Halligen von vornherein so wenige Kinder, dass sie gezwungen sind, schon für den Grundschulbesuch die Inseln zu verlassen. Diese Trennung der Familien stellt an sich schon eine Belastung dar. Erleichtern wir ihnen diese wenigstens durch eine finanzielle Leistung ein wenig.

Die vermeintliche Pressemitteilung der Ministerin habe ich ebenso wenig gelesen wie Frau Strehlau. Aber die Position von Jamaika war ja schon vorher klar. Im Koalitionsvertrag lesen wir von schnellstmöglicher Unterstützung. Dass das natürlich nicht bedeuten kann, dass es zu einer doppelten Förderung kommt, ist uns, glaube ich, klar. Das ist nicht strittig.

Wir schließen uns also aus den genannten Gründen dem Antrag des SSW an. Die Schülerinnen und Schüler der Halligen und der Inseln sind durch einen landesseitigen Beitrag finanziell zu unterstützen, und zwar nach dem Helgoländer Modell. Der Wohnort innerhalb Schleswig-Holsteins darf nicht zu einer Benachteiligung führen. Entlasten wir also mit einer finanziellen Unterstützung die Eltern, und schließen wir damit eine kleine, aber für die betroffenen Familien große Gerechtigkeitslücke. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Nun hat sich der Abgeordnete Klaus Jensen von der CDU-Fraktion zu einem Dreiminutenbeitrag gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Selbstverständlich möchte ich als Betroffener auch noch etwas dazu sagen. Sie alle wissen und ihr alle wisst, dass ich Pellwormer bin, dass ich diese Situation selbst als Schüler erlebt habe und dass ich sie vor einiger Zeit - unsere Kinder sind schon erwachsen - auch als Elternteil erlebt habe.

(Anita Klahn)

Natürlich haben wir immer gespürt, dass diese Kosten erheblich sind, aber wir haben uns immer gesagt: Das ist für unsere Kinder. Wie alle Eltern sagen wir, was für unsere Kinder und für die Schulbildung unserer Kinder ist, ist gut. Dafür sparen wir, wir geben unser Geld dafür aus, und dann ist eben etwas anderes nicht drin.

Dass wir nicht pendeln, von Pellworm aus nicht, von den Halligen nicht, von Helgoland nicht, das ist klar. Wir müssen Wohnungen mieten. Das sind kleine Wohnungen, in denen die Schüler entweder alleine oder gemeinsam mit ein paar Freunden als WG wohnen. Wenn man 15, 16 oder 17 Jahre alt ist, hat das auch Vorteile. Man geht einigem zu Hause aus dem Weg.

(Heiterkeit SPD)

Aber es geht auch um die finanzielle Beanspruchung. In der Regel haben die Familien mehr als zwei Kinder. So kann es auch sein, dass zwei oder drei Kinder einer Familie gleichzeitig in einer Schule in Husum aufschlagen. Dann ist das schon eine Nummer. Deswegen bin ich so froh, dass wir heute für die nordfriesischen Inseln und für die Halligen das auf den Weg bringen, was für Helgoland schon gilt.

Ich weiß noch, als wir in den Koalitionsverhandlungen waren und die Noch-nicht-Ministerin Karin Prien in unseren Räumen Asyl gefunden hatte, weil sie noch kein eigenes Büro hatte, dass ich sie immer wieder einmal angestupst habe, ob das denn nun in die Vereinbarung mit hineinkommt. An einem Abend ging es, glaube ich, um UKSH-Themen, also um ganz andere Themen. Da kam ich mit meinem Helgoland-Stipendium an. Sie hatte den Kopf nicht wirklich frei dafür, aber das kommt schon zurecht.

Liebe Ministerin, ich bin dankbar dafür, dass wir das im Koalitionsvertrag so dokumentiert haben. Es geht ja nicht um 300 € aus der Landeskasse, sondern um 100 €, die das Land bezahlt, 100 €, die der Kreis bezahlt, und um 100 €, die die Kommunen bezahlen. Insofern ist das eine faire Aufteilung.

Tobias Loose hat es gesagt: Ich werde ab und zu und nicht nur auf der Fähre angetickt: „Wat is denn nu mit de Helgoland-Stipendium? Geiht dat los?“ Ik segg: „Dat geiht los, dat is afmaakt, un dat geiht ok rückwirkend los, to 1. September, denk ik." Dat is goot so, un ik freu mi, dat dat so kamen deit. Ik mag ji ok velen Dank seggen dorför, dat dat so kamen ward. Dor gah ik mal vun ut. Un ik kann denn jetzt tohuus vertellen: Wi hebbt dat op‘n Weg,

un dat geiht nu ok tatsächlich los. Velen Dank dorför!

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregierung hat nun die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was wir heute miteinander besprechen, könnte man als das sprichwörtliche Scheunentor bezeichnen. Liebe Abgeordnete des SSW, Sie wissen, wir haben das im Koalitionsvertrag vereinbart. Ich zitiere es noch einmal:

„Wir werden Schülerinnen und Schüler der Inseln und Halligen des Kreises Nordfriesland beim Schulbesuch auf dem Festland analog zum sogenannten ‚Helgoland-Stipendium‘ schnellstmöglich unterstützen.“

Ja, es ist wahr: Der Abgeordnete Jensen hat, da kannten wir uns kaum, keine Gelegenheit ausgelassen, um mich darauf hinzuweisen, dass diese Angelegenheit eine ganz hohe Priorität für ihn hat und auch für das Land insgesamt eine wichtige Frage ist. Deshalb steht es auch im Koalitionsvertrag. Darauf hat sich die Koalition vereinbart. Deshalb haben wir auch, da war ich noch nicht ganz im Ministerium angekommen, schon angefangen, an dieser Angelegenheit zu arbeiten. Ich kann Ihnen heute die erfreuliche Nachricht mitbringen, dass wir nicht nur bereits seit Monaten über diese Frage verhandeln, sondern dass wir auch kurz vor der Vertragsunterzeichnung stehen.

Selbstverständlich, lieber Herr Vogel, haben Sie die Pressemitteilung erhalten, aber mit Sperrfrist, so wie sich das gehört, mit dem gebührenden Respekt vor dem Parlament. Aber ich glaube nicht, dass der Ansatz sein kann, dass wir unsere Bemühungen, die wir auf Grundlage des Koalitionsvertrages begonnen haben, jetzt einstellen. Das wäre schade; denn wir wollen ja eine schnellstmögliche, und zwar eine rückwirkende Regelung für die Schülerinnen und Schüler der Inseln und der Halligen erreichen.

Die Unterstützung der Hallig-Kinder steht auf unserer politischen To-do-Liste ganz oben. Wir kümmern uns darum, und wir wollen den Familien, die mit ihren Kindern auf einer Hallig leben, schon

(Klaus Jensen)

bald analog zum Helgoland-Stipendium wirkungsvoll helfen.

Der landesseitige Betrag für die finanzielle Unterstützung der Schülerinnen und Schüler der Inseln und Halligen, den die Abgeordneten des SSW mit ihrem Antrag einfordern, ist also gewährleistet und auf einem guten Weg.

Zwischen dem Bildungsministerium und dem Kreis Nordfriesland besteht weitgehend Einvernehmen über die Voraussetzungen, unter denen eine Ausbildungsbeihilfe für den notwendigen Schulbesuch auf dem Festland gewährt werden soll. Es bedarf jetzt der Entscheidung der Wohnsitzgemeinden beziehungsweise Ämter, ob sie - ebenso wie die Gemeinde Helgoland beim sogenannten Helgoland-Stipendium - bereit sind, ein Drittel der Ausbildungsbeihilfe in Höhe von insgesamt 300 € zu übernehmen. Ist das der Fall, wird die Ausbildungsbeihilfe rückwirkend mit dem Schuljahresbeginn den Familien der betroffenen Schülerinnen und Schüler auf Antrag gewährt.

Der Vertragsentwurf für Nordfriesland stimmt weitgehend mit dem Vertragstext des Helgoland-Stipendiums überein. Förderfähig - dies ist schon angesprochen worden - ist der Besuch der Oberstufe einer allgemeinbildenden Schule auf dem Festland, soweit diese nicht auf der Insel beziehungsweise Hallig vorhanden ist.

Aber es bestehen auch Unterschiede zum Helgoland-Stipendium. Dazu will ich auch kurz ausführen. Wir haben uns im Rahmen der Vertragsverhandlungen entsprechend der Vorstellungen des Kreises Nordfriesland damit einverstanden erklärt, für Schülerinnen und Schüler der Halligen auch den Besuch der 10. Jahrgangsstufe einer allgemeinbildenden Schule oder einer Berufsfachschule auf dem Festland zum Erwerb des Mittleren Schulabschlusses zu fördern. Denn ein entsprechendes Angebot ist auf den Halligen nicht vorhanden, und es ist für die Schülerinnen und Schüler unmöglich, täglich zwischen der Hallig und dem Festland zu pendeln.

Das Bildungsministerium ist zudem dem Kreis dahin gehend gefolgt, die Ausbildungsbeihilfe auch den Schülerinnen und Schülern zu gewähren, die die Oberstufe einer Schule des Dänischen Schulvereins besuchen. Wir sind der Auffassung, dass es den Schülerinnen und Schülern der dänischen Minderheit selbstverständlich möglich sein muss, bis zum Erreichen des höchstmöglichen Schulabschlusses im dänischen Schulsystem zu verbleiben.

Zwischen dem Ministerium und dem Kreis besteht lediglich in einem kleinen Punkt noch eine Meinungsverschiedenheit. Möglicherweise reflektiert Ihr Antrag ja darauf. Insoweit suchen wir zurzeit nach einer abschließenden Verständigung. Dabei geht es um die Schülerinnen und Schüler von den Halligen, die ab der Jahrgangsstufe 9 auf eine dänische Schule auf dem Festland wechseln wollen. Nicht, dass sie nicht dorthin wechseln sollen. Auch das begrüßen wir. Aber sie sollen dann kein HalligStipendium erhalten, wenn sie bereits anderweitig gefördert werden, und zwar aufgrund eines Vertrages zwischen Land und Kreis von 1982, den die Abgeordnete Klahn bereits erwähnt hat. Es handelt sich dabei um eine einkommensabhängige Förderung aus Landes- und Kreismitteln, die nach den Regelungen des BAföG gewährt wird.