Protocol of the Session on February 23, 2022

Login to download PDF

Mein größter Kritikpunkt bleibt allerdings die Diskrepanz zwischen den Ankündigungen und dem tatsächlichen Haushaltsansatz. Die Landesregierung weiß natürlich darum und peppt deswegen auch den Aktionsplan etwas auf. Es ist eigentlich ein bisschen peinlich, wenn zum Beispiel behauptet wird, dass Fortbildungen zur interkulturellen Kompetenz in der Staatskanzlei - es geht darum, andere Völkerschaften kennenzulernen - auch irgendetwas mit sexuellen Identitäten oder Orientierungen zu tun hätten. Das sind völlig unterschiedliche Sachen. Da kann es natürlich im Einzelfall auch einmal Überschneidungen geben. Man sollte aber vorsichtig damit sein, immer alles in einen Topf zu werfen. Das wird auch den einzelnen Initiativen, den einzelnen Orientierungen nicht gerecht.

Dass nur ein Haus überhaupt die Verwendung des Gendersternchens angibt - und das auch nur in, ich zitiere, „geeignetem Schriftgut“, was auch immer das ist -, ist ein Armutszeugnis. Wenn die Landesregierung das Sternchen ablehnt, was ihr gutes Recht ist, soll sie das schreiben, aber nicht ein einziges Ministerium vorschicken. Warum eigentlich stellt der Ministerpräsident der Landesregierung die Verwendung des Gendersternchens nicht frei, nach dem Motto „keine muss, aber jeder kann“? Das wäre eine echte politische Botschaft.

(Beifall SSW)

Unsere Gesellschaft profitiert von der Vielfalt. Diese Erkenntnis muss ich als Angehöriger einer Minderheit allerdings immer wiederholen. Das nervt. Wohlgemeinte Hilfsangebote nerven allerdings auch. Vielfalt erscheint manch Ewiggestrigem als Problem, weil es früher ja so etwas eigentlich gar nicht gab. Das ist sachlich falsch. Die Sichtbarkeit war nicht gegeben. Vergessen wir nicht, dass Homosexualität lange eine Straftat war. Wir haben sie nicht gesehen, viele haben sie auch nicht sehen wollen. Diese Vielfalt war schon immer da, spielte sich aber im Verborgenen ab. Wir können froh sein, dass das jetzt nicht mehr so ist. Wir müssen daran arbeiten, dass die Vielfalt, die wir haben, etwas völlig Normales ist.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deshalb ist Vielfalt auch eine Chance. Eine möglichst bunte Vielfalt in Schulen, Betrieben und Vereinen hat große Vorteile. Genauso sollten wir Vielfalt auch kommunizieren, und zwar wir alle.

Eines ist mir ganz wichtig - es ist ja heute anscheinend noch nicht angesprochen worden -: Ich finde es zutiefst beschämend, wenn Menschen ihre eige

(Lars Harms)

ne sexuelle Identität abgesprochen wird. Das kann nicht sein. Jeder hat sein eigenes persönliches Recht, so zu sein, wie er oder sie oder wer auch immer es will. Das muss ganz klar sein, und das muss der verbindende Kitt unserer Gesellschaft sein. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt SPD und Beifall Katja Rathje- Hoffmann [CDU])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 19/3474, zur Kenntnis zu nehmen. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so erfolgt.

Ich bitte die Kollegen, die rechts von mir sitzen, noch einmal zu überprüfen, ob die Maske richtig sitzt. Besten Dank. - Herr Schnurrbusch, ich meine Sie.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Digitalisierung und Bereitstellung von offenen Daten und zur Ermöglichung des Einsatzes von datengetriebenen Informationstechnologien in der Verwaltung (Digitalisie- rungsgesetz)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 19/3267

Bericht und Beschlussempfehlung des Umwelt-, Agrar- und Digitalisierungsausschusses Drucksache 19/3635 (neu)

Ich erteile das Wort dem Berichterstatter des Umwelt-, Agrar- und Digitalisierungsausschusses, dem Abgeordneten Oliver Kumbartzky.

Liebe Frau Präsidentin, ich verweise auf die Vorlage.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter für den Vortrag. - Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Ole-Christopher Plambeck.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir in zweiter Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Digitalisierung und Bereitstellung von offenen Daten und zur Ermöglichung des Einsatzes von datengetriebenen Informationstechnologien in der Verwaltung. Langer Name, aber klare Botschaft: Wir digitalisieren Schleswig-Holstein.

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Transformation von der analogen zu einer digitalen Welt ist allgegenwärtig. Ob wir es wollen oder nicht, es gibt keinen Weg zurück mehr. Kein Lebensbereich bleibt unberührt. Das gilt auch für die Verwaltung im Land. Ein Gesetz allein macht natürlich noch keine Digitalisierung, aber mit diesem Gesetz setzen wir Maßstäbe und legen Voraussetzungen für die Verwaltungen fest, sich an die aktuellen Anforderungen der neuen digitalen Welt anzupassen. Der sprichwörtliche Gang ins Amt kann bald entfallen. Teilweise kann er es jetzt schon, weil jede Leistung zukünftig von zu Hause aus erledigt werden kann; sei es die Beantragung eines Führerscheins oder eines Angelscheins, die Kfz-Zulassung oder die Einreichung eines Bauantrags.

Zudem werden wir die offene Bereitstellung von Daten der öffentlichen Hand ausbauen und einen Ordnungsrahmen für den Einsatz künstlicher Intelligenz - kI - und vergleichbarer Technologien in der Landesverwaltung schaffen. Wir machen Digitalpolitik aus einem Guss, das wurde insbesondere in der Anhörung deutlich.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, wir gehen hier den richtigen Weg. Viele positive Rückmeldungen haben wir bekommen, aber auch Hinweise, das eine oder andere anzupassen, was wir mit unserem JamaikaÄnderungsantrag machen. Zum Beispiel werden wir in einigen Punkten Landesrecht an Bundesrecht anpassen oder auch das Planungsrecht anpassen und natürlich auch Einwendungsfristen bei Erstauslegung verkürzen, sodass das im Gesamtbereich besser passt.

Damit der digitale Start tatsächlich gelebt werden kann, muss das Landesrecht an vielen weiteren Stellen angepasst werden. Es müssten überall Digitalisierungshemmnisse abgebaut werden.

(Unruhe)

Es müssen Schriftformerfordernisse abgebaut werden. Es geht um die Einführung von Standards wie

(Lars Harms)

bei der IT-Sicherheit, und es geht natürlich darum, und das ist uns wichtig, dass Daten öffentlich zugänglich sind und dass künstlicher Intelligenz ein entsprechender Rahmen gesetzt wird, was wir auch mit diesem Gesetz machen.

Hierfür schaffen wir mit dem Digitalisierungsgesetz die Voraussetzungen und passen weitere Gesetze an, wie zum Beispiel das Landesverwaltungsgesetz, das Landesfischereigesetz, das Vermessungs- und Katastergesetz und viele andere. Daran sieht man: Um das große Ganze in dem Bereich zu erreichen, nämlich die Gestaltung der fortschreitenden Digitalisierung aller Lebens-, Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche, muss die Modernisierung von Verwaltungsprozessen bis ins kleinste Detail gestaltet werden, denn einer der zentralen Erfolgsfaktoren bei der digitalen Transformation in Schleswig-Holstein ist die digitale Aufstellung von Prozessen in der Verwaltung. Da kann man ganz klar sagen: Hier machen wir mit diesem Gesetz einen ganz großen Schritt nach vorn.

(Anhaltende Unruhe)

Dieses Gesetz ist also ein Fortschritt im Land und auch ein großer Kraftakt. Deswegen möchte ich mich insbesondere bei der Landesregierung, beim MELUND, aber auch bei meinen Koalitionskollegen Stephan Holowaty und Joschka Knuth für die Beratung bedanken. Namentlich danke ich in der Verwaltung auch Herrn Karg und Herrn Thomsen, die sehr viel geleistet haben. Natürlich bedanke ich mich auch für die vielen Hinweise aus der Anhörung, die zu diesem Gesetz beigetragen haben, sodass wir das hier heute in zweiter Lesung abstimmen. Deswegen bitte ich um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Liebe Kollegen, es ist sehr laut. Vielleicht können wir die Geräuschkulisse ein kleines bisschen runterfahren oder die Gespräche außerhalb des Plenarsaals führen? - Besten Dank.

Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt dem Abgeordneten Dr. Kai Dolgner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landtagswahl steht vor der Tür, und Jamaika hat offenbar die Regierungswerbewochen ausgerufen.

(Beifall SPD - Serpil Midyatli [SPD]: Glück- wunsch!)

Wie sonst ist es zu erklären, dass wir noch einmal zum Gesetz reden und der Minister eine weitere PK macht, obwohl das Gesetz im Ausschuss ohne Gegenstimmen zur Annahme empfohlen wurde?

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich verlasse mich allerdings nicht auf Werbung, sondern teste die Produkte auch gern selbst. Ich rede jetzt auch darüber. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin laut dpa-Meldung aus dem Werbespot beziehungsweise der Pressekonferenz:

„Unabhängig von Öffnungszeiten von Behörden ist es bereits möglich, Anträge auf Wohngeld online zu stellen. Gleiches gilt für Unterhaltsvorschüsse, Kinder- und Elterngeld sowie die sogenannte Eingliederungshilfe für Minderjährige. Auch Anträge für einen Angelschein lassen sich bereits online stellen.“

(Dennys Bornhöft [FDP]: Endlich, das war harte Arbeit!)

Es ist also bereits möglich. Dann probiere ich das gleich mal aus, habe ich mir gedacht. Zunächst einmal das Kindergeld. Merkwürdig, das findet sich ja gar nicht im Serviceportal des Landes.

(Zurufe SPD)

Klar kann man Kindergeld online beantragen, aber halt über die Webseite der Familienkasse, die zur Bundesagentur für Arbeit gehört, und das bereits seit drei Jahren.

(Beifall SPD - Serpil Midyatli [SPD]: Ja- wohl!)

Sollte Minister Albrecht sich hier etwa mit den fremden Federn von Hubertus Heil geschmückt haben?