Protocol of the Session on April 27, 2022

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lien werden zerrissen, Existenzen werden vernichtet, Lebenspläne werden über den Haufen geworfen. Die Kollegin Raudies hat es angesprochen: Wir in Schleswig-Holstein haben in unseren Familien ja nicht selten selbst noch Erfahrungen mit Flucht und Vertreibung. Da kommt Vieles an Erinnerungen wieder hoch. Wir werden jetzt alles tun, was möglich und notwendig ist, um Leid abzumildern, Schutz zu bieten und auch zerplatzte Träume durch neue Chancen für die zu uns geflüchteten Menschen zu ersetzen.

Damit haben wir bereits begonnen. Wir unterstützen die Kommunen bei der Aufnahme der Geflüchteten, wir schaffen Wohnraum und Notunterkünfte, wir stellen Angebote zur Betreuung und Teilhabe von Kindern sicher, und die Beratungsstellen werden weiter unterstützt. Mit den weiteren 400 Millionen € werden wir weitergehende Maßnahmen finanzieren. Es wird dabei vor allem um die Aufnahme und Unterbringung gehen, die Herrichtung von Wohnraum. Das ist natürlich schon in einer angespannten Wohnungsmarktlage ein Problem, aber es ist notwendig, und es gibt dabei viel Engagement.

Es geht um die Unterstützung der Menschen in allen Belangen des Lebens. Es geht um die Integration. Es ist wichtig - das ist eine Lehre aus den vergangenen Jahrzehnten -, mit Integration früh zu beginnen. Man muss davon ausgehen, dass viele Menschen nicht in die Heimat zurückkehren können, wenn wir uns die Bilder gerade in der Ostukraine anschauen.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Besonders wichtig ist die Sprachvermittlung. Hier auch gerade im Fokus: die Kinderbetreuung, die Schulbildung, psychosoziale und traumapädagogische Betreuung. Es muss aber auch um die Unterstützung von Menschen mit besonderen Bedarfen gehen, vor allem um Schwangere, um Menschen mit Behinderungen, aber auch zum Beispiel um Waisen.

In unserer Kreisstadt Ratzeburg im Herzogtum Lauenburg beispielsweise gibt es ein ganzes Heim mit kleinen Waisenkindern, die durch eine private Initiative aus Sumy angekommen sind. Wenn man sich das anschaut und mit den Menschen spricht, die mit den Kindern hergekommen sind und jetzt bei uns betreut werden, sieht man, es sind erschütternde Berichte. Es gibt unheimlich viel zu tun, und das muss jetzt finanziert werden. Wir müssen schnell helfen, meine Damen und Herren, damit diese auch jungen Menschen, diese Waisenkinder, die es im

(Lasse Petersdotter)

Leben eh schon schwer genug haben, bei uns vernünftig ankommen und hier vernünftig leben können.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Kein Mensch in Schleswig-Holstein soll mit dem Erlebten bei seiner Orientierung im neuen Leben alleingelassen werden. Diese Unterstützung sehen wir als unsere humanitäre Verpflichtung an. Da stehen wir beisammen.

Wir können jetzt die Folgen des Ukrainekrieges bei den zu uns geflohenen Menschen abmildern. Die Schuldenbremse erlaubt diese Ausnahme. Es wird einen Tilgungsplan geben, und es könnte sein, dass wir diese Mittel zumindest noch nicht vollumfänglich benötigen werden. Es werden auch Bundesmittel zur Verfügung gestellt, die vorrangig verwendet werden; das ist auch vernünftig. Wir dürfen auch nicht die Augen davor verschließen, dass uns die Auswirkungen des Krieges sicherlich auch im Jahr 2023 und im Zweifel darüber hinaus herausfordern werden.

Ich bin zuversichtlich, dass wir das auch - in welcher politischen Konstellation auch immer - hinbekommen werden.

Zu den Kitas. Darüber werden wir noch reden. Ich verstehe, dass man über die Gruppengrößen streiten kann. Ich bin aber schon ein bisschen erstaunt über die pauschale Kritik der SPD. Auch das macht niemand gerne, ist aber ein Gebot der Solidarität. Das ist zumindest mein Verständnis von Solidarität, dass wir auch dort handeln.

Meine Damen und Herren, wenn wir sehen, welche Kriegsverbrechen Russland begeht, Frauen und Kinder beschießt, keine Fluchtkorridore ermöglicht, dann sehen wir, dass wir die Ukraine noch stärker unterstützen müssen - aus meiner Sicht auch mit schweren Waffen -, damit sich die Menschen in der Ostukraine verteidigen können, damit die Massaker an Frauen und Kindern, an Zivilisten, die wir jeden Tag sehen müssen, verhindert werden. Wir müssen der Ukraine helfen. Wir verteidigen auch unsere Freiheit, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Abschließend will ich sagen: Schleswig-Holstein wird bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen zusammenstehen - wieder zusammenstehen. Das war auch in der Vergangenheit so - parteiübergreifend. Das ist gerade wenige Tage vor einer wichtigen Wahl nicht selbstverständlich. Ich bedanke

mich bei allen Beteiligten, bei den Finanzpolitikern, allen voran bei Monika Heinold, aber auch bei der Opposition von SPD und SSW. Vielen Dank für diesen Zusammenhalt! Das ist wichtig, gerade wenige Tage vor der Wahl in diesen schwierigen Zeiten. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und SPD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es zeichnet Schleswig-Holstein aus, dass wir unsere parteipolitischen Differenzen außen vor lassen, wenn es darauf ankommt, eine große Herausforderung schnell und gemeinsam anzupacken. Das war beim Corona-Notkredit so, und das ist nun bei der Hilfe für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auch so. Schleswig-Holstein steht zusammen - fest an der Seite der Menschen, die unsere Hilfe benötigen.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!)

Natürlich stellt uns diese Situation vor eine gewaltige Aufgabe - infrastrukturell, finanziell und gesellschaftlich. Aber wir nehmen diese Aufgabe an, denn es ist für uns selbstverständlich, dass wir unserer humanitären Verantwortung nachkommen.

In der letzten Nachtragshaushaltsdebatte hatten wir ja gemeinsam und sehr kurzfristig die ersten Geldumwidmungen als einen ersten Schritt freigegeben und uns dazu verabredet, zeitnah näher über die angekündigten weiteren bis zu 400 Millionen € zu sprechen. Die weiteren Details haben wir in den vorliegenden Anträgen nun parteiübergreifend festgehalten. Es ist ein wichtiges Signal, dass wir uns gemeinsam - somit unabhängig vom Ausgang der Landtagswahl - auf dieses weitere Vorgehen verständigt haben.

Das Paket hat einen Umfang von maximal 400 Millionen €, die aus bereits freigegebenen Mitteln der Corona-Notkredite umgewidmet werden. Dazu werden wir den beschlossenen Ermächtigungsrahmen zum Ausgleich des strukturellen Defizits um 400 Millionen € senken und diese Summe im Gegenzug gezielt für die Unterstützung der Ukraineflüchtlinge bereitstellen. Natürlich geht es dabei

(Christopher Vogt)

nun in allererster Linie um die Bereitstellung von Unterkünften, Nahrung, Kleidung, medizinischer Versorgung und allem, was in den ersten Tagen und Wochen nach Ankunft erst einmal die Grundbedürfnisse deckt. Hinzu kommen die Organisation und die Kosten für Kitas, Schulen und weitere Betreuungs- und Bildungsangebote für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen, damit diese zumindest in einer gewissen Form von Alltagsleben ankommen können.

Darüber hinaus wird sich in den nächsten Wochen herauskristallisieren, wie groß der Bedarf an weiteren Unterstützungsleistungen, beispielsweise der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen, ist. Auch weitere Unterstützungs- und Teilhabeprogramme, unter anderem zu den Stichworten Arbeitsmarktintegration, Studium, Migrationsberatung und zum Ehrenamt - das dürfen wir nicht vergessen -, sind in unseren Anträgen vorgesehen.

Natürlich wird das eine riesengroße Herausforderung und ein Kraftakt für alle - Eltern, Kinder, alle involvierten Mitarbeiter der verschiedenen Einrichtungen und auch die vielen Ehrenamtlichen -, aber wir müssen und werden diese Situation gemeinsam angehen und meistern.

All dies zeigt, dass Schleswig-Holstein gewillt und gerüstet ist, den zu uns geflüchteten Menschen umfassend zu helfen und ihnen eine Perspektive zu geben. Die Absprachen zwischen Land und Kommunen standen dabei ziemlich zügig. Die Hilfe vor Ort ist überwältigend und pragmatisch angelaufen. Nun ist es noch am Bund, verlässliche Finanzierungszusagen zu machen. Eine faire Kostenteilung zwischen Bund, Land und Kommunen ist unabdingbar. Denn die besagten 400 Millionen € verstehen sich als in Aussicht gestellter Finanzierungsrahmen, der immer nur bis zur aktuell benötigten Summe und eben nicht pauschal auf einen Schlag ausgeschöpft werden darf. So haben wir es bewusst und eindeutig im Entschließungsantrag formuliert. Bundesmittel sind stets - wie bei den Corona-Nothilfemitteln vorrangig zu verwenden.

Außerdem fordern wir die Landesregierung auf, bis Anfang Juni Eckwerte für die weitere Planung vorzulegen und uns monatlich schriftlich über die Ausgaben auf dem Laufenden zu halten, denn natürlich ist uns allen klar: Die aktuelle Lage ist weiterhin sehr dynamisch; es kommen tagtäglich weitere Menschen an. Daher bleibt eine Kosten- und Maßnahmenprognose weiterhin schwierig. Dennoch müssen wir möglichst bald mit konkreteren Einschätzungen weiterarbeiten können.

Wovon wir aber schon ziemlich sicher ausgehen können: Die nun vorerst veranschlagten umgewidmeten 400 Millionen € werden langfristig womöglich nicht ausreichen. Gegen Ende des Jahres werden wir wohl über weiteres Geld sprechen müssen. Doch, wie gesagt, meine Damen und Herren: Humanitäre Hilfe wird in Schleswig-Holstein weder an einer bestimmten Konstellation von Regierung und Opposition noch am Geld scheitern. Wichtig ist und wird immer bleiben, dass geflüchteten Menschen geholfen wird. Auch aus diesem Grunde möchte ich mich dem Dank der Vorredner an alle sowohl an Regierungs- als auch an Oppositionsfraktionen - anschließen, dass wir das gemeinsam hinbekommen haben.

Eines, meine Damen und Herren, kann ich mir nicht verkneifen: Ich fühle mich darin bestätigt, dass wir damals, als wir die Schuldenbremse beschlossen haben, als einziges Land eine Zweidrittelregelung eingebaut haben, um auch die Opposition einzubinden. Ich merke immer mehr, dass das ein kluger Schachzug war, denn das führt dazu, dass wir Verantwortung übernehmen können, es aber eben auch darauf ankommt, dass wir sie übernehmen. Das zeigt, wie gut dieses Instrument hier funktioniert. In dem Sinne: Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit und richtig gute Anträge sowie weiterhin - auch über Legislaturperioden hinaus eine vernünftige Zusammenarbeit! - Danke schön.

(Beifall SSW, FDP, vereinzelt CDU und SPD)

Für den Zusammenschluss der AfD hat der Abgeordnete Jörg Nobis das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Krieg in der Ukraine dauert nun bereits 63 Tage, und das menschliche Leid nimmt täglich zu. Kaum jemand von uns hätte vor dem 24. Februar 2022 geglaubt, dass es in unserer Nachbarschaft, mitten in Europa, wieder einen Krieg geben könnte. Und nach dem 24. Februar gingen die meisten davon aus, dass der Krieg schon nicht allzu lange dauern würde. Das sieht mittlerweile anders aus. Seriöse Voraussagen dazu, wann dieser Krieg und das durch Putins Truppen verursachte Leid ein Ende finden, sind nicht möglich.

Seit Kriegsbeginn hilft Deutschland und nimmt wie andere Staaten ukrainische Flüchtlinge auf. Weil wir nicht wissen, wie lange in der Ukraine noch ge

(Lars Harms)

kämpft wird, müssen wir uns darauf einstellen, dass die zu uns kommenden Ukrainer nicht sofort zurückkehren werden können. Dies gilt umso mehr, als in Teilen der Ukraine in erheblichem Umfang auch Wohnraum zerstört wurde.

Wir als AfD stehen seit jeher dafür, dass Kriegsflüchtlingen in der Region geholfen wird. Die Ukraine ist zwar kein direkter Nachbar, aber doch ein Land und eine Nation in der Nachbarschaft. Wir helfen daher gern. Das kostet selbstverständlich Geld, auch das ist uns klar - für die Unterbringung, die Beschulung sowie für soziale Leistungen. Ein Großteil dieser Leistungen wird vor Ort in den Kommunen erbracht, teilweise von den Kreisen vorgestreckt und teilweise direkt von den Kreisen finanziert. Die Aufgabe des Landes ist es nun, hier einen angemessenen Lastenausgleich herzustellen, damit die Kommunen nicht auf ihren Kosten sitzenbleiben. Das sollte so unbürokratisch wie möglich erfolgen; die Aufnahmepauschale in Höhe von 500 € ist deshalb ein vernünftiger Ansatz. Auch, dass Vorhaltekosten zumindest vorübergehend übernommen werden sollen, ist richtig, damit die Kommunen nicht sprichwörtlich untergehen.

Schleswig-Holstein hilft. Die Hilfsbereitschaft und das Engagement umfassen Ehrenamtliche ebenso wie die vielen Verwaltungsmitarbeiter, die mit außerordentlichem Einsatz ihren Anteil zum Gelingen beitragen.

Uns trägt aber auch die Hoffnung, dass wir den ukrainischen Flüchtlingen eine sichere Bleibe bieten können und sie baldmöglichst wieder in ihre Heimat zurückkehren können, denn das, meine Damen und Herren, wollen die allermeisten Ukrainer. Sie lieben ihre Heimat, sie haben dort Familie und wollen die Daheimgebliebenen, ihre Männer, Väter oder auch Söhne, wieder in die Arme schließen - in einer friedlichen Ukraine, in einer souveränen Ukraine. Wir als AfD hoffen, dass sie dies alsbald tun können.

Wir sehen, dass die Zahl der Neuankömmlinge in Deutschland aktuell sinkt und dass es sogar eine vorsichtige Rückkehrtendenz - insbesondere aus Polen - in die Westukraine gibt, seitdem dort nur noch vereinzelt Kampfhandlungen stattfinden.

Wir bereiten aber heute mit unserer Zustimmung zu den entsprechenden Anträgen auch den Fall vor, dass der Krieg länger dauern sollte und eine sichere Rückkehr so schnell nicht möglich sein wird. Dass Sie die Finanzierung allerdings mit den aus unserer Sicht klar verfassungswidrigen Corona-Notkrediten verknüpft haben, ist dabei sehr ärgerlich.

Unsere Zustimmung zu Ihrem Antrag ändert nichts an unserer Kritik an diesen finanzpolitischen Taschenspielertricks. Wir hätten uns da einen weiteren Topf gewünscht, wofür Sie die Coronakrise dann auch genutzt haben. Aber das Kind ist ja bereits in den Brunnen gefallen. Heute geht es allerdings um das Ergebnis, und das lautet: Wir helfen gern den ukrainischen Kriegsflüchtlingen und lassen die Kreise und Kommunen nicht im Regen stehen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Landesregierung hat die Finanzministerin Monika Heinold das Wort.

Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Jeden Tag erreichen uns katastrophale Nachrichten aus den Kriegsgebieten in der Ukraine, auch heute Morgen wieder: Angriffe in der Ostukraine und im Süden. Russland eskaliert die Situation mit Drohungen von Atombomben und einem Dritten Weltkrieg. Das ist dramatisch. UN-Generalsekretär Guterres hat sehr deutlich gemacht, dass nicht ukrainische Soldaten in Russland stehen, sondern russische Soldaten in der Ukraine, und er hat ein Ende dieses Krieges gefordert.

Schleswig-Holstein, Deutschland, Europa und die Welt - wir stehen an der Seite der Ukrainerinnen und Urkainer. Sie kämpfen für unsere Demokratie, und wir sagen sehr deutlich: Diese brutale Gewalt des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs in der Ukraine muss gestoppt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP, SSW und Claus Schaffer [AfD])

Mehr als zwölf Millionen Menschen mussten ihre Wohnorte verlassen und befinden sich auf der Flucht, darunter mehr als vier Millionen Kinder unermessliches Leid. Für uns hier in SchleswigHolstein ist es deshalb selbstverständlich, dass wir diesen Menschen ein sicherer Hafen sind. Dazu gehören Unterbringung, Versorgung und Öffnung von Kitas und Schulen für die Kinder. Humanität darf nicht am Geld scheitern. Das war meine Leitlinie als Finanzministerin 2015, und das ist sie auch heute.