Protocol of the Session on April 27, 2022

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Das Lohnniveau hat einen maßgeblichen Einfluss auf den Mangel an Mitarbeitenden. Das sagen die Autoren der neuen Tourismusstrategie. Das sehen wir auch so. Dafür sind Tarifverträge unverzichtbar und ihre Allgemeinverbindlichkeit schon einmal ein Fortschritt.

(Hans-Jörn Arp)

(Beifall SPD und Christian Dirschauer [SSW])

Guter Lohn - und zwar unabhängig von Trinkgeld ist auch ein Ausdruck des Respekts gegenüber denen, die unseren Gästen eine schöne Zeit bereiten, ob im Restaurant, im Hotel oder im Freizeitpark.

Zweitens wäre da eine Charmeoffensive - so habe ich das im Februar genannt. Gute Kommunikation, Steigerung der Tourismusakzeptanz, Schaffung einer echten Willkommenskultur, Vermittlung der wirtschaftlichen Vorteile des Tourismus, insbesondere für Einheimische - schauen Sie einmal in die neue Tourismusstrategie! Tourismusakzeptanz und Tourismusbewusstsein werden darin als limitierender Faktor ausgemacht und damit als eine der zentralen Herausforderungen beschrieben. - Gut so!

Drittens wäre da noch, unseren Tourismus sowohl saisonal als auch regional breiter aufzustellen. Das erhöht die Wertschöpfung pro Gast und ist gut für Auslastung und Beschäftigung. Wir haben mehrfach gefordert, die Vorschläge der Studie zum Binnenlandtourismus umzusetzen. Schauen Sie einmal in die neue Tourismusstrategie! Die Mission lautet: „Schleswig-Holstein wird zur Ganzjahresdestination“. Dazu gehören - Handlungsfeld 7 - verbesserte Strukturen im Binnenlandtourismus und die Ansiedlung von Beherbergungsbetrieben im Binnenland. - Gut so!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei meinem Start im Landtag 2005 zählten wir 22 Millionen Übernachtungen. 2019 - ich greife das Jahr heraus, weil es das letzte Vor-Corona-Jahr war - waren wir bei 35 Millionen Übernachtungen. Meine Fraktion und ich, wir haben immer gesagt, dass neben der Wachstumsstrategie von 2014 das qualitative Wachstum in den Fokus gehört. Ich habe mich in all meinen Jahren als tourismuspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion für einen nachhaltigen Tourismus eingesetzt. Schauen Sie einmal in die neue Tourismusstrategie: Dort ist das qualitative Wachstum Teil der Tourismusmission 2030. - Gut so!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bringe ganz viel Lob, wie Sie hören. Das heißt, wir tragen die neue Strategie mit. Die Handlungsfelder darin sind auch genau unsere Punkte - ich habe sie schon im Februar genannt.

(Beifall SPD)

Jetzt muss es aber an die konsequente Umsetzung gehen. Die Tourismusakteure haben ganz klare Vorstellungen zum Umsetzungsmanagement, die auch Geld kosten werden. Insofern wäre ein diesbezügli

cher Beschluss des Landtags heute ganz schön gewesen. Das hätten die Regierungsfraktionen anschieben können, wie ich seinerzeit mit der Vorgängerstrategie.

So müssen wir darauf hoffen, dass der nächste Landtag die entsprechenden Beschlüsse fasst; ich wünsche mir das. Selbstverständlich ist das nicht. Denken Sie einmal an die Zeit zurück, als eine Unternehmensberatung den Tourismus neu aufstellen wollte oder als CDU und FDP die TA.SH abwickeln wollten! - Alles schon dagewesen. Heute haben hoffentlich alle begriffen, dass wir unseren Schleswig-Holstein-Tourismus nur gemeinsam voranbringen können und nur, indem wir immer wieder auf diejenigen hören, die im Tourismus unterwegs sind: in Hotels, in Restaurants, in den Marketingorganisationen. Der Runde Tisch Tourismuspolitik - den wir vielleicht heute nicht mehr ganz pünktlich erreichen - ist eine Folge der schwarzgelben Tabula rasa.

Aber ich will versöhnlich enden. Was die Gemeinsamkeit angeht, danke ich allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern, ob in meiner Fraktion, den anderen Fraktionen oder im Ministerium, bei den Verbänden und Marketingorganisationen für wirklich gute Diskussionen, wichtige Hinweise und wertvolle Anregungen. Ob in Regierungsverantwortung oder in der Opposition, wir haben es alles in allem ordentlich gemacht. Unser Tourismus steht blendend da. Aber er braucht auch weiter unser aller kraftvolle Unterstützung.

Denen, die zukünftig die Tourismuspolitik unseres Landes gestalten, wünsche ich offene Ohren und Herzen für die Belange der Branche. Diese Branche sorgt für dreistellige Millionenbeträge an Steuereinnahmen, sorgt für über 160.000 Arbeitsplätze, und nicht zuletzt steigert sie die Lebensqualität in unserem Land. Das ist jede Mühe wert. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun der Abgeordnete Professor Dr. Andreas Tietze.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich freue mich - und ich darf das auch für meine Fraktion sagen: wir freuen uns sehr -, dass die Tourismusstrategie es noch auf die Tagesord

(Regina Poersch)

nung geschafft hat. Trotz oder vielleicht eher wegen der Pandemie schneidet Schleswig-Holstein im Ländervergleich gut ab. Wir konnten sogar einen Anstieg bei den Übernachtungszahlen feststellen. Das ist sehr schön und auch besonders für uns Grüne erfreulich.

Sie haben den Dreiklang noch einmal genannt: Ökonomie, Ökologie und Soziales. Gerade wenn man die Themen Ökonomie und Ökologie nimmt, sind die gar nicht so weit auseinander. Da steckt nämlich das griechische Wort Oikos drin; da geht es um das gemeinsame Haus, das wir alle miteinander zu bestellen haben. Das machen wir einmal mit Regeln - im Nomos, im Gesetz - und einmal mit der Vernunft - im Logos. Es geht eben immer wieder um das Ausbalancieren zwischen Regeln und Vernunft und darum, dass wir gemeinsam diese Welt nicht nur für uns, sondern auch für die nächsten Generationen erhalten. Deshalb fehlt das Bindeglied das haben Sie sehr gut genannt -: Das ist das Soziale. Ohne soziale Gerechtigkeit geht es nicht, weil wir alle sehr darauf angewiesen sind, dass wir alle mitnehmen.

Also, dieser Dreiklang, den Sie beschreiben, ist für mich so etwas wie ein Lebensprinzip. Es geht eben nicht ohne das andere. Das gehört alles miteinander zusammen.

Wenn ich auf die letzten 13 Jahre zurückblicke - als ich mit dem Thema Tourismus angefangen habe -, war zunächst das Roland-Berger-Konzept Thema. Es ging um die Zielgruppenstrategie. Das haben wir dann mit der 30-30-3-Strategie weiterentwickelt. Aber wenn ich lese, was wir heute haben, freut sich mein grünes Herz besonders. Nicht nur wir haben uns mit einer neuen Strategie verändert, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern auch die Gäste haben sich verändert. Da ist in der Gesellschaft viel passiert.

Wir alle haben Kinder und Enkelkinder, die möglicherweise jeden Freitag auf die Straße gehen. Das bleibt am Küchentisch zu Hause nicht unerwähnt. Natürlich ist davon auch die Reiseplanung betroffen. Dass wir das jetzt so sehen und formulieren, dass die Überschrift dieser Tourismusstrategie lautet „Verantwortungsvoller, nachhaltiger Qualitätstourismus“ - das ist das Leitmotiv -, finde ich richtig gut.

Ich sage an der Stelle auch und verbinde das mit dem Dank an Sie persönlich, Herr Minister. Wir hatten zum Thema Wirtschaft in der Koalition an Pfingsten vor fünf Jahren so einen Start: Was kommt da auf uns zu - Konflikte? Können die das

miteinander? Schaffen die das? - Ich blicke auf fünf Jahre zurück und finde, dass wir das sehr gut gemacht haben. Dass wir das sehr gut gemacht haben, hat auch mit Personen zu tun, die in dieser Koalition und bei diesem Thema - das darf ich auch meinem Kollegen Arp sagen - alle voneinander gelernt haben.

Vielleicht bin ich ein bisschen liberaler, auch ein bisschen konservativer geworden, aber die Kollegen sind auch ein bisschen grüner geworden. Wir haben einiges erreicht. Das zeigt sich eben auch an dieser Tourismusstrategie. Darin sind viele Maßnahmen enthalten, die ich mir vor 13 Jahren nicht hätte vorstellen können. Manchmal hat mich der Kollege Kubicki, der heute Karriere im Bund macht, ein bisschen verlacht, wenn ich hier darüber philosophiert habe, wie toll die Radfahrstrategie für den Tourismus ist; da sind wir ein bisschen als Spinner bezeichnet worden. Heute fährt ganz Deutschland mit dem Rad zur Arbeit, heute haben wir moderne Räder, die fast so viel wie ein Mittelklassewagen kosten, und wir haben alle gemerkt, dass es uns richtig guttut, Rad zu fahren. Es ist gesund, wir sind an der frischen Luft, und die Menschen merken, dass es Spaß macht.

Herr Minister, deshalb ist es wichtig, dass wir die verschiedenen Strategien, die sehr gut miteinander vernetzt sind, in der Tourismusstrategie weiter verbinden.

Kurz gesagt: Die Tourismusstrategie ist wirklich sehr gut gelungen. Wenn wir im Bericht von der Strategie 30-30-3 lesen, kommt es mir ein bisschen wie vorgestern vor, dass wir auf Wachstum gesetzt haben. Ich finde, dass wir jetzt genau den richtigen Weg gehen und - wie im richtigen Leben - nicht auf Masse, sondern auf Qualität setzen. Dass es uns gelungen ist, das in dieser Strategie so nach vorn zu bringen, ist für mich ein wichtiger Punkt.

Ich war am Wochenende auf meiner Heimatinsel Sylt; ich habe da 25 Jahre gelebt und Haustürwahlkampf gemacht. Da hat sich wahnsinnig viel verändert, nicht nur zum Guten - ich war in List -, wenn man sieht, was da passiert, welche Appartements da gebaut werden, wie die Insel zugebaut wird und immer weniger bezahlbarer Wohnraum zu bekommen ist.

Es gibt jetzt eine Bürgerinitiative auf der Insel, „Merret reicht’s“. Die haben während der Pandemie viel Zeit gehabt. Als wir den Gästen nicht erlaubt haben, auf die Insel zu kommen, haben viele Zeit zum Grübeln gehabt. Viele haben in dieser Zeit entdeckt, wie schön es auf den Inseln ist, viele haben

(Dr. Andreas Tietze)

aber auch festgestellt, was ein Overtourism gerade auf Sylt anrichtet.

Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, welche Autos da fahren. Die Insulaner, aber auch viele Urlauber empfinden das mittlerweile als Belästigung. Auch da muss es eine Strategie geben, wie wir Menschen davon abhalten, mit einem dicken SUV anzureisen, der drei Wochen vor dem Appartement steht und mit dem man vielleicht einmal zu Gosch fährt. Da muss man den Leuten sagen: Freunde, das könnt ihr besser, das könnt ihr anders machen! Weniger Autos würden der Insel Sylt guttun.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch der Bereich Wohnen und bezahlbarer Wohnraum ist ein Thema auf den Inseln.

Auch Handlungsfeld 9, das Sie in den Bericht aufgenommen haben, ist sehr wichtig. Handlungsfeld 9 nimmt zum ersten Mal Tourismusbewusstsein und -akzeptanz in die Tourismusstrategie auf. Ohne Akzeptanz geht es nicht. Wer will denn Urlaub in einer Tourismusdestination machen, in der keine Menschen mehr leben, wo keiner mehr wohnt; das ist Disneyland, das will doch keiner! Gerade durch die Begegnung von Gästen und Einheimischen entsteht Bindung, entsteht Qualität, dann kommen die Leute wieder, da fahren sie gern wieder hin.

Das sind die Themen, die wir in Zukunft nach vorn bringen müssen. Ich bin froh, dass die Akzeptanzproblematik aufgenommen worden ist. Ohne die Bevölkerung, ohne die Mitarbeitenden, ohne viele Vereine, Verbände, ohne Ehrenamt, ohne Familienfreundlichkeit wird das alles nicht gelingen. Es geht nur zusammen in den Regionen. Dass wir das jetzt zur Strategie machen, ist ein richtiger, wichtiger und guter Punkt. - Vielen Dank dafür.

Das Thema Tourismus ist für Schleswig-Holstein auch deshalb so wichtig - Herr Arp, Sie haben gesagt, das sei unsere Automobilindustrie -, weil wir im Tourismus jährlich einen Umsatz von 9 Milliarden € erzielen und über 160.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser Branche tätig sind. Deshalb ist es so wichtig, dass wir im Landtag da immer an einem Strang ziehen.

Herzlichen Dank dafür, Hans-Jörn Arp, herzlichen Dank dafür, Bernd Buchholz, herzlichen Dank dafür dem Kollegen Olli von der FDP, herzlichen Dank dir, liebe Regina. Herzlichen Dank, lieber Klaus, ich will dich besonders nennen, weil du sehr viel für den Tourismus getan hast. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit und die Kollegialität!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Annabell Krämer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein und der Tourismus sind ein unschlagbares Duo, das einfach zusammengehört. Das zeigt sich nicht nur in der immer weiter steigenden Beliebtheit unseres Landes bei den Urlaubsgästen, es zeigt sich auch in dem beeindruckenden Beitrag, den die Tourismuswirtschaft mit all ihren Facetten zur Wirtschaftskraft des Landes beiträgt. Es ist daher immer wieder ein wichtiges Zeichen, dass sich alle Fraktionen - das ist heute schon mehrfach gesagt worden - zu diesem so wichtigen Wirtschaftszweig in unserem Land bekennen.

Die vergangenen zwei Jahre sind wahrlich kein Zuckerschlecken für den Tourismus gewesen - für welche Branche war es das? Umso erfreulicher ist es, dass es mit dem Tourismus im Land jetzt wieder gut vorangeht. Wir sind uns sicherlich alle einig, dass wir auf eine erfolgreiche und zufriedenstellende Saison 2022 setzen. Aber wo wir sind, wollen wir nicht stehen bleiben. Es wäre falsch, sich auf den bestehenden Erfolgen auszuruhen und den Status quo lediglich zu verwalten. Daher waren die Evaluierung und Weiterentwicklung der Tourismusstrategie genau der richtige Weg.

Die neue Tourismusstrategie setzt mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit einen guten Schwerpunkt. Wichtig ist dabei - der Minister hat es bereits gesagt -, dass alle Facetten der Nachhaltigkeit betrachtet werden, die ökonomische, die ökologische, aber auch die soziale Nachhaltigkeit. Dieser Dreiklang wird von einigen manchmal lieber verdrängt.

Wir wollen den Tourismus gemeinsam mit den Menschen vor Ort weiterentwickeln. Wir haben das Glück - das hat mir der Minister vorweggenommen -, in einem Land zu leben, in dem andere Urlaub machen. Das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen. Das ist das Pfund, mit dem wir wuchern können. Wenn wir um Fachkräfte werben, können wir ihnen sagen: Ihr könnt dort arbeiten, wo andere Urlaub machen.

Dabei profitieren wir genau wie unsere Urlaubsgäste von einer starken Tourismusbranche: Straßenbau und -sanierung verbessern auch unser aller Mobili

(Dr. Andreas Tietze)

tät im Alltag, neue Radwege eröffnen auch uns weitere Freizeitmöglichkeiten, moderne Seebrücken und Promenaden steigern auch unsere Aufenthaltsqualität, in Schwimm- und Freizeitbädern können auch unsere Kinder schwimmen lernen. Die Bedeutung des Tourismus für unser Land und die Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung müssen wir immer wieder, besonders auf kommunaler Ebene, kommunizieren. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Weiterentwicklung des Tourismus zulasten der Bürginnen und Bürger vor Ort geht.

Nur so werden wir die nötige Akzeptanz für unsere tollen Projekte im Tourismus erzeugen, die wir dringend brauchen, weil höchste Qualität und moderne Angebote die Voraussetzungen für eine stabile und nachhaltige Tourismuswirtschaft sind.

Wir haben bereits viele starke Tourismusregionen, die schönen Strände des Landes kennt vermutlich jeder. Daher gilt es, auch unsere vermeintlich noch verborgenen Schätze im Binnenland zu heben und zu stärken. Gerade der naturnahe Tourismus bietet enorme Potenziale: Wandern, Radfahren, Urlaub auf dem Bauernhof.