Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

(Beifall SSW und FDP)

Ein Thema möchte ich besonders ansprechen, weil es mir wichtig ist, dass wir hier endlich vorankommen, und zwar wenn es um die Rechte von transidenten und intersexuellen Menschen geht. Der vorliegende Bericht weist auch auf die Resolution hin, die wir hier im Haus im November 2016 beschlossen haben. Einzig die CDU trug diese Resolution nicht mit und enthielt sich bei der Abstimmung mit der Begründung, man müsse sich erst einmal über das Thema informieren.

Nun hatten Sie ja Zeit, sich zu informieren, und Sie werden festgestellt haben: Von dem positiven Zeichen, das die Resolution setzen sollte, ist erst einmal leider vor allem die Symbolwirkung erhalten geblieben. Das möchte ich sehr selbstkritisch anmerken. Immerhin war die Küstenkoalition ja dann, nach der Verabschiedung, noch fünf Monate im Amt. Wir haben in der Zeit zur Umsetzung nicht viel beigetragen.

Nun liegt es aber an der neuen Regierungskoalition, die Umsetzung zu verwirklichen. Es hat noch keine Novellierung des Transsexuellengesetzes hin zu einem Selbstbestimmungsgesetz gegeben. Noch immer führt die Weltgesundheitsorganisation WHO Transsexualität auf der Liste der psychischen Krankheiten. Dieses Verzeichnis wird auch in Deutschland zur Einstufung von Krankheiten genutzt. Im nächsten Jahr wird es eine Neuauflage des

Katalogs geben. Dann hätte die WHO die Chance, zu reagieren. Als eines der ersten Länder weltweit hat übrigens Dänemark zum 1. Januar 2017 Transsexualität von der Liste psychischer Krankheiten gestrichen. So herum geht es nämlich auch.

(Beifall SPD und SSW - Zurufe CDU und FDP)

Ein sehr hilfreicher Hinweis kommt außerdem von der Antidiskriminierungsstelle selbst. Sie beschreibt ja sehr einleuchtend, welche Schwierigkeiten auftauchen, wenn transidente Kinder und Jugendliche mit dem auf ihren Geburtsurkunden eingetragenen Vornamen in den Schulakten und Zeugnissen geführt werden, wenn sie doch aber mit dem neu gewählten Vornamen angesprochen werden. Hier kann das Land schon vorab für eine konkrete Verbesserung sorgen, und zwar nicht nur in den Schulen, sondern auch an unseren Hochschulen und in allen Instanzen, die die öffentliche Verwaltung des Landes betreffen. Überall dort ist dies möglich.

Seit der Einführung der Antidiskriminierungsstelle sind die Beratungsfälle stetig gestiegen. Wir werten diese Zahlen aber nicht als erschreckende Steigerung der diskriminierten Fälle, sondern als Zeichen dafür, dass diese Beratungsstelle sich wirklich etabliert hat.

Meine Damen und Herren, wir haben einen ausführlichen Bericht mit klaren Forderungen und Empfehlungen vor uns liegen. Hieraus müssen wir jetzt die notwendigen politischen Schlüsse ziehen und Beschlüsse fassen. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Auch wenn das Sozialministerium nach dem neuen Ressortzuschnitt nur einen sehr kleinen Ausschnitt dieser Thematik behandelt, nämlich die Problematik queerer Menschen, also homosexueller, transsexueller und intersexueller Menschen, haben wir uns in der Landesregierung dazu entschieden, dass der Sozialminister diesen Ausschnitt betrachten darf.

(Flemming Meyer)

Es wird viele Kolleginnen und Kollegen wahrscheinlich nicht besonders wundern, dass mir dieses Thema neben allem, was die Kolleginnen und Kollegen, jedenfalls die meisten von ihnen, hier bereits angesprochen haben, ein ganz besonderes Herzensanliegen ist, weil ich bedauerlicherweise feststellen muss, dass queere Menschen leider immer häufiger Gegenstand von Diskriminierung werden. Ich weiß nicht mehr genau, welcher Kollege oder welche Kollegin dies gesagt hat, aber ich greife es einmal auf. Es wurde vom Überflüssigmachen oder vom Überflüssigwerden der Antidiskriminierungsstelle gesprochen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir entfernen uns leider davon, diese Stelle überflüssig zu machen, und zwar weltweit. Das gilt auch für Deutschland und auch für Schleswig-Holstein. Ich bedauere das ausgesprochen.

Ich will mit einem Fall anfangen, der mit Deutschland gar nichts zu tun hat. Er hat mich aber zutiefst erschüttert, und er zeigt aus meiner Sicht, wie wichtig die Auseinandersetzung mit Diskriminierung ist. Im Regenbogenland Südafrika wurden vor Weihnachten zwei junge Frauen auf grausamste Art und Weise gefoltert, vergewaltigt und umgebracht. Warum? - Weil diese beiden Frauen verheiratet waren und sich liebten. Ich habe es an dieser Stelle schon verschiedentlich zum Ausdruck gebracht: Wir können und dürfen nicht aufhören, gegen Diskriminierung von Menschen aufzustehen und uns dagegen zu wehren. Niemand, ganz egal, wo er lebt, wie er oder sie lebt und vor allem, wen sie oder er liebt, muss sich dafür in einer Gesellschaft entschuldigen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, AfD und SSW)

Ich komme gleich zu den beiden Beispielen aus dem Bericht. Der Kollege Bornhöft hat gesagt, wie viele Menschen heute immer noch im Alltag Diskriminierung erfahren. Ja, ich fürchte, das ist tatsächlich so. Ich glaube aber auch, dass sich mancher von uns möglicherweise gar nicht vorstellen kann, was Diskriminierung mit einem Menschen macht. Ich will sehr deutlich sagen, ich bin in den 80er-Jahren als Teenager aufgewachsen. Die jungen Kollegen werden jetzt schmunzeln. Ich bin in den 80er-Jahren sozialisiert worden. Ich weiß ganz genau, wie es sich anfühlt, wenn man mit 14, 15 oder 16 Jahren als Schwuchtel bezeichnet wird.

Die Tatsache, dass die Selbstmordrate unter homosexuellen, transsexuellen und intersexuellen Jugendlichen nach wie vor um ein Vielfaches höher ist, sollte uns allen zu denken geben. Das macht

nämlich Diskriminierung im Zweifel mit Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Bürgerbeauftragte, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, schildert in ihrem Bericht zwei Fälle. Hierbei gibt es zwei Zitate. Normalerweise würde ich sagen, diese müsste man sich auf der Zunge zergehen lassen, das tun wir lieber nicht. Ich zitiere aber von Seite 44 des Berichts:

„Ihr Schwulen seid hier wie Schwarze und Ausländer die Exoten.“

Als der Petent sich bei seinem Arbeitgeber gegen diese Form von Diskriminierung wandte, empfahl die Personalverantwortliche: Nehmt das doch mit Humor. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das darf niemand mit Humor nehmen, sondern dagegen ist einzuschreiten, und zwar mit aller Deutlichkeit.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Lebensgefährte und ich haben uns vor Weihnachten lange über diesen Satz unterhalten. Ich habe versucht, klar zu machen, dass wir in Deutschland viel weiter sind. Er hat den Kopf schief gelegt und gesagt: Na ja, das, was ich erlebe, wenn ich bei dir in Kiel bin, das erlebst du natürlich nicht, weil du blond und blauäugig bist. Er sagte: Ich erlebe nach wie vor eine doppelte Diskriminierung: Einmal als schwuler Mann, zum zweiten aber auch, weil ich anders aussehe. - Ja, er ist Puerto-Ricaner. Er ist ein bisschen dunkler und hat dunklere Augen als der durchschnittliche Schleswig-Holsteiner. Dieser Satz hat mir zu denken gegeben, und dieser Satz hat mich auch dazu gebracht, dass ich gesagt habe: Ich möchte heute dazu reden, weil ich nicht will, dass Menschen aufgrund dieses Merkmals das Gefühl haben, sie seien in unserer Bürgergesellschaft nicht willkommen oder sie müssten sich für irgendetwas rechtfertigen oder entschuldigen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [AfD])

Auf Seite 45 des Berichts steht ein weiteres Zitat:

„Ich habe keinen Bock mehr, mit der Schwuchtel zu arbeiten.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einen bescheidenen und kleinen Beitrag als Mitglied dieser Jamaika-Koalition leisten und sagen, dass nie

(Minister Dr. Heiner Garg)

mand in dieser Gesellschaft mehr Bock auf Leute mit einer solchen Einstellung hat.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [AfD])

Auch wenn ich nur diesen kleinen Ausschnitt betrachtet habe, so möchte ich mich bei Ihnen, sehr geehrte Frau Bürgerbeauftragte, bei dir, liebe Samiah El Samadoni, im Namen der Landesregierung von Herzen für die Arbeit, die Sie mit Ihrem Team leisten, bedanken. Eigentlich brauchten Sie uns alle als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Sie brauchten jede Bürgerin und jeden Bürger, um Diskriminierung von Menschen klar die Stoppkarte zu zeigen, um sie zu verhindern und um Menschen, ganz egal aufgrund welchen Merkmals, klarzumachen: Sie sind Menschen. In unserer Verfassung steht nicht umsonst der Grundsatz: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Lassen Sie uns Demokraten unseren Beitrag dazu leisten, diesen Grundsatz noch mehr mit Leben zu erfüllen, als es bislang schon der Fall ist. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im ganzen Haus)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Bericht, Drucksache 19/286, dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Ist das richtig so? - Dann bitte ich diejenigen, die so beschließen wollen, um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich schließe die heutige Sitzung und unterbreche die Tagung bis morgen früh, 10 Uhr. Ihnen allen einen guten Abend!

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 17:51 Uhr

(Minister Dr. Heiner Garg)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenografischer Dienst