Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gibt es seit 2006. Die Antidiskriminierungsstelle hier im Lande bei der Bürgerbeauftragten gibt es seit 2013. Die Küstenkoalition hat diese unverzichtbare Stelle eingerichtet - sieben Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes. Jetzt liegt der zweite Tätigkeitsbericht auf dem Tisch. Dafür möchten auch wir uns ganz herzlich bei Ihnen, Frau Samiah El Samadoni, und bei Ihrem Team bedanken.
Rechtliche Gleichstellung und wirkliche Gleichbehandlung sind absolut wichtig und werden immer wichtiger. Wir haben eine Zeit, in der Unsicherheit, Ängste und Neid vornehmlich von Populisten geschürt werden. Der Berichtszeitraum beleuchtet eine Zeit, in der die abstoßenden Erscheinungsformen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, zum Beispiel Rassismus, Sexismus, Homophobie, Abwertung von Behinderten, Islamfeindlichkeit und Antiziganismus, in sozialen Netzwerken, auf öffentlichen Versammlungen von Rechtspopulisten und Rechtsradikalen, aber auch zunehmend in Parlamenten Konjunktur haben.
Heute kann man lesen, dass der Bundestagsabgeordnete der AfD Kay Gottschalk öffentlich in Krefeld dazu aufruft: „Boykottiert die Türkenläden!“ Herr Brodehl, wenn Sie anfangen, hier irgendwelche fragwürdigen Parallelen zum Nationalsozialismus in anderen Zusammenhängen aufzubauen: Das wäre einmal etwas, wo man sinnvollerweise die Frage stellen kann, an was für Traditionen Sie da anknüpfen.
Meine Damen und Herren, die Bilanz der Antidiskriminierungsstelle ist beachtlich: 325 neue Eingaben. Das sind mehr als doppelt so viele wie im ersten Berichtszeitraum. Es gab Hilfeleistungen und Unterstützung in 464 Fällen - und das mit sehr knappen personellen Ressourcen. - Hut ab! Das belegt aber auch: Die Antidiskriminierungsstelle und ihre segensreiche Arbeit ist im Land bekannt geworden. Sie wird von immer mehr Menschen in Anspruch genommen, und das ist auch gut so.
Nicht gut ist, dass Ungleichbehandlung und Diskriminierung zu unserem Alltag gehören. Die Sensibilität gegenüber struktureller Benachteiligung lässt häufig zu wünschen übrig. Die zahlenmäßig größten Schwerpunkte der Eingaben beziehen sich auf die Merkmale Behinderung, ethnische Herkunft und Geschlecht. Behinderung und Geschlecht spielen verstärkt eine Rolle bei Diskriminierung im Arbeitsleben, die ethnische Herkunft ganz besonders bei so genannten Massengeschäften im Alltag. Da ist der bedauernswerte Klassiker der Einlass in eine Diskothek. Der wird sehr häufig nicht für junge Männer mit erkennbarem Migrationshintergrund gewährt. Wir hatten gerade in Ratzeburg bei einer großen Feier wieder so einen Fall, der in die Presse gelangt ist.
durch offizielle Stellen ist in einer rauer gewordenen politischen Klimalage deutlich größer geworden. Was als Bodensatz von Vorurteilen und Verachtung bei Einstellungen gegenüber Minderheiten schon immer da war, sich aber noch nicht so traute, sich in konkreten Worten und Handlungen zu äußern, das kommt jetzt aus der Deckung. Der Bereich des Sagbaren und Machbaren hat sich verschoben - nach rechts ins Menschenverachtende. Die im Bericht dargestellten Beispiele sprechen für sich. Wir haben schon einige davon gehört.
„Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“
- Wir Grünen können uns mit dieser Zielsetzung zu 100 % identifizieren. Sie ist eine zentrale grüne Forderung - schon lange, bevor das AGG überhaupt in die Welt gesetzt wurde. Angesichts der realen Missstände wollen wir beim AGG nicht stehenbleiben, sondern mit gesetzgeberischen Initiativen im Antidiskriminierungskampf fortfahren. Da gibt es schon deutliche Hinweise. Ich finde, in unser Gaststättengesetz müsste eine Bußgeldvorschrift hineinkommen, um diskriminierendes Verhalten bei Einlasskontrollen in Diskos wie in Niedersachsen und in Bremen - da gibt es das schon - auch hier zu sanktionieren. Auch der öffentliche Sektor muss mit gutem Beispiel vorangehen. Der Ansatz des AGG, vor allen Dingen im privatrechtlichen Sektor ein Instrument gegen Diskriminierung zur Verfügung zu stellen, greift unserer Ansicht nach zu kurz. Ich habe da nur ein Beispiel:
Ein letzter Satz. Wir haben in INPOL das Merkmal „ANST“, das steht für ansteckende Krankheiten. Das müsste dringend korrigiert werden. Die AIDSHilfen kritisieren massiv,
- dass dort ein ganz massives Diskriminierungspotenzial drinsteckt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft. - Ich möchte jetzt noch die Gelegenheit nutzen und auf der Besuchertribüne sechs Mitglieder der CDU aus Kollmar aus dem Kreis Steinburg begrüßen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich stellvertretend für die FDP-Fraktion natürlich dem Dank anschließen, liebe Frau Samiah El Samadoni, und Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleistete Arbeit, für den Bericht, den Sie vorgelegt haben, und natürlich die Arbeit, die Grundlage für diesen Bericht über die zwei Jahre ist, danken.
Diskriminierung und Benachteiligung sind leider weiterhin etwas Alltägliches in unserer Gesellschaft. Ich denke, dass leider auch ein Großteil der Bevölkerung auf unterschiedliche Art und Weise bereits Diskriminierung erlebt hat, sei es aufgrund des Geschlechts, der Weltanschauung, des Aussehens, des Alters, der sozialen Stellung oder der sexuellen Orientierung. Das ist explizit keine abschließende Aufzählung.
Auch wegen des Namens kann man diskriminiert werden. Letztes Jahr hat eine Mitarbeiterin der „Kieler Nachrichten“, Frau Fatima Krumm, einen Artikel über ihre eigene Wohnungssuche in Kiel geschrieben, bei der sich herausstellte, dass sie wegen ihres nicht abendländischen Vornamens häufig ausgesiebt wurde, bestätigt durch die erstaunte Feststellung von einem potenziellen Vermieter: Mensch, Sie sind anscheinend gar keine Türkin.
Ein weiteres Beispiel, welches mich befremdete, hat ein Freund von mir erfahren. Er heißt Özgürcan Bas und ist seit mehreren Jahren als Vorsitzender des Jungen Rats in der Kieler Kommunalpolitik engagiert und tätig. Bei einer Großraumdiskothek Burkhard Peters hat es gerade angesprochen - im Kieler Umkreis wurde er von den Türstehern nicht
eingelassen - trotz Volljährigkeit. Formal hätte er also hineingehen können. Auf seine Nachfrage, wieso er nicht, all seine Freunde aber, mit denen er vor der Tür gestanden hat, hineinkamen, bekam er die Antwort: „Das weißt du doch sicherlich selber“ - mit einem Augenzwinkern. Auch wenn hier die Worte nicht offen ausgesprochen wurden, war klar, dass es um seinen Migrationshintergrund ging.
In den Zahlen der Eingaben des Berichts, die in den Jahren 2015 und 2016 stark angestiegen sind, spiegelt sich auch ein stark angestiegenes Vertrauen der Menschen in die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle wider. Benachteiligungen werden häufiger und konsequenter angezeigt. In 464 Fällen konnte die Stelle seit ihrer Errichtung bereits Hilfe leisten. Das zeugt von einem besonderen Engagement, die Betroffene durch umfassende Unterstützung dazu ermutigt, Diskriminierung zu melden und sich umfassend helfen zu lassen.
Für uns ist der Kampf gegen Diskriminierung ein zentrales Anliegen. Das Recht auf eine vorurteilsfreie Behandlung steht jedem Menschen ungeachtet seiner Herkunft, seiner Hautfarbe, seiner Religion, seinem Geschlecht oder etwaiger Behinderungen die Aufzählung ist nicht abschließend - zu. Lediglich die eigenen Taten des Einzelnen sind es, wonach man einen Menschen bewerten sollte, nicht was man vermeintlich ist.
Das ist der liberale Grundsatz der freiheitlichen Grundordnung, den es zu verteidigen gilt, den es jeden Tag zu verteidigen gilt, sei es in der Schule, sei es bei der Arbeit, sei es in der Kneipe, oder, wie wir spätestens heute feststellen konnten, sei es hier in diesem Parlament. Jeden Tag muss darum gekämpft werden. Düsteren Erinnerungen, die heute anscheinend aus unserer Geschichte zitiert wurden, führen uns vor Augen, was passiert, wenn kollektive Zuschreibungen frei vom Einfluss des Einzelnen als Urteilsgrundlage dienen, wenn hieraus ein Wertesystem entsteht, das sich abseits jeglichen objektiven Handelns verselbstständigt.
Ein Gemeinwesen, das gröbsten Vorurteilen auch institutionell entgegentritt, ist leider mitnichten selbstverständlich. Selbst in unserem modernen Gemeinwesen sind nicht alle Vorurteile restlos ausgeräumt. Die Antidiskriminierungsstelle ist hier eine Möglichkeit, den Menschen zu helfen. Jeder kann nicht allein das Problem an der Wurzel packen. Eine Herabsetzung von Menschen liegt häufig in individuellen gesellschaftlichen Vorurteilen begründet.
Diese kann jeder Mensch im persönlichen Umgang mit seinen Mitmenschen vermeiden und ein Stück weit eine eigene Sensibilität dafür finden und wahren. Wir dürfen niemanden für etwas verurteilen, was außerhalb seines Einflusses liegt. Handlung und Meinung dürfen nicht beweislos zugeschrieben werden.
Die steigende Anzahl von Anfragen führt natürlich auch zu einem steigenden Personalbedarf bei Ihrer Stelle, Frau El Samadoni. Diesem haben wir bei der Haushaltsaufstellung bereits Rechnung getragen, damit wir die politische, aber auch die gesellschaftliche Arbeit gegen Diskriminierung verbessern können. Vielen Dank dafür! - Ihnen vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe gerade gehört: „Jetzt bin ich aber gespannt“. - Was sollen solche Einwürfe?
Im November, als der neue Tätigkeitsbericht vorgelegt wurde, konnten wir am nächsten Tag in den „Kieler Nachrichten“ die Überschrift lesen „Diskriminierung im Norden weiter auf dem Vormarsch“. Das ist eine sehr martialische Formulierung der Zeitung. Schauen wir einmal, ob das wirklich stimmt.
Wenn die Bürgerbeauftragte im Vorwort auf eine mehr als verdoppelte Anzahl durchgeführter Beratungsgespräche Bezug nimmt, so ist das statistisch gesehen durchaus eine erhebliche Steigerung. Andererseits waren 325 Beratungen in einem Zeitraum von zwei Jahren gegenüber 139 in den Jahren 2013 und 2014 in absoluten Zahlen eine Statistik, von der ich meine, dass nicht davon gesprochen werden sollte, dass sich die Diskriminierung im Norden weiter auf dem Vormarsch befindet. Die Bürgerbeauftragte selbst spricht in ihrem Vorwort viel zutreffender von einer größeren Etablierung der Beratungsangebote.
Wichtiger als die Statistik sind ohnehin die im Tätigkeitsbericht enthaltenen Fälle aus der Praxis gerade deshalb, weil hier Beispiele dokumentiert wer
den, die oft nicht im Blickwinkel der täglichen Öffentlichkeit stehen, etwa das Problem der Benachteiligung von Menschen einer autistischen Beeinträchtigung.
Grundsätzlich positiv bewerten wir die detaillierte Darstellung der im Tätigkeitsbericht berücksichtigen Beispiele. Hier kommen nämlich auch endlich einmal entlastende Aspekte zur Sprache, die dem Vorwurf einer Diskriminierung entgegengehalten werden können. So stellte sich in einem Fall der Nichtabschluss eines Telefonvertrages an der Haustür eben nicht als Altersdiskriminierung heraus, sondern beruhte auf einer nachvollziehbaren Unternehmenspraxis, ab einem bestimmten Alter von Haustürgeschäften Abstand zu nehmen, um sich nicht dem Vorwurf eines unzureichenden Verbraucherschutzes gegenüber älteren Menschen auszusetzen. Fälle wie dieser zeigen, dass die Antidiskriminierungsstelle die ihr gegebenen Möglichkeiten zur außergerichtlichen Konfliktlösung aktiv nutzt. Das begrüßen wir als AfD-Fraktion ausdrücklich. Auch so gesehen ist es wichtig, dass sich das Angebot noch weiter etabliert und bekannter gemacht wird.
Frau El Samadoni, Sie selbst sprechen von einer Brückenfunktion, die Sie einnehmen. Das ist eine sehr passende Wortwahl. Deswegen auch von unserer Seite einen Dank an Sie und Ihr Team. Sie werden weiterhin gebraucht, um zu schlichten, um unnötige Prozesse zu vermeiden und weiterhin zu sensibilisieren. Vielen Dank im Namen der AfD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, mich hat der Bericht der Antidiskriminierungsstelle schockiert. Aber das ist gut. Es ist gut, dass uns der Bericht so deutlich damit konfrontiert, was Menschen in diesem Land immer noch und regelmäßig an Ausgrenzung erfahren. Beim Lesen des Berichtes schwankt man dazwischen, peinlich berührt oder wütend zu sein. Manchmal saß ich auch nur kopfschüttelnd davor, fassungslos, mit welcher Begründung die Diskriminierung teilweise seitens der Diskriminierenden gerechtfertigt wird.
Wenn zum Beispiel Menschen aufgrund einer ihnen zugeschriebenen Herkunft der Einlass in eine Diskothek oder die Mitgliedschaft in einem Fitnesscenter verwehrt wird und die Betreiber meinen, ein derartiges Handeln stehe ihnen durch ihr Hausrecht zu, ist das ganz einfach nicht nachvollziehbar. Als ob ständig anzügliche Witze im Büro nicht besonders unangenehm wären, weil man oft keine Möglichkeit hat, den Witzen einfach aus dem Weg zu gehen. Als ob das grundlose Ausgrenzen von Menschen aufgrund welcher Merkmale auch immer nicht besonders schmerzte, wenn sie immer wieder im Arbeitsalltag vorkommen oder wenn die Gleichbehandlung an der Schwelle zum Privatunternehmen aufhört. Als ob in Unternehmen eine rechtsfreie Zone herrsche.
Hier scheint die Beratung, Präventionsarbeit und Aufklärung bitter nötig zu sein. Ich bin froh, dass unsere Antidiskriminierungsstelle mit unserer Bürgerbeauftragten Samiah El Samadoni diese wertvolle Arbeit leistet, für die ich mich persönlich und auch im Namen des SSW herzlich bedanken möchte.