Warum sprechen wir über ein Freihandelsabkommen ausschließlich mit Kanada? - Deshalb, weil weltweite Regelungen im Rahmen der WTO gescheitert sind. Wir sind also schon beim Plan B. Die Absicht ist ja nicht nur, ein Freihandelsabkommen mit Kanada zu schließen. Das wäre die Musterlösung für viele weitere Freihandelsabkommen mit weiteren Ländern. Ich will gar nicht bestreiten, dass es bei Kanada am Ende nur 0,5 Prozentpunkte BIPWachstum in zehn Jahren sind. Wenn wir aber auf dieser Basis mit weiteren Ländern Freihandelsabkommen schließen, haben wir genau diesen Wohlstandseffekt, der uns allen dient, der den Arbeitnehmern dient und unseren Wohlstand mehrt. Deswegen steht im GroKo-Sondierungspapier in der Tat, dass CETA zukunftsweisend sei. Auch wenn es bei Kanada nur 0,5 Prozentpunkte sind, sollten wir trotzdem Ja sagen. - Herzlichen Dank.
Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag der Volksinitiative, Drucksache 19/259 (neu), mit der abgegebenen Begründung abzulehnen. Wer der Ausschussempfehlung folgen und so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Damit ist der Antrag, Drucksache 19/259 (neu), mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen von SSW und AfD bei Enthaltung der SPDFraktion abgelehnt worden.
Ich begrüße auf der Besuchertribüne die Bürgerbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Samiah El Samadoni.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau El Samadoni, das ist der Tätigkeitsbericht der Antidiskriminierungsstelle. Ich hoffe, dass alle Kollegen ihn so intensiv gelesen haben wie ich. Sollte noch irgendjemand Zweifel haben, ob wir die Antidiskriminierungsstelle brauchen, empfehle ich die Lektüre dieses Berichts. Da kann man sehen, wie notwendig das auch bei uns in Schleswig-Holstein ist.
Seit 2013 gibt es die Antidiskriminierungsstelle bei uns im Land. Begonnen hat es im Anfangsjahr mit überschaubaren 44 Fällen. Die Zahlen steigen in den Folgejahren auf 95 Fälle, und 2013 waren es schon 142 Beratungen. 2016 kamen 183 Männer und Frauen zu Ihnen, zur Antidiskriminierungsstelle, um Rat und Hilfe zu bekommen. Es ging in der
Regel um Eingaben zu Alter, Geschlecht, Behinderung, ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, und es ging auch um sexuelle Identität. Falls diese Aufzählung zu abstrakt sein sollte, möchte ich hier einige Beispiele aus dem Bericht von Frau El Samadoni nennen, die deutlich machen, welche Form von Diskriminierung es in Schleswig-Holstein gibt.
In einem Fall geht es um eine 54-jährige Bürokauffrau, die sich bei einer großen Versicherung als Vertriebsangestellte beworben hat. Nach seltsamen Fragen im Bewerbungsgespräch und einem damit verbundenen Hausbesuch bei der Bewerberin - alles, um sich einen umfassenden Eindruck von der Wohnsituation zu verschaffen - folgten zwei Probetage, jeweils im Außendienst und im Servicebüro. Damit nicht genug, diese Prozeduren verliefen nach Ansicht der Bewerberin erfolgreich, weil der Geschäftsstellenleiter großes Interesse vorgab, eine Einstellung vorzunehmen, allerdings unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Zentrale „bei so alten Bewerberinnen“. Daraufhin folgte noch ein Assessment-Center; auch das verlief erfolgreich. Jedoch war das aus Sicht der Betroffenen alles für die Katz, weil überraschenderweise ein Anruf mit der Nachricht kam, später auch schriftlich, dass man doch von einer Einstellung absehen wolle.
Die Bewerberin wandte sich an die Antidiskriminierungsstelle, die nachfragte, warum die Einstellung nicht erfolge, obwohl die Bewerberin die gestellten Anforderungen offenbar erfüllt habe. Schriftlich stritt die Geschäftsleitung es ab, die Aussage gemacht zu haben, bei alten Bewerberinnen müsse die Geschäftsleitung zustimmen. Weiter hieß es, das Alter sei zu keiner Zeit entscheidungserheblich gewesen.
Die Antidiskriminierungsstelle klärte die Petentin über ihre Rechte auf, die dann Klage einreichte und im Rahmen der Güteverhandlung einen Vergleich mit der Versicherung durch eine Zahlung in Höhe von 4.200 € einging, weil hier eine eklatante Diskriminierung vorlag. Ein Erfolg.
Ich möchte Ihnen den zweiten krassen Fall einer Diskriminierung beschreiben, der mich sehr bewegt hat. Hier geht es um die ethnische Herkunft. Ein Erzieher hat sich telefonisch in einer Kita um die Absolvierung seines praktischen Anerkennungsjahres beworben. Ihm wurde bei der persönlichen Vorstellung eine Absage erteilt mit den Worten - halten Sie sich fest -: „Wir haben schlechte Erfahrungen mit
schwarzen Menschen gemacht.“ - Damit waren keine CDU-Wähler gemeint, sondern es ging wirklich um die Hautfarbe. Da läuft es mir kalt den Rücken herunter, dass so etwas heutzutage noch gesagt wird. Dieser Fall wurde der Antidiskriminierungsstelle leider nur mitgeteilt, jedoch sollte er auf ausdrücklichen Wunsch nicht verfolgt werden.
Verfolgt wurde aber der Fall einer Schwangeren, der die zuvor genehmigte Arbeitsstundenaufstockung vom Arbeitgeber wieder gestrichen wurde, nachdem man von der Schwangerschaft der Betroffenen gehört hatte.
Es ist beschämend und unfassbar, von diesen Fällen zu lesen, und es verdeutlicht und bestärkt uns, immer weiter gegen Diskriminierung jeder Art zu kämpfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns eines vor Augen führen: Wir lesen hier nicht nur von einzelnen Fällen, in denen Hilfe gesucht wird. Diskriminierungen gibt es wegen einer Behinderung, des Geschlechts, des Alters, der sexuellen Identität, der Hautfarbe oder der Herkunft. Petentinnen und Petenten müssen sich Aussagen anhören wie: „Ich habe keinen Bock, mit Schwarzen oder mit Schwuchteln zusammenzuarbeiten.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin heilfroh, dass wir nun seit fast fünf Jahren eine Antidiskriminierungsstelle haben, die in solchen Situationen den betroffenen Menschen zu ihrem Recht auf Gleichbehandlung verhilft. Diese Stelle wacht über die Einhaltung des AGG, was bitter notwendig ist. Die Beratungszahlen steigen kontinuierlich. Je bekannter diese Stelle im Land wird, desto besser.
Ja, es sind ja nur zehn Sekunden. - Das ist so gewollt und muss gestärkt werden. Wichtig für uns sind auch die Anregungen, die wir in den Fraktionen beraten haben und weiter beraten werden.
Arbeiten wir gemeinsam daran - das ist nämlich für viele der letzte Ausweg aus ihrer Situation -, stärken wir die Antidiskriminierungsstelle! - Vielen Dank, Frau El Samadoni. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich selbstverständlich dem Dank anschließen. Die SPD-Fraktion bedankt sich außerordentlich bei Ihnen, Frau Samiah El Samadoni, für Ihren Einsatz, für Ihre Beratung, nicht nur für diesen Bericht, sondern für die gute Arbeit, die Sie leisten. Bitte geben Sie diesen Dank an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter.
Dass sich die Zahl der Eingaben - das sagte meine Kollegin schon - gegenüber dem vorigen Bericht mehr als verdoppelt hat, zeigt deutlich, dass es richtig und wichtig war, die Antidiskriminierungsstelle einzusetzen. Wir freuen uns, dass das damals auf Initiative der Küstenkoalition entstanden ist.
Auch wenn der zahlenmäßige Schwerpunkt der Beratung die Merkmale Behinderung, ethnische Herkunft und Geschlecht umfasst, auf die ich später intensiver eingehen werde, möchte ich hier ausdrücklich die Beschwerden der Transgender erwähnen. Ich teile auch hier die Auffassung der Beauftragten, dass das Transsexuellengesetz dahin gehend geändert werden muss, dass die Vorgaben des Menschenrechtskommissars, aber auch die Vorgaben des Europarats angewendet werden müssen. Das ist ein Schwerpunktbereich, der bei Ihnen neu hinzugekommen ist aufgrund der guten Aufklärung und Zusammenarbeit zum Beispiel mit der Initiative Echte Vielfalt, die vom Land gefördert wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte deutlich machen, was Diskriminierung mit einem Menschen macht. In der Regel führt die Benachteiligung dazu, dass sich diese Menschen gedemütigt und erniedrigt fühlen und oftmals nicht Hilfe und Unterstützung suchen. Daher ist es besonders wichtig, dass Sie weiter Aufklärungsarbeit betreiben, dass Sie weiter viel im Land unterwegs sind und mit verschiedenen Netzwerkpartnern darauf aufmerksam machen.
Nichtsdestotrotz möchte ich auch deutlich sagen, dass neben Ihrer unterstützenden Arbeit, die sich eher auf das AGG bezieht, in vielen anderen Fällen Diskriminierung bis hin zu Rassismus in diesem Land Alltag ist. Das zeigt der Bericht sehr deutlich.
Mit großem Respekt vor Ihrer Arbeit möchte ich gern auf Ihre Initiativen beziehungsweise Vorschläge eingehen, die Sie machen, wie wir die Situation verbessern können. Am schönsten wäre es doch, wenn wir es irgendwann schaffen würden, die Antidiskriminierungsstelle falllos, joblos zu machen. Ich glaube, es ist auch in Ihrem Sinne, wenn Menschen in diesem Land aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Herkunft, ihres Alters oder ihrer Behinderung nicht mehr benachteiligt werden.
Es gibt eine Sache, die mich ein bisschen nachdenklich macht - da besteht wahrscheinlich auch ein kleines Versäumnis von mir, aber Kai Dolgner wird sich mit Sicherheit daran erinnern -: Wir haben aufgrund Ihres letzten Berichts bereits eine Bundesratsinitiative angeschoben, das AGG, das ehrlich gesagt - nur eine Krücke ist. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern haben wir das mit Müh und Not und nur durch Zwang und Druck mit der damaligen und jetzigen Bundeskanzlerin Merkel umsetzen können. Hier gibt es maßgebliche Änderungswünsche, die wir damals in der Küstenkoalition miteinander besprochen und auch im Innenund Rechtsausschuss beschlossen haben. Ich würde gern wissen, was daraus geworden ist. Keine Angst, das geht nicht in Ihre Richtung, sondern das geht eher darum, was damals auch aus dem Kabinett heraus gemacht worden ist. Aber ich denke, dieser Frage sollten wir auf jeden Fall nachgehen und schauen, was daraus geworden ist. Ich weiß es nämlich ehrlich gesagt im Moment nicht.
Ich finde es besonders unterstützenswert, dass Sie im Zusammenhang mit der Extremismusstrategie und der Demokratieförderung, insbesondere was Diskriminierung aufgrund der Herkunft und der Hautfarbe anbelangt, hier auch den Hinweis gegeben haben, eine Landesstrategie und ein Landesantidiskriminierungsgesetz auf den Weg zu bringen. Diesen Hinweis nehme ich sehr dankbar auf und werde mich mit Tobias von Pein damit in meiner Fraktion ausgiebig auseinandersetzen.
Es gibt einen Fall, den gerade ich als Frau und vollzeitbeschäftigte Mutter hier noch einmal einbringen will. Das ist der Fall der Mechatronikerin. Es ist wirklich unfassbar, das es so etwas in diesem Land noch gibt: Eine Mutter, Mechatronikerin, zwei Kinder, muss im Schichtdienst arbeiten und fragt ihren Chef, ob sie - im Einvernehmen mit all ihren Kollegen, sie hat nur männliche Kollegen, mit denen sie zusammenarbeitet -, immer nur die Frühschicht ma
chen kann, weil sie dann um 15:30 Uhr Schichtende hat, um ihre Kinder aus der Kita abzuholen. Das wird ihr verwehrt. Wenn ich aus dem Bericht zitieren darf, sagt der Chef: „Es ist nicht unser Problem [wenn Sie Kinder haben] … Sind Sie als Mutter überhaupt in der Lage, Vollzeit zu arbeiten?“ - Das zeigt noch einmal das Rollenverständnis, das hier teilweise in Unternehmen herrscht. Ich finde Ihren Vorschlag sehr wichtig, das als Querschnittsaufgabe zu verstehen und in allen Bereichen auszulegen. Da kommt noch einmal Arbeit auf Sie zu, Herr Minister Buchholz.
- und vor allem auch, was es in Zeiten von Fachkräftemangel bedeutet, gerade Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu diskriminieren. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. - Entschuldigung.