Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

Von Michel de Montaigne stammt der Satz:

„Kein Wind ist demjenigen günstig, der nicht weiß, wohin er segeln will.“

Sie wissen es nicht, oder noch schlimmer: Sie wollen es den Menschen vorenthalten. Die SchleswigHolsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner haben einen Anspruch darauf, vor der Kommunalwahl zu erfahren, woher bei Ihrer Planung der Wind weht. Die Planentwürfe müssen vor dem 6. Mai auf den Tisch. - Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall SPD und SSW)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, der Herr Abgeordnete Tobias Koch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Den Abstand von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung vergrößern: Dazu gab es vor der Landtagswahl ein klares Ja, und zwar von der SPD auf die entsprechende Frage im WahlO-Mat. Hundertausenden von Wählerinnen und Wählern, die sich bei ihrer Wahlentscheidung auf die Hilfe des Wahl-O-Mat verlassen haben, wurde dadurch ein vollkommen falscher Eindruck von der Position der SPD vermittelt. Erzählen Sie uns also nichts von Wählertäuschung, Herr Dr. Stegner, wenn Sie selbst im Wahlkampf mit solch fragwürdigen Methoden agiert haben.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

(Dr. Ralf Stegner)

Die Quittung dafür haben Sie mit dem Wahlergebnis ja bekommen. Die Umfrage aus der letzten Woche zeigt, was die Schleswig-Holsteiner von Ihrer Oppositionsarbeit halten: nämlich rein gar nichts.

(Beifall CDU)

Dazu gehört eben auch Ihre Position, dass Sie an den Windkraftplänen der abgewählten Regierung Torsten Albigs überhaupt nichts ändern wollen. Sie sind abgewählt worden, nutzen aber noch nicht einmal die Chance der inhaltlichen Erneuerung in der Opposition, sondern halten starr an Ihren Thesen fest.

(Christopher Vogt [FDP]: Personelle Erneue- rung würde ja reichen!)

- Das wäre auch ein Anfang.

(Beifall CDU und Kay Richert [FDP] - Unru- he SPD)

Nach dem Willen der SPD soll es bei Abständen von 400 m und 800 m bleiben, ganz genau so, wie Sie es in der letzten Wahlperiode vertreten haben. Wir als CDU hingegen haben uns immer für größere Abstände zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung eingesetzt. Genau das machen wir jetzt auch.

(Lachen Dr. Ralf Stegner [SPD])

Mit dem jetzt in Erarbeitung befindlichen zweiten Entwurf der Regionalplanung Wind werden wir die Abstände von Windkraftanlagen zu Siedlungsgebieten im Vergleich zur bisherigen Planung vergrößern. Gleichzeitig werden wir das vereinbarte Energieziel von 10 GW installierter Leistung im Onshore-Bereich einhalten. Wer bitte schön hätte es für möglich gehalten, dass diese Quadratur des Kreises überhaupt gelingt? - Bei der SPD offensichtlich niemand, denn Sie haben ja noch nicht einmal den ernsthaften Versuch unternommen, hier für die Bürgerinnen und Bürger im Landes etwas Besseres zu erreichen. Jamaika dagegen zeigt, wie es besser geht.

Das ist eine echte Gemeinschaftsleistung, zu der alle drei Partner beigetragen haben. Mein herzliches Dankeschön gilt Grünen und FDP sowie den beteiligten Ministern Robert Habeck und Bernd Buchholz. Selbstverständlich geht mein herzlicher Glückwunsch auch an das federführende Innenministerium, lieber Joachim Grote.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Zu Siedlungsgebieten gilt zukünftig ein Mindestabstand von 1.000 m statt der bisher vorgesehenen 800 m.

(Zuruf Thomas Hölck [SPD])

Außerdem wird für Anlagen ab einer Höhe von 200 m der Mindestabstand noch weiter durch das neu eingeführte Kriterium der fünffachen Höhe heraufgesetzt. Der Innenminister hat darauf hingewiesen.

Wir nehmen also an zwei Stellen Verbesserungen vor - genauso, wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart hatten. Diese höheren Abstände gelingt es zu erreichen, indem wir bei einer ganzen Reihe von Tabu- und Abwägungskriterien Änderungen und Herabstufungen vornehmen: bei Deich- und Küstenschutzanlagen, bei Vorranggebieten für Rohstoffgewinnung, bei Kulturdenkmälern, beim Biotopverbundsystem, bei den Nahrungsgebieten von Gänsen, den Schlafgewässern von Kranichen, bei den Küstenstreifen an der Nordsee, beim Drehfunkfeuer Michaelsdorf, bei Anbaubeschränkungen an Bundesautobahnen und bei nicht sicher nachgewiesenen Horsten des Rotmilans. Meine Damen und Herren, an dieser Aufzählung können Sie erkennen, dass hier wirklich alles noch einmal auf den Prüfstand gekommen ist.

(Sandra Redmann [SPD]: Herzlichen Glück- wunsch!)

Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Genau diese Überarbeitung der Kriterien war immer unsere Forderung, um auf diese Weise zu größeren Abständen zu gelangen, die dann die Akzeptanz der Windenergie in unserem Land stärken.

Wir sind uns in der Koalition auch darüber einig, dass dabei das Energiemengenziel von 10 GW die entscheidende Zielmarke ist und weniger die Frage, ob es dazu 2 % der Landesfläche bedarf. Schließlich geht es nicht darum, eine bestimmte Anzahl von Quadratmetern auf Biegen und Brechen vollzuspargeln, sondern es kommt darauf an, wie viel erneuerbare Energie aus den eingesetzten Windkraftanlagen erzeugt wird. Die Angabe von ungefähr 2 % der Landesfläche ist deshalb nicht mehr und nicht weniger als ein Hilfskriterium für das Erreichen des eigentlichen Energiemengenziels.

Trotz alledem müssen wir feststellen, dass es mit den vereinbarten Änderungen nicht gelingt, die Abstände zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen von

(Tobias Koch)

400 m auf 500 m zu erhöhen. Durch die ohnehin bereits vorgesehene 3-H-Regelung ergibt sich auch hier für eine Standardanlage zwar ein Abstand von 450 m, aber eben nicht die angestrebten 500 m. Das gehört zur Wahrheit dazu: An dieser Stelle geht die Quadratur des Kreises leider nicht vollständig auf.

(Martin Habersaat [SPD]: Aber die haben Sie versprochen, das räumen Sie schon ein?)

Das müssen wir akzeptieren, weil das Erreichen des Energieziels gemäß Koalitionsvertrag Vorrang hat.

Unzutreffend ist dagegen der Vorwurf, dass die jetzt vorgesehenen Regelungen der Regionalplanung Wind an einer zweiten Stelle hinter den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags zurückbleiben würden. Es wird darauf verwiesen - Herr Kollege Dr. Stegner hat eben genau so argumentiert -, dass der 1.000-m-Abstand zu Siedlungsgebieten nur für Neuanlagen, nicht aber für Altanlagen gelte. Meine Damen und Herren, eine Forderung, auch für das Repowering von Altanlagen die Abstände zur Wohnbebauung zu erhöhen, hat es aber weder im CDU-Wahlprogramm noch im Koalitionsvertrag jemals gegeben. Ganz im Gegenteil: Im Koalitionsvertrag ist explizit vereinbart, dass wir ein Repowering von Altanlagen außerhalb der Potenzialflächen ermöglichen wollen. Auch im CDU-Wahlprogramm hieß es dazu, dass solche Bestandsflächen auf Dauer abgesichert werden sollen und es dazu flexibler Abstandsregelungen bedarf.

(Vereinzelter Beifall CDU - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das glauben sogar Ihre eigenen Leute nicht!)

Wir haben immer gesagt, dass dort, wo Windkraftanlagen bereits bestehen, wo sie von der Bevölkerung akzeptiert sind und wo schon die erforderlichen Leitungen vorhanden sind, auch zukünftig ein Repowering möglich sein muss. Die Forderung nach größeren Abstandsflächen hat sich deshalb immer nur auf neu hinzukommende Anlagen bezogen.

Richtig ist aber, lieber Kollege Habersaat, dass wir uns als CDU noch größere Abstände für Neuanlagen gewünscht hätten. Unsere Forderung im Wahlkampf ging über das hinaus, was jetzt im Koalitionsvertrag vereinbart ist und was jetzt mit der Regionalplanung Wind umgesetzt wird.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sehr euphemistisch, Herr Kollege!)

- Richtig ist dabei aber, Herr Dr. Stegner, dass man mit 32 % der Stimmen bei der Landtagswahl nicht der Alleinentscheider im Land ist, sondern es ge

hört in einer Demokratie dazu, dass man in einer Koalition Kompromisse eingeht. Das kennen Sie in der Tat aus eigener Erfahrung.

Bei einer CDU-Alleinregierung hätte das anders ausgehen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ach ja!)

Wir hätten möglicherweise die Tabu- und Abwägungskriterien noch mehr korrigiert als jetzt vorgesehen. Wir hätten versucht, stärker auf offshore statt auf onshore zu setzen,

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das glaubt Ihnen doch kein Mensch!)

und wir hätten vielleicht auch das Energieziel ein Stück weit relativiert.

(Serpil Midyatli [SPD]: Das hat er vor der Wahl auch schon erzählt!)

Meine Damen und Herren, ich will aber genauso deutlich sagen: Auch für uns als CDU ist es wichtig, dass wir die Chancen der Windenergie für unser Land nutzen. Mit einer ganzen Reihe von Anträgen der Koalitionsfraktionen in den letzten Monaten zur Sektorenkopplung, zur Energiespeicherung und zur E-Mobilität - haben wir das hier im Landtag bereits dokumentiert. Und der Kollege Andreas Hein hat sich auf unserer Seite dabei besonders hervorgetan.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Energiewende kann nur dann gelingen, wenn wir alle Beteiligten mit ins Boot holen. Und das sind vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger, nicht zuletzt deshalb, weil sie den überwiegenden Teil der Kosten für die Energiewende zu tragen haben.

Was wir deshalb brauchen, ist ein gesellschaftlicher Konsens zur Energiewende, der sich nicht bloß in dem allgemeinen Ziel erschöpft, sondern auch die konkreten Auswirkungen vor Ort beinhaltet. Als Jamaika-Koalition haben wir uns genau dieser Herausforderung gestellt. Wir haben Energieziele und Abstände zur Wohnbebauung gemeinsam gedacht.